Libyen

 

Arabische Republik Libyen ist der Name des Landes, das durch den Staatsstreich vom 1. September 1969 aus der Taufe gehoben wurde. Der ägyptische Journalist Heykal, der als erster von den Vorgängen berichten konnte (Herausgeber des "Al Ahram"), schildert Einzelheiten, aus denen hervorgeht, dass es sich um "eine Revolution gehandelt hat, die noch zehnmal gefährlicher war als die im Irak 1958, die im Herzen des Bagdadpaktes stattfand. Angesichts der Tatsache, daß ein enges Netz englischer und amerikanischer Geheimagenten auf diesem, darüber hinaus so schwach besiedelten Land lag, war es eine volle Überraschung, nicht zuletzt auch für sämtliche arabischen Parteien und alle arabischen politischen Bewegungen. Niemand von ihnen war vorher von den revolutionären Absichten in Kenntnis gesetzt worden." Es ist sicher, daß sie dieser Tatsache ihren Erfolg zu verdanken hat. Heykal nennt sie im übrigen ein "Wunder arabischer Vitalität, größte Reaktion nach der Niederlage vom Juni 1967 gegen Israel". Sämtliche neuen Minister sind unter 30 Jahren, der Ministerpräsident Dr. Mahmoud Suleiman Al‑Maghribi ist ursprünglich palästinensischer Staatsbürger und wanderte erst vor sieben Jahren in das Königreich Libyen ein.

 

Entsprechend klar ist auch die geistig‑politische Linie des neuen Staates. "Der Islam kämpft um die Beseitigung der Klassenunterschiede und will soziale Gerechtigkeit errichten. Diese Art von Sozialismus suchen wir darum" sagt Oberst Muammar Al‑Kazafi, Vorsitzender des libyschen Revolutionsrates. Andere politische Ideologien wie Nasserismus, Baath u. ä. werden daher abgelehnt, dem Kampf aber um Wiedereroberung Palästinas unbedingter Vorrang gegeben. "Energische Maßnahmen gegenüber allen Unternehmen, die mit dem israelischen Feind Handel treiben oder sonstige irgendwelche Beziehungen zu ihm unterhalten" wurden angeordnet, und damit 30 ausländische Kompanien, die bis dahin Kontore in libyschen Häfen hatten, von Staats wegen boykottiert.

 

Darüber hinaus wurden 51 Prozent aller Bankkapitalien vom Staat übernommen und die ausländischen Banken erhielten andere, einheimische Namen. Vorsitzende und die Mehrheit der Vorstandsmitglieder müssen Libyer sein. Die neue Regierung verlegt ihr Schwergewicht von der Kyrenaika auf den Tripolitanischen Teil und steuert das Land in Richtung einer "orientalischen" Politik in enger Zusammenarbeit mit Ägypten und dem Sudan (wo es beispielsweise hilft, mit seinen Flugzeugen den Mahdistenaufstand Anfang 1970 niederzuwerfen). Es wendet sich damit ab von einer rnaghribinischen Politik, wie sie dem Lande, das in seiner Ausdehnung ja seine italienische Geburtsurkunde nicht verleugnen kann, ohne weiteres ebenfalls möglich wäre. Die Gründung. einer gemeinsamen Nachrichtenagentur zusammen mit Ägypten (VAR) und dem Sudan liegt in dieser Richtung.

 

