Hans-Maria Globke

 

Nichts liegt uns ferner, als kriminelle Altnazis zu entlasten. Gleichwohl gibt der eine oder andere Fall Gelegenheit, lieb gewordene Vorurteile zu berichtigen. Ein solcher Fall dürfte in der Person von Dr. Hans-Maria Globke begründet sein. Durch die Veröffentlichung von Hubertus Knabe sind wir darauf hingewiesen worden, daß das Vorurteil gegen Globke auf einer Stasi-Kampagne beruhte, die der Adenauer-Regierung schaden sollte. Deshalb soll auch ihm Gerechtigkeit widerfahren. Wir lösen uns von dem undifferenzierten Haß des MfS und plädieren dafür, sich zukünftig mehr mit den schwer belasteten Nazi-Verbrechern zu beschäftigen, die mit Hilfe der Geheimdienste von USA + UK oder des Vatikan (!) nach Südamerika oder in den arabischen Raum verbracht wurden und damit ihrer gerechten Bestrafung entzogen wurden.

 

1) "Braunbuch  Kriegs- und Naziverbrecher in der Bundesrepublik", Herausgeber: Nationalrat der nationalen Front des Demokratischen Deutschland, Berlin 1965, S. 326f

 

 

Globke             INTELLEKTUELLER JUDENMÖRDER

Hans­

Maria

 

heute:   Bis Juli 1963 Staatssekretär im Bundeskanzleramt; auf Grund der durch die DDR veröffentlichten Dokumente und Beweismaterialien im Prozeß 1962 gegen Globke vor dem Obersten Gericht der DDR mußte er von dieser Funktion zurückgezogen werden; dennoch bezieht er eine hohe staatliche Pension und tritt als Sachverständiger und Entlastungszeuge in Prozessen gegen Kriegs‑ und Naziverbrecher auf.

 

Vom ersten bis zum letzten Tage der Nazi‑Herrschaft war Dr. Hans‑Maria Globke Beamter des Reichsinnenministeriums. In dieser Eigenschaft verfaßte er eine große Anzahl von Gesetzen und Verordnungen, die zur Errichtung der nazistischen Diktatur führten, die die Achtung und Aussonderung der jüdischen Bürger beinhalteten, und solche, die die "Germanisierung" oder Ausrottung der unterjochten Bevölkerung bezweckten.

 

Am 24. März 1933 beschloß der Reichstag das Ermächtigungsgesetz, das der Hitlerregierung unbeschränkte Diktaturvollmachten einräumte. In Ergänzung dazu bereitete das Preußische Innenministerium das 'Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Land' vor. Verfasser dieses Diktaturgesetzes war Regierungsrat Globke. Aus seiner Feder stammten außerdem das Gesetz über die Auflösung des preußischen Staatsrates vom 10. Juli 1933 und das preußische Provinzialratsgesetz vom 17. Juni 1933, die alle parlamentarischen Körperschaften Preußens gleichschalteten.

 

Als zuständiger Mitarbeiter im Reichsinnenministerium hat Globke fast das gesamte Gesetzes- ­und Verordnungswerk für die Verfolgung der Juden mitverfaßt.

 

Er gehört mit zu den Verfassern der Nürnberger Rassengesetze, die im Eichmann‑Prozeß als die "Grundgesetze für die Endlösung der Judenfrage" bezeichnet wurden.

 

Er ist derjenige, der die zwangsweise Kenntlichmachung der Juden mit den zusätzlichen Vornamen "Sara" und "Israel" erdachte und durch Gesetz einführte.

 

Im Juli 1940 beauftragte Frick seinen damaligen Referenten für die besetzten Westgebiete, Dr. Globke, Bedingungen für einen Diktatfrieden für Frankreich auszuarbeiten. Darin forderte Globke unter anderm den Raub weiterer französischer Gebiete, die Deportation aller Juden und Zigeuner in die Vernichtungslager.

 

Globke war an der Ausarbeitung der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 beteiligt. Diese Verordnung schuf die gesetzliche Grundlage für die rücksichtslose Verfolgung und Vernichtung aller jüdischen Menschen.

