Roman Dmowski – ein polnischer politischer Philosoph
(...) Nach 1918 verlangte er (Roman Dmowski, lt. David Hoggan der hervorragendste und beliebteste der neueren politischen Philosophen Polens), Polen solle ein Nationalstaat im strengsten Sinne werden im Gegensatz zu einem Nationalitätenstaat nach altem polnischen oder dem jüngsten Habsburger Vorbild. Dmowski stellte sich dabei kein Polen nur für die Polen vor, sondern einen Staat mit stark eingeschränkten Minderheiten, wie es später Kemal Atatürk in der Türkei und Hitler in Deutschland vorhatten. Er vertrat die Ansicht, daß man aufhören müsse, Minderheiten in das neue Staatsgefüge einzubeziehen, um das Übergewicht der vorherrschenden Volkszugehörigkeit nicht zu gefährden. (R. Dmowski, Polityka Polska i Odbudowanie Panstwa, 2. Aufl. Warschau 1926, S. 35 ff)
Dmowski stellte sich gegen eine ostwärts
gerichtete Ausbreitung auf russische Kosten und wies darauf hin, daß das alte
litauisch-russische Gebiet, ehemals unter polnischer Herrschaft, nicht
assimiliert werden könne. Vor allem waren die Juden in diesen Gegenden sehr
zahlreich und er wollte keine jüdische Minderheit in dem neuen polnischen
Staat haben. Im Jahre 1931 erklärte er, daß „die Judenfrage das größte Problem
für die Zivilisation der ganzen Welt sei“. (R. Dmowski, Swiat Powojenny i
Polska, Warschau 1937, S. 317) Er vertrat dabei den Standpunkt, daß eine
gegenwärtige Lösung der Judenfrage die völlige Austreibung der Juden aus Polen
erfordere, da eine Assimilation unmöglich sei. Er verwarf einerseits den
Versuch aus dem 18. Jahrhundert, eine Assimilation durch Taufen herbeizuführen,
wie andrerseits ein gemeinsames Abkommen auf liberaler Grundlage. Hartnäckig bestand
er darauf, daß die Erfahrung die Sinnlosigkeit beider Versuche bewiesen habe.
Ferner argumentierte er, daß nicht der politische Einfluß der Juden die größte
Bedrohung sei, sondern ihre wirtschaftliche und kulturelle Betätigung. Er
bezweifelte, daß Polen eine angesehene Handelsnation würde, wenn es sich nicht
seiner vielen Juden entledigte. Er erkannte den vorherrschenden Einfluß des
Westens auf die polnische Literatur und Kunst durchaus an, sah aber keine
Möglichkeit, wie die polnische Kultur die jüdischen Versuche, sie zu
beherrschen und zu verzerren, überleben sollte. Er war der festen Überzeugung,
daß die antijüdische Politik der Zarenregierung in Rußland von Nutzen gewesen
wäre. Seine Gedanken zur Judenfrage waren in Polen populär. Entweder stimmte
man ihnen von Anfang an zu oder sie gewannen später die meisten seiner
politischen Gegner. (R. Dmowski, Swiat Powojenny i Polska, Warschau 1937, S.
317)
Quelle: „Der erzwungene Krieg. Die Ursachen und
Urheber des Zweiten Weltkrieges“ von David L. Hoggan, 15. Aufl., Tübingen 1997,
S. 24 (Klammerinhalt in Kursivschrift vom Bearbeiter)