Greuelpropaganda gegen Deutschland

 

Hinsichtlich der Propaganda im 2. Weltkrieg sei eine Unterredung des bekannten Völkerrechtlers, Professor Dr. Friedrich Grimm (1888‑1959), die dieser als Häftling der französischen Besatzungsmacht mit einem Kommandanten hatte, aufgeführt. Professor Grimm berichtet darüber:

 

"In Lindau hatte ich dann ein Erlebnis, das für meine persönliche Einstellung zum Greuelkomplex von entscheidender Bedeutung wurde. Eines Morgens meldete sich bei mir ein französischer Kommandant, der sich als Universitätsprofessor aus Montpellier vorstellte. Er begann ein hochgeistiges Gespräch: das deutsch-französische Problem als geschichtliches Phänomen. Er war sehr beschlagen, und es war ein Genuß, ihm zu folgen.



Plötzlich kam er auf die Greuel zu sprechen: Oradour ‑ Buchenwald. Wie ich dazu mich stelle? Ich erwiderte: 'Da rennen Sie bei mir offene Türen ein. Ich bin deutsch‑französischer Rechtsanwalt, Rechtslehrer und Vizepräsident der Deutsch‑Französischen Gesellschaft. Aus all diesen Gründen bin ich für das Recht, für den Ausgleich, für die Verständigung. Ich nehme es mit all dem sehr ernst. Ich verurteile das Unrecht wie Sie, viel stärker noch als Sie, nicht nur um des Unrechts an sich willen, für das es keine Entschuldigung gibt, sondern als Deutscher, weil es den deutschen Namen entehrt und endlich, weil es mir meine Lebensarbeit zerschlägt. Über die Verurteilung der Greuel als solcher herrscht also Einverständnis. Aber es gibt da zwei Dinge. Die muß man auseinanderhalten: die Greuel selbst als Tatsachen, und die Art, wie davon in der Propaganda Gebrauch gemacht wird. Greuel und Greuelpropaganda sind zweierlei. Die Greuel verurteile ich, die Greuelpropaganda aber auch, auch um der Gerechtigkeit willen und für unser Volk.'

 

Der Kommandant machte Einwendungen. Es sei doch alles sehr seriös. Vor mir lag das Flugblatt von Schirmeck mit dem Greuelbericht über den Bischof von Münster. Ich sagte: 'Ich habe monatelang die Entwicklung der Greuelpropaganda in der Schweiz verfolgt. Jedes besetzte Gebiet kam dran, in einem bestimmten Turnus: Norwegen, Dänemark, Holland, Belgien, Frankreich ... Filme wurden gedreht: 'Wie lange noch?' mit schrecklichen Bildern. Zuerst waren es Hunderte von Toten, dann Tausende, dann Zehntausende, dann Hunderttausende. Ich war erschüttert über diese Zahleninflation und dachte mir: an die Millionen wird man doch wohl nicht kommen. So viel Menschen gibt es ja nicht.'

 

Mein Gegenüber wurde unruhig. Ich fuhr fort: Ich verurteile die Taten, aber ich wende mich dagegen, daß aus so traurigen Vorkommnissen des Krieges Giftwaffen gemacht werden, die den Haß verewigen sollen. Ich wehre mich gegen die Übertreibungen, Verallgemeinerungen und Lügen. Wir wissen doch, wie es im vorigen Kriege war. Wir kennen die Veröffentlichungen des Northcliffe‑Büros, das Buch von Klotz 'De la guerre á la paix', worin er die Erfindung des Märchens von den abgehackten Kinderhänden erzählt, und vor allem das klassische Buch über Greuelpropaganda von Ponsonby: 'Die Lüge im Kriege', in dem die ganzen Methoden der Greuelpropaganda des vorigen Krieges offenbart werden. Ganze Behörden hat es gegeben, die nichts anderes fabrizierten, als Greuelbilder, Leichenbilder und Leichenhaufen durch Photomontage zusammengestellt.'



Da sprang der Kommandant auf: 'Ich sehe, ich bin an einen Fachmann geraten. Ich bin gar kein Professor aus Montpellier. Ich bin vom Contre‑espionnage-­Bureau. Seit einigen Monaten tue ich nichts als das: Greuelpropaganda. Das war die entscheidende Waffe in diesem Kriege, damit haben wir den totalen Sieg erfochten.'

 

Ich erwiderte: 'Jawohl, Sie haben den totalen Sieg. Nun aber wird es Zeit, daß Sie diesen Kampf einstellen!'

 

'Nein', rief nun der Kommandant aus. 'Jetzt fängt es erst richtig an. Wir werden fortfahren, jahraus, jahrein! Wir werden diese Propaganda noch steigern; bis in der Welt der letzte Funke der Sympathie für Deutschland ausgelöscht und das deutsche Volk selbst so restlos zerknirscht sein wird, daß es sich nie wieder erheben kann.'

 

Damit stand er auf, ich konnte ihm nur noch die Worte nachrufen: 'Dann werden Sie eine große Verantwortung auf sich laden.'

 

Quelle: Professor Dr. Friedrich Grimm: "Mit offenem Visier ‑ Aus den Lebenserinnerungen eines deutschen Rechtsanwalts ‑ Als Biographie bearbeitet von Hermann Schild", Leoni am Starnberger See, 1961, Seite 248/249