Geschichtsverfälschung (2)

 

Seit 1945 haben unsere Umerzieher alles unternommen, dem deutschen Volk seine Vergangenheit verachtenswert zu machen. Die Grundlage dieser Umerziehung war eine weitreichende Geschichtsentstellung und -verfälschung.

Deutschland und Europa erlebten schon einmal eine Periode systematischer Geschichtsentstellung und -verfälschung. Diese geschah im Mittelalter; sie war nur noch umfassender und gründlicher als jene in den letzten Jahrzehnten.

   Die deutsche Geschichte ist u.a. bestimmt durch die Lage Deutschlands in der Mitte Europas, die häufig dazu führte, Durchgangsland zu sein aber auch Wall gegen immer wieder stattfindende Angriffe gegen Europa aus dem Osten. Dazu kommt die tragische Einbindung in die Geschichte der römi­schen Kirche, deren nie bedankter Schutzherr Deutschland über viele Jahrhunderte sein mußte. Mit dieser Einbindung beginnen die besonderen Schwierigkeiten der Darstellung der deutschen Geschichte, deren gesamte schriftliche Fixierung in der ent­scheidenden Zeit des Früh- und Hochmittelalters in den Hän­den der römischen Kurie lag. Wer konnte damals schon lesen und schreiben? Bis auf Ausnahmen waren es die Männer und Frauen des Klerus, die Priester, Mönche und Nonnen. Und unter diesen hatten jene, die in den riesigen Klosteranlagen praktisch kaserniert waren, viel Zeit. Sie hatten Zeit und zu­gleich die praktischen Voraussetzungen und Möglichkeiten, um Bücher anzufertigen, Abschriften und Urkunden herzustellen. Durch den Gehorsam, den sie gelobt hatten, aber auch durch ihre zur Selbstverständlichkeit gewordene innere Überzeugung waren sie meist Wachs in den Händen ihrer Oberen und sahen so die geschichtlichen Entwicklungen und Ereignisse aus einem kirchlichen Blickwinkel. Obendrein hatte der römische Stuhl durch seinen autoritär-hierarchischen Führungsstil die Mög­lichkeit, sehr vieles zentralistisch zu manipulieren und sogar systematische Vorbereitungsarbeit für politische Langzeitplanung zu leisten. Selbst die Geschichtsschreibung des karolingischen Reiches in seiner erfolgreichsten Periode wurde im Kloster be­arbeitet. In Lorsch. Und alle Eintragungen endeten am Schluß des Jahres mit der stereotypen Formel: „Und das Jahr änderte sich in...“ Dann folgte die neue Jahreszahl.

Was damals in den Klöstern geschrieben wurde, ist in er­heblichen Maße die Grundlage auch unserer heutigen Ge­schichtswissenschaft. Denn welche anderen Quellen aus dieser Zeit stehen unseren Wissenschaftlern sonst noch zur Verfü­gung? Es sind wenige. So haben wir in weiten Bereichen eine recht einseitige Geschichtssicht.

Bei dieser Form der Entstehung von Quellen war natürlich politisch motivierten Zweckfälschungen von kirchlicher Seite Tür und Tor geöffnet. Zugleich mußte sich unter diesen Vor­aussetzungen die Geschichtswissenschaft zu einer Art kirchli­cher Hilfswissenschaft entwickeln. Aus dieser Rolle begann sie sich erst in neuerer Zeit zu lösen.

Vor allem die Beziehungen zwischen Rom und dem Reich muß man unter diesem Gesichtspunkt mit größtem Mißtrauen betrachten. Trotz der ständig in Anspruch genommenen Hilfe in inneren und äußeren Fragen sah die Kurie im Reich, dessen Kaisern, Königen und dem sie tragenden Volk ihren größten Gegner. Sie verkörperten das stärkste Symbol weltlicher Macht. Fiel dieses Symbol, dann fiel alle Unabhängigkeit der weltlichen Herrschaft.

Damals erstrebte die Kirche nicht nur die totale geistliche, sondern auch die totale weltliche Macht, in einem Umfang, den wir uns nur schwer vorstellen können. „Confiteor quia peccavi nimis cogitatione!“ - ich bekenne, daß ich gesündigt habe in Ge­danken! Gedanken als kriminelles, verfolgbares Delikt! Es kamen die Jahrhunderte der Inquisition, in denen ungezählte Menschen, nur um der Gedanken willen, die von der vorge­schriebenen Glaubenslinie abwichen, ermordet wurden. Ein Totalitarismus - wie er absoluter kaum denkbar ist.