Die geheime Flucht eines libyschen Juden an Bord eines Flugzeuges, das von dem Stützpunkt Wheelus startete, wurde zum Anlaß genommen, auch diesen vertraglich eigentlich den USA zur Verfügung stehenden Stützpunkt zu kontrollieren. Sowohl Wheelus wie Tobruk wurden libyscher Flugkontrolle unterstellt, eine Verlängerung der bestehenden Verträge abgelehnt. Als der englische Außenminister die Dummheit beging, den Sondergesandten des entthronten Königs Idris Anfang Oktober 1969 zu empfangen, war das nur eine Bestätigung für die Notwendigkeit der Revolution im nationalen Interesse. Schon vorher war von arabischer Seite in den UN vorgebracht worden, daß Ju­den unter der Bezeichnung von UN‑Delegierten in Libyen einen Geheimdienst aufgezogen hatten. (Aus einem Artikel in "The American Mercury", Fall 1969, S. 6, der im übrigen darauf hinweist, daß die UN 19 der größten jüdischen Organisationen den Status von "Beratenden Mitgliedern" verliehen hat und so den UN vielfach mehr Juden amtlich angegliedert wurden, als alle übrigen religiösen Organisationen auf der Welt zusammen Vertreter in den UN haben.) Alles dieses war jetzt mit einem Schlage unterbunden worden. Es versteht sich von selbst, daß die von Herrn (Franz Josef) Strauß im März 1969 noch erhoffte "offene Tür für westdeutschen Handel in Libyen" ebenfalls mit dieser Revolution wenigstens so lange verschlossen bleiben wird, als die BRD jüdische Interessen den deutschen voranstellt und Israel unterstützt.  (Strauß machte es sich offensichtlich zu leicht, unterschätzte die antiisraelitischen Strömungen, als er meinte, durch die Hintertür wieder ins arabische Geschäft kommen zu können. Dieser Irrtum, der eine Folge der oberflächlichen Information in Westdeutschland ist, spiegelt sich in der Auffassung, "die ewig Gestrigen haben solche antisemitischen Ideen", "die Altnazis als versessene Judenfresser sehen nicht, daß die Welt ganz andere genetische Impulse hat" (aus dem Brief eines amtierenden Geschichtsprofessors der BRD). Ganz im Gegenteil: Die BRD ist heute in einer ausgesprochen antisemitisch gewürzten Welt und angesichts frechster jüdischer Herrschaftsansprüche und Eingriffe auf der ganzen Welt (als solches werden sie überall empfunden) zu einem Prachteunuchen ausgewachsen. Es paaren sich schlotternde Angst, Geldgier und krankhafte Geltungssucht, um dieses Ergebnis hervorzubringen. Vor den Tatsachen steckt man den Kopf in den Sand. Anstatt dem Volk auftragsgemäß die Augen zu öffnen, werden sie ihm zugebunden. Das ist das Wesen der Bonner Politik, ihr schweres geschichtliches Vergehen gegenüber dem deutschen Volk.

 

Schwerer geschichtlicher Vergehen gegen ihr eigenes Volk machen sich heute auch unzählige andere Regierungen im Westen schuldig. Da spricht der Exponent der freimaurerisch‑kapitalistischen Weltordnung in Argentinien, Staatspräsident Levingston, davon, dass "man Provinzgouverneure auswechseln muß, soweit sie nicht genügend Kontakt mit den führenden Gruppen in der Bevölkerung haben" und der Provinzgouverneur von Catamarca meint, gegen Angriffe sich halten zu können, indem er betont, er habe das Vertrauen der "fuerzas vivas", der "lebendigen Kräfte". Was hinter diesen Bemerkungen steht, enthüllt ein Artikel in der Zeitschrift "Panorama" (26.10.1970, S. 31). Nicht mehr und nicht weniger als die umfangreichste subversive Bewegung, die heute in Südamerika tätig ist, wird dabei ins Rampenlicht der Öffentlichkeit gestellt. Da wird in der Stadt General Rodriguez gegen den Bürgermeister gehetzt. Gründe sind, wie dargestellt wird, eigentlich gar nicht vorhanden. Die Asphaltierung einer Straße soll unnötig, eine Lichtleitung zu teuer gekommen sein. Einer "der improvisierten caudillos der Rebellion ist der Vertreter der Leones (Lions) am Ort", Rotarianer und Leones unterstützen ihn dabei. Der Bürgermeister meint: "Mit den Rotarianern hatte ich auf freundschaftlicher Basis zusammengearbeitet. Mit dem Club de Leones organisierten wir ein Erziehungszentrum. Seit einigen Monaten jedoch überhäufen sie mich mit Anklagen. Die Motive dieser Wendung? Sie sind mir unbekannt, aber ich argwöhne, daß hier dunkle Interessen sich regen (aqui se mueven intereses oscuros)". Es ist ganz das gleiche Bild, welches die vorhergehenden Rebellionen in den Städten Cipolletti, Jacobacci und Bariloche ergaben. Auch bei diesen standen Rotarianer und Leones im Vordergrund und erreichten in einem Fall die Abdankung des Gouverneurs, in zwei Fällen die Absetzung des Bürgermeisters. Immer sind die Motive lokaler Natur. Man wünscht einen Mann aus der eigenen Clique am Ruder. Man hat den Eindruck, als würde mit solchen Rebellionen "gespielt", auf höheren Befehl hin, Generalproben in Vorbereitung einer allgemeinen Strukturwandlung. Und der Präsident der Nation sekundiert von oben: nur, wer mit diesen Gruppen gut steht, kann im Amt bleiben, auch wenn sie nur 5% und weniger der Bevölkerung darstellen.

