Wallenbergs Verhängnis

 

Die wahren Gründe der Verhaftung Wallenbergs

 

Von József K. Szegedi

 

Die Geschichte fängt im Jahre 1944 an. Ein großer Teil des ungarischen Heeres (Honvédség) hielt den Kampf an der Sei­te Hitlers für aussichtslos. Als die Sowjets nur noch 50 km von Budapest entfernt waren, planten sie einen Aufstand in Budapest, der die Pfeilkreuzler (ungarische Faschisten) entmachten und Budapest und das Land vor den Kampfhandlungen der letzten Kriegsmona­ten bewahren sollte. Die Organisation nannte sich Magyar Front. Sie wurde aber verraten, und der politische Flügel wurde am 19. Oktober verhaftet. Die Verhafteten haben den militärischen Flügel unter der Leitung von Hauptmann Mikó Zoltán nicht preisgegeben, so daß dieser weiter tätig bleiben konnte. Diese Tätigkeit bestand aus kleineren Sabotageaktio­nen, um bei der Belagerung von Budapest dann den Russen entgegenzukommen. Zu dieser Zeit lernten Hauptmann Mikó und Wallenberg einander kennen. Mikó ließ die von Wallen­berg für die Juden reservierten Häuser vor den Übergriffen der Pfeilkreuzler schützen, er ließ ihnen Lebensmittel zu­kommen und versorgte sie mit Papieren. In diesen Häusern fanden nicht nur Juden Unterschlupf, sondern auch polnische Patrioten. Die polnischen Widerständler lebten bis zur Machtübernahme von Szálasi unbehelligt in Budapest, da­nach wurde es auch für sie schwierig.

Nach Weihnachten 1944, während der Belagerung von Bu­dapest, wandte sich Wallenberg mit der Bitte an Mikó, er sollte das Archiv und einige Wertgegenstände der schwedi­schen Botschaft in Sicherheit bringen. Wallenberg meinte, der sicherste Platz dafür wäre der Keller der Ungarischen Nationalbank, wo auch andere Botschaften Panzerschränke mie­teten, die auch von den Pfeilkreuzlern unbehelligt blieben. Im Januar 1945 fiel die Nationalbank in sowjetische Hände, wo sie nicht nur die Wertgegenstände, sondern auch das Ar­chiv fanden. In diesem Archiv befanden sie auch Dokumente über das Verbrechen von Katyn, die Wallenberg von den mit ihm in Verbindung stehenden polnischen Patrioten erhalten hatte. Die Sowjets verhafteten führende Bankangestellte, die guten Gewissens und nichtsahnend von den Katyn-Dokumenten über die Verbindung Mikó-Wallenberg berichteten. Mikó, der Anfang Januar den Kontakt mit den Russen aufge­nommen hatte, wurde von diesen nach einer Woche sehr freundlicher Behandlung plötzlich verhaftet. Vergeblich suchte die provisorische antifaschistische ungari­sche Regierung nach ihm als einem der führenden Köpfe des antifaschistischen Widerstandes. Die Russen leugneten ein­fach, daß er sich in ihrem Gewahrsam befand. Er wurde mit den bekannten NKWD-Methoden weichge­schlagen. Nein, er wurde nicht beschuldigt, Kenntnisse über Katyn zu haben, da waren die Sowjets gerissener. Die So­wjets unterstellten ihm ein antisowjetisches Komplott, und warfen Mikó und seinen unmittelbaren Untergebenen vor, Partisanenaktionen im sowjetisch besetzten Teil Ungarns so­wie Spionage gegen die Sowjetunion betrieben zu haben. Mikó und seine Gruppe wurden im Juli 1945 nach Constanza (Rumänien) verbracht. Dort kam es zu einem Schauprozeß durch ein Militärgericht der 3. Ukrainischen Armee. Bei die­sem kamen Mikó und sein Stellvertreter, Oberleutnant Bondor Vilmos nach monatelanger (getrennter) Haft und Folter wieder zusammen:

 

"Was wird mit uns, fragte Bondor. Mikó hat mit dem Dau­men nach unten gezeigt und nur geantwortet: Kaputt. Wir wurden mit Wallenberg in Verbindung gebracht."

 

Beim Prozeß wurden Mikó, Bondor und zwei weitere Perso­nen zum Tod durch Erschießen verurteilt. Zwei weitere An­geklagte bekamen 15 Jahre, zwei andere 10 Jahre. Die Schuld Bondors und die der sechs anderen Angeklagten be­stand einzig darin, daß sie Mikó gekannt hatten, dessen Schuld war, daß er Wallenberg gekannt hatte. Wallenbergs Schuld wiederum war, daß er die polnischen Widerständler gekannt hatte und von diesen Dokumente übernommen hatte. Die polnischen Widerständler in Budapest sind übrigens auch von den Russen gefangengenommen und hingerichtet wor­den, nachdem sie sich schon gefreut hatten, Gestapo und Pfeilkreuzlern entkommen zu sein.

