Geheimbefehl

 

Im Auftrag Heinrich Himmlers (Reichsführer SS) hat der

SS-Obergruppenführer Oswald Pohl als Chef des Wirtschaftsverwaltungshauptamtes am 26.10.1943 einen Geheimbefehl an alle Kommandanten von Konzentrationslagern erlassen, mit aller Kraft dafür zu sorgen, daß die KL-Häftlinge gut behandelt, untergebracht und ausreichend ernährt werden, da sie, abgesehen von allen übrigen Grundsätzen, dringend für die Rüstungsfertigung gebraucht werden.

Auszugsweise heißt es in diesem Befehl:

 

"Im Rahmen der deutschen Rüstungsproduktion stellen die KL dank der Aufbauarbeit, die in den vergangenen 2 Jahren geleistet wurde, einen Faktor von kriegsentscheidender Bedeutung dar. Aus dem Nichts haben wir Rüstungswerke geschaffen, die ihresgleichen suchen.

 

Wir haben nun mit allen Kräften dafür zu sorgen, daß die bereits erzielten Leistungen nicht nur gehalten, sondern noch weiterhin dauernd gesteigert werden.

 

Das ist, nachdem die Werke und Fabriken im wesentlichen stehen, nur dadurch möglich, daß wir die Arbeitskraft der Häftlinge erhalten und noch weiter heben.

 

In früheren Jahren konnte es im Rahmen der damaligen Erziehungsaufgaben gleichgültig sein, ob ein Häftling eine nutzbringende Arbeit leisten konnte oder nicht. Jetzt aber ist die Arbeitskraft der Häftlinge von Bedeutung, und alle Maßnahmen der Kommandeure, Führer des V‑Dienstes und Ärzte haben sich vornehmlich auf die Gesunderhaltung und Leistungsfähigkeit der Häftlinge zu erstrecken.

 

Nicht aus falscher Gefühlsduselei, sondern weil wir sie mit ihren Armen und Beinen benötigen, weil sie dazu beitragen müssen, daß das deutsche Volk einen großen Sieg erringt, deshalb müssen wir uns das Wohlergehen der Häftlinge angelegen sein lassen.

 

Ich stelle als erstes Ziel: höchstens 10% aller Häftlinge dürfen infolge Krankheit arbeitsunfähig sein. In einer Gemeinschaftsarbeit aller Verantwortlichen muß dieses Ziel erreicht werden.

 

Notwendig hierzu ist:

 

1.) eine richtige und zweckentsprechende Ernährung,

 

2.) eine richtige und zweckentsprechende Bekleidung,

 

3.) die Ausnützung aller natürlichen Gesundheitsmittel,

 


4.) Vermeidung aller unnötigen, nicht unmittelbar für die Arbeitsleistung erforderlichen Anstrengungen,

 

5.) Leistungsprämien. ..."

 

Es folgen Einzelanweisungen zu diesen Punkten.

 

"... Ich ordne an, daß im Winter, soweit vorhanden, Kopfbedeckungen, Mäntel, Pulswärmer, Socken getragen werden. Mehrere dünne Kleidungsstücke halten wärmer als ein dickes ‑ deshalb ist beim Fehlen eines Mantels im Winter das Tragen von 2 Hemden o.ä. gestattet.

 

Wirkungsvoll als (Wärmehalter) Kälteschutz sind Zeitungen. Deshalb, wenn erforderlich, auf der Brust, in der Bauch‑ und Nierengegend mehrere Schichtungen von Zeitungen tragen lassen. Für die Beschaffung ausreichender Papiermengen ist Sorge zu tragen.

 

Papierwesten können die Häftlinge sich gegebenenfalls selbst anfertigen.

 

Kleingeschnittenes Papier in den Strümpfen stellt ebenfalls einen guten Kälteschutz dar. ‑‑ Wenn eine Kopfbedeckung nicht vorhanden, dann ebenfalls festsitzende Papiermützen anfertigen lassen. In diesem Fall auch die Kopfhaare als Wärmeschutz lang lassen.

 

Zweckmäßige Entwürfe für Wärmeschutz‑Kleidung aller Art werde ich prämieren. ...

 

Sofern Arbeiten (z.B. Herstellung von Papierwesten o.ä.) in größerem Umfang notwendig werden, so sind diese in den Revieren von den lediglich schonungsbedürftigen Häftlingen durchzuführen. ...

 

Jeder Lagerkommandant, der dieses Schreiben erhält, hat es unverzüglich dem ersten Führer des Verwaltungsdienstes und dem Lagerarzt zur Kenntnis zuzuleiten. Diese beiden Führer müssen durch Unterschrift auf dem Schreiben bestätigen, daß sie es genau gelesen haben. ..."

 

Quelle: "Historische Tatsachen" Nr. 92 / S. 5