Der Reichstagsbrand

Die volle Wahrheit über den Reichstagsbrand (27.2.1933) läßt sich wahrscheinlich nicht mehr ergründen. Fast alle, die sie möglicherweise kannten, leben nicht mehr. Selbst im Nürnberger Prozeß konnte das Geheimnis nicht geklärt werden, obwohl es wenig Anlaß zu geben scheint, daran zu zweifeln, daß es die Nationalsozialisten selbst waren, die - für ihre eigenen politischen Zwecke - die Brandstiftung vorbereiteten und durchführten (Dieser These wurde nicht nur von Führern der NSDAP widersprochen, sondern auch von Fritz Tobias, einem pensionierten Beamten, der in DER SPIEGEL vom 21.10.1959 bis 6.1.1960 eine Artikelserie veröffentlichte, die in Deutschland, England und Amerika viel Beachtung fand. Tobias spricht die Nationalsozialisten von der Schuld frei und hält Marinus van der Lubbe für den alleinigen Täter. Obwohl Tobias eine Menge interessanter Punkte aufklärt, ist doch seine Hauptbeweisführung nicht restlos überzeugend. Er wirft zahlreiche Fragen auf, die eine Reihe deutscher Schriftsteller und früherer Beamter zu lebhaften Entgegnungen veranlaßten...).

Zwischen Görings Dienstwohnung, dem Reichstagspräsidentenpalais, und dem Reichstagsgebäude befand sich ein unterirdischer Gang, durch den die Rohre der gemeinsamen Zentralheizungsanlage liefen. Durch diesen Gang führte, einer der Versionen zufolge, der Berliner SA-Führer Karl Ernst, ein früherer Hotelpage, in der Nacht vom 27. Februar 1933 einen kleinen SA-Trupp in das Reichstagsgebäude, wo sie selbstentzündliche Chemikalien und Benzin über Teppiche, Vorhänge und Stühle verstreuten, um sich dann schleunigst über den gleichen Weg zurückzuziehen. Zur gleichen Zeit jedenfalls war ein konfuser holländischer Kommunist, der junge Marinus van der Lubbe, in das dunkle, riesige, ihm unbekannte Gebäude eingestiegen und hatte auf eigene Faust an mehreren Stellen kleine Feuer gelegt. Einige Tage zuvor hatte er schon versucht, andere öffentliche Gebäude anzuzünden. In einer Kneipe soll er sich in Gegenwart von SA-Leuten damit gebrüstet haben, daß er als nächstes den Reichstag anstecken wolle.

Es klingt unglaubwürdig, daß die Nationalsozialisten einen kommunistischen Pyromanen aufgegriffen haben sollen, der durchführte, was sie selbst im Sinne hatten, doch liegen nichtsdestoweniger Aussagen vor, die für diese These sprechen. Danach rührte die Idee, den Reichstag in Brand zu setzen, von Goebbels und Göring her. Hans Gisevius, damals Beamter im preußischen Innenministerium, erklärte in Nürnberg: "Goebbels war es, der den ersten Gedanken hatte, den Reichstag anzuzünden." Und der Gestapochef Rudolf Diels sagte in seiner eidesstattlichen Versicherung: "Göring wußte genau, wie der Brand anzulegen war"; er hatte ihm befohlen, "vor dem Brand eine Liste von Personen anzulegen, die unmittelbar danach zu verhaften seien" (Also "die üblichen Verdächtigen" aus dem Filmklassiker "Casablanca").

General Halder, in der ersten Zeit des Krieges Chef des Generalstabes (den man als charakterlich sauber und glaubwürdig einschätzen muß), sagte in Nürnberg aus, er habe einmal Göring sich der Tat rühmen hören:

"Anläßlich eines gemeinsamen Mittagsmahls am Geburtstag des Führers 1942 kam in der Umgebung des Führers das Gespräch auf das Reichstagsgebäude und seinen künstlerischen Wert. Ich habe mit eigenen Ohren gehört, wie Göring in das Gespräch hineinrief: 'Der einzige, der den Reichstag wirklich kennt, bin ich; ich habe ihn ja angezündet.' Dabei schlug er sich mit der flachen Hand auf die Schenkel."

Es ist also nicht ganz von der Hand zu weisen, daß van der Lubbe möglicherweise ein Werkzeug der NSDAP war. Er wurde noch im Reichstagsgebäude verhaftet. Göring sagte später im Reichstagsbrandprozeß, er habe ihn sofort aufhängen wollen. ... Van der Lubbe wurde für schuldig befunden, aufgrund eines (rechtsstaatswidrig!) mit Rückwirkung versehenen Gesetzes zum Tode verurteilt und enthauptet (Es gibt viele angebliche Testamente und Bekenntnisse von Leuten, die behaupteten, mit den Nazis den Reichstag angezündet zu haben oder dabei beteiligt gewesen zu sein, aber ihre Stichhaltigkeit ist ... niemals nachgewiesen worden. Als einigermaßen glaubwürdig galten die Denkschriften von Ernst Oberfohren, einem deutschnationalen Reichstagsabgeordneten, und Karl Ernst, dem Berliner SA-Führer. Beide Männer wurden wenige Monate nach dem Brand von den Nationalsozialisten beseitigt).

Quelle: "Aufstieg und Fall des Dritten Reiches" von William L. Shirer

Anmerkung: Der oben genannte SA-Führer Karl Ernst, übrigens ein butaler, übel beleumdeter Homosexueller, wurde in der "Nacht der langen Messer" anläßlich der so genannten "Röhm-Affäre" (ein "Putsch" war es allemal nicht) liquidiert, der auch u.a. Hitlers Beichtvater zum Opfer viel, der vermutlich wußte, daß Hitler seine Nichte und Geliebte "Geli" auf dem Gewissen hatte. Die Mordliste für dieses Massaker stammte im wesentlichen von Himmler und Göring!!!