Um Enttäuschungen zu vermeiden gleich vorweg: Es
geht hier nicht um die Formel zur physikalischen Erfassung des Universums oder
dergleichen, hinter der Einstein und andere Denker her waren und sind. Dafür
aber geht es um den „Prinzen der Finsternis“ und eine der gelegentlichen
Andeutungen des SPIEGEL über seine eigene hohe Einweihung
Die Spur des Falken – Ortstermin: Der
Pentagon-Berater Richard Perle beim Frontbesuch im Prenzlauer Berg in Berlin
Der Innenhof des ehemaligen Brauereigeländes ist aufgeräumt und frisch geputzt, nur vor der Turbinenhalle wird ein etwas obskures Transparent in die Sonne gehalten: „Klagt Cheney,
Perle & die Strauss-Kabale an“. Die Weltverschwörungssekte des Lyndon La-Rouche warnt vor den angeblichen Schülern des Soziologen Leo Strauss.
Die Bevölkerung bleibt ruhig.
Das Aspen-Institut hat eine Kleinkunstbühne
im Prenzlauer Berg gemietet, um über die Zukunft der Uno zu reden. Die Zuhörer mussten sich
anmelden. Sie sitzen an Tischen wie beim Varieté, es gibt nichts zu trinken.
Richard Perle ist ein Mann mit traurigen Augen.
Gleich zu Beginn springt ein Collegeboy
in kurzen Hosen auf die Bühne und bittet den Gast
aus Amerika höflich um ein Autogramm. Dann bedankt er
sich, dreht sich zum Saal und brüllt:
„Helft uns, die internationalen
Faschisten vor Gericht zu stellen!“ Perle verzieht keine Miene. Der Junge lächelt, steigt von der Bühne und
nimmt zufrieden an einem der vorderen Tische Platz.
„Sie
sind auch bekannt als Prinz der
Finsternis“, sagt der Diskutanten Gesprächsleiter
Jeffrey Gedmin zu Richard Perle, dem auch dies keine ungewöhnliche Begrüßung
zu sein scheint.
Perles Großeltern flüchteten vor den Pogromen aus Russland in die
USA. Er selbst hat später in Washington
dafür gesorgt, die Sowjetunion mit allen
Mitteln totzurüsten. Der Mann dort
auf der Kleinkunstbühne ist einer
der mächtigsten Neokonservativen in
den USA. Einen Präventivkrieg im Irak forderte er schon, als George W. Bush noch von einem Job im Baseballgeschäft
träumte.
Perle macht einen Witz. Es ist die Geschichte
von zwei in Afrika entführten Geschäftsleuten, einem Deutschen, einem Amerikaner,
die vor ihrer Erschießung noch einen Wunsch
frei haben. Der Deutsche möchte über
Unilateralismus und dessen Auswirkungen auf die transatlantischen Beziehungen
dozieren, der Amerikaner bittet nur um
eines: als Erster hingerichtet zu werden.
Es
ist heiß im Saal. Im Hintergrund greint ein
Kleinkind. Mit der gleichen Geschichte hat Perle schon am Vormittag die
Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik zu amüsieren versucht. Auch da mochte niemand richtig
lachen.
Perles Kontrahent auf der Bühne heißt Christoph Bertram,
Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik. Bertram ist älter als
Perle, sieht aber jünger aus. Er wirkt ein wenig zappelig und bestellt
sich ein Bier. Dann spricht er klug und in gewandtem Englisch von der Notwendigkeit internationaler
Absprachen und sagt zur Uno-Skepsis der
Amerikaner: „Sie schütten das Baby
mit dem Bade aus, weil sie das Baby nicht mögen.“
Applaus. Perle hat einen geblümten Notizblock des „Four
Seasons“-Hotels vor sich liegen. Er schreibt
nur in Großbuchstaben, wie Architekten es tun oder andere Leute, die ihre Ansichten in Stein gemeißelt
sehen.
Perle
hat die Macht, Bertram hat das Wort. Während
sein Gegner noch redet, notiert Perle
einige Zahlen und Lettern, es sieht
aus wie eine Formel: „9/11 - WW II – Kosovo“.
Tatsächlich, die
Weltformel. Ausgeschrieben
lautet sie: Der 11. September habe
bewiesen, dass der Starke handeln muss,
solange noch Zeit dafür ist, notfalls auch
allein und ohne Uno-Mandat, wie der Zweite
Weltkrieg und der Einsatz im Kosovo bewiesen hätten. Richard Perle sagt: „Es gibt keine internationalen Mechanismen,
die entscheiden können, wann die Zeit zum
Handeln gekommen ist. Der Sicherheitsrat
kann nicht von einem einzigen Veto
Frankreichs in Geiselhaft genommen werden.“
Die beiden nennen sich „Richard“ und „Christoph“.
Sie kommen von verschiedenen Sternen. Perle sagt „wir“, wenn er von den USA spricht.
Perle sieht aus, als wisse er viele
Dinge, die nicht in der Zeitung stehen. Aber er sagt sie
nicht. Er müht sich nicht, auf die Florettfechterei des Deutschen einzugehen. Internationale
Strafgerichte, sagt er, führten nur dazu,
dass sein Freund Henry Kissinger
beim Paris-Besuch von irgendwelchen
„belgischen Politikern“ belästigt
werde; Saddam habe seine
Chemiewaffen nicht eingesetzt, weil sie so gut versteckt waren, dass
er sie so schnell nicht habe ausgraben können.
Perle wirkt schwerfällig. Weniger Falke als alter
und machtsatter Königsadler. Jemand, dessen Kämpfe hinter ihm liegen und der vom Leben nur noch die Bestätigung seiner düsteren
Prophezeiungen erwartet. Er spricht
vom Terror und von Millionen Toten. „Mit solch einem Argument ersticken Sie jede politische Diskussion“, sagt Bertram.
„Sie sind Straussianer!“, brüllt der Collegeboy von seinem Tisch.
„Nein,
bin ich nicht“, sagt Perle. „Sie sind Straussianer!“ „Ich weiß
gar nicht, was ein Straussianer ist“, sagt Perle. „Doch.“
Dann steigt Perle in eine schwarze Limousine.
Zurück bleiben einige geblümte Zettel
mit dem Logo des „Four Seasons". Die Putzfrau
wird sie gleich wegräumen. Auf dem obersten ist in Großbuchstaben
ein Stichpunkt notiert: „With us or against U. S.“ - mit
uns oder gegen die Vereinigten Staaten. Die Menschen
und der Staat - das ist in den USA
das gleiche
Wort.
Anmerkung: Näheres zur Philosophie des Philosophen Strauss und seiner
finsteren neokonservativen Nachfolger im engsten Umfeld von George „Whisky“
Bush findet der interessierte Leser auf dieser Weltnetzseite (Bitte
Suchfunktion betätigen!)