Daniel Goldhagens mangelhafte Dissertation

 

Die Welt ist ungerecht, die Medienwelt allemal. Da erscheinen in Amerika die vorzüglichsten Bücher zur deutschen Geschichte und werden kaum zur Kenntnis genommen. ...

 

Dann kommt von dort, von der Universität, nicht von Harvard University Press, eine durch und durch mangelhafte, mißlungene Dissertation, und der Medienwald erzittert, als sei ein Komet eingeschlagen. Ein dutzendmal bin ich von Redaktionen gefragt worden, was ich von Daniel Jonah Goldhagens Buch halte. Ich sage es unverblümt: Es ist nicht auf der Höhe der Forschung, es genügt auch mittelmäßigen Ansprüchen nicht, es ist einfach schlecht. Ich sage das mit Bedauern. Denn ich habe den Verfasser als einen intelligenten, sympathischen jungen Mann in Erinnerung. Er besuchte mich öfter, als er in Ludwigsburg die Akten studierte. Er erzählte mir, er bereite eine Doktorarbeit über die Anfänge der Erschießungen in der Sowjetunion vor. Das war ein gutes Thema. Damit hatte der Mord an den europäischen Juden begonnen, darüber gab es eine wissenschaftliche Kontroverse (zwischen Alfred Streim und Helmut Krausnick), das sollte geklärt werden. Wir hatten sehr intensive Gespräche. Dann scheint ihm seine Frage nicht genügt zu haben, und das führte ihn auf Abwege.

 

Das Buch beginnt voller Fehler. Goldhagen erzählt, wie ein Hauptmann Hoffmann vom Polizeibataillon 101, das in Polen Juden ermordete, einen Befehl verweigerte. Dabei verschweigt er, daß die Geschichte schon in dem Buch »Ganz normale Männer« von Christopher R. Browning steht. Statt dessen betont er, Hoffmann und die übrigen Offiziere des Bataillons seien »nicht SS‑Männer, sondern gewöhnliche Deutsche« gewesen. Die Unterscheidung ist nicht nur fragwürdig, sie ist in diesem Fall auch falsch. Hoffmann war seit 1933 Mitglied der SS. Er sollte sich verpflichten, nicht zu stehlen, zu plündern oder Waren unbezahlt mitzunehmen. Dieser Befehl verletzte, so schrieb er, sein »Ehrgefühl«. Goldhagen liest in den Brief hinein, das habe sich auf Polen, nicht auf Juden bezogen. Tatsächlich stand in dem Befehl nichts Derartiges. Er entsprach Himmlers Richtlinie, beim Morden »anständig« zu bleiben.

 

Quelle: Eberhard Jäckel "Einfach ein schlechtes Buch" in Julius H. Schoeps (Hg.) "Ein Volk von Mördern? Die Dokumentation zur Goldhagen-Kontroverse um die Rolle der Deutschen im Holocaust", Hamburg 1996, S. 187 f, S. 244: EBERHARD JÄCKEL, geboren 1929, ist Professor für Neuere Geschichte an der Universität Stuttgart