In Ausübung der
obersten Gewalt, welche die Regierungen Frankreichs, der Vereinigten Staaten
und des Vereinigten Königreichs beibehalten, proklamieren wir,
General Pierre Koenig, Militärgouverneur und Oberbefehlshaber der französischen
Zone Deutschlands,
General Lucius D. Clay, Militärgouverneur und Oberbefehlshaber der
amerikanischen Zone Deutschlands, und
General Sir Brian Hubert Robertson, Militärgouverneur und Oberbefehlshaber der
britischen Zone Deutschlands,
hiermit gemeinsam das folgende Besatzungsstatut:
1.
Die Regierungen Frankreichs, der Vereinigten Staaten und des Vereinigten Königreichs
wünschen und beabsichtigen, daß das deutsche Volk während des Zeitraumes, in
dem die Fortdauer der Besetzung notwendig ist, das mit der Besetzung zu
vereinbarende größtmögliche Maß an Selbstregierung genießt. Abgesehen von den
in diesem Statut enthaltenen Beschränkungen besitzen der Bund und die ihm
angehörigen Länder volle gesetzgebende, vollziehende und richterliche Gewalt
gemäß dem Grundgesetz und ihren Verfassungen.
2.
Um sicherzustellen, daß die Grundziele der Besetzung erreicht werden, bleiben
auf folgenden Gebieten Befugnisse ausdrücklich vorbehalten, einschließlich des
Rechts, Auskünfte und Statistiken, welche die Besatzungsