Fremdarbeiter
Hunderttausend Franzosen waren
gefallen und fast zwei Millionen in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten, und
dennoch beantragten in Frankreich in den ersten sechzehn Monaten nach dem
Zusammenbruch 59.000 französische Arbeiter freiwillig die Einreise nach
Deutschland, um im Dritten Reich eine Arbeit anzunehmen.
Lange bevor der obligatorische
Arbeitsdienst eingeführt wurde, fanden sich unter den belgischen Arbeitern
403.000 Freiwillige, die ihre Arbeitskraft an die deutsche Industrie oder die
deutsche Wehrmacht verkauften. 321.000 wurden auf ihren Wunsch auf
Arbeitsplätze in Deutschland verteilt, 82.000 ließen sich von der «Organisation
Todt» bei Arbeiten an Festungsanlagen, Militärflugplätzen und anderen
militärischen Basen beschäftigen, die auf belgischem Boden für den Krieg gegen
die Alliierten errichtet wurden. Mehr als 120.000 belgische Arbeiter wanderten
in den ersten vierzehn Monaten nach Deutschland aus. Kein Klassenbewußtsein
hinderte sie daran.
Als Freiwillige meldeten sich
auch Arbeiter in Dänemark. Hier waren es 103.000 in den ersten vierzehn
Monaten, die sich beeilten, nach Deutschland zu kommen, obwohl die
Gewerkschaften sich ernsthaft bemühten, sie davon abzuhalten.
Aus freien Stücken gingen
Arbeiter aus allen besetzten Gebieten nach Deutschland, bis Ende August 1941
auch 93.000 Holländer, 109.000 Serben und Kroaten und 140.000 Tschechen.
Insgesamt hatten sich bis zu diesem Zeitpunkt mehr als zwei Millionen
europäische Arbeiter und Arbeiterinnen im Dritten Reich eingefunden, um
freiwillig für Hitlers Kriegsmaschine zu arbeiten. ...
Mehr als 30.000 Arbeiter und Angestellte
der niederländischen Eisenbahnen, damals in fünf verschiedenen Gewerkschaften
organisiert, ließen es zu, daß ihre Gewerkschaftsvertreter im Personalrat kurz
nach dem deutschen Einmarsch im Mai 1940 eine Loyalitätserklärung der
Betriebsleitung an die Adresse der deutschen Besatzungsmacht billigten.
Angeboten wurde die organisatorische und technische Zusammenarbeit unter der
Bedingung, daß die Bahnen unter holländischer Verwaltung blieben. Die deutschen
Behörden nahmen Angebot und Bedingungen ohne weiteres an.
Von den 50.600 Holländern, die
die deutsche Uniform anlegten (davon dienten 17.000 in der Waffen‑SS und
12.000 in Polizei‑ und Hilfspolizeieinheiten) waren 20.000
Parteiangehörige Musserts (der NSB = NS‑ Bewegung) ..
Selbst in den besetzten
Ostgebieten nahm die Neutrale Kollaboration überraschende Ausmaße an.
Sogenannte Hilfswillige, abgekürzt »Hiwis«, deren damals allgemein übliche
Bezeichnung die Freiwilligkeit ihrer Kollaboration hervorhob, ließen sich zu
Hunderttausenden von der Deutschen Wehrmacht einstellen. ...
Man begann schon in den ersten
Monaten des Ostfeldzuges, solche »Hiwis« anzuwerben. Im Frühjahr 1942 wurde
ihre Zahl auf 200.000 geschätzt, im Sommer schon auf nahezu 500.000. Die
deutschen Reichskommissare von Ostland und Ukraine, Lohse und Koch, bezifferten
sie im Juli 1943 auf 600.000 bis 1,2 Millionen.
Aus diesen »Hiwi«‑Massen
rekrutierten sich auch ukrainische und weißrussische Freiwilligenverbände, die
als Bau-Pioniertruppen eingesetzt wurden, sowie Mannschaften der
Einsatzgruppen, der KZ-Wachen und der Hilfspolizei unter deutschem Kommando.
Quelle: "Leben mit dem Feind, Anpassung und Widerstand in Hitlers
Europa 1939 - 1945" von Werner Rings, München 1979
"Die polnischen
Landarbeiter in Mittelpommern, meiner Heimat, waren ordnungsgemäß angeworben.
Sie bekamen Entlohnung, Unterbringung, Bezugscheine, ärztliche Betreuung. Sie
kamen durchweg abgerissen an, staffierten sich bei uns aus und erreichten einen
Lebensstandard, wie sie sich ihn in Ostpolen und der Nordukraine ‑ beide
Bezirke kenne ich ‑ nie hätten erträumen lassen."
Quelle: Dr. Heinz Splittgerber in "Die Aula", Graz 4 / 2000, S.
23
"Es ist die Tatsache
nicht aus der Welt zu schaffen, daß auch jetzt noch hunderttausende
ausländische Arbeitskräfte hier leben, die angeblich unter Zwang verschleppt
wurden. Sie weigern sich jetzt, in ihre Heimat zurückzukehren, obwohl sie
niemand daran hindert. Unter diesen Umständen muß angenommen werden, daß der
Zwang nicht so groß und die Behandlung in Deutschland nicht so schlecht gewesen
sein kann, wie von der Anklage behauptet wird."
Quelle: Rechtsanwalt Dr. Seidl als Verteidiger vor dem IMT in Nürnberg
(11.7.1946)