Die Widerständler
Georg Wiesholler
Ein Zitat aus Johann
Wolfgang Goethes „Faust“ kommt mir in Erinnerung, wenn ich an den 60. Jahrestag des Attentats auf Adolf Hitler am 20. Juli
1944 denke:
„Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten,
die früh sich einst
dem trüben Blick gezeigt.
Versuch ich
wohl, euch diesmal festzuhalten?
Fühl ich mein
Herz noch jenem Wahn geneigt?
Ihr drängt euch zu! Nun gut, so mögt ihr walten,
Wie ihr aus Dunst und Nebel um mich steigt;“ ...
Ich kenne viele
Widerständler (?), die Adolf Hitler „Halleluja“ zuriefen und nach seinem Tode nicht laut genug „Kreuzige-ihn“
schreien konnten. Deswegen waren die Widerständler nach dem Kriege auch
nicht groß angesehen.
Lorenz
Jäger zitierte Johannes Gross, den Herausgeber der Zeitschrift „Das Capital“,
dem auch Bedenken über den immer mehr zunehmenden Widerstandskult kamen und der ihm
auch zu viel wurde:
„Der Widerstand gegen Hitler
nimmt täglich zu.“ (Lorenz Jäger, Ungeehrt, FAZ vom 25.6.2004)
Mit diesen „Widerständlern“
will ich nichts gemein haben. Und ich möchte mich auch nicht als Widerständler
bezeichnen. Vom richtigen Widerstand, das
Leben dafür zu opfern, habe ich mich aus Vorsicht oder aus Feigheit, man mag
es nennen, wie man will, gedrückt. Darin hätte ich auch keinen Sinn gesehen.
Eigentlich
kam ich zu diesem sogenannten Widerstand wie die Jungfrau zum Kind,
ich rutschte sozusagen hinein. Ich hatte auch nicht die Möglichkeit zum Widerstand wie Major
„Ritschi“ von Weizsäcker, der Potsdamer Gardeoffizier und spätere Präsident der
BRD, der mit seinen Kameraden in einer abgelegenen Scheune heimlich auf ein
Hitlerbild geschossen hat (BILD München vom 28.8.1997), denn bei uns wurde die Munition genau nachgezählt. Wir konnten
also nicht so einfach auf ein
Hitlerbild „ballern“; wenn ich nachdenke: wir hatten gar keins auf unserer Stube.
Wir konnten auch nicht auf einen Hasen oder Rehbock schießen, um unsere Dörrgemüsesuppe mit etwas Fleisch
auszustrecken. In unsere Suppe schauten mehr Augen hinein als heraus.
Dieser Widerständler, dessen Vater Staatssekretär im Auswärtigen Amt
war, maßte sich dann an, uns Deutschen nach dem Krieg die Leviten zu lesen. In
seiner Ansprache zum 40. Jahrestag des 8. Mai sagte er 1985 im Deutschen Bundestag folgende
erinnernswerte Worte:
„Es wurde von Tag zu Tag
klarer, was es heute für uns alle gemeinsam zu sagen gilt: Der 8. Mai war ein
Tag der Befreiung (über drei Millionen Deutsche wurden auf der Flucht ermordet
- d.V.). Hitler hat das ganze deutsche Volk
zum Werkzeug seines Hasses gemacht. Wir alle sind von ihren Folgen betroffen
und für sie in Haftung genommen.“
Weiß denn der Herr
Bundespräsident nicht, daß die Kriegsverbrecher Churchill und Roosevelt durch die „Bedingungslose Kapitulation“ uns zum
Hasser gemacht und in „Haftung“ genommen haben?
So sagte
Wolfgang Stresemann, der Sohn des ehemaligen Außenministers der Weimarer
Republik, welcher die Emigration in den USA verbrachte und der Roosevelt zuerst sehr
verehrte, daß Roosevelt ein furchtbarer Deutschenhasser war und ein glühender Anhänger des Morgenthauplans. (ZDF,
2.5.2004, Zeugen des Jahrhunderts)
Und auf dem Historikertag in
Bamberg im Oktober 1988 meinte dieser gescheite, edle christliche
Widerständler:
„Das
deutsche Volk hat sich von Verbrechern führen lassen (auch von seinem Vater
- d.V.). An der Verantwortung aller Deutschen ändert sich auch ,durch Zeitablaufnichts’.“ Die
Deutschen sollen also ewig büßen und bezahlen.
