Fritz Thyssen und Walther Funk

 

"Auf dem Feld der Wirtschaft fühlt sich Thyssen bei seiner politischen Aktivität am sichersten, dort setzt er mit seiner Arbeit an. Um den Nationalsozialisten mehr Verständnis für die Ökonomie einzubläuen und zugleich die rechten Ideen bei den Wirtschaftsführern populär zu machen, unterstützt Thyssen den Journalisten Walther Funk, dem bereits der Bergbauverband regelmäßig eine kleine Summe zukommen lässt. Der Sohn eines Bauunternehmers studierte Jura, Wirtschaftswissenschaften und Philosophie, arbeitet seit 1916 in der Redaktion der rechtsorientierten »Berliner Börsenzeitung«. 1922 übernimmt Funk die Chefredaktion. Anfang der dreißiger Jahre schließt er sich der Nazi‑Bewegung an und avanciert zu Hitlers persönlichem Wirtschaftsberater und Verbindungsmann zu den Unternehmern. Funk formuliert das »Wirtschaftliche Aufbauprogramm der NSDAP«, eine eigene Publikation, den »Wirtschaftspolitischen Dienst«, nutzt er als Propaganda‑Instrument für die Nazis. Thyssen sieht in dem Wirtschaftsredakteur eine gemäßigte Kraft innerhalb der NSDAP, die die linken Nazis dämpfen und lenken soll. »Nicht weniger wichtig als das, was Funk auf programmatischem Gebiet in den Jahren 1931 und 1932 geleistet hat, war seine damalige Tätigkeit als Mittelsmann des Führers zu den leitenden Männern der deutschen Wirtschaft in Industrie, Gewerbe, Handel und Finanz«, stellt eine Jubelbiografie Funks fest, erschienen im Nazi‑eigenen Eher‑Verlag. »Seine persönlichen Beziehungen zu den deutschen Wirtschaftsführern waren auf Grund seiner bisherigen Arbeit groß und weitreichend. Er konnte sie jetzt in den Dienst Adolf Hitlers stellen und so manchem nicht nur authentisch Rede und Antwort stehen, sondern ihn auch überzeugen und zum Förderer der Partei werben. Das war damals eine ungeheuer wertvolle Arbeit.« Bei seinen Vernehmungen nach dem Zweiten Weltkrieg definiert Funk seine Aufgabe vorsichtiger: »Durch persönliche Einwirkung auf den Führer und die Parteiführung im Ganzen« wollte er Gutes tun. »Der Führer selbst betonte in Gesprächen mit mir und den Wirtschaftsführern, die ich mit ihm bekannt gemacht habe, immer wieder, dass er ein Feind der Staatswirtschaft und der so genannten Planwirtschaft sei.« Genutzt hat dem späteren NS‑Wirtschaftsminister dieser Versuch, sich reinzuwaschen, nichts ‑ er wird 1946 als Kriegsverbrecher zu lebenslanger Haft verurteilt, 1958 aber vorzeitig entlassen.

 

Für Thyssen erscheint Funk in den Jahren vor der Machtergreifung der ideale Transmissionsriemen. Denn der NS‑Wirtschaftsideologe verfügt über Kontakte zur Geldelite. Das zeigt beispielsweise ein Brief des Flick‑Managers Otto Steinbrinck an Funk, datiert vom Dezember 1931: »Herr Baron Kurt von Schröder, Mitinhaber des Bankhauses J. H. Stein in Köln und Vetter des bekannten Londoner Bankiers, ist heute und morgen in Berlin und hätte gerne Sie kurz gesprochen. Er steht seit mehreren Jahren der ganzen Bewegung nahe und hat infolgedessen besonderes Verständnis dafür gehabt, als ich ihm von Ihren neuen Ideen über die Auslandsaufklärung berichtete. Da Herr Baron von Schröder selber über sehr weitgehende Auslandsverbindungen verfügt und durch die engen freundschaftlichen und verwandtschaftlichen Beziehungen mit dem Londoner Welthaus häufig auch mit fremden Bankiers zusammenkommt, beschäftigt ihn naturgemäß die Stellungnahme der Partei zur Frage der Auslandsverschuldung. «

 

Als der Journalist deshalb für seine Arbeit um den Betrag von 100 000 Mark bittet, sagt Thyssen sofort ja. Er veranlasst Ludwig Grauert, Geschäftsführer der Nordwestlichen Gruppe des Arbeitgeberverbands der Deutschen Eisen- und Stahlindustrie, das Geld aus der Kasse des Verbands zu nehmen und Funk zu übergeben. Das führt zu einem Eklat: Verbandschef Ernst Poensgen, Manager der Vereinigten Stahlwerke, erfährt von der heimlichen Geldentnahme und protestiert dagegen; Grauert soll entlassen werden. Thyssen rettet dem Geschäftsführer den Hals, indem er sagt, das Geld sei nur als Darlehen gedacht gewesen und er habe die 100 000 Mark selbst bezahlt.

 

Leider geht der Beschenkte nicht so mit dem Geld um, wie Thyssen sich das vorstellt. Das zeigt sich bei einer München‑Reise Funks: Zusammen mit seinem NS‑Vorgesetzten Otto Wagener stürzt er sich in das Nachtleben der bayerischen Landeshauptstadt. Zuerst tankt Funk in einem Speiselokal reichlich Alkohol. Dann überredet er das Orchester, für ihn ein Lied zu spielen, das er singen wollte. Dem Kapellmeister steckt er dafür 100 Mark zu; das ist mehr Geld, als ein Arbeitsloser im Monat zum Leben hat. Als sich die anderen Gäste über die Karaoke‑Einlage beschweren, wirft der Geschäftsführer des Restaurants Funk hinaus. Danach besucht der Nazi‑Ökonom eine Nachtbar, er ordert lautstark Champagner. Funk trinkt ein paar Schluck, verschwindet in der Damentoilette, kommt wieder zurück, die Klofrau an der Hand, schiebt mit der verdutzten Dame einige Runden übers Tanzparkett und steckt ihr als Belohnung einen Hundertmarkschein zu. Die Folge: Funk fliegt auch aus dem Nachtklub. Im Hinausgehen ruft er den Stammgästen zu: »Das ist Nationalsozialismus!«

 

Quelle: "Der finanzierte Aufstieg des Adolf H." von Wolfgang Zdral, UEBERREUTER, Wien 2002, S. 136 f

 

Anmerkung: Es handelt sich m. E. um das aktuellste Buch zur Finanzierung Hitlers bzw. der NSDAP. Über den weltanschaulichen Hintergrund des UEBERREUTER Verlages muß für den Eingeweihten nicht groß berichtet werden. Das Buch besticht durch eine "flotte Schreibe" und - siehe oben - durch humoristische Einlagen. Welcher staubtrockene Historiker erzählt schon von Saufzügen der Nazi-Elite, Karaoke-Einlagen vor über 70 Jahren und einem Tänzchen mit der Klofrau. Endlich wissen wir, was (wahrer) Nationalsozialismus ist. Außerdem besticht das Buch durch ein umfangreiches Literaturverzeichnis. Leider blendet das Werk den wesentlichen Inhalt der Auslandsfinanzierung aus. Wenn der Fachmann im Personenregister beispielsweise die Namen "Abegg", "Deterding" und "Warburg" nicht findet, wittert er "Zensur aus weltanschaulichen Gründen". Wer sich umfassend über diese Tabuzone der Geschichtsschreibung informieren möchte, sollte sich mit der Bibliographie in dem Beitrag "Hitlers Auslandsfinanzierung (1)" auf dieser Homepage befassen.