 

Innerhalb des Reichsinnenministeriums arbeitete Globke das nazistische Staatsangehörigkeitsrecht aus, das den Okkupationsbehörden die Richtlinien für die "Germanisierung" oder Ausrottung ganzer Volksgruppen lieferte. Er veranlaßte, daß die Masse der Bürger der okkupierten Staaten zu "Schutzangehörigen" oder "Protektoratsangehörigen" degradiert wurde. Für Polen erfolgte dies durch die von Globke ausgearbeitete "Verordnung über die Deutsche Volksliste und die deutsche Staatsangehörigkeit in den eingegliederten Ostgebieten". Ähnliche Gesetze erarbeitete Globke für die Tschechoslowakei, Litauen, Frankreich, Belgien, Luxemburg und Jugoslawien.

 

Für seine Verdienste um die Durchsetzung der Ziele des Nazi‑Staates wurde Globke mehrfach befördert und erhielt er hohe Orden und Auszeichnungen.

 

In der Bundesrepublik konnte dieser Mann zum ranghöchsten und mächtigsten Beamten avancieren. Als graue Eminenz im Bundeskanzleramt hatte er seine Hand immer und überall dort im Spiele, wo gegen die demokratischen Freiheitsrechte vorgegangen wurde. Er lancierte mit Hilfe des 131er Gesetzes belastete Nazi­-Beamte ‑ seine Gesinnungsfreunde von einst ‑ in höchste Positionen des Bonner Staate.

 

 

 

2) DER SPIEGEL 20 / 1999 / 121: "Knechte des Gesetzes" von Henryk M. Broder

 

"...Im April 1951 beschloß der Bundestag ein Gesetz, das mit seinen späteren Änderungen zur Folge hatte, daß beinahe alle ehemaligen NS‑Beamten einen "Rechtsanspruch auf Wiedereinstellung" hatten und außerdem auch das Recht, ihre Bezüge für die Zeit der Nichtbeschäftigung nachzufordern. Mit dieser Regelung, so Autor Müller, "fanden über 90 Prozent der nach 1945 entlassenen Nazi­-Beamten wieder zurück in den Staatsdienst". So wurde die Mitgliedschaft in der NSDAP faktisch Voraussetzung, für die Einstellung in den öffentlichen Dienst". Überspitzt: Ehemalige Pgs (Parteigenossen, d.V.) hatten bessere Chancen, übernommen zu werden.

 

Noch bevor sich 1949 die Bundesrepublik auf den Ruinen des Dritten Reiches etabliert hatte, war der juristische und administrative Unterbau bereits fertig. Er bestand zum größten Teil aus dem Personal des Dritten Reiches ‑ Juristen und Beamten, die ihren "Rechtsanspruch" auf Weiterbeschäftigung entschlossen einforderten, die aber auch wirklich gebraucht wurden. Denn mit den wenigen Unbelasteten war kein Staat zu machen.

 

Als Symbol der "Renazifizierung" der jungen Republik galt der Jurist Dr. Hans Globke, den der Antinazi Konrad Adenauer bereits 1949 ins Kanzleramt holte, wo er von 1953 bis 1963 als Staatssekretär und  einflußreicher Berater des Kanzlers diente.

 

Davor war Globke von 1933 bis 1945 in verschiedenen Funktionen im ehemaligen Reichsministerium des Inneren tätig gewesen und maßgeblich an der Kommentierung der Nürnberger Rassengesetze beteiligt. Eine "Internationale Kommission zur Untersuchung der Wiederverwendung von Nazi‑Juristen in der Bundesrepublik" stellte 1962 in Warschau fest, Globke habe "an der Ausarbeitung von Gesetzen, Verordnungen und anderen Rechtsakten mitgewirkt, die die rechtliche Grundlage und Handhabe bildeten für die Durchführung ... der 'Germanisierung', der Entrechtung, Vertreibung und systematischen Vernichtung der Juden sowie großer Teile der Bevölkerung in den ... okkupierten Ländern, insbesondere Polen und der Tschechoslowakei".

 

Globkes NS‑Karriere war im Westen wohlbekannt, disqualifizierte ihn aber nicht im geringsten für seine Beschäftigung im neuen Deutschland. Er selbst gab an, nur ein kleines Rädchen im großen Nazi‑Getriebe gewesen zu sein, allzeit bemüht, das Schlimmste zu verhindern. Er wurde bei der Entnazifizierung nur als "Mitläufer" eingestuft und hatte, wie viele seiner Zeit, nach 1945 dem Nationalsozialismus innerlich ablehnend gegenübergestanden.

