Hans-Maria Globke
Nichts liegt uns ferner, als kriminelle Altnazis
zu entlasten. Gleichwohl gibt der eine oder andere Fall Gelegenheit, lieb
gewordene Vorurteile zu berichtigen. Ein solcher Fall dürfte in der Person von
Dr. Hans-Maria Globke begründet sein. Durch die Veröffentlichung von Hubertus
Knabe sind wir darauf hingewiesen worden, daß das Vorurteil gegen Globke auf
einer Stasi-Kampagne beruhte, die der Adenauer-Regierung schaden sollte.
Deshalb soll auch ihm Gerechtigkeit widerfahren. Wir lösen uns von dem
undifferenzierten Haß des MfS und plädieren dafür, sich zukünftig mehr mit den
schwer belasteten Nazi-Verbrechern zu beschäftigen, die mit Hilfe der
Geheimdienste von USA + UK oder des Vatikan (!) nach Südamerika oder in den
arabischen Raum verbracht wurden und damit ihrer gerechten Bestrafung entzogen
wurden.
1) "Braunbuch Kriegs- und Naziverbrecher in der Bundesrepublik",
Herausgeber: Nationalrat der nationalen Front des Demokratischen Deutschland,
Berlin 1965, S. 326f
Globke INTELLEKTUELLER JUDENMÖRDER
Hans
Maria
heute: Bis Juli 1963 Staatssekretär im
Bundeskanzleramt; auf Grund der durch die DDR veröffentlichten Dokumente und
Beweismaterialien im Prozeß 1962 gegen Globke vor dem Obersten Gericht der DDR
mußte er von dieser Funktion zurückgezogen werden; dennoch bezieht er eine hohe
staatliche Pension und tritt als Sachverständiger und Entlastungszeuge in
Prozessen gegen Kriegs‑ und Naziverbrecher auf.
Vom ersten bis zum letzten
Tage der Nazi‑Herrschaft war Dr. Hans‑Maria Globke Beamter des
Reichsinnenministeriums. In dieser Eigenschaft verfaßte er eine große Anzahl
von Gesetzen und Verordnungen, die zur Errichtung der nazistischen Diktatur
führten, die die Achtung und Aussonderung der jüdischen Bürger beinhalteten,
und solche, die die "Germanisierung" oder Ausrottung der unterjochten
Bevölkerung bezweckten.
Am 24. März 1933 beschloß der
Reichstag das Ermächtigungsgesetz, das der Hitlerregierung unbeschränkte
Diktaturvollmachten einräumte. In Ergänzung dazu bereitete das Preußische
Innenministerium das 'Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Land' vor.
Verfasser dieses Diktaturgesetzes war Regierungsrat Globke. Aus seiner Feder
stammten außerdem das Gesetz über die Auflösung des preußischen Staatsrates vom
10. Juli 1933 und das preußische Provinzialratsgesetz vom 17. Juni 1933, die
alle parlamentarischen Körperschaften Preußens gleichschalteten.
Als zuständiger Mitarbeiter im
Reichsinnenministerium hat Globke fast das gesamte Gesetzes- und
Verordnungswerk für die Verfolgung der Juden mitverfaßt.
Er gehört mit zu den
Verfassern der Nürnberger Rassengesetze, die im Eichmann‑Prozeß als die
"Grundgesetze für die Endlösung der Judenfrage" bezeichnet wurden.
Er ist derjenige, der die
zwangsweise Kenntlichmachung der Juden mit den zusätzlichen Vornamen
"Sara" und "Israel" erdachte und durch Gesetz einführte.
Im Juli 1940 beauftragte Frick
seinen damaligen Referenten für die besetzten Westgebiete, Dr. Globke,
Bedingungen für einen Diktatfrieden für Frankreich auszuarbeiten. Darin forderte
Globke unter anderm den Raub weiterer französischer Gebiete, die Deportation
aller Juden und Zigeuner in die Vernichtungslager.
Globke war an der Ausarbeitung
der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 beteiligt.
Diese Verordnung schuf die gesetzliche Grundlage für die rücksichtslose
Verfolgung und Vernichtung aller jüdischen Menschen.
