Aus einem Vortrag von Monsignore Morgenschweis
"Für Wahrheit und Gerechtigkeit"
gehalten in München am 25. November 1966
Ein gewisser Untersuchungsagent
Pular, der in Dachau viel gewirkt hat, der hebt das hervor und sagt: "Wenn das, was in Dachau geschehen ist,
einmal auf die Öffentlichkeit im Recht angewendet wird, was wird dann mit uns
geschehen?" - Das ist es. Man hat ein Recht schaffen wollen für die
ganze Welt und hat ein Recht geschaffen nur für Deutschland, und nicht ein
Weltrecht, nicht wahr, und das ist die grundlegende Ungerechtigkeit, die nicht
aufhören wird. Es steht doch immer die Frage noch offen: Warum nur in
Deutschland heute noch Verfolgung von Kriegsverbrechen? Warum von dort drüben
kein einziger? Diese Frage wird zu Recht erhoben; sie ist der springende Punkt.
Und die Leute haben eben erlebt, wie es da in Dachau zugegangen ist. Da möchte
ich nur das eine ausführen, und zwar: Ich habe hier drei große Zeugen, aus
Dachau selbst. Das ist Leo Pulana, der teilweise selber Verteidiger und Ankläger
war in Dachau; dann habe ich als zweiten einen gewissen Herrn Posern, der in
Mauthausen Häftling und später Helfer für einen Untersuchungsagenten in Dachau
war; dann habe ich als dritten einen deutschen ehemaligen Staatsanwalt namens
Dr. Leiß, . . ., der sich dazu hergegeben hat, in Dachau als Untersuchungsagent
mitzuhelfen. Und alle drei bestätigen das gleiche. Den Vorsitz im
Militärgericht führte ein Offizier, der keine juristischen Kenntnisse hatte.
Unter den Beisitzern war einer, der einige juristische Kenntnisse hatte. Unter
den anderen, den Anklägern . . . waren viele, die Emigranten gewesen waren. In
Dachau hat man sie . . . damals 39er genannt, weil sie 1939 ausgewandert sind,
und nun sind sie als Racheengel mit der Armee von Amerika gekommen, um jetzt
eben in Dachau als Ankläger und Agenten tätig zu sein. Und er schreibt mit
Recht, man habe den Eindruck - ein gewisser Denissen war einer der Schlimmsten
- als hätte man es allein darauf abgesehen gehabt, möglichst viele zum Tode am
Galgen verurteilen zu können - möglichst viele! Man hat nach Hörensagen
geurteilt. Es hat genügt, wenn ein Zeuge gesagt hat, er habe das gehört. Meine
Herrschaften, Kogon hat auch nur gehört und hat so über den SS-Staat
geschrieben, was er nur gehört hat, also nur vom Hörensagen wußte. Ich weiß das
von einem, der mit ihm im Lager war, und zwar ist das einer jener Leutnants,
die damals - 1933 war es, glaube ich - zum KZ verurteilt worden sind, weil sie
der kommunistischen Partei angehört haben. Dieser kam zufällig nach Landsberg.
Er hat mir damals gesagt: Was Kogon sagt, ist nicht wahr, er hat es nicht
erlebt. Kogon hat es später zum Teil auch wieder zurückgenommen und das steht
auch in dem Büchlein Über Galgen wächst
kein Gras. Also, einmal vom Hörensagen. Dann hat alles als Dokument, als
Beweis gegolten, ganz gleich, was für ein Schriftstück es war. Jedes
Schriftstück jeder Art, schreibt er, war Beweismaterial. Es ist zugelassen
worden, Papiere ohne Unterschrift, Maschinenschriftdurchschläge, unbeschworene
Beschuldigungen gegen die Opfer - alles hat man angenommen. Dann das zweite:
Daß man in Dachau ehemalige KZ-Häftlinge als Wachpersonal eingesetzt hat. Er
schreibt da, dies habe eine bedrückende Atmosphäre zur Folge gehabt. Dann
schreibt er, daß viele, wie ich schon gesagt habe, nur unter Druck gehandelt
haben, Untersuchungsbeamte, die in Deutschland landauf, landab gezogen sind,
ehemalige deutsche Emigranten, die als Racheengel gekommen sind, die mußten
eben möglichst viel, viel Material herbeibringen, um möglichst viele anklagen
zu können. Er schreibt mit Recht, man könne auch im Vorverfahren schon schwere
Verbrechen begehen, und das Vorverfahren wäre das Wichtigste für das
Hauptverfahren überhaupt. Und dann schildert er den Fall von Malmedy, auf den
ich nachher noch näher eingehen will. Er weist dabei darauf hin, daß man durch
Scheingerichtsverfahren und andere Dinge die Leute gezwungen hat, das, was
ihnen vorgelegt worden ist, zu unterschreiben, da sie sonst zum Tode verurteilt
würden und das Urteil sofort vollstreckt würde. Darf ich gleich das mit
einflechten: Man hat dort versucht, diese Leute durch Mißhandlungen aller Art
dazu zu bringen, daß sie gestanden. . . .
Dann schreibt der Autor weiter: Ich kam in Dachau in die
sogenannte Bühnenschau - er nennt sie Modenschau - wo sie also antreten mußten.
Im Scheinwerferlicht mußten sie über die Bühne marschieren - sie hatten dabei
eine Nummer umhängen - und drinnen im Saal saßen die Zeugen, diese bekannten
39er. Sie mußten dann dies und jenes gegen die Angeklagten aussagen usw. Vorher
hatte man die Zeugen genötigt, ihren früheren Peinigern ein wenig von dem zu
vergelten, was man ihnen angetan hatte - Rache also. Dann wurden die
Verdächtigen über die Bühne geführt, gegenübergestellt usw., dann beschimpfte
der Untersuchungsbeamte diese Leute, spuckte sie zum Teil an, - schmähte sie -
und dann hat die Meute erst vorgehen können. Es hat genügt, daß man einfach
gesagt hat, das ist der und der, ja, das ist er, der das getan hat. Das hat zu
dem Urteil: Tod durch den Strang genügt. Folgendes ist dabei passiert, wie mir
einer erzählt hat: Auch er wurde hineingeführt. Zufällig war noch Licht im
Saal, und da sah er alle Zeugen sitzen. Er wurde auf die Bühne gestellt, das
Licht ausgelöscht. Dann wurde er angestrahlt und der Zeuge aufgerufen. Dieser
sagte aus: "Der hat meinen Bruder im
Lager erschlagen!" Nun bat der Angeklagte, man möchte im Saal Licht
machen. Das tat man. Dann sagte er: "Herr
Vorsitzender, bitte, sehen Sie: Den ich erschlagen haben soll, der sitzt hier
auf dem Stuhl." Das sagte der Anklagevertreter zu dem anderen Zeugen: "Du Schwein! Jetzt hast Du mich um 40
Dollar gebracht." Das war der zweite Punkt - diese Berufszeugen. Es
gab sogenannte Scheinzeugen, die überhaupt nichts wußten. Diesen sagt man
einfach: "Das und das müßt ihr aussagen."
Diese hat man aus den DP-Lagern usw. herbeigeholt. Sie bekamen rote Zettel;
sie wurden im Lager alle verpflegt und bezahlt. Vor allem bekamen sie sehr
viele Zigaretten, die am Schwarzen Markt wieder verkauft wurden; sie durften
ihre Frauen, ihre Freundinnen mitbringen usw.