 

Er sei, fiel ihm ein, wegen seiner aktiven Mitwirkung bei der Verschwörung gegen Hitler vom 20. Juli 1944 noch Ende April 1945 beinahe verhaftet worden, und er habe nie einen Eid auf Hitler geleistet, weil er bei der Eidesleistung "in einer Nische" gestanden habe. An seinen Händen klebe kein Blut, sein Herz sei rein. Daß die Angriffe und die Akten vor allem aus dem Osten kamen, machte es einfach, die "Kampagne" gegen den tüchtigen Staatssekretär als kommunistische Propaganda abzutun.

 

Globke war nur die exponierte Spitze einer Pyramide aus Beamten und Juristen, die nach unten immer breiter wurde. Die Internationale Juristenkommission sprach 1962 in ihrem Report von 952 NS‑belasteten Richtern und Staatsanwälten, die "immer noch ... in der Justiz der Bundesrepublik tätig sind". Über die Zahl der Beamten, die NSDAP­-Mitglieder gewesen waren, aber dennoch wieder amtierten, machte die Kommission keine Angaben. Sie dürfte erheblich höher gewesen sein.

 

Dabei kann man nicht behaupten, die Bundesrepublik habe nichts unternommen, um die flinken Wendehälse loszuwerden, nachdem sie in ihrer Gründungsphase alles getan hatte, um sie zu resozialisieren....

 

 


 

 

3) DER SPIEGEL 43 / 1994 / 44f: "Ich will unser Blut zurück" SPIEGEL-Gespräch mit Egon Bahr

 

SPIEGEL: Die Adenauer‑CDU hat nach 1945 schnell ihren Frieden mit den Alt-Nazis gemacht. Ihr Vorbild?

 

Bahr: Das äußere Symbol der Aussöhnung mit den Mitläufern der NSDAP war natürlich Globke im Kanzleramt. Ich hab' das damals für falsch gehalten. Ich muß rückblickend sagen: Ich halte es heute für eine der großen staatsmännischen Leistungen Adenauers.

 

SPIEGEL: Die SPD war damals empört nicht nur aus Taktik.

 

Bahr: Ich übrigens auch. Aber wir haben dann selbst ein Stück Aussöhnung mit der Großen Koalition erreicht. Da gab es einen Kanzler Kurt Georg Kiesinger, der war Mitglied der NSDAP gewesen und hatte im Außenministerium von Ribbentrop gearbeitet, und wir haben daneben einen Vizekanzler und Außenminister gesetzt, das war der Emigrant Willy Brandt. Wir hatten die Kröte Strauß zu schlucken, und die anderen haben den Ex-Kommunisten Wehner akzeptiert. Warum fällt uns das heute so schwer. ...


 

 

 

 

4) Hubertus Knabe: "Die unterwanderte Republik - Stasi im Westen", S. 462 f

 

Dr. Hans Globke (1898‑1973) war in der Weimarer Republik Mitglied der Zentrumspartei und Regierungsrat im Preußischen Innenministerium. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten verblieb er ‑ auf Bitten oppositioneller Kreise wie er selbst und Überlebende des Widerstands später erklärt haben ‑ in seinem Amt, trat aber nicht der NSDAP bei. Nach der Verkündung der Nürnberger Rassegesetze, an deren Abfassung Globke keinen Anteil hatte, kam es zu Auseinandersetzungen zwischen NSDAP und Innenministerium über deren Auslegung. Im Auftrag des Staatssekretärs Wilhelm Stuckart verfaßte Globke deshalb einen Kommentar, dem letzterer eine ideologische Einleitung voranstellte. Globke zufolge sollte der Kommentar dazu dienen, die für die Betroffenen günstigste Auslegung amtlich festzuschreiben. Nach dem Krieg wurde er tatsächlich als der mildeste Kommentar bewertet und festgestellt, daß durch seine Interpretation Tausenden von sogenannten Mischlingen das Leben gerettet worden sei. Zahlreichen Dankschreiben zufolge half er vor allem bei sogenannten Mischehen und Halb- ­oder Vierteljuden den Betroffenen mit juristischen Ratschlägen. Nach Kriegsbeginn, als die Rassendiskriminierung in die Rassenvernichtung überführt wurde, war Globke mit Rassefragen nicht mehr befaßt. In dieser Zeit hielt er vielmehr, nach Aussagen von Jakob Kaiser und anderen Mitgliedern des Widerstands, engen Kontakt zur Opposition und war als Staatssekretär einer neuen deutschen Regierung nach dem Hitler‑Attentat vom 20. Juli 1944 vorgesehen. Auch der Berliner Bischof von Preysing berichtete 1946, Globke habe der Kirche Kenntnis von streng geheimgehaltenen Gesetzentwürfen gegeben. Beim Internationalen Militärtribunal in Nürnberg sagte Globke als Zeuge im Wilhelmstraßenprozeß aus; Anklage gegen ihn wurde ‑ anders als gegen den Mitverfasser des Kommentars, Staatsekretär Stuckart, der zu drei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt wurde - nicht erhoben. Hauptankläger Robert Kempner, der Globke noch aus seiner eigenen Tätigkeit im Innenministerium kannte, stellte sich vielmehr ohne Abstriche hinter ihn. 1947 wurde Globke dann in einem förmlichen Entnazifizierungsverfahren als unbelastet eingestuft. Erst nach seinem Eintritt in das Bundeskanzleramt wurden Vorwürfe laut wegen seiner Kommentierung der Rassegesetze. Zu seiner Entlastung standen ihm seinerzeit jedoch fast nur Aussagen von Zeugen zur Verfügung, da die Akten des ehemaligen Innenministeriums in der DDR lagerten. Noch Ende der 70er Jahre verweigerte die Staatliche Archivverwaltung in Potsdam unabhängigen Historikern aus der Bundesrepublik die Einsicht in die Unterlagen.