   Ein Produkt dieses Totalitarismus war die systematische Ge­schichtsverfälschung, die damals von der Kurie organisiert wurde. Sie war noch umfassender und gründlicher als jene in den letzten Jahrzehnten. Viele der damals erzeugten Fälschun­gen sind inzwischen von der Geschichtsforschung entlarvt wor­den. Die meisten Forscher halten diese Fälschungen zwar nicht für ein Produkt aus einer umfassenden Fälschungsaktion. Kammeier weist jedoch überzeugend nach, daß sie als Teil einer solchen im ausgehenden Mittelalter erfolgten Aktion anzusehen sind.

Ausgerechnet die Technik war es, die uns einen entschei­denden Schritt zur geistigen Freiheit ermöglichte. Das ist ei­gentlich ein Kuriosum. Die Erfindung der Buchdruckerkunst, der geniale Gedanke der auswechselbaren Lettern war es, der das Ende des kurialen, klösterlichen Schreibmonopols brachte. Jetzt erst war es möglich, Bücher in größeren Auflagen herzu­stellen, Streitschriften und Flugblätter einem größeren Perso­nenkreis zugänglich zu machen. Selbst die am Ausgang des Mittelalters stehende große geistige Revolution, die Reformati­on, wäre ohne die Buchdruckerkunst kaum denkbar. Es war für Martin Luther ein glückliches Zusammentreffen, daß sich diese Kunst gerade in seiner Zeit entwickelte. Ihr war es nicht zuletzt zu verdanken, daß die Inquisition, die bereits ihre Hände nach ihm ausgestreckt hatte, seiner nicht habhaft werden konnte, er daher nicht auf dem Scheiterhaufen endete, wie ungezählte an­dere vor ihm. So aber konnte dank der neuen schwarzen Kunst die Reformation ihren Weg zur Befreiung Europas von der Geißel der Inquisition und dem totalen Machtanspruch des Papstes gehen.

Doch die Reformation war nur der Anfang. Kritischer wur­den die Menschen, lasen Schriften und Erwiderungen. Der ge­waltige Berg von Lügen, den Rom zur Ausbreitung und Festi­gung seiner Herrschaft aufgebaut hatte, wurde langsam ver­ringert. Vielfach entstanden zwar neue Lügenberge, z. T. von anderen Machtgruppen aufgehäuft, aber sie waren kleiner, während das Ausmaß des Wissens und der darauf fußenden Freiheit immer größer wurde. Wilhelm Kammeier leistete hierzu einen wesentlichen Beitrag.

 

Quelle: Dr. Aulo Engler im Vorwort zur zehnten Auflage für Wilhelm Kammeiers „Die Fälschung der deutschen Geschichte“

 

Anmerkung: Unter dem Titel „Erzbetrüger“ findet der interessierte Leser auf dieser Weltnetzseite einen hervorragenden SPIEGEL-Artikel über die klerikalen Fälscherwerkstätten des Mittelalters (DER SPIEGEL 29 / 1998 / 148 + 150). Die dortige Anmerkung der Redaktion geben wir nachfolgend wieder:

 

Aber auch in weltlichen Kanzleien wurde nicht nur gelegentlich mit spitzer Feder nachgeholfen. Das gilt beispielsweise für Lübeck ebenso wie für Oliva (vgl. Heinz Lingenberg: "Oliva - 800 Jahre", Lübeck 1986). Andere Autoren gingen noch weiter und folgerten aus den notorischen Urkundenfälschungen, ganze Epochen seien erfunden worden und brachten damit unsere Zeitrechnung durcheinander. In erster Linie denken wir dabei an das Buch von Wilhelm Kammeier ("Die Fälschung der deutschen Geschichte", Leipzig 1935 / Nachdruck Husum 1979), aber auch an Heribert Illig: "Das erfundene Mittelalter" und Uwe Topper: "Fälschungen der Geschichte".

Im Internet findet man einiges über diese "Chronologiekritiker". Dabei handelt es sich keinesfalls um "Spökenkiekerei", wie die erlauchten Namen neben Kammeier, Illig und Topper beweisen: Isaac Newton (1643 - 1727), Jean Hardouin (1646 - 1729), Robert Baldauf, Nikolaj Morosow (1854 - 1946), Eugen Gabowitsch und Prof. A. T. Fomenko.

Man fragt sich natürlich, warum sich die kritische Wissenschaft nicht "mit Gebrüll" auf den Verdacht dieser Ungeheuerlichkeiten stürzt. Hat man Angst, daß ein Weltbild zusammenbricht, daß man plötzlich als Lehrer und Verbreiter von Ammenmärchen und Falsifikaten verhöhnt werden könnte? Was soll's! Irren ist menschlich. Einen Irrtum einzuräumen hat menschliche Größe. Aber wo findet man diese heute noch, wo Sokrates, Luther und Kant nicht mehr unter uns weilen.