Galilei war kein Märtyrer

An kaum einem anderen Beispiel läßt sich eindrucksvoller demonstrieren, wie liebgewordene Überlieferung und historische Wahrheit auseinanderfallen können als an dem Fall Galileo Galilei.

Aus dem Umstand, das jener Sternengucker als Namensgeber für unzählige Freimaurer-Logen herhalten mußte, kann man erahnen, wer kräftig an der antiklerikalen Geschichtsklitterung "mitgestrickt" hat.

Galileo Galilei war durchaus nicht das unglückliche Opfer der katholischen Kirche. Seine Reibereien mit der Inquisition waren harmloser Natur und eher als Spiegelfechterei einzustufen.

Während man Giordano Bruno im Jahre 1600 unter anderem wegen Übernahme der kopernikanischen Erkenntnisse verbrannte, wurde Galilei geradezu mit Samthandschuhen angefaßt.

Daß Galilei erst als über Fünfzigjähriger begann, öffentlich für das "umstürzlerische" Weltbild des Kopernikus (und Kepler) einzutreten, beruhte nicht auf Furcht vor der Heiligen Inquisition, sondern auf der Angst, von seinen akademischen Kollegen verspottet zu werden und dadurch seine wissenschaftliche Reputation zu verlieren.

Die katholische Kirche behandelte Galilei mit ungewöhnlicher Duldsamkeit. Er wurde einer päpstlichen Audienz für würdig befunden und die Jesuiten zeichneten ihn aus, weil sie erkannt hatten, daß das ptolemäische Weltbild in Folge der Entdeckung der Jupitermonde nicht mehr zu halten war.

Galilei ging jedoch zu weit. Während beispielsweise Bruder Martin Luther viele häretische Ungeheuerlichkeiten anfänglich gefahrlos in scholastischen Modellen verbergen konnte, packte Galilei der Übermut und er dekretierte nicht nur, daß das ptolemäische Weltbild falsch, sondern sein Weltbild das einzig richtige sei. Dadurch grub er jedoch tollkühn an dogmatischen Monopolansprüchen der Kirche, was er hätte vermeiden können, wenn er nach wie vor seine Überzeugung als (plausiblere) Arbeitshypothese verkauft hätte.

Als Galilei trotz Abmahnungen das System des Kopernikus als "bewiesene Wahrheit" bezeichnete, wurde es der Kirche zu bunt und sie konterte mit der Feststellung, daß Galileis Lehre in allen Punkten der Heiligen Lehre widerspräche. Sonst passierte ihm aber nichts. Auch seine Bücher wurden nicht indiziert. Erst als er weiterhin, auch durch Veröffentlichung, seine These als absolute Wahrheit bezeichnete, gab es die allgemein bekannt gewordene Ladung vor die Inquisition nach Rom. Im Vatikan wurde er fürstlich untergebracht und wurde weder eingekerkert noch gefoltert.

Ohne erkennbaren Druck der Inquisition schwor er wider besseres Wissen ab. Wegen "Ungehorsams" wurde er zu einigen Bußpsalmen und einer Kerkerstrafe verurteilt, die er jedoch nie verbüßen mußte.

Quelle: "Lexikon der populären Irrtümer" von Krämer / Trenkler