Innerhalb des
Reichsinnenministeriums arbeitete Globke das nazistische
Staatsangehörigkeitsrecht aus, das den Okkupationsbehörden die Richtlinien für
die "Germanisierung" oder Ausrottung ganzer Volksgruppen lieferte. Er
veranlaßte, daß die Masse der Bürger der okkupierten Staaten zu
"Schutzangehörigen" oder "Protektoratsangehörigen"
degradiert wurde. Für Polen erfolgte dies durch die von Globke ausgearbeitete
"Verordnung über die Deutsche Volksliste und die deutsche
Staatsangehörigkeit in den eingegliederten Ostgebieten". Ähnliche Gesetze
erarbeitete Globke für die Tschechoslowakei, Litauen, Frankreich, Belgien,
Luxemburg und Jugoslawien.
Für seine Verdienste um die
Durchsetzung der Ziele des Nazi‑Staates wurde Globke mehrfach befördert
und erhielt er hohe Orden und Auszeichnungen.
In der Bundesrepublik konnte
dieser Mann zum ranghöchsten und mächtigsten Beamten avancieren. Als graue
Eminenz im Bundeskanzleramt hatte er seine Hand immer und überall dort im
Spiele, wo gegen die demokratischen Freiheitsrechte vorgegangen wurde. Er
lancierte mit Hilfe des 131er Gesetzes belastete Nazi-Beamte ‑ seine
Gesinnungsfreunde von einst ‑ in höchste Positionen des Bonner Staate.
2) DER SPIEGEL 20 / 1999 / 121: "Knechte des Gesetzes" von
Henryk M. Broder
"...Im April 1951
beschloß der Bundestag ein Gesetz, das mit seinen späteren Änderungen zur Folge
hatte, daß beinahe alle ehemaligen NS‑Beamten einen "Rechtsanspruch
auf Wiedereinstellung" hatten und außerdem auch das Recht, ihre Bezüge für
die Zeit der Nichtbeschäftigung nachzufordern. Mit dieser Regelung, so Autor
Müller, "fanden über 90 Prozent der nach 1945 entlassenen Nazi-Beamten
wieder zurück in den Staatsdienst". So wurde die Mitgliedschaft in der
NSDAP faktisch Voraussetzung, für die Einstellung in den öffentlichen
Dienst". Überspitzt: Ehemalige Pgs (Parteigenossen, d.V.) hatten bessere
Chancen, übernommen zu werden.
Noch bevor sich 1949 die
Bundesrepublik auf den Ruinen des Dritten Reiches etabliert hatte, war der
juristische und administrative Unterbau bereits fertig. Er bestand zum größten
Teil aus dem Personal des Dritten Reiches ‑ Juristen und Beamten, die
ihren "Rechtsanspruch" auf Weiterbeschäftigung entschlossen
einforderten, die aber auch wirklich gebraucht wurden. Denn mit den wenigen
Unbelasteten war kein Staat zu machen.
Als Symbol der
"Renazifizierung" der jungen Republik galt der Jurist Dr. Hans
Globke, den der Antinazi Konrad Adenauer bereits 1949 ins Kanzleramt holte, wo
er von 1953 bis 1963 als Staatssekretär und
einflußreicher Berater des Kanzlers diente.
Davor war Globke von 1933 bis
1945 in verschiedenen Funktionen im ehemaligen Reichsministerium des Inneren
tätig gewesen und maßgeblich an der Kommentierung der Nürnberger Rassengesetze
beteiligt. Eine "Internationale Kommission zur Untersuchung der
Wiederverwendung von Nazi‑Juristen in der Bundesrepublik" stellte
1962 in Warschau fest, Globke habe "an der Ausarbeitung von Gesetzen, Verordnungen
und anderen Rechtsakten mitgewirkt, die die rechtliche Grundlage und Handhabe
bildeten für die Durchführung ... der 'Germanisierung', der Entrechtung,
Vertreibung und systematischen Vernichtung der Juden sowie großer Teile der
Bevölkerung in den ... okkupierten Ländern, insbesondere Polen und der
Tschechoslowakei".
Globkes NS‑Karriere war
im Westen wohlbekannt, disqualifizierte ihn aber nicht im geringsten für seine
Beschäftigung im neuen Deutschland. Er selbst gab an, nur ein kleines Rädchen im
großen Nazi‑Getriebe gewesen zu sein, allzeit bemüht, das Schlimmste zu
verhindern. Er wurde bei der Entnazifizierung nur als "Mitläufer"
eingestuft und hatte, wie viele seiner Zeit, nach 1945 dem Nationalsozialismus
innerlich ablehnend gegenübergestanden.
