Bromberger Blutsonntag
Erlebnisbericht von Else Zabel
aus dem Dorf Hopfengarten, Kreis Bromberg, zitiert nach Rudolf Mühlfenzl
(Hrsg.): Geflohen und vertrieben. Augenzeugen berichten, Königstein/Ts. 1981,
S. 36ff.
"Um sieben Uhr abends
bellten die Hunde. Vier Polen, drei waren bewaffnet, kamen auf unseren Hof. Sie
lärmten laut und schwenkten ihre Karabiner. Als mein Mann in der Tür erschien,
um sie zu fragen, was sie wollten, brüllten sie >Hitlerschwein!<. Sie
schlugen ihn nieder. Dann forderten sie ihn auf, die Waffen herauszugeben.
Waffen hatten wir aber nie besessen. Dann stießen sie meinen Mann zur Seite und
traten in unsere Wohnung. Sie kamen in die Küche und rissen die Schubladen
heraus, machten die Tür vom Küchenspind auf und durchwühlten alles. Sie warfen
die Sachen auf den Fußboden. Dann rannten sie ins Wohnzimmer und in das
Schlafzimmer. Auch hier rissen sie alle Schränke und Schubladen auf, brachen
alles auf und warfen die Gegenstände auf den Fußboden. Die Sachen, die ihnen
gefielen, steckten sie in ihre Taschen. Die Betten wurden aufgeschlitzt und
aufgerissen. Dann schüttelten sie die Federn aus ... Nachdem die Polen nichts
Belastendes gefunden hatten, schlugen sie wieder auf meinen Mann ein und traten
ihn mit Füßen und johlten laut >Hitlerschwein!<. Dann wollten sie von ihm
Geld und seine Taschenuhr ... Zuerst weigerte er sich, das Geld und die Uhr
herauszugeben. Aber sie schlugen erneut auf ihn ein. Er blutete aus der Nase
und dem Mund, hatte Platzwunden am Kopf. ...
Ich sah vom Blumengarten aus
die Quälerei mit an. Ich durfte mich aber nicht bemerkbar machen, da mich die
Polen wahrscheinlich genauso behandelt und noch vergewaltigt hätten. Das hatten
sie mehrfach mit den Töchtern unserer Nachbarn gemacht, die auch Deutsche
waren. Mein Mann fiel mehrmals hin, wurde aber mit Fußtritten und
Kolbenschlägen wieder hochgetrieben. Unter großem Gejohle und Beschimpfungen
wie >Hitlerowiec, Schwab, deutsches Schwein< trieben sie meinen Mann vom
Grundstück ... Die Polen schlugen weiter auf ihn ein, traten ihn und stachen
mit den Bajonetten zu. Sie rissen ihn wieder hoch und trieben ihn vor sich her.
Ich war durch diesen Überfall
und die Mißhandlungen meines Mannes so verängstigt, daß ich ohne Verpflegung
und ohne Gepäck über die angrenzenden Wiesen in eine Lehmgrube floh. Dort fand
ich Nachbarn. Sie berichteten auch von Mißhandlungen. Inzwischen war es dunkel
geworden. Die ganze Nacht hörten wir von weitem das Lärmen der Soldaten, das
Weinen der Kinder, das Jammern der Frauen und der Mädchen. Zwischendurch fielen
Schüsse. An mehreren Stellen des Ortes brannten die Häuser der deutschen Bauern
...
(Nach dem Einmarsch der
deutschen Truppen) fand ich meinen Mann tot, erschossen, erschlagen. Ich
identifizierte ihn anhand seiner Kleidung. Er war fast bis zur Unkenntlichkeit
zerschlagen. Er hatte klaffende Wunden in Rücken, Brust und Bauch. Kopf und
Schulter waren blutverkrustet. In meinem Schmerz und meiner Ohnmacht bin ich
zusammengebrochen ... "
Quelle: "Schwarzbuch der Vertreibung 1945 bis 1948" von Heinz
Nawratil, 11. Auflage München Februar 2003, S. 46 f