Der Eichmann-Prozeß

 

Die alliierten Gerichtsverfahren während der Nachkriegszeit gründen sich auf den Londoner Vertrag vom 8. August 1945 und die Deklaration von Moskau vom 30. Oktober 1943, auf die der Londoner Vertrag ausdrücklich Bezug nimmt.

 

Man ging aus von dem Grundsatz, daß die Kriegsverbrecher den Behörden jener Länder überstellt werden sollten, in denen sie ihre Kriegsverbrechen verübt hätten.

 

Darüberhinaus hat das Statut von London vom 8. August 1945 den Internationalen Militärgerichtshof geschaffen zur Aburteilung jener Verbrecher, deren Verbrechen geographisch nicht genau lokalisiert werden können. Dieses Londoner Statut wurde von den Alliierten veröffentlicht nachdem der damalige Chef der Reichsregierung, Großadmiral Dönitz, am 8. Mai 1945 die bedingungslose Kapitulation unterzeichnet hatte, wodurch den Alliierten das Recht zur Ausübung der deutschen Souveränität zugefallen war.

 

Kein internationaler Rechtssatz verleiht dem Staat Israel die Zuständigkeit, einen Ausländer vor Gericht zu stellen, dem Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen vorgeworfen werden, die im Ausland begangen worden sind. Außerdem konnte es sich damals nicht um Opfer israelischer Nationalität handeln, da es den Staat Israel noch nicht gab. Der Staat Israel ist souverän. Innerhalb der Grenzen seines Gebiets kann Israel sich nach Belieben durch ein besonderes Gesetz jede juristische Kompetenz zuerkennen, die es haben will. Aber ein solches Gesetz verstößt gegen die allgemeinen Grundsätze des Rechts und gegen die internationale Regel der Kompetenz, die für Verbrechen mit vorwiegend internationalem Charakter gilt. Da die Verbrechen in Deutschland zu einer Zeit begangen sind, in der das deutsche Recht sie nicht als solche ansah, sind sie nur im Sinne des internationalen Rechts Verbrechen.

 

Quelle: Rechtsanwalt Raymond de Geouffre de la Pradelle in einem Aufsatz im "Figaro" vom 9. Juni 1960