Volksverhetzung (4)

 

16.000 DM Strafe für eine verbotene Meinungsäußerung

 

Der Vorsitzende der oberschlesischen Landsmannschaft machte ungehörige Vergleiche von Verbrechen

 

Die Zeitschrift »Mensch und Maß«, Folge 15/2001, veröffentlichte einen weiteren Fall der Begrenzung der Grundrechte der Meinungsfreiheit:

 

Wer das Verbrechen der Vertreibung für größer hält als den »Holocaust«, macht sich strafbar:

 

»Dr. Walter Sattler, Vorsitzender der Oberschlesischen Landsmannschaft, hat Post von der Staatsanwaltschaft bekommen: einen Strafbefehl über 16.000 Mark wegen Volksverhetzung. Das Geld soll Sattler wegen seiner Holocaust-­Äußerung im Rahmen der 51. Barbarafeier der Landsmannschaft bezahlen. So eine Meldung der Zeitung "Der Neue Tag" vom 17.07.2001. Über seinen Anwalt Ortwin Lowack hat Sattler Widerspruch eingelegt, es kommt zu einer förmlichen Verhandlung vor Gericht.

 

Die Aussage von Dr. Walter Sattler steht fest, sie kann durch eine Bandaufnahme dokumentiert werden, die während der Barbarafeier im November 2000 im Casinosaal gemacht worden ist. Danach hat Sattler in politisch unkorrekter und nach Rechtsauffassung von Staatsanwaltschaft und Gericht strafbarer Weise die Grausamkeit der Vertreibung der Deutschen aus den ehemaligen Ostgebieten nach dem 2. Weltkrieg mit dem Holocaust verglichen.

 

Ein Aktionsbündnis aus Amberger und Sulzbach‑Rosenberger Grünen sowie der Amberger Jungsozialisten hatte den Zahnarzt daraufhin wegen Volksverhetzung bei der Staatsanwaltschaft angezeigt.

 

Deren Ermittlungen führten schließlich zu dem Ergebnis, der Tatbestand des § 130 Abs. 3 StGB, der unter anderem die Verharmlosung von Verbrechen der NS-Zeit behandelt, sei erfüllt. Sattler erhielt aus diesem Grund einen Strafbefehl über 16.000 Mark zugestellt. Gegen den hat sein Rechtsanwalt, der ehemalige CSU­-Bundestagsabgeordnete Ortwin Lowack, sofort Widerspruch eingelegt. Lowack will notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht gehen, um zu klären, "was das Recht auf freie Meinungsäußerung noch wert ist", wie er gegenüber der Amberger Zeitung erklärte.

 

Rechtsanwalt Lowack hat inzwischen noch einmal um Akteneinsicht gebeten, wahrscheinlich werde er zusätzlich zum Widerspruch noch eine Stellungnahme abgeben, so sagte er. Insbesondere werde er der Auffassung der Staatsanwaltschaft widersprechen, wonach die Bezeichnung "Holocaust" heute ganz und gar für die Vernichtung der Juden während des Nationalsozialismus stehe. "Das ist absolut falsch, das wäre vollkommen provinziell", sagte Lowack wörtlich. So sei es beispielsweise in den USA vergleichsweise üblich, den "Holocaust" auch in anderem Zusammenhang zu verwenden.

 

Holocaust nur für die Juden?

 

"Der Holocaust hat im Ursprung überhaupt nichts mit den Juden zu tun", sagte Lowack, im Streit geschiedener langjähriger verteidigungspolitischer Sprecher der CSU im Deutschen Bundestag, und inzwischen mit seiner Partei »Freie Bürger Union« im Raum Bayreuth aktiv Die Bezeichnung "Holocaust" tauche vielmehr zum ersten Mal im Zusammenhang mit der systematischen Ermordung der Armenier durch die Türken nach dem 1. Weltkrieg auf.

 

Keine Probleme hat Ortwin Lowack mit der Darstellung Dr. Sattlers, wonach die Vertreibung der Deutschen der größte Holocaust überhaupt gewesen wäre - der Punkt, an dem sich die Anzeige des Aktionsbündnisses ZAK eigentlich festgemacht hatte.

 

"Selbst wenn es eine Übertreibung von Dr. Sattler wäre, stellt sich immer noch die Frage, inwieweit die Aussage im Rahmen der Meinungsfreiheit gedeckt ist, wie sie im Grundgesetz verankert ist". Er, Lowack, verstehe allmählich die "Hysterie" nicht mehr, die sich inzwischen in Deutschland bei diesem Thema ausbreite. "Das macht mir Angst".

 

Eine notwendige Klärung

 

Lowack zeigte sich von daher entschlossen, den Fall durchzufechten. Notfalls bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung. Dr. Sattler habe doch das Leid der Juden nicht herunterspielen wollen.

 

"Ob die Aussage besonders geschmackvoll war, darüber kann man streiten", gestand Lowack ein. "Dennoch muß eine Klärung stattfinden, was das Recht auf freie Meinungsäußerung noch wert ist".