 

 

5) Erst geraume Zeit nach der Zusammenstellung obiger vier Textauszüge und der Formulierung des Vorspanns wurde ein weiterer Beitrag ermittelt, den es unbedingt nachzutragen gilt und der wiederum Knabes Apologie in einem zweifelhaften Licht erscheinen läßt. Immerhin beruft sich Carmin auf Kapazitäten wie Adolf Arndt und Bernt Engelmann. Der nachfolgende Auszug findet sich in "Das schwarze Reich - Geheimgesellschaften und Politik im 20. Jahrhundert" von E. R. Carmin, Heyne, München 1994, S. 420 -423. "Das schwarze Reich" und "Im Namen des Staates" von Andreas von Bülow sollte jeder deutsche Schüler - gleich, ob Haupt-, Real-, Ober- oder Gesamtschüler - gelesen haben, bevor er als volljähriger Bürger an der Gestaltung des Gemeinwesens mitwirkt.

 

Da wäre zum Beispiel die schillernde Figur des 1898 in Düsseldorf geborenen Sohnes eines gut katholischen Textilkaufmannes, Dr. Hans Josef Maria Globke, während der Regierung Adenauers 14 Jahre lang Staatssekretär im Bundeskanzleramt und auch schon vorher im politischen Leben des aus der Erbmasse des Dritten Reiches sich herausentwickelnden embryonalen westdeutschen Staatsgebildes eine maßgebliche und überaus einflußreiche Persönlichkeit. Als Student der Rechtswissenschaften trat er den Bonner Bavaren im Cartellverband (CV) der katholischen Studenten bei. 1922, nach der Promotion zum Dr. jur. magna cum lande, bewarb sich der inzwischen der katholischen Zentrumspartei beigetretene Jurist um eine Anstellung im Staatsdienst und hatte bereits 1925 den Posten eines stellvertretenden Polizeipräsidenten von Aachen inne, nicht zuletzt dank hervorragender Beziehungen zum katholischen Episkopat. Noch unter der Kanzlerschaft des Zentrumspolitikers Brüning wurde er Referent im Reichsministerium des Inneren. Als die Nazis die Macht übernommen hatten und der spätere Hauptkriegsverbrecher Dr. Wilhelm Frick Innenminister geworden war, wäre eigentlich zu erwarten gewesen, daß Globke als Mitglied einer der »Systemparteien« und somit »national unzuverlässig« seine steile Beamtenkarriere hätte beenden müssen.