 

Hinzu kommt die auffällige Aktivität dieser Klubs in Richtung des sozialistisch regierten Chile. Mit der Machtergreifung Allendes kreuzen chilenische und argentinische Abordnungen der Rotarier und der Leones in auffällig reger Folge die Grenze in beiden Richtungen und "besuchen" sich in betonter Herzlichkeit, so daß die chilenische Regierung bereits Listen der daran Beteiligten vorsorglich anlegte. Meint die Welt der nachperonistischen Neureichen in Argentinien der "südamerikanischen Herausforderung" (Panorama) und der "Stunde der Völker" (Peron) mangels Geist mit ihrem Gelde begegnen zu können?) Die 8. Internationale Messe in Tripolis, auf der Finanzminister Strauß der­artigen Optimismus ausdrückte, dürfte daher vorerst die letzte Gelegenheit gewesen sein, westdeutsche Diplomaten auf den Schlachtfeldern des verratenen Rommel anzutreffen. Der einzige Staat Europas, der die neue Lage zu nutzen verstand, war Frankreich. Die Israel versagten Mirage‑Flugzeuge wurden Li­byen verkauft (allerdings bedenke man, daß die Ausbildung eines Piloten für diese Maschinen drei bis vier Jahre dauert und daß die ersten Flugzeuge über­haupt erst Anfang 1971 geliefert werden sollen). Es geht Frankreich um mehr, als um einen Waffenverkauf. Es geht darum, ein Mittelmeer, welches russisch­-amerikanisch geworden ist, wieder mit Hilfe der französischen Gegenwart europäisch zu machen. Das, meint ein Pompidou, "liegt im Interesse des Weltfriedens". In der tunesischen Zeitschrift "Jeune Afrique" macht Béchir Ben Yahmed darauf aufmerksam, daß das Mittelmeer in seinen zwei Hälften zu se­hen ist. Die östliche Hälfte ist krank, doch die westliche könnte mit dem Beispiel einer Neutralisierung durch seine sechs Anrainer wesentlich zur Entschärfung der nahöstlichen Gefahr beitragen: "Alle ernsthafte Mittelmeerpoli­tik sollte in diesem Augenblick eine Vermengung (der beiden Teilbecken) ver­meiden. Nur von einem westlichen, gesunden, erwachsenen und organisierten Mittelmeer aus kann man das Heilmittel für das gestörte Gleichgewicht im östlichen Mittelmeer bringen." Wenn man diesen Schritt nicht tut. läuft man Gefahr, daß das Übel sich bis nach Tanger und Gibraltar ausbreitet. Zu diesen Sechs aber im westlichen Becken gehört Libyen und man darf bedenken, dass einem französischen Non zu den Flugzeugforderungen sicher sofort ein russisches Da gefolgt wäre. Mit seiner Schwerpunktsverlagerung in den östlichen Teil, seinen engen Verbindungen zu Ägypten und dem Sudan geht von Libyen eh die Gefahr einer weiteren Vergiftung (das heißt eines Hereinziehens der Supermächte in dieses Binnenmeer) aus.

 

Noch kurz vor jener Revolution sprach man vom "Wirtschaftswunder eines Entwicklungslandes", wenn man an Libyen dachte. Doch weist die Revolutionsregierung darauf hin, daß zwei Drittel der Einnahmen aus den Ölfeldern an die ausländischen Firmen ging, ein Drittel aber in der 10.000 Bonzen starken Umgebung des Königs verschwand, während der Rest der zwei Millionen Libyer kaum etwas­ davon sah. Erfolge ergaben sich eigentlich nur dadurch, daß man die amerikanischen usw. Ölfirmen verpflichtete, einen Teil ihrer Gewinne direkt für die Entwicklung der Landwirtschaft einzusetzen. Da diese Firmen in der Nähe der Oase Kufra im Süden unterirdische Wasservorräte vom Umfang aller amerikanischen Binnenseen feststellten, andererseits ein Sprühmittel gefunden wurde (als Nebenprodukt des Erdöls), welches Dünen festhält, bis die jungen Eukalyptusbäume sie vor Verwehungen schützen, hoffte man, so die technischen Grundlagen für die Bewässerung von 400.000 Hektar für die Dauer von 800 Jahren gefunden zu haben. Doch das ist nur die technische Seite. (...)

 

Quelle: "Gegen Gott und die Natur. Beiträge zu einer Analyse unserer historisch-politischen Situation" von Juan Maler, Buenos Aires 1971, S. 177 - 179