"Entartete Kunst" und Kommunismus

 

Der Begriff "Entartete Kunst" spielt in der lin­ken Leitkultur unserer Medien eine maßgeb­liche Rolle bei der Charakterisierung nationalsozialistischer Kulturpolitik. Selbst in seriösen Veröffentlichungen wird er als "diffamierende Bezeich­nung der Nationalsozialisten für Strömungen der modernen Kunst" definiert ‑ so zum Beispiel im "Brockhaus". Das ist nicht falsch, aber interpretations­bedürftig.

 

Aus naheliegenden ideologischen Gründen wird bewußt übersehen, daß dieser Begriff keineswegs nur von den Nationalsozialisten in dieser Absicht gebraucht worden ist. Er wurde auch nicht von ihnen geprägt. Eingeführt wurde er bereits im Jahre 1893 durch eine Veröffentlichung des jüdischen Schriftstellers Max Nordau mit dem Titel "Entartung". Das erklärte Ziel Nordaus war es, gegen alle künstlerischen Erscheinungsformen des "moralischen Irrtums, des Schwachsinns und der Verrücktheit" Front zu machen. Er fand für diese Absicht breite Zustimmung, allerdings auch deutliche Ablehnung. Georg Lukács, einer der bedeutendsten marxistischen Philosophen, verschärfte diese Beurteilung in einem Beitrag zu der allgemeinen Dis­kussion um "Größe und Verfall des Expressionismus" durch das Urteil, daß alle unter dem Begriff Entartung zusammengefaßten Kunstrichtungen als ‑ wenn auch nicht beabsichtigt ‑ "Inkubationsphase des späteren Faschismus" verstanden und bekämpft werden müßten. Auf dem "Ersten Sowjetischen Schriftstellerkongreß" 1934 ist dieser Kampf durch die sowjetischen Kultur­funktionäre Shdanow und Radek offen erklärt worden. Gleichzeitig wurden die Maßstäbe des "Sozialistischen Realismus" für das Schaffen der kommunistischen Künstler für verbindlich erklärt. Alfed Kurella, später Vizepräsident der DDR‑Akademie der Künste, hat diesen Kurswechsel mit einem programmatischen Aufsatz "Nun ist dieses Erbe zu Ende" (1937) besiegelt.

 

Es begann die sogenannte Shdanowtschina, die Zeit der Säuberungen im kommunistischen Kulturbetrieb durch Diffamierungen, Drangsalierungen und Reglementierungen, die denen des nationalsozialistischen Kulturbetriebs in nichts nachstanden. Sie wurden nicht nur in der Sowjetunion, sondern auch von vielen linksorientierten Künstlern freiwillig befolgt und durch verherrlichende Darstellungen der stalinistischen Diktatur unterstrichen. Wer spricht heute noch in der Öffentlichkeit von diesen Bänkelsängern des Stalinismus? Inzwischen wird er immerhin als "Entartung des Sozialismus" dargestellt. Umso dringender stellt sich die Frage, warum zahlreiche Künstler im Westen dieser "Entartung" gehuldigt haben?

 

Quelle: Klaus Motschmann in JUNGE FREIHEIT vom 28.7.2006

 

Prof. Dr. Klaus Motschmann lehrte Politikwissenschaften an der Hochschule der Künste in Berlin.

 

Anmerkung: Die Parallele zu den Thesen von Prof. Ernst Nolte, die den sog. Historikerstreit auslösten, drängt sich auf. Nicht nur die Ausschaltung "entarteter" Kunst hatte ein "Prius" im Bolschewismus, sondern auch der Gulag und der millionenfache Genozid.