Er sei, fiel ihm ein, wegen
seiner aktiven Mitwirkung bei der Verschwörung gegen Hitler vom 20. Juli 1944
noch Ende April 1945 beinahe verhaftet worden, und er habe nie einen Eid auf
Hitler geleistet, weil er bei der Eidesleistung "in einer Nische" gestanden
habe. An seinen Händen klebe kein Blut, sein Herz sei rein. Daß die Angriffe
und die Akten vor allem aus dem Osten kamen, machte es einfach, die
"Kampagne" gegen den tüchtigen Staatssekretär als kommunistische
Propaganda abzutun.
Globke war nur die exponierte
Spitze einer Pyramide aus Beamten und Juristen, die nach unten immer breiter
wurde. Die Internationale Juristenkommission sprach 1962 in ihrem Report von
952 NS‑belasteten Richtern und Staatsanwälten, die "immer noch ...
in der Justiz der Bundesrepublik tätig sind". Über die Zahl der Beamten,
die NSDAP-Mitglieder gewesen waren, aber dennoch wieder amtierten, machte die
Kommission keine Angaben. Sie dürfte erheblich höher gewesen sein.
Dabei kann man nicht
behaupten, die Bundesrepublik habe nichts unternommen, um die flinken
Wendehälse loszuwerden, nachdem sie in ihrer Gründungsphase alles getan hatte,
um sie zu resozialisieren....
3) DER SPIEGEL 43 / 1994 / 44f: "Ich will unser Blut zurück"
SPIEGEL-Gespräch mit Egon Bahr
SPIEGEL: Die Adenauer‑CDU hat nach 1945 schnell ihren
Frieden mit den Alt-Nazis gemacht. Ihr Vorbild?
Bahr: Das äußere Symbol der Aussöhnung mit den Mitläufern der
NSDAP war natürlich Globke im Kanzleramt. Ich hab' das damals für falsch
gehalten. Ich muß rückblickend sagen: Ich halte es heute für eine der großen
staatsmännischen Leistungen Adenauers.
SPIEGEL: Die SPD war damals empört nicht nur aus Taktik.
Bahr: Ich übrigens auch. Aber wir haben dann selbst ein Stück
Aussöhnung mit der Großen Koalition erreicht. Da gab es einen Kanzler Kurt
Georg Kiesinger, der war Mitglied der NSDAP gewesen und hatte im
Außenministerium von Ribbentrop gearbeitet, und wir haben daneben einen
Vizekanzler und Außenminister gesetzt, das war der Emigrant Willy Brandt. Wir
hatten die Kröte Strauß zu schlucken, und die anderen haben den Ex-Kommunisten
Wehner akzeptiert. Warum fällt uns das heute so schwer. ...
4) Hubertus Knabe: "Die unterwanderte
Republik - Stasi im Westen", S. 462 f
Dr.
Hans Globke (1898‑1973) war in der Weimarer Republik Mitglied der
Zentrumspartei und Regierungsrat im Preußischen Innenministerium. Nach der
Machtergreifung der Nationalsozialisten verblieb er ‑ auf Bitten
oppositioneller Kreise wie er selbst und Überlebende des Widerstands später
erklärt haben ‑ in seinem Amt, trat aber nicht der NSDAP bei. Nach der
Verkündung der Nürnberger Rassegesetze, an deren Abfassung Globke keinen Anteil
hatte, kam es zu Auseinandersetzungen zwischen NSDAP und Innenministerium über
deren Auslegung. Im Auftrag des Staatssekretärs Wilhelm Stuckart verfaßte
Globke deshalb einen Kommentar, dem letzterer eine ideologische Einleitung
voranstellte. Globke zufolge sollte der Kommentar dazu dienen, die für die
Betroffenen günstigste Auslegung amtlich festzuschreiben. Nach dem Krieg wurde
er tatsächlich als der mildeste Kommentar bewertet und festgestellt, daß durch
seine Interpretation Tausenden von sogenannten Mischlingen das Leben gerettet
worden sei. Zahlreichen Dankschreiben zufolge half er vor allem bei sogenannten
Mischehen und Halb- oder Vierteljuden den Betroffenen mit juristischen
Ratschlägen. Nach Kriegsbeginn, als die Rassendiskriminierung in die
Rassenvernichtung überführt wurde, war Globke mit Rassefragen nicht mehr
befaßt. In dieser Zeit hielt er vielmehr, nach Aussagen von Jakob Kaiser und
anderen Mitgliedern des Widerstands, engen Kontakt zur Opposition und war als
Staatssekretär einer neuen deutschen Regierung nach dem Hitler‑Attentat
vom 20. Juli 1944 vorgesehen. Auch der Berliner Bischof von Preysing berichtete
1946, Globke habe der Kirche Kenntnis von streng geheimgehaltenen
Gesetzentwürfen gegeben. Beim Internationalen Militärtribunal in Nürnberg sagte
Globke als Zeuge im Wilhelmstraßenprozeß aus; Anklage gegen ihn wurde ‑
anders als gegen den Mitverfasser des Kommentars, Staatsekretär Stuckart, der
zu drei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt wurde - nicht erhoben.