 

»Für einen überzeugten Demokraten wäre es ohnehin an der Zeit gewesen, seinen Abschied zu nehmen«, schreibt dazu Bernt Engelmann, »Aber Dr. Globke blieb im Amt, weil ihn ‑ so behauptete er jedenfalls später ‑ Parteifreunde vom Zentrum sowie kirchliche Stellen dringend darum baten. Er wurde von den Nazis auch nicht hinausgeworfen, im Gegenteil: Bereits im Oktober 1933, kaum daß der Vatikan ein Konkordat mit den neuen Machthabern in Berlin geschlossen hatte, wurde Regierungsrat Dr. Globke zum Oberregierungsrat befördert. Im Innenministerium war durch die Entlassung eines jüdischen Beamten, des Ministerialrates Friedrich Wittelshöfer, eine Planstelle freigeworden, und >daher< ‑ wie es in dem Vorschlag zur Beförderung hieß ‑ könne Dr. Globke nun aufrücken (was ihm aber zunächst nicht gelang). Der dienstentlassene Wittelshöfer und dessen Ehefrau wurden übrigens acht Jahre später, durch Erlaß des Reichsministeriums des Inneren vom 4. März 1941 , der deutschen Staatsangehörigkeit für verlustig erklärt und ihr gesamtes Vermögen beschlagnahmt, und zwar aufgrund von Durchführungsverordnungen, die der immens fleißige Dr. Globke ausgearbeitet hatte. «

 

Kurz und gut: Globke war der für Judenfragen zuständige Mann im Reichsinnenministerium, sozusagen "der Spezialist für Judenangelegen­heiten", und sein Referat war es gewesen, das den gesamten gesetzlichen Rahmen für die totale Entrechtung der Juden bildete. Voraussetzung für ihre »Aussiedlung« und spätere Vernichtung. Auch die  Durchführungsbestimmungen für die entsprechenden Gesetze, von Bormann und Himmler lebhaft begrüßt, stammten von Dr. Globke. Sein Kommentar zu den Nürnberger Rassegesetzen fand den besonderen Beifall des wohl fanatischsten Nazis unter den damals führenden Juristen, des späteren Präsidenten des Volksgerichtshofes, Dr. Roland Freisler.

 

»Hier handelt es sich um mit Paragraphen verübte Ächtung, um mit Paragraphen verübten Mord, und Herr Dr. Globke hat das ganz genau gewußt!« erklärte am 12. Juli 1950 der sozialdemokratische, im Dritten Reich von den Nazis verfolgte Jurist Dr. Adolf Arndt im Bundestag zu Globkes Kommentar und fügte hinzu: »Er war bei Seyß‑Inquart im Haag, bei Bürckel in Metz, bei Wagner in Straßburg, bei Forster in Danzig, bei Neurath und Karl Hermann Frank in Prag, bei Antonescu in Bukarest und bei Tiso, Mach und Karmasin in Preßburg. Das sind nur einige dieser Reisen. Überall, wo dieser Ko‑Referent für Judenfragen mit dem SS‑Obergruppenführer Stuckart erschien, soll natürlich von Juden ‑ außer in Straßburg, wofür ein Dokument vorliegt, das ist das Pech! ‑ nie gesprochen worden sein und soll das Reichsinnenministerium nur als Hort und Hüter der Juden in Erscheinung getreten sein. Aber alle Welt weiß, daß von diesen Plätzen aus und nach diesen Besprechungen sich die Blutspur der gemarterten und gemordeten Juden in die Vernichtungslager nach Auschwitz und Maidanek zog. Und Herr Dr. Globke wußte um diese Greuel! Er hat es selbst als Zeuge zugestanden, und sein Kollege, der Ministerialrat Lösener aus dem Reichsinnenministerium, der der erste Referent für Judenfragen und ursprünglich ein erklärter Nationalsozialist war, konnte dieses Unsagbare nicht auf sein Gewissen nehmen und hat ausdrücklich mit diesem Grunde seinen Abschied verlangt und ist zum Reichsverwaltungsgerichtshof übergegangen. Aber Herr Dr. Globke blieb ...«

 

Und zwar bis kurz vor Kriegsende, als der zuständige Sachbearbeiter für alle administrativen Maßnahmen, die der Entrechtung von Juden, Mischlingen, Rheinlandbastarden, Zigeunern sowie von Angehörigen slawischer und anderer minderrassiger Volksgruppen dienten.

