Adolf Hitler und Ferdinand Lassalle
Obernazi und Obersozi mit erstaunlichen Parallelen
1932 vermerkte Dr. Theodor
Heuss (obwohl er als Reichstagsabgeordneter für Hitlers Ermächtigungsgesetz
stimmte, später erster Bundespräsident der BRD; FDP + LONS, d.V.) in seinem Buche
"Hitlers Weg" (9 Auflagen): "Es ist unsicher, wer sich mehr
beleidigt fühlt, der Sozialdemokrat oder der Nationalsozialist, wenn man Ferdinand Lassalle und Adolf Hitler nebeneinander
nennt."
Es ist also verständlich, daß
eine Geistesgeschichte des Dritten Reiches nicht an dem jüdischen Politiker
Lassalle vorübergehen kann, der mit dem wahrscheinlich ebenfalls aus einem
jüdischen Zweig entsprossenen Hitler etliche Berührungspunkte gemeinsam hat, wie
z. B. Führerprinzip, Führerkult und Führerallüren, den Staatskult ‑ der
sich bei Lassalle bis zudem Ausruf "Der Staat ist Gott!" hinreißen
läßt ‑, die religiösen Züge beider Bewegungen, die Allianz mit den
Vertretern des extremsten Konservativismus, die Gegnerschaft zum Liberalismus.
Ferdinand Lassalle, eigentlich Feist Lassal, wurde 1825 als Sohn eines
Seidenhändlers in Breslau geboren. Frühzeitig entwickelte sich der ehrgeizige
und egoistische Burschenschafter, der sehr unter seinem Judentum litt, zum Hegelianer
und Nationalisten. In einem Gespräch sagte er einmal: "Es gibt vorzüglich
zwei Klassen von Menschen, die ich nicht leiden kann: die Literaten und die
Juden ‑ und leider gehöre ich zu beiden." Einen Gegner wie den
Literaturhistoriker Julian Schmidt beschimpfte er als Juden, der "unser Publikum
unmerklich judaisieren" wolle. Einer Freundin bot er an, zum Christentum
überzutreten, falls ihre Eltern es verlangten, denn "Ich liebe die Juden
gar nicht, ich hasse sie sogar ganz allgemein!" Durch den Verkehr mit Karl
Marx wurde Lassalle allerdings auch zum Sozialisten, der für die Unterdrückten
focht. Als Doktor der Jurisprudenz und Rechtsanwalt organisierte er die
Scheidung der zwanzig Jahre älteren Gräfin Hatzfeld und lebte lange Jahre mit
ihr zusammen. Einer neuen Freundin, der bayerischen Diplomatentochter Helene
von Dönniges zuliebe, bekehrt er sich zum Katholizismus und will damit "den
Juden abschütteln". 1864 wird er von dem Verlobten, einem Rumänen, im
Duell erschossen. Damit fand eine Aufsehen erregende politische Laufbahn ein
frühzeitiges Ende, noch bevor ihre endgültige Richtung sichtbar wurde. In
seinem Trauerspiel "Franz von Sickingen" (1859) gibt sich Lassalle bereits
deutschnational und als ein begeisterter Vertreter des deutschen Einheitsstaates
‑ wobei er diese Rolle der Einigung Preußen zudiktierte. Auch in weiteren
Schriften tauchen diese Gedanken und Forderungen immer wieder auf, zuletzt in
seiner Rede über "Die Philosophie Fichtes" (1862) und stellen die
Frage der Freiheit hinter die Frage der deutschen Einheit sehr wohl wissend,
daß die Freiheit auf die Dauer ohne die Einheit nicht gewahrt werden kann. Als
Sozialist vertrat er einen Staatssozialismus mit vom Staate geschaffenen
Produktions-genossenschaften, was zum Bruch mit Karl Marx führte. Am 23. 5.
1863 gründete Lassalle den Allgemeinen Deutschen Arbeiter-Verein (ADAV), dessen
4000 Mitglieder er als Präsident auf Lebenszeit führte. Seine Gruppe hat sich
aber nie zu einer wirklichen politischen Macht entwickelt und schloß sich 1875
mit der Richtung Bebel‑Liebknecht zur deutschen Sozialdemokratie
zusammen.
Als nationaler Sozialist
erstrebte Lassalle ein großes, freies Deutschland mit einer starken, freien
Arbeiterschaft, deren geistige Befreiung ihm mehr am Herzen lag als die
materielle Befreiung ‑ zu welcher sich ja das kommunistische Manifest
bekannte. Er wollte der Arbeiterschaft durch das allgemeine Wahlrecht die
politische Vorherrschaft sichern ‑ auf deren Woge er dann natürlich an
die Spitze des Staates getragen würde, um die "Dynastie Lassalle" zu
gründen, von der er träumte. Dann sei der Staat so umzuwandeln, daß er der ihm
von Fichte und Hegel zugedachten Mission kultureller Art gerecht werde und dem
Entwicklungsprozeß der Menschheit zum Fortschritt hin als führende Macht diene.
Vorbedingung dieser Politik sei selbstverständlich eine starke Regierung ‑
wiederum oben seine eigene. Da sich derartige Wünsche nicht praktizieren
ließen, wollte der Präsident des ADAV die Arbeiterbewegung als "Partei des
Königtums gegen die Bourgeoisie" führen und eine "soziale
Monarchie" unter dem König von Preußen errichten, in der statt der
kapitalistischen Industrie die sozialistischen Genossenschaften bestimmten. Zu
diesem Zwecke knüpfte er über den Verbindungsmann Lothar Bucher Fäden zum
Ministerpräsidenten von Bismarck, mit dem er sogar persönlichen Kontakt
pflegte. Mit dem er sich zwar wahlverwandt fühlte, der ihn aber als "ehrgeizig
im großen Stil" durchschaute. Diese Handlungsweise galt in den Augen der
klassebewußten Proletarier als Verrat an der Arbeiterbewegung, die sich damals
noch besonders doktrinär und internationalistisch gab. Der frühe Tod des
großen Sozialisten hat leider manche guten Ansätze verkümmern lassen. Sein
Gedanke, daß die Arbeiter ihre Rechte friedlich und nicht mit Kampf durchsetzen
sollten, hat sich bewährt. Es gäbe ohne ihn vielleicht keine deutsche soziale
Politik.
Quelle: "Bevor Hitler kam" von Dietrich Bronder, 2. Aufl., Genf
1975, S. 40 - 42