Hauptankläger Robert Kempner, der Globke noch aus seiner eigenen Tätigkeit im
Innenministerium kannte, stellte sich vielmehr ohne Abstriche hinter ihn. 1947
wurde Globke dann in einem förmlichen Entnazifizierungsverfahren als unbelastet
eingestuft. Erst nach seinem Eintritt in das Bundeskanzleramt wurden Vorwürfe
laut wegen seiner Kommentierung der Rassegesetze. Zu seiner Entlastung standen
ihm seinerzeit jedoch fast nur Aussagen von Zeugen zur Verfügung, da die Akten
des ehemaligen Innenministeriums in der DDR lagerten. Noch Ende der 70er Jahre
verweigerte die Staatliche Archivverwaltung in Potsdam unabhängigen Historikern
aus der Bundesrepublik die Einsicht in die Unterlagen.
5) Erst geraume Zeit nach der Zusammenstellung obiger vier Textauszüge
und der Formulierung des Vorspanns wurde ein weiterer Beitrag ermittelt, den es
unbedingt nachzutragen gilt und der wiederum Knabes Apologie in einem
zweifelhaften Licht erscheinen läßt. Immerhin beruft sich Carmin auf
Kapazitäten wie Adolf Arndt und Bernt Engelmann. Der nachfolgende Auszug findet
sich in "Das schwarze Reich - Geheimgesellschaften und Politik im 20.
Jahrhundert" von E. R. Carmin, Heyne, München 1994, S. 420 -423. "Das
schwarze Reich" und "Im Namen des Staates" von Andreas von Bülow
sollte jeder deutsche Schüler - gleich, ob Haupt-, Real-, Ober- oder
Gesamtschüler - gelesen haben, bevor er als volljähriger Bürger an der
Gestaltung des Gemeinwesens mitwirkt.
Da wäre zum Beispiel die
schillernde Figur des 1898 in Düsseldorf geborenen Sohnes eines gut
katholischen Textilkaufmannes, Dr. Hans Josef Maria Globke, während der
Regierung Adenauers 14 Jahre lang Staatssekretär im Bundeskanzleramt und auch
schon vorher im politischen Leben des aus der Erbmasse des Dritten Reiches sich
herausentwickelnden embryonalen westdeutschen Staatsgebildes eine maßgebliche
und überaus einflußreiche Persönlichkeit. Als Student der Rechtswissenschaften
trat er den Bonner Bavaren im Cartellverband (CV) der katholischen Studenten
bei. 1922, nach der Promotion zum Dr. jur. magna cum lande, bewarb sich der
inzwischen der katholischen Zentrumspartei beigetretene Jurist um eine
Anstellung im Staatsdienst und hatte bereits 1925 den Posten eines
stellvertretenden Polizeipräsidenten von Aachen inne, nicht zuletzt dank
hervorragender Beziehungen zum katholischen Episkopat. Noch unter der
Kanzlerschaft des Zentrumspolitikers Brüning wurde er Referent im
Reichsministerium des Inneren. Als die Nazis die Macht übernommen hatten und
der spätere Hauptkriegsverbrecher Dr. Wilhelm Frick Innenminister geworden war,
wäre eigentlich zu erwarten gewesen, daß Globke als Mitglied einer der
»Systemparteien« und somit »national unzuverlässig« seine steile Beamtenkarriere
hätte beenden müssen.