Übrigens: Dieser Edle von
Weizsäcker, Präsident des Deutschen Evangelischen
Kirchentages, machte sich nach dem Kriege um die deutsche Wirtschaft verdient, als er als Leiter einer Giftfabrik
(Dioxin) zur Freude an die Mitaktionäre berichten konnte:
„Solange der Vietnamkrieg dauert, werden wir mit unserer
Dioxinproduktion keine
Absatzschwierigkeiten haben.“ (DER SPIEGEL, Nr. 31 / 1991)
Daß
dabei Hunderttausende von Vietnamesen aus der Luft vergiftet und erbgeschädigt
wurden, machte diesen sensiblen, christlichen Widerständler keine Sorgen. Ein
fünfundsiebzigjähriger deutscher Firmenchef erhielt fünf Jahre Gefängnis,
weil er Saddam Hussein mit Waffen versah (was auch die Amerikaner, Briten und
Franzosen damals machten, weil Saddam Hussein zu den Gutmenschen gehörte), aber
der Edle von Weizsäcker wurde Bundespräsident.
Er versah ja auch die Richtigen, die Anständigen, die Gutmenschen mit diesem
Massentötungsmittel.
Ein anderer, edler
Widerständler, Ex-Oberst Rudolph-Christoph von Gersdorff, zeichnete sich auch als Schütze auf ein Hitlerbild aus. Er
erzählt uns in seinen Erinnerungen:
„Das
ging so weit, daß mehrere Leutnants kurz vor Ausbruch des Krieges im Casino
ein Pistolenschießen auf das dort befehlsgemäß aufgehängte ,Führer’-Bild
veranstalteten und anschließend das völlig
durchlöcherte Gemälde im Kasinogarten begruben.“
A
propos Adel: Anthony Eden, auch Mitglied der westlichen Wertegemeinschaft,
wurde geadelt, weil er in seiner Eigenschaft als britischer Premierminister Port Said ohne
Kriegserklärung bombardieren ließ. Über 1600 Menschen wurden dabei ermordet.
Deutsche Politiker und Generäle wurden für eine solche angebliche Handlung in
Nürnberg hingerichtet!
Ein
weiterer adliger Widerständler, auch ein Potsdamer Ex-Gardeoffizier, war der
Fürst (?) Klaus von Bismarck. Im Fernsehen sagte er, ich hörte es persönlich:
„Für uns in
Casino-Gesprächen war Hitler nur der Anstreicher aus Braunau.“
Aber
er kämpfte für den „Anstreicher“. 1942 erhielt er das Ritterkreuz und als Oberstleutnant beendete er
den Krieg.
Und der Edle
Ex-Generaloberst Nikolaus von Falkenhorst, Ex- Oberbefehlshaber von Norwegen, fand in einem Gespräch mit dem
britischen Generalmajor Harry J. Collins, „es beschämend für Deutschland, daß
es sich nicht selbst befreien konnte. Der deutsche Generalstab wußte
schon bei Kriegsbeginn, daß wir den Krieg
nicht gewinnen konnten (sonst wäre der Krieg zu vertreten gewesen?).“
Thomas
Mann belegte diese Äußerung auch in seinen Tagebüchern: „Äußerungen des Generals von
Falkenhorst als Gefangener der Amerikaner - nichts zu wünschen übrig lassend.
,Sie haben uns von einem Gangster-System befreit.’
