Entstehung und Entwicklung des staatsmonopolistischen Kapitalismus
in
der ersten Etappe der allgemeinen Krise
Um das Wesen des
staatsmonopolistischen Kapitalismus in Westdeutschland voll zu begreifen, muß
man seine Geschichte kennen. Sie gibt Antwort auf die Frage nach den Ursachen
seiner Entwicklung sowie nach seinem Klasseninhalt, Antwort darauf, wer
einerseits unter den Bedingungen des staatsmonopolistischen Kapitalismus
zunehmend ökonomische und politische Macht an sich riß und welche Klassen und
Schichten andererseits ausgebeutet und unterdrückt wurden, wer Not und
Entbehrungen erleiden und Millionen Opfer in Krisen und Kriegen bringen mußte.
Der Verlauf der Geschichte der letzten Jahrzehnte spricht das Urteil über
Behauptungen wie die, der Kapitalismus habe sich grundlegend gewandelt und die
alten Klassenverhältnisse der Ausbeutung überwunden.
Gerade in der jetzigen Zeit (1965,
d.B.) sind die historischen Erfahrungen besonders aktuell. „Nur die
Kenntnis der eigenen Vergangenheit und die Beachtung ihrer Lehren läßt uns die
Gegenwart richtig meistern und die Zukunft planen.“ (Walter Ulbricht: Referat zum
„Grundriß der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“. In: Einheit, August
1962, Sonderheft, S. 5) Unter den heutigen Bedingungen des Kampfes gegen die reaktionärsten
Kreise der westdeutschen Monopolbourgeoisie und ihre aggressiven Ziele, des
Ringens um die Erhaltung des Friedens trifft jedoch diese Feststellung nicht
nur auf die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung zu, sondern gleichzeitig
auf die damit eng verbundene Geschichte des staatsmonopolistischen
Kapitalismus in Deutsehland.
Die
Herausbildung des staatsmonopolistischen Kapitalismus ist untrennbar mit der
Entfaltung des Imperialismus verknüpft. Mit dem Entstehen von Monopolen als Resultat
des Wirkens der kapitalistischen Gesetzmäßigkeiten und der weiteren
Vergesellschaftung der Produktion tritt der Kapitalismus in sein höchstes
Stadium ein. Die Monopolherrschaft in Industrie und Bankwesen, die
Herausbildung einer Finanzoligarchie, die gewaltige Bedeutung des
Kapitalexportes, das Ringen der Monopole um die Aufteilung der Einflußsphären,
der Kampf der imperialistischen Staaten um die territoriale Neuverteilung - all
das führte zu bedeutenden Veränderungen in dieser Gesellschaftsordnung. „Der
Imperialismus erwuchs als Weiterentwicklung und direkte Fortsetzung der
Grundeigenschaften des Kapitalismus überhaupt. Zum kapitalistischen
Imperialismus aber wurde der Kapitalismus erst auf einer bestimmten, sehr hohen
Entwicklungsstufe, als einige seiner Grundeigenschaften in ihr Gegenteil
umzuschlagen begannen, als sich auf der ganzen Linie die Züge einer
Übergangsperiode vom Kapitalismus zu einer höheren ökonomischen
Gesellschaftsformation herausbildeten und sichtbar wurden.“ (W. I. Lenin: Der
Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus. In: Werke, Bd. 22, S.
269/270)
Mit
dem Entstehen von Monopolen, dieser tiefsten ökonomischen Grundlage des
Imperialismus (W.
I. Lenin: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus. In: Werke,
Bd. 22, S. 280), wie
sie Lenin bezeichnet, wächst auch der Drang nach ökonomischer und politischer
Herrschaft. Bereits im Prozeß ihrer Herausbildung kommt es zu ersten
Bestrebungen, den Staat in neuer, umfassender Weise ihren Interessen nutzbar
zu machen, die ökonomische Macht der Monopole mit den spezifischen Potenzen des
Staates im Interesse monopolistischer Profite und der Sicherung der
Machtpositionen zu vereinen.
In
Deutschland formen sich bereits vor dem ersten Weltkrieg Elemente des
staatsmonopolistischen Kapitalismus. Seine Herausbildung ist vor allem mit der
allgemeinen Krise des Kapitalismus und ihrer weiteren Vertiefung verbunden. Die Geschichte des
staatsmonopolistischen Kapitalismus erweist sich - resultierend aus den
ökonomischen und politischen Erfordernissen, vor die sich der deutsche
Imperialismus gestellt sah, sowie seiner Krisen und Kriege - als der Prozeß der
Entfaltung seiner einzelnen Seiten, als die schrittweise Entwicklung von
Teilbereichen bis zur schließlichen Entstehung eines umfassenden Gesamtsystems.
