Hitler populärer denn je

 

Sechzig Jahre nach seinem Tod ist der Massenvernichter populärer denn je. In Indien steht er für Widerstand, in Ägypten für Wohlstand, in Peru für Disziplin. Senegalesen feiern ihn als Helden des Antikolonialismus, Hongkong-Chinesen als Stilikone.


Vermutlich ist Hitler der einzige Europäer, der auch mehr als ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod noch rund um die Welt ein Begriff ist. Andere zeitgenössische Politiker wie Churchill oder de Gaulle kennt man noch innerhalb ihres jeweiligen Sprach- und Kulturraumes; dasselbe gilt für verstorbene Geistesheroen wie Goethe, Kant, Cervantes, Shakespeare. Aber allein der Massenmörder Hitler gehört beispielsweise in Korea, Japan, Namibia oder Uruguay auch außerhalb der winzigen universitären Bildungsinseln zum Figurenkabinett des populären Wissens.

Der Deutsche Hitler ist nicht nur der bekannteste Europäer, sondern neben den Religionsstiftern Mohammed, Jesus, Buddha oder den Schlächtern Dschingis Khan oder Stalin vielleicht eine der bekanntesten Figuren aller Zeiten überhaupt.

Dies ergaben journalistische Stichproben von fünf Weltwoche-Mitarbeitern in den südlichen Regionen der Welt. Für die Europäer, die ihren Kontinent gerne als Wiege der Aufklärung und des Humanismus sehen, ein etwas beschämender Befund. Und ein verwirrender, wenn nicht gar schockierender. Denn Hitler wird von Millionen von Nichteuropäern positiv bewertet. Hört man allerdings genauer hin, klingt die Beunruhigung wieder leicht ab. Meist wird nicht der historische Hitler, nicht der Politiker des Hasses und der Auslöschung gelobt oder gar herbeigewünscht, sondern eine Fantasiegestalt mit wenig wirklichen Eigenschaften. Hitler funktioniert als eine Art Rorschachtest, in den jede Kultur ihre spezifischen Erfahrungen, Vorlieben und Probleme projiziert.

In den korrupten und chaotischen Ökonomien Südamerikas wird Hitler unter anderem als Chiffre für Ordnung und nationale Einheit gelesen. Afrikaner wiederum bewundern in ihm den starken Mann, den Mythos der Macht, aber auch den Feind der ehemaligen Kolonialisten Frankreich und England. Auch in Indien, aus dessen Geschichte Hitler die Ideen mit den Ariern und dem Hakenkreuz übernommen hat, wobei der Subkontinent selber keine antisemitische Tradition kennt, wird Hitler als Helfer im nationalen Befreiungskampf gegen die britische Krone verklärt. In Ostasien andererseits ist Hitler höchstens präsent als ästhetisches Zitat in Modekollektionen, Werbung oder Erlebnisgastronomie – abgekoppelt von Nazipolitik und Zweitem Weltkrieg.

Die Entwarnung gilt jedoch nicht für das arabische und iranische Kerngebiet des Islam. Nicht nur feiert Hitler im Nahen Osten eine Renaissance. Auch das gängige Hitler-Bild kommt dem geschichtlichen am nächsten. Der Unterschied zu den westlichen Auffassungen von Hitler zeigt sich weniger in den historischen Fakten als in der Bewertung derselben. Was im Westen als abscheulichste Tat Hitlers verurteilt wird: die versuchte Ausrottung der Juden, wird dort von vielen als verdienstvolle Politik bewertet. Einziger Vorwurf: Hitler hat die Arbeit nicht ganz zu Ende gebracht.

Quelle: www.weltwoche.ch

 

Anmerkung: Die Einschätzungen in den oben genannten Ländern gibt den Deutschen einmal mehr Veranlassung, endlich eine Historisierung des Nationalsozialismus und des Dritten Reiches vorzunehmen. Die Deutschen, die die wahre Geschichte jenseits der Lügen, Propagandamärchen und Halbwahrheiten der Siegermächte beider Weltkriege kennen, können relativ leicht ihren Frieden mit Hitler finden. Er hat viele Fehler gemacht und schlimme Verbrechen begangen, aber er war keinesfalls das absolute Böse, als das er von interessierten Kreisen dargestellt wird, die oft nur ein trübes Süppchen kochen und von ihrer eigenen schweren Schuld ablenken wollen. JENE aber treibt er noch heute erbarmungslos um, denn für sie gilt um so mehr Schillers Dichterwort vom Fluch der bösen Tat ...