Die polnischen Bierut-Dekrete – unter Naturschutz?
Da
sage man noch, es gäbe keine Geheimnisse, keine Sprachregelungen,
keine Phänomene in unserer so offenen Gesellschaft, die stillschweigend von allen
politischen Ebenen, genau wie von der veröffentlichten Meinung unserer
Medienlandschaft, genauestens befolgt werden. In diesem Fall sogar
als „Tabuthemen“ totgeschwiegen werden. Wie sonst ist es zu erklären, daß - nicht nur aufgrund der aktuellen Turbulenzen - nur die Benes-Dekrete die Schlagzeilen
bestimmen. Der Eindruck hat sich in
den letzten Monaten verstärkt , daß die „anderen“ Vertreibungs- und
Enteignungsdekrete nur verschämt
erwähnt, jedoch nicht namentlich genannt werden.
Dabei
sind durch die polnischen Bierut-Dekrete wesentlich mehr Menschen und letztlich
ein Viertel Deutschlands des Gebietsstandes der Weimarer Republik betroffen. Dieses Faktum ruft nicht nur Irritationen hervor, nein, es verlangt
auch nach Erklärungen.
Warum berichten angesehene überregionale
deutsche Tageszeitungen ausführlich über das Schlesiertreffen des vergangenen
Jahres, unter „Verarbeitung“ der Benes-Dekrete, dergestalt,
als seien die Schlesier aus der damaligen Tschechoslowakei vertrieben
worden? Warum
werden von den Leserbriefredaktionen der
genannten großen Tageszeitungen keine Leserbriefe mit eindeutigen Hinweisen auf
die Bierut-Dekrete veröffentlicht?
Warum argumentieren angesehene
Redakteure, Journalisten und
Kommentatoren dahingehend, daß es nur
mit der Tschechischen Republik die aus der
Vertreibung herrührenden Probleme gebe? Es kann doch nicht Unwissenheit bei dem angesprochenen Personenkreis
sein; dies wäre ausgesprochen blamabel.
Warum
vermeidet Frau Erika Steinbach, immerhin Präsidentin des Bundes
der Vertriebenen, unseres Dachverbandes, eine eindeutige Verurteilung
und Forderung der Aufhebung der Bierut-Dekrete - analog der Argumentation
gegenüber den Benes-Dekreten.
Zeigt
nicht das aktuelle Beispiel der politischen Auseinandersetzung und des
Umgangs mit der Tschechischen Republik, daß das Verdrängen von unangenehmen
Wahrheiten Gräben nicht beseitigt? Deklarationen, wie die vor fünf Jahren
zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik verabschiedete, sind das
Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben wurden, sofern der
aufrichtige Wille zur vorurteilslosen Zusammenarbeit fehlt!
Zurück
zur Betrachtung des Verhältnisses zu unserem Nachbarn Polen. Trotz Freundschafts- und Nachbarschaftsvertrag, der das gegenseitige
Verhältnis zweifellos entscheidend
verbessert hat, sind die Vertreibungs-
und Enteignungsdekrete weiterhin Bestandteil
des innerpolnischen Rechts, sind diese weiterhin nicht von Anfang an für ungültig erklärt worden. Weiterhin fehlt jegliche Entschuldigung des
polnischen Parlaments für die
unmenschliche Vertreibung. Den
Millionen Toten der Vertreibung sind wir es schuldig, diese unablässig zu fordern. Warum also gibt
es in Deutschland Kräfte, die uns
glauben machen wollen, im Verhältnis
gegenüber Polen gäbe es unsererseits
keinen Forderungskatalog?
Leider
wurde hier auch das Datum für eine Novellierung des Freundschafts- und
Nachbarschaftsvertrages mit Polen unsererseits ungenutzt gelassen. Dabei
hatte nicht nur der Zentralrat der deutschen Freundschaftskreise im
polnischen Machtbereich einen umfangreichen Katalog von
Änderungen/Verbesserungen des Vertrages aufgelistet, die Gegenstand
eines anderen Artikels
sein werden.
Im
Gegensatz zur tschechischen Seite verhält sich die polnische
zurückhaltender und diplomatischer. Allerdings passierte mir anläßlich
eines deutsch-polnisch-tschechischen Symposiums vor einiger Zeit, daß ein
Professor der Krakauer Universität vehement bestritt,
daß es überhaupt polnische Vertreibungsbefehle gäbe. Nach
Zusendung der von mir gesammelten polnischen Vertreibungsbefehle
herrscht allerdings absolutes Schweigen.
Erinnern
wir uns: Da wurde von der rot-grünen Regierung ein entscheidender Beitrag zum sogenannten Kosovo-Krieg geleistet, um sogar
Vertreibungsunrecht rückgängig zu machen, jedoch gleichzeitig wird betont, daß
bei den Beitrittsverhandlungen mit Polen und der Tschechischen Republik zur EU
die Vertreibung von etwa zwölf
Millionen Menschen und die noch
gültigen Unrechtsdekrete kein Thema sind.
EU -
Wertegemeinschaft?
Befehl.
Laut
Anordnung der Regierung der Republik Polen hat die gesamte deutsche Bevölkerung das
polnische Staatsgebiet zu verlassen. Vorgeschrieben
ist das deutsche Gebiet über Görlitz an der Neiße. Der Weg geht über Frankenstein – Reichenbach –
Schweidnitz – Striegau – Jauer – Goldberg – Löwenberg – Lauban -
Görlitz.
Bei
Verlassen des polnischen Staatsgebietes dürfen nur 20 kg Gepäck mitgenommen werden.
Alle
Personen, welche dieser Aufforderung nicht nachkommen, werden mit
Gewalt entfernt.
Diejenigen Personen, die im
Besitz einer Bescheinigung des Bevollmächtigten
der polnischen Regierung sind, werden vom Verlassen des Gebietes
befreit.
Bis
zum 30. Juni 1945, mittags 12 Uhr muß der Befehl ausgeführt sein.
Glatz,
den 29. Juni 1945.
Der Bevollmächtigte Die Kommandantur
der polnischen Regierung
des polnischen Heeres
für den Bezirk XXIV
in Glatz
in Glatz
Quelle: DER SCHLESIER vom
10. Mai 2002