 

»Darüber hinaus wurde Dr. Globke im Geschäftsverteilungsplan des Nazi‑Regimes vom 15. Januar 1945 insgesamt dreißigmal aufgeführt, an erster Stelle im Geschäftsbereich des Generalbevollmächtigten für die Reichsverwaltung als dessen Referent für >Allgemeine Angelegenheiten und Geschäftsführung<, also praktisch die rechte Hand des Ministers. Dabei ist anzumerken, daß dieser Minister, dem der unentbehrliche Ministerialrat Dr. Globke >in unzweifelbarer Loyalität, fast bis zum bitteren Ende diente, seit dem 24. August 1943 nicht mehr Dr. Wilhelm Frick war, sondern der Reichsführer SS, Heinrich Himmler. «

 

Hier begegnet man in der Person Dr. Globkes einmal mehr dem bemerkenswerten Tatbestand, daß maßgebliche Persönlichkeiten des Dritten Reiches offenbar entweder Agenten ausländischer Mächte und Kräfte waren, beziehungsweise daß deren emsige nationalsozialistische Betätigung in Wirklichkeit eine gut getarnte Form des Widerstandes gewesen sein soll.

 

Dies gilt vor allem für Dr. Globke, der sich rechtzeitig vor der Einschließung Berlins durch die Sowjetarmee nach Oberbayern absetzen konnte. Als er von wohlunterrichteten Stellen kurz nach dem Einmarsch der Amerikaner darüber informiert wurde, daß sein Name unter der Nummer 101 auf der alliierten Kriegsverbrecherliste verzeichnet sei, fand er Asyl bei dem Provincial des Dominikanerordens, Pater Laurentius Simer, im Kloster Walberberg bei Köln. Dies ist allerdings gar nichts Ungewöhnliches, denn gerade Klöster spielten zu dieser Zeit vor allem beim Auslandstransfer gesuchter Nazis und Kriegsverbrecher eine hervorragende Rolle.

 

Globke allerdings mußte nicht fliehen. Er wurde im Kloster Walberberg zwar von den amerikanischen Fahndern, die wohl wie so manche unbedarfte Leute glaubten, daß die Guten nun einmal die Guten, die Bösen die Bösen und führende Nazis nun einmal führende Nazis waren, aufgespürt, festgenommen und in das »Ministerial Collecting Center« Hessisch‑Lichtenau verfrachtet, dort aber zufällig vom amerikanischen Ankläger Dr. Robert Kempner entdeckt, der einst, vor 1933, als Regierungsrat im preußischen Innenministerium Flurnachbar des eifrigen Zentrumsmannes Globke gewesen war.

 

Und dann? Da stellte sich nun das Erstaunliche heraus: Globke war »in den zwölf Jahren seiner emsigen Arbeit für die Hauptkriegsverbrecher Frick und Himmler in Wahrheit der wichtigste Agent des katholischen Episkopats, der Verbündete des heimlichen Widerstandes, daneben auch der selbstlose Helfer in der Not, wenn leider auch nur für sehr wenige, so doch für einige namhafte, von den Nazis Verfolgte gewesen. Seine besonderen Fürsprecher waren Kardinal Graf Preysing, Bischof von Berlin, der ehemalige Zentrumsführer Heinrich Krone sowie zwei Rechtsanwälte, die beide im Zusammenhang mit dem mißglückten Putschversuch gegen Hitler vorn 20. Juli 1944 von der Gestapo verdächtigt und als Verbindungsleute der katholischen Kirche zum Widerstand in Haft gewesen waren: Dr. Josef Müller, der >Ochsensepp<, ein alter Freund Globkes, und dessen politischer Schüler Dr. Otto Lenz.«

 

Natürlich kam es zu keiner Anklage gegen Globke. Er wurde Kempners wertvollster und stets aussagebereiter Zeuge, der »die Hauptschuld vorzugsweise toten Personen zuschob, dafür um so mehr diejenigen entlastete, die ihm selbst oder seinen Hauptentlastungszeugen hätten gefährlich werden können«. Bereits 1946 konnte Dr. Globke als freier und völlig rehabilitierter Mann nach Aachen zurückkehren und eine Karriere starten, die ihn in noch einflußreichere Positionen bringen sollte, als er sie im Dienste der Nazis hatte einnehmen können, und die es ihm erlaubten, über ein Jahrzehnt lang die Politik der Bundesrepublik wesentlich zu beeinflussen. Einige der Verantwortlichkeiten des Staatssekretärs Dr. Globke nun lassen die vielfältigen und verwirrenden Verbindungen und Kontakte des als späterer Strauß‑Förderer bereits erwähnten »Ochsensepp« Müller zu hohen SS‑Führern, zur militärischen Abwehr des General Canaris, zum Vatikan, zum Widerstand und zu ausländischen Geheimdiensten in einem klärenden Zusammenhang erscheinen.