Paul Belien - Ein Journalist als Staatsfeind
Das Königreich Belgien, ein
1830 gegründeter Kunststaat, präsentiert sich innerlich immer zerrissener ‑
und darin der EU nicht unähnlich. Es mehren sich die Zeichen, daß der Staat mit
seiner zu etwa 60 Prozent flämischen und zu knapp 40 Prozent wallonischen
Bevölkerung ‑ die aber politisch immer noch dominiert ‑ in nicht
allzu ferner Zukunft entlang dem sprachlich‑ethnischen Graben
auseinanderbrechen könnte. Das Beispiel der Tschechoslowakei, die am 31.
Dezember 1992 endgültig auseinanderfiel, beweist, daß Staatstrennungen auch in
Mitteleuropa möglich sind.
Der 1959 geborene Journalist
Paul Belien hat einiges zum nicht auszuschließenden
Zerfall Belgiens beigetragen. Wenn es um die Mißstände des 10,3-Millionen-Einwohner‑Landes
geht, war er stets an vorderster Berichterstatterfront ‑ und hat seine
Unbotmäßigkeit teuer bezahlt. Belien ist einer der
umstrittensten Publizisten des Königreiches, dem die Behörden neuerdings mit
polizeilichen Schikanen das Leben schwer machen, seit sein Internetportal
"Brussels Journal" erfolgreich eine
Gegenöffentlichkeit aufbaut.
In den späten achtziger Jahren
verlor Belien, ein klassischer Liberaler und zugleich
wertkonservativer Katholik, seine Anstellung bei einer flämischen Zeitung,
nachdem er das Tabu der Abtreibung und die Haltung des damaligen belgischen
Königs dazu ansprach. Später hat er darüber sogar ein Buch ("Abortus, her grote taboe") geschrieben.
Fortan publizierte Belien vor allem in britischen und US‑Blättern. Als
vor zehn Jahren der Skandal um den Kinderschänder Marc Dutroux das Land
erschütterte, erklärte Belien im New Yorker Wall Street Journal die politische
(wallonische) Elite zu Mitverantwortlichen. Die Taten von Dutroux und der
Verdacht, daß dieser ein Netz an Mittätern und Mitwissern bis in die höchsten
Kreise hatte, bereiten vielen Bürgern noch heute Alpträume: Zu viele Ungereimtheiten
gibt es im Fall des mit Sozialhilfe alimentierten mehrfachen Mörders. Mit
seinen scharfen Angriffen auf die belgischen Eliten stach Belien
in ein Wespennest ‑ nach Interventionen hochrangiger Politiker wurde er
beim WSJ zum Schweigen gebracht.
Belien, der
1994 das Centre for the New
Europe (CNE), eine "Denkfabrik" gegen die überbürokratisierte und zentralistische
EU, gegründet und gemeinsam mit der früheren britischen Premierministerin
Margaret Thatcher dazu ein Buch geschrieben hat, betätigt sich seither als
freier Journalist. Seit einem Jahr betreibt er nun das englischsprachige "Brussels Journal".
Dort werden sowohl klassisch
wirtschaftsliberale, als auch euroskeptische und islamkritische Artikel
veröffentlicht. Belien hat etwa zwei Dutzend Autoren
für die Mitarbeit gewinnen können, darunter der konservative britische
Europaabgeordnete Daniel Hannan, mehrere Professoren
und bekannte Internet‑Publizisten wie etwa der Norweger "Fjordman" (http://fjordman.blogspot.com). Manche Beiträge
ziehen Tausende von Lesern an. Die investigative und kritische Berichterstattung von Beliens Mitarbeitern zu den Hintergründen der islamischen
Proteste wegen der dänischen Mohammed‑Karikaturen (JF 10‑11/06) zog
weltweit die Rekordzahl von über eine Million Leser an.
Recht bald wurden auch die
belgischen Behörden aufmerksam. Beliens Seite
berichtet immer wieder über die sich abzeichnende Islamisierung Europas und die
Unwilligkeit der Eliten, sie zu stoppen. Die staatliche Gleichstellungsbehörde
wirft ihm vor, seine Artikel seien "volksverhetzend".