In der Todeskammer hat Bondor, der später begnadigt wurde, Mikó darauf angesprochen, ob er gewußt habe, welche Bri­sanz die polnischen Dokumente hatten. Mikó hat die Frage bejaht und gesagt, er habe auch den Schweden gewarnt. Wal­lenberg habe aber die Warnung in den Wind geschlagen. Of­fenbar vertraute er darauf, daß die Amerikaner ihm beistün­den.

Bondor, der im Jahre 1956 freikam und noch im gleichen Jahr in die USA emigrierte, schreibt, die Amerikaner hätten bis Ende der 70er Jahre eine schändliche Rolle in dieser An­gelegenheit gespielt. Das Außenministerium habe versucht, jene Amerikaner mundtot zu machen, die bereit waren zu bezeugen, daß die Katyn-Morde durch die Sowjets verübt wor­den waren.

Die Verurteilten sind im August 1945 ins berüchtigte Zen­tralgefängnis von Odessa verfrachtet worden. Die Hinrich­tungen gingen jede Nacht vonstatten. Einmal ist auch Bondor aufgerufen worden. Er hat sich von Mikó verabschiedet. Bei dieser Gelegenheit sah er ihn das letzte Mal. Bondors Gnadengesuch war angenommen worden, was bedeutete, daß sein Todesurteil in 25 Jahre Zwangsarbeit umgeändert wurde. Später hörte er, daß Mikó noch im gleichen Monat erschos­sen worden war. Mikós Bekleidung habe er an einem Wach­mann erkannt. Im Jahre 1993 bestätigten auch die russischen Behörden die Hinrichtung offiziell.

Nun könnte unsere Geschichte hier zu Ende sein. Wir halten es aber noch für wichtig, über das Schicksal eines anderen Nebenakteurs zu berichten.

Professor Ferenc Orsós war eine international anerkannte Autorität auf dem Gebiet der Gerichtsmedizin. 1943 baten ihn die Deutschen, die internationale Expertenkommission zu leiten, die die Toten von Katyn untersuchen und aufgrund dessen feststellen sollte, wer den Massenmord verübt hatte. Waren es die Sowjets, die bis 1941 die Herrschaft im Gebiet hatten, oder die Deutschen, die es danach erobert hatten? Die Expertenkommission unter der Leitung von Orsós kam zu dem eindeutigen Ergebnis, daß die Morde (4.450 Tote) im April-Mai 1940, also während sowjetischer Herrschaft verübt worden sein mußten. Im "befreiten" Ungarn zahlte Orsós ei­nen großen Preis für diese Meinung. Er wurde vom Volksge­richt zum Hauptkriegsverbrecher erklärt. Sein Glück war, daß die Medizinische Universität Ende 1944 nach Halle eva­kuiert worden war. Die Amerikaner, in deren Obhut er sich befand, weigerten sich, dem Antrag des Volksgerichts auf Auslieferung zu entsprechen. Sie haben ihm aber auferlegt, er müsse über Katyn schweigen und seine Feststellungen ver­gessen. Die weiteren Mitglieder der Expertenkommission, deren die Russen habhaft wurden (ein bulgarisches und ein tschechisches Mitglied), "gaben ihre Fälschungen zu", andere Kommissi­onsmitglieder (ein rumänisches und ein polnisches) wurden vom KGB ermor­det. Die wissenschaftliche Karriere von Orsós war damals beendet; er unterrich­tete seither Kunstanatomie an der Aka­demie von Mainz. Bis an sein Lebens­ende im Jahre 1962 fürchtete er, vom KGB ermordet zu werden.

 

Die Lehren der Geschichte

 