 

Ausdrücklich sprach sich der Anwalt in diesem Zusammenhang gegen eine deutsche Kollektivschuld am Holocaust an den Juden aus. So etwas gebe es nicht. "Wir sollten aus der Geschichte gelernt haben, das ist doch klar". (E.M.)«

 

Der Rückzieher: Geht Macht vor Recht?

 

Einige Wochen nach dieser Ankündigung des Anwaltes und ehemals hochrangigen Bundestagsmitgliedes Lowack, diesen Fall bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung durchzufechten, nahm er den Widerspruch gegen den Strafbefehl zurück und die 16.000 Mark Strafe wurden rechtskräftig.

 

Vermutlich sahen der Anwalt und der Angeklagte angesichts des ungeheuren Drucks, unter dem Staatsanwälte und Richter in politischen Strafverfahren stehen, keine Chance für ein objektives, sich an das Grundrecht der Meinungs- ­und Glaubensfreiheit haltendes Urteil.

 

Dieser Vorgang zeigt wie viele andere und ähnliche Fälle, wie politische Vorgaben und die Medien einen der Grundpfeiler der freiheitlich demokratischen Grundordnung unterminieren: Hört man sich um, droht das Vertrauen auf die Unabhängigkeit der Justiz und auf die Geltung der grundgesetzlich garantierten Grundrechte bei immer mehr Bürgern verloren zu gehen.

 

Quelle: Recht und Justiz

 

Anmerkung: Kein vernünftiger Zeitgenosse bestreitet, daß während des zweiten Weltkrieges eine Clique von Nazi-Verbrechern  Juden verfolgt und getötet haben. Diese Taten waren nicht nur ein Kulturbruch, sondern eine ausgemachte Barbarei. Soweit in den letzten beiden Jahrzehnten immer wieder von der Singularität der Judenvernichtung gesprochen wird, hat diese Annahme unter Beachtung der "Industriemäßigkeit" des Vorgehens der Täter (Hitler, Himmler, Heydrich, Eichmann usw.) durchaus ihre Berechtigung. Bezogen auf die Grausamkeit der Tötung gibt es in der Geschichte der Massenmorde andere Vorgänge, die insoweit Anspruch auf Singularität erheben können.

Jeder anständige Deutsche muß sich allerdings dagegen wehren, daß die ungeheuerlichen Gräueltaten, die von 1933 bis 1945 verübt wurden, dem (gesamten) deutschen Volk angelastet werden. Schuldig geworden sind nur wenige und die wurden auch weitgehend bestraft. Wenn die Bestrafung oder der Strafvollzug nicht vollständig oder nicht angemessen war, lag dies weitgehend in der Verantwortung der Siegermächte, auch dadurch, daß man unzählige belastete Nazi-Richter und Nazi-Staatsanwälte reaktivierte. Neben den wenigen Tätern gab es geschätzte 10 % der damals erwachsenen Deutschen, die von den Untaten wußten oder gehört hatten. Diese haben sich weder schuldig noch strafbar gemacht. Abgesehen vom Warschauer Aufstand hat es keinen nennenswerten jüdischen Widerstand gegen die Vernichtungsaktionen der Nazis gegeben. Warum sollten die geschätzten 10 % der um diese Vorgänge (oft nur aus unzuverlässigen Quellen) wissenden Deutschen in Kenntnis der Terrorjustiz des Volksgerichtshofs und der Sondergerichte Kopf und Kragen riskieren, dagegen aufzustehen? Gleichwohl hat es diesen Widerstand gegeben und wenn man ehrlich ist, muß man feststellen, daß kein Volk unter Gottes Sonne so tapfer und aufopfernd Widerstand gegen eine verbrecherische Regierung geleistet hat wie die Deutschen. Ich nenne insbesondere die Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter und bekennenden Christen.

An anderer Stelle dieser Homepage wurde dezidiert dargelegt, warum Teile des Volksverhetzungstatbestandes verfassungswidrig sind. Es handelt sich um ein gegen eine spezielle Auffassung gerichtetes die Meinungsfreiheit einschränkendes Gesetz, obwohl Artikel 5 GG nur allgemeine Gesetze als Schranke zuläßt. Außerdem ist das Tatbestandsmerkmal der "Verharmlosung" für eine Strafnorm nicht verfassungskonform anwendbar.

Der Erlaß des Strafbefehls gegen Dr. Walter Sattler war demzufolge fehlerhaft. Sein Strafverteidiger hätte seine ursprüngliche Absicht - durch die Instanzen zu ziehen - in die Tat umsetzen sollen, auch wenn ihm der Amtsrichter die Eingeschränktheit seiner Handlungsfähigkeit signalisiert haben sollte. Es muß allerdings für möglich erachtet werden, daß Dr. Sattler erst vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu seinem Recht gekommen wäre.