Eine nationale Schande, daß wir uns selbst nicht befreien konnten.“ (Thomas
Mann, Tagebücher 1944 – 1.4.1946, S. 203f)
Als der Führer General von
Falkenhorst die Vorbereitung für „Weserübung“ (die
Besetzung Dänemarks und Norwegens) übertrug, nahm er diese Aufgabe freudig
entgegen, schrieb General Jodl am 21.2.1940 in sein Tagebuch. Als er dann
merkte, daß es abwärts ging, opponierte er gegen Reichsstatthalter Terboven und gab sich den Schein, ein
Widerständler zu sein.
Mitte Juni 1943 konnte ich
diesen „mutigen“ Ex-Generaloberst von Falkenhorst im Soldatenheim in Narvik,
wir wurden vom Lazarett dorthin gekarrt, noch „markige Sprüche klopfen“ hören:
„Gekämpft
wird bis um ,fünf nach zwölf und bis zur letzten Kugel!“ Bekanntlich wurde im ersten
Weltkrieg nur bis fünf vor zwölf gekämpft und somit ging der Krieg verloren.
Nachdem das Attentat am 20.
Juli mißglückt war, Stauffenberg lief weg, weil er angeblich für die Durchführung der Verschwörung unersetzlich war,
rannte der zum Putsch gehörende General Erich Fellgiebel umher wie eine aufgescheuchte
Henne, anstatt Hitler zu erschießen, was er unter diesem Tumult noch hätte machen können. Im Gegenteil: er
„schnallte um“, ging zum Führer und gratulierte ihm, daß er das Attentat
überstanden hat. Aber zu diesem Selbstopfer war dieser General zu feige. Er
wurde am 5.9.1944 hingerichtet, da bekannt wurde, daß er mit den Putschisten
unter einer Decke steckte.
Fabian von
Schlabrendorff, Adjutant des „zutiefst religiösen“ (von Boeselager)
Widerständlers Henning von Tresckow, der immer als echter Preuße hingestellt
wird, aber meines Erachtens keiner war, teilte uns in seinem Buch „Offiziere gegen Hitler“ mit,
daß von Tresckow Hitler überredete, seinen Frontbereich zu besuchen, um ihn bei
dieser Gelegenheit zu erschießen. Aus mir unerklärlichen Gründen wurde daraus nichts (er hatte sicherlich nicht die
Absicht, diese Exekution durchzuführen - d.V.). Man übergab aber beim Rückflug
Hitlers nach Ostpreußen dem mitfliegenden, ahnungslosen Oberstleutnant Brandt
eine als Geschenk kaschierte Sprengladung, die das Flugzeug, eine viermotorige
Condor, mitsamt den rund 30 Insassen in der Luft zerreißen sollte. Hier kann
man wohl sagen, selber waren diese Herren zu feige, Hitler zu erschießen, aber
man war bereit, eine Flugzeugbesatzung nebst Offizierskameraden und Soldaten
in den Tod zu schicken. Nach diesem tapferen Herrn von Tresckow ist in Potsdam
eine Kaserne benannt, während man die in Bad Aibling nach dem von seinen
Soldaten so beliebten Generaloberst Dietl umbenannte.
Philipp Freiherr von
Boeselager, Ex-Major, ist der letzte noch lebende Akteur aus dem Kreis um den
Wehrmachts-Oberst Henning von Tresckow, der letzte der Männer des 20. Juli. Er
erzählt uns auch so ein Märchen:
„Er beschaffte von
Stauffenberg den Koffer mit Sprengstoff und Zünder. Er sollte nach dem
Verschwörungsplan mit tausend Männern seines Kavallerieregiments strategische
Punkte in Berlin sichern. Aber nach einem zweitägigen Gewaltritt von der
Ostfront nach Westen kam die Einheit nicht einmal bis zu dem Flugplatz, von dem
aus sie fliegen sollten (mit den Pferden?).“ Nun erhielt er für seinen Verrat
von der französischen Ministerin Noelle-Lenoir in Paris das Kreuz der
Ehrenlegion ausgehändigt. Der Feind liebt den Verräter, aber nicht den Verrat!