Aus unserer Geschichte ist ersichtlich, daß es den Amerikanern unangenehm war, mit der Wahrheit über Katyn kon­frontiert zu werden. Die Sowjets brach­ten zwar während des Nürnberger Pro­zesses auch die Geschichte von Katyn als Anklagepunkt gegen die Wehr­macht auf, jedoch ließ das IMT die Sa­che später stillschweigend fallen. Dafür inszenierte Stalin im Dezember 1945, also noch während der Nürnberger Pro­zesse, einen Schauprozeß in Leningrad. Bei diesem Prozeß wurden die deutschen Offiziere Ernst Böhm, Ernst Gehrer, Gerhard Janicke, Heinrich Remlinger, Erwin Skotki, Eduard Sonnenfeld und Karl Hermann Strüffling zum Tode verur­teilt. Ihre Hinrichtung erfolgte am 5. Januar 1946. Zu den Hauptanklagepunkten hatte Katyn gehört. Janicke war "ge­ständig" gewesen, einen erbarmungslosen Ausrottungsbefehl von Generalmajor Remlinger ausgeführt zu haben. Stabschef Franz Wiese erhielt 20 Jahre GULag. Er "gestand" im Lenin­grader Schautribunal schaurige Plünderungsverbrechen der Wehrmacht. Offizier Arno Düre, ein weiterer Angeklagter, der nach seinem "Geständnis" mit GULag statt Galgen be­dacht wurde, beschrieb vor dem Leningrader Gericht die Er­mordung russischer Frauen, Kinder und Greise durch die Wehrmacht und erklärte, daß dabei im Wald von Katyn "15000 bis 20000" Menschen, darunter Tausende polnische Offiziere, von den deutschen Truppen erschossen und ver­scharrt worden seien. Und die Amerikaner blieben bezüg­lich des Leningrader Schauprozeß wortlos und kommentar­los. Wohin hätte das schließlich geführt, wenn offizielle ame­rikanische Stellen auf einmal gesagt hätten, die Geständnisse von Leningrad seien durch Folter zustande gekommen? Das ganze Gefüge der Nürnberger Tribunale wäre noch vor der Urteilsverkündung ins Wanken geraten. So schwiegen die Amerikaner und besiegelten damit auch Wallenbergs Schick­sal. Hätten sie nämlich damals gegen den Schauprozeß prote­stiert und vor der ganzen Welt verkündet, daß sie der russi­schen Version in Sachen Katyn keinen Glauben mehr schenkten, hätte das weitere Gefangengehalten Wallenbergs auch kei­nen Sinn mehr gehabt. Jedenfalls haben sich die Sowjets diese Option offengehalten, zumal er ja im Gegensatz zu Mikó und den polnischen Widerständlern nicht hingerichtet wurde. Für die Amerikaner aber sprach eine viel wichtigere Tatsache gegen einen lauten Protest in Sachen Katyn, nämlich daß im Falle Katyn die gleichen sowjetischen Ermittler ermittelt und die Schuld der Deutschen festgestellt hatten, die auch in Sa­chen Auschwitz ermittelt und die Gaskammern der Welt prä­sentiert hatten (www.idgr.de/texte/geschichte/ns-verbrechen/fritjof-meyer/meyer-replik-auf-piper.php).

Viele Beobachter wären womöglich auf den Gedanken ge­kommen, wenn einer in dem einen Fall so offensichtlich lügt, dann könne er das auch in dem ande­ren, Auschwitz betreffenden Fall tun. Verbrecher werden manchmal vom schlechtem Gewissen geplagt. Dies gilt auch für Schreibtischtäter. Nachdem Gorbatschow im Jahre 1990 Katyn als eines der schlimmsten Verbrechen des Stalinismus genannt hat, macht es kei­nen Sinn mehr, im Falle Wallenberg die Wahrheit zu leugnen. Aber nein, die etablierten Historiker erfinden auch heute noch die abenteuerlichsten Ge­schichten über Wallenberg, nur um nicht die unangenehme Wahrheit aus­sprechen zu müssen. Diese Historiker werden zum Teil von der Soros-Stiftung (Soros ist Jude) bei ihren Recherchen gesponsert. Verständlich, daß sie dabei zu einem Ergebnis kommen, welches auch den Sponsor befriedigt. Nicht zufällig fällt dem Verfasser die­ser Zeilen die Geschichte Germar Ru­dolfs ein, der dem Gericht, das ihn an­geklagt hatte, anbot, seine Messungen durch unabhängige Fachleute überprüfen zu lassen, deren Ergebnis er sich dann unterwerfen wollte. Nun, das Gerichte war daran nicht inter­essiert, was nur bedeuten kann, daß die Richter sich im In­nersten davor fürchteten, daß Rudolf recht haben könnte, weshalb sie es nicht wagten, der Sache auf den Grund zu ge­hen. Auch bei Wallenberg haben wir es mit einem ähnlichen Fall zu tun: Heute könnte man ohne weiteres die Verbindung Wallenberg-Katyn offenlegen, zumal diese den etablierten Forschern bekannt sein muß. Das Buch, welches unserem Aufsatz zugrunde liegt, ist seit 1995 auf dem ungarischen Buchmarkt erhältlich und trägt auf dem Titelblatt den Satz: "Die Verbindung von Mikó Zoltán und Raoul Wallenberg im ungarischen Widerstand 1944-1945." ... Aber nein, statt dessen faselt man lieber über Milliardenkre­dite der Schweden, Doppel-, Dreifach- und Vierfachagenten, um bloß die Wahrheit nicht aussprechen zu müssen: Wallen­berg wurde von den Amerikanern geopfert, um die Glaub­würdigkeit Nürnbergs nicht zu erschüttern.

 

Quelle: VffG – Heft April 2004 / S. 78 - 80