Der ökonomische und klassenmäßige Inhalt dieses Prozesses, sein treibendes
Element, besteht in der fortschreitenden Monopolisierung der Profite, im
Streben, die Positionen der herrschenden Klasse zu stabilisieren und die ihrer Gegner,
vor allem der Arbeiterklasse, einzuschränken sowie im Bemühen nach Ausdehnung
der Herrschaft des Monopolkapitals mit den sich jeweils aus konkreten
Bedingungen ergebenden spezifischen Mitteln. Die Entwicklung des staatsmonopolistischen
Kapitalismus stellt sich als Versuch dar, auf reaktionäre Weise den inneren
Widersprüchen dieser Gesellschaft zu begegnen, durch Verschmelzung der Potenzen
von Monopolen und Staat neue Möglichkeiten für eine weitere Entfaltung dieser
historisch überholten Ordnung zu schaffen.
Die
Wechselbeziehungen zwischen Wirtschaft und Staat, ihre Einschätzung ist für
die Analyse des staatsmonopolistischen Kapitalismus besonders wichtig, waren
bereits im vormonopolistischen Kapitalismus von Bedeutung. Der Staat spielte
bei der Herausbildung der kapitalistischen Produktionsweise eine wesentliche
Rolle. „... die Staatsmacht, die konzentrierte und organisierte Gewalt der
Gesellschaft“, wurde, wie Marx hervorhebt, benutzt, „um den Verwandlungsprozeß
der feudalen in die kapitalistische Produktionsweise treibhausmäßig zu fördern
und die Übergänge abzukürzen.“ (Karl
Marx: Das Kapital,
Erster Band. In: Karl
Marx/Friedrich Engels: Werke,
Bd. 23, S. 779)
In
dem Maße jedoch, wie mit der Festigung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse,
der weiteren Entwicklung der Produktivkräfte und der vollen Wirksamkeit der
objektiven ökonomischen Gesetze innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise
die ökonomische Einmischung des Staates in den Reproduktionsprozeß sich zu
einem Hemmschuh entwickelte, in dem Maße ertönte der Ruf nach Freiheit der
kapitalistischen Produktion und des Handels, gegen unmittelbare staatliche
Einmischung in das Wirtschaftsleben. Das Wechselverhältnis von Ökonomie und
Politik änderte sich. Der bürgerliche Staat beschränkte sich mit der weiteren
Entfaltung der kapitalistischen Produktionsweise im Hinblick auf die
ökonomische Entwicklung auf allgemeine Maßnahmen, um vorteilhafte
Voraussetzungen für die Verwertung des Kapitals zu schaffen. Es sei hier verwiesen
auf die Zollgesetzgebung, die Arbeitsgesetzgebung, auf Gesetze zur Schaffung
günstiger Bedingungen für die Industrie usw. Natürlich kam hierbei gleichfalls
den Klassengegensätzen erhebliche Bedeutung zu. Das betrifft beispielsweise
den Kampf zwischen Grundbesitzern und Industriebourgeois in der Frage der
Kornzölle, den Klassenkampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie in bezug auf
die gesetzliche Regelung der Arbeitszeit usw. Die Funktion des bürgerlichen
Staates im Hinblick auf das Wirtschaftsleben beschränkte sich insbesondere
darauf, die allgemeinen gesellschaftlichen Bedingungen im Sinne der
Bourgeoisie zu beeinflussen, ohne im wesentlichen unmittelbar in den
Reproduktionsprozeß einzugreifen.
Die
Lobpreisung des kapitalistischen Marktmechanismus, die Verteidigung eines
durch keine Eingriffe behinderten Wachstums des Kapitalismus war das Credo der
Bourgeoisie in jenen Jahren, in denen diese Ordnung ihren historischen
Höhepunkt noch nicht überschritten hatte und das Wirken der objektiven
ökonomischen Gesetze eine rasche Entwicklung dieser Gesellschaftsformation
sicherte. Marx charakterisiert dies mit den Worten: „Solange das Kapital
schwach ist, sucht es selbst noch nach den Krücken vergangner oder mit seinem
Erscheinen vergehender Produktionsweisen. Sobald es sich stark fühlt, wirft es
die Krücken weg, und bewegt sich seinen eignen Gesetzen gemäß.“ Doch Marx
fährt fort: „Sobald es anfängt, sich selbst als Schranke der Entwicklung zu
fühlen und bewußt zu werden, nimmt es zu Formen Zuflucht, die, indem sie die
Herrschaft des Kapitals zu vollenden scheinen, durch Züglung der freien
Konkurrenz, zugleich die Ankündiger seiner Auflösung und der Auflösung der auf
ihm beruhenden Produktionsweise sind.“ (Karl Marx: Grundrisse der Kritik der politischen
Ökonomie (Rohentwurf), 1857-1858, Dietz Verlag, Berlin 1953, S. 544/545)
Diese qualitative Veränderung in den Beziehungen zwischen
Wirtschaft und Staat deutete sich bereits in den sechziger und siebziger Jahren
des 19. Jahrhunderts an und trat dann um die Jahrhundertwende mit der vollen
Herausbildung der Monopole immer deutlicher in Erscheinung.
Quelle: „Imperialismus Heute“ von Horst Hemberger, Lutz Maier, Heinz
Petrak, Otto Reinhold, Karl-Heinz Schwank, Berlin 1965, S. 11 – 14 (Die
Fußnoten wurden in den Text einbezogen)