Weil er angesichts des staatlichen Versagens, die explodierende
Schwerstkriminalität einzudämmen, Waffen für die Bürger zur Selbstverteidigung
forderte, erklärte man ihn sogar zu einem Stichwortgeber für einen
rassistischen jungen Amokläufer.
Vor einigen Wochen stand
erneut die Polizei vor seiner Haustür, um ihn zu seiner Gesinnung zu befragen;
diesmal ging es um die Tatsache, daß er seine Kinder zu Hause unterrichtet. Ob
er dazu überhaupt befähigt sei, zweifeln die Behörden plötzlich.
Freilich ist in Belgien
"Hausunterricht" gesetzlich prinzipiell möglich. Belien,
studierter Jurist und promovierter Politologe, und seine Ehefrau Alexandra
Colen, eine frühere Universitätsdozentin, sind intellektuell sicher in der
Lage, eine hochwertige Alternative zur staatlichen Schule zu bieten ‑ die
älteren vier der fünf Kinder haben inzwischen mit Erfolg die Universität
absolviert. Ausschlaggebend für das neuerliche Interesse der Polizei sind wohl
eher Beliens und Colens
politische Ansichten und Aktivitäten. Die gebürtige Irin Colen ist
Parlamentsabgeordnete des rechtsgerichteten Vlaams Belang
(VB), des zwangsumbenannten Vlaams
Blok (JF 48/04), dessen wirtschaftsliberalen Flügel
sie vertritt. Belien, obwohl nicht VB-Mitglied, hat
starke Sympathien für deren Ziele.
Man tritt Belien
nicht zu nahe, wenn man ihn als "Staatsfeind" bezeichnet. Als
klassischer Liberaler tritt er für eine Reduktion des Staates auf ein absolutes
Minimum ein; zudem kämpft er für die Möglichkeit der Sezession, wie sie die
amerikanischen Kolonien vor 230 Jahren vormachten, als die Steuerlast der
fernen britischen Krone unerträglich wurde. Auch viele Flamen empfinden die
fiskalischen Transfers an die von Wallonen dominierte Brüsseler Administration
als unerträgliche Belastung.
Majestätsbeleidigung und Warnung vor Islamismus
Belien
bekämpft den belgischen Staat, den er politisch und moralisch für verrottet
hält. Sein neuestes Geschichtswerk "A Throne in Brussels",
von britischen und US-Rezensenten gefeiert, beschreibt die lange Kette von
Verbrechen, Verfehlungen und Skandalen, die sich das belgische Königshaus in
176 Jahren zuschulden kommen ließ. Beliens
fortgesetzte Majestätsbeleidigung mag also auch ein Grund sein für den
zunehmenden behördlichen Druck, unter dem er steht.
Inzwischen haben schon mehrere
US-Zeitungen den Fall aufgegriffen. Die National‑Review, die einen guten Draht zum Weißen Haus
hat, drohte indirekt mit einer Kampagne, sollte das "Brussels
Journal" behördlich weiter behindert oder Belien
gerichtlich verfolgt werden. Die konservative Washington Times warnte in einem Kommentar: "Die freie Rede
ist in Belgien gefährdet." Die Versuche, Belien
und seine Artikel für die rassischen Spannungen verantwortlich zu machen,
zeigten nur, "wie unwillig die belgischen Behörden sind, die wahren
Probleme anzugehen, die durch die Gemeinden von nicht‑assimilierten
Muslimen geschaffen werden". Es würde, bemerkt die Washington Times, "Belgien ‑ und Europa insgesamt ‑
oftmals nützen, wenn es den Rat des 'Brussels
Journal' beachten würde, anstatt es zu kriminalisieren".
Quelle: CATHERINE OWERMAN in JUNGE FREIHEIT vom
15.9.2006
Das englischsprachige Magazin "Brussels Journal" von Paul Belien
findet sich im Internet unter www.brusselsjournal.com