»Für einen überzeugten
Demokraten wäre es ohnehin an der Zeit gewesen, seinen Abschied zu nehmen«,
schreibt dazu Bernt Engelmann, »Aber Dr. Globke blieb im Amt, weil ihn ‑
so behauptete er jedenfalls später ‑ Parteifreunde vom Zentrum sowie
kirchliche Stellen dringend darum baten. Er wurde von den Nazis auch nicht
hinausgeworfen, im Gegenteil: Bereits im Oktober 1933, kaum daß der Vatikan ein
Konkordat mit den neuen Machthabern in Berlin geschlossen hatte, wurde Regierungsrat
Dr. Globke zum Oberregierungsrat befördert. Im Innenministerium war durch die
Entlassung eines jüdischen Beamten, des Ministerialrates Friedrich
Wittelshöfer, eine Planstelle freigeworden, und >daher< ‑ wie es in
dem Vorschlag zur Beförderung hieß ‑ könne Dr. Globke nun aufrücken (was
ihm aber zunächst nicht gelang). Der dienstentlassene Wittelshöfer und dessen
Ehefrau wurden übrigens acht Jahre später, durch Erlaß des Reichsministeriums
des Inneren vom 4. März 1941 , der deutschen Staatsangehörigkeit für verlustig
erklärt und ihr gesamtes Vermögen beschlagnahmt, und zwar aufgrund von
Durchführungsverordnungen, die der immens fleißige Dr. Globke ausgearbeitet
hatte. «
Kurz
und gut: Globke war der für Judenfragen zuständige Mann im Reichsinnenministerium,
sozusagen "der Spezialist für Judenangelegenheiten", und sein
Referat war es gewesen, das den gesamten gesetzlichen Rahmen für die totale
Entrechtung der Juden bildete. Voraussetzung für ihre »Aussiedlung« und spätere
Vernichtung. Auch die Durchführungsbestimmungen
für die entsprechenden Gesetze, von Bormann und Himmler lebhaft begrüßt,
stammten von Dr. Globke. Sein Kommentar zu den Nürnberger Rassegesetzen fand
den besonderen Beifall des wohl fanatischsten Nazis unter den damals führenden
Juristen, des späteren Präsidenten des Volksgerichtshofes, Dr. Roland Freisler.
»Hier handelt es sich um mit
Paragraphen verübte Ächtung, um mit Paragraphen verübten Mord, und Herr Dr.
Globke hat das ganz genau gewußt!« erklärte am 12. Juli 1950 der
sozialdemokratische, im Dritten Reich von den Nazis verfolgte Jurist Dr. Adolf
Arndt im Bundestag zu Globkes Kommentar und fügte hinzu: »Er war bei Seyß‑Inquart
im Haag, bei Bürckel in Metz, bei Wagner in Straßburg, bei Forster in Danzig,
bei Neurath und Karl Hermann Frank in Prag, bei Antonescu in Bukarest und bei
Tiso, Mach und Karmasin in Preßburg. Das sind nur einige dieser Reisen.
Überall, wo dieser Ko‑Referent für Judenfragen mit dem SS‑Obergruppenführer
Stuckart erschien, soll natürlich von Juden ‑ außer in Straßburg, wofür
ein Dokument vorliegt, das ist das Pech! ‑ nie gesprochen worden sein und
soll das Reichsinnenministerium nur als Hort und Hüter der Juden in Erscheinung
getreten sein. Aber alle Welt weiß, daß von diesen Plätzen aus und nach diesen
Besprechungen sich die Blutspur der gemarterten und gemordeten Juden in die
Vernichtungslager nach Auschwitz und Maidanek zog. Und Herr Dr. Globke wußte um
diese Greuel! Er hat es selbst als Zeuge zugestanden, und sein Kollege, der
Ministerialrat Lösener aus dem Reichsinnenministerium, der der erste Referent
für Judenfragen und ursprünglich ein erklärter Nationalsozialist war, konnte
dieses Unsagbare nicht auf sein Gewissen nehmen und hat ausdrücklich mit diesem
Grunde seinen Abschied verlangt und ist zum Reichsverwaltungsgerichtshof
übergegangen. Aber Herr Dr. Globke blieb ...«
Und zwar bis kurz vor
Kriegsende, als der zuständige Sachbearbeiter für alle administrativen
Maßnahmen, die der Entrechtung von Juden, Mischlingen, Rheinlandbastarden,
Zigeunern sowie von Angehörigen slawischer und anderer minderrassiger
Volksgruppen dienten.
»Darüber hinaus wurde Dr.
