Der marxistisch-leninistische Freiheitsbegriff
Freiheit: Verhältnis des Menschen zur objektiven
Gesetzmäßigkeit
( > Notwendigkeit) in Natur und Gesellschaft,
insbesondere der Grad ihrer Erkenntnis und praktischen Beherrschung. Die
Freiheit besteht in der Einsicht in die objektive Notwendigkeit und in der
darauf beruhenden Fähigkeit, die Gesetzmäßigkeiten mit Sachkenntnis bewußt
anzuwenden und auszunutzen; sie schließt auch die ökonomischen, politischen,
rechtlichen und ideologischen Bedingungen ein, die hierzu gegeben sein müssen.
Dieser marxistisch‑leninistische Freiheitsbegriff faßt das Verhältnis von
Notwendigkeit und Freiheit als dialektische Beziehung auf und bestimmt die
Freiheit als Erkenntnis der objektiven Notwendigkeit und als Anwendung und
Ausnutzung der erkannten Notwendigkeit in der gesellschaftlichen Praxis.
Während die Notwendigkeit alle Bereiche der objektiven Realität umfaßt, ist
Freiheit eine spezifisch gesellschaftliche Kategorie und auf andere Bereiche
nicht ausdehnbar. Als gesellschaftliche Kategorie schließt der Freiheitsbegriff
das Problem der individuellen Freiheit in sich ein. Freiheit ist zugleich eine
konkrete historische Kategorie; eine absolute Freiheit gibt es nicht. Der
marxistische Freiheitsbegriff faßt die verschiedenen Aspekte der Kategorie
Freiheit (z. B. ökonomische, politische, moralische, künstlerische Freiheit) in
der philosophischen Definition zusammen und lehnt jede inhaltliche Aufspaltung
des Freiheitsbegriffs in verschiedene getrennte Bereiche ab. In der
dialektischen Relation zwischen Notwendigkeit und Freiheit ist die
Notwendigkeit stets die Voraussetzung unserer Freiheit, da sie absolut wirkt.
Solange sie durch die Menschen nicht erkannt ist, setzt sie sich ihnen
gegenüber spontan durch. Indem wir die Notwendigkeit erkennen und zweckvoll
ausnutzen, indem wir das objektiv Notwendige wollen und entsprechend handeln,
hört die Notwendigkeit auf, spontan zu wirken, ist sie in der Freiheit
aufgehoben und verwandelt sich in diesem Sinne in Freiheit, ohne indessen
aufzuhören, Notwendigkeit zu bleiben. "Die Notwendigkeit verschwindet nicht,
indem sie zur Freiheit wird." (W. I. Lenin) Nicht in der geträumten Unabhängigkeit
von den Naturgesetzen liegt die Freiheit, sondern in der Erkenntnis dieser
Gesetze, und in der damit gegebenen Möglichkeit, sie planmäßig zu bestimmten
Zwecken wirken zu lassen.(F. Engels) Freiheit als gesellschaftlicher Zustand
(Reich der Freiheit) setzt das Begreifen der Freiheit als Prozeß voraus. Die
Verwandlung des Reiches der Notwendigkeit in das Reich der Freiheit kann nur
dann erfolgen, wenn die Menschen nicht nur die Gesetze der Natur, sondern auch
die Gesetze der Gesellschaft erkennen und das gesellschaftliche Leben planmäßig
und bewußt regeln. In der bisherigen Geschichte bis zur Errichtung des
Sozialismus ging die gesellschaftliche Notwendigkeit aus einem Konflikt vieler
Einzelwillen hervor, sie erschien als "bewußtlos
und willenlos wirkende Macht" (F. Engels). Im Sozialismus befindet
sich die gesellschaftliche Notwendigkeit in wachsendem Maße in Übereinstimmung
mit dem Einzelwillen der Werktätigen, und der gesellschaftliche Gesamtwille ist
eine Zusammenfassung des Einzelwillens sozialistischer Menschen, die der
gesellschaftlichen Notwendigkeit entspricht. Die gesellschaftliche
Notwendigkeit ist hier eine erkannte, bewußt gewordene Macht und kann sich in
gesellschaftliche Freiheit verwandeln. Dieser Prozeß ist nur möglich durch die
Beseitigung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Indem die
Arbeiterklasse ihre politische Macht errichtet, die kapitalistischen
Produktionsverhältnisse beseitigt und durch sozialistische ersetzt, vernichtet
sie die Grundlage der Unfreiheit im Kapitalismus, die kapitalistische
Lohnsklaverei. Durch die Vergesellschaftung der Produktionsmittel wird die
Unterdrückung des Menschen durch den Menschen im Produktionsprozeß und im
Gesamtleben der Gesellschaft beseitigt, es bilden sich Beziehungen der
Zusammenarbeit, der Kollektivität heraus, welche bewirken, daß die Arbeit aus
einer Qual oder einem notwendigen Übel zum Bedürfnis wird. Die persönliche
Freiheit des Menschen ist immer an gesellschaftliche Voraussetzungen gebunden,
die den konkreten Rahmen und Inhalt der Freiheit des Individuums bestimmen. Die
Ideologen der imperialistischen Bourgeoisie versuchen den Begriff der Freiheit
jedes konkreten geschichtlichen Inhalts zu berauben und ihn in eine Leerformel
zu verwandeln, um ihm reaktionäre imperialistische Inhalte unterschieben zu
können. Die abstrakte Freiheitspropaganda und die Verbreitung von Freiheitsillusionen
gehören zu den wichtigsten Instrumenten des staatsmonopolistischen
Herrschaftsmechanismus. Im Sozialismus entsteht nach der Beseitigung der
Ausbeutung zum erstenmal eine Gemeinschaft von Menschen, in deren Rahmen sich
die persönliche Freiheit des Individuums voll entfalten kann. Doch persönliche
Freiheit besteht nicht in Unabhängigkeit von der Gesellschaft, nicht in
anarchistischer Zügellosigkeit, sondern in der realen Möglichkeit, seine
individuellen Fähigkeiten und Bedürfnisse im Einklang mit den Grundinteressen
der Gemeinschaft frei zu entwickeln und zu betätigen. Da im Sozialismus die
Überwindung aller Reste materieller wie geistiger Unfreiheit erfolgt, da die
Menschen ihre weitere Geschichte bewegt, gemäß den erkannten Gesetzmäßigkeiten,
gestalten, können wir die Gesellschaftsordnung des Sozialismus und des
Kommunismus gegenüber der bisherigen Geschichte der Menschheit als das Reich
der Freiheit bezeichnen. Auch im Sozialismus und im Kommunismus bleibt die
Freiheit ein Prozeß und will ständig neu gestaltet und vertieft werden.
Quelle: "Kleines Politisches Wörterbuch" von G. König, G.
Schütz, Dr. K. Zeisler (Zusammenstellung und Redaktion), Berlin 1967,
S. 209-211