Bösartiges Produkt eines Ignoranten
Wer
weiß zum Beispiel, daß solche legendären Anti‑Nazi‑Theologen wie
Pastor Niemöller oder Karl Barth antisemitische
Predigten gehalten haben, in denen sie vom »vergiftenden« Einfluß
der Juden gesprochen oder diese als »hartnäckiges und bösartiges Volk«
verschrien haben? Nach diesem streitbaren und nicht nur in Deutschland
umstrittenen Buch wird es nicht mehr so einfach sein, das einzigartige
Verbrechen unter der Rubrik »im deutschen Namen« abzulegen oder den
beruhigenden Trennstrich zwischen Nazis und »Normalen« aufrechtzuerhalten. Just
hier aber liegt Goldhagens anderes Problem ‑ ein Problem, das eher ein
neudeutsches denn sein eigenes ist. Gewiß: Das Buch ist
auch in England und Amerika heftig attakkiert worden,
aber nirgendwo wütender als in Deutschland im Jahre 51 n. H. (nach Hitler). Die
Kritik läßt sich wie folgt zusammenfassen:
‑ Goldhagens Arbeit sei unoriginell; er habe in
längst abgemähten Feldern nach neuen Körnern gesucht, aber keine gefunden.
‑ Das Buch sei das »bösartige« Produkt eines
»Ignoranten«.
‑ Mangels wirklich neuer Erkenntnisse habe
Goldhagen nur billigen Ruhm per Sensationsmache ergattern wollen.
‑ Er habe seine Biographie (Vater Eric, ein
rumänischer Überlebender, ist dem Tod buchstäblich von der Schippe gesprungen)
in einen (womöglich unbewußten) Rachegesang
umformulieren wollen.
‑ Dieses Buch stellt die Frage »nach dem
intellektuellen Zustand einer Gesellschaft (der amerikanischen), die solche
Thesen für gedanklichen Fortschritt hält«.
‑ die Auschwitz‑Debatte könne doch, »weil
erledigt, nicht jedes Jahr neu aufgerollt werden«.
Quelle: Josef Joffe
"Die Killer waren normale Deutsche, also waren die normalen Deutschen
Killer" in Julius H. Schoeps (Hg.) "Ein
Volk von Mördern? Die Dokumentation zur Goldhagen-Kontroverse um die Rolle der
Deutschen im Holocaust", Hamburg 1996, S. 167 f