Globke im Geschäftsverteilungsplan des Nazi‑Regimes vom 15. Januar 1945
insgesamt dreißigmal aufgeführt, an erster Stelle im Geschäftsbereich des
Generalbevollmächtigten für die Reichsverwaltung als dessen Referent für
>Allgemeine Angelegenheiten und Geschäftsführung<, also praktisch die
rechte Hand des Ministers. Dabei ist anzumerken, daß dieser Minister, dem der
unentbehrliche Ministerialrat Dr. Globke >in unzweifelbarer Loyalität, fast
bis zum bitteren Ende diente, seit dem 24. August 1943 nicht mehr Dr. Wilhelm
Frick war, sondern der Reichsführer SS, Heinrich Himmler. «
Hier begegnet man in der
Person Dr. Globkes einmal mehr dem bemerkenswerten Tatbestand, daß maßgebliche
Persönlichkeiten des Dritten Reiches offenbar entweder Agenten ausländischer
Mächte und Kräfte waren, beziehungsweise daß deren emsige
nationalsozialistische Betätigung in Wirklichkeit eine gut getarnte Form des
Widerstandes gewesen sein soll.
Dies gilt vor allem für Dr.
Globke, der sich rechtzeitig vor der Einschließung Berlins durch die
Sowjetarmee nach Oberbayern absetzen konnte. Als er von wohlunterrichteten
Stellen kurz nach dem Einmarsch der Amerikaner darüber informiert wurde, daß
sein Name unter der Nummer 101 auf der alliierten Kriegsverbrecherliste
verzeichnet sei, fand er Asyl bei dem Provincial des Dominikanerordens, Pater
Laurentius Simer, im Kloster Walberberg bei Köln. Dies ist allerdings gar
nichts Ungewöhnliches, denn gerade Klöster spielten zu dieser Zeit vor allem
beim Auslandstransfer gesuchter Nazis und Kriegsverbrecher eine hervorragende
Rolle.
Globke allerdings mußte nicht
fliehen. Er wurde im Kloster Walberberg zwar von den amerikanischen Fahndern,
die wohl wie so manche unbedarfte Leute glaubten, daß die Guten nun einmal die
Guten, die Bösen die Bösen und führende Nazis nun einmal führende Nazis waren,
aufgespürt, festgenommen und in das »Ministerial Collecting Center« Hessisch‑Lichtenau
verfrachtet, dort aber zufällig vom amerikanischen Ankläger Dr. Robert Kempner
entdeckt, der einst, vor 1933, als Regierungsrat im preußischen
Innenministerium Flurnachbar des eifrigen Zentrumsmannes Globke gewesen war.
Und dann? Da stellte sich nun
das Erstaunliche heraus: Globke war »in den zwölf Jahren seiner emsigen Arbeit
für die Hauptkriegsverbrecher Frick und Himmler in Wahrheit der wichtigste
Agent des katholischen Episkopats, der Verbündete des heimlichen Widerstandes,
daneben auch der selbstlose Helfer in der Not, wenn leider auch nur für sehr
wenige, so doch für einige namhafte, von den Nazis Verfolgte gewesen. Seine
besonderen Fürsprecher waren Kardinal Graf Preysing, Bischof von Berlin, der
ehemalige Zentrumsführer Heinrich Krone sowie zwei Rechtsanwälte, die beide im
Zusammenhang mit dem mißglückten Putschversuch gegen Hitler vorn 20. Juli 1944
von der Gestapo verdächtigt und als Verbindungsleute der katholischen Kirche
zum Widerstand in Haft gewesen waren: Dr. Josef Müller, der >Ochsensepp<,
ein alter Freund Globkes, und dessen politischer Schüler Dr. Otto Lenz.«
Natürlich kam es zu keiner
Anklage gegen Globke. Er wurde Kempners wertvollster und stets aussagebereiter
Zeuge, der »die Hauptschuld vorzugsweise toten Personen zuschob, dafür um so
mehr diejenigen entlastete, die ihm selbst oder seinen Hauptentlastungszeugen
hätten gefährlich werden können«. Bereits 1946 konnte Dr. Globke als freier und
völlig rehabilitierter Mann nach Aachen zurückkehren und eine Karriere starten,
die ihn in noch einflußreichere Positionen bringen sollte, als er sie im
Dienste der Nazis hatte einnehmen können, und die es ihm erlaubten, über ein
Jahrzehnt lang die Politik der Bundesrepublik wesentlich zu beeinflussen.
Einige der Verantwortlichkeiten des Staatssekretärs Dr. Globke nun lassen die
vielfältigen und verwirrenden Verbindungen und Kontakte des als späterer Strauß‑Förderer
bereits erwähnten »Ochsensepp« Müller zu hohen SS‑Führern, zur
militärischen Abwehr des General Canaris, zum Vatikan, zum Widerstand und zu
ausländischen Geheimdiensten in einem klärenden Zusammenhang erscheinen.