Er fragte sich, „was würde Oberst von Tresckow jetzt sagen.“ (Merci für den
Major, Süddeutsche Zeitung vom 31.1.2004)
Diese Widerständler, möchte
man meinen, waren doch historisch gebildete Männer. Die wußten doch, daß
Deutschland durch einen Staatsstreich nicht zu befreien war. Churchill sagte schon
sehr bald nach Kriegsbeginn in aller Öffentlichkeit, daß es jetzt darum gehe,
Deutschland endgültig zu vernichten. Beim Treffen mit F. D. Roosevelt in
Wolfe's Cove meinte dieser große britische Staatsmann: „Die alliierte Politik
akzeptiert keine Kapitulation von einer hastig gebildeten, untergeordneten
deutschen Regierung. Die Alliierten schauen sich nicht nach einem Nazi-Badoglio
um (italienischer General, der sich mit den Alliierten gegen Deutschland
verbündete - d.V.). Der Krieg wird erst endgültig vorbei sein, wenn ganz
Deutschland besetzt (vernichtet - d.V.) sein wird, Stadt um Stadt.“
Dieser große britische
Staatsmann nahm also im Kauf, daß noch Millionen von Menschen den Tod erleiden
mußten.
Aber: Warum haben sie denn
Hitler nicht erschossen, diese edlen, tapferen Herren? Dazu waren sie zu feige!
Dies ist beschämend, „dies ist eine Schande“, meine ich. Der deutsche (?)
Generalstab, einschließlich des Herrn von Falkenhorst und der anderen edlen
Herren, hat es also hingenommen, daß Millionen von Menschen getötet wurden,
ohne dagegen etwas zu unternehmen. Die meisten der eben zitierten edlen (?)
Herrn Offiziere des Potsdamer Garderegiments, die das Ansehen Preußens und
ihres Garderegiments in den Schmutz gezogen haben, holten den versäumten
Widerstand erst ab Mai 1945 nach. Da brauchte man nicht mehr tapfer zu sein.
Vorher hatten sie nie daran gedacht, ihren Abschied einzureichen oder Hitler
den Befehl zu verweigern, was sie hätten tun können. Auch hatten und haben sie
sicherlich keine Bedenken, heute die Pensionen dieses „Anstreichers aus
Braunau“ in Anspruch zu nehmen.
Diese oben zitierten Herren
zählten nach dem Kriege zum besseren Deutschland und sorgten dafür, daß wir
Vasallen ausländischer Mächte wurden und bleiben!
Ich schließe
mich dem Urteil Kurt Schumachers über diese Widerständler an:
„Erst die Angst, im eigenen
militärischen Sektor in den Hintergrund gedrängt zu werden, hat sie
mobilisiert. Im Grund ist die Revolte vom 20. Juli bei ihren reaktionären
Teilnehmern nicht aus irgendeinem Gefühl der Verantwortung gegenüber dem
deutschen Volk oder gegenüber der Welt entstanden. Es war die Sorge um das
Schicksal ihrer Klasse und ihres Besitzes, die diese Leute veranlaßt hat, den
Versuch des Eingreifens, und damit die Rettung ihrer Güter und ihrer sozialen
Stellung, zu unternehmen.“ (Alfred Bernhard, Das Janusgesicht der
Sozialdemokratie, S. 171)
Und
Willy Brandt schrieb in „Efter segem“ (Nach dem Sieg), S. 233: „Die Generäle
haben den Nazismus nicht niedergeschlagen, obgleich sie die Machtmittel in der Hand
hatten. Viele von diesen verachteten diese nazistischen Parvenüs. Aber den Kampf gegen die Arbeiterbewegung und den Liberalismus pflegten sie genau so wie ihre
expansionistische Politik. Die Opposition
von Seiten der Wehrmacht hat, soweit sie vorhanden ist, sehr wenig mit Demokratie zu tun. Das Mißtrauen der Militärs
gegen Hitler ist erst gewachsen, nachdem er eine Niederlage nach
der anderen hinnehmen mußte. (Lorenz Jäger, Ungeehrt, FAZ vom 25.6.2004)
Anmerkung: Über den 20. Juli
1944 und den Rotarier Richard von Weizsäcker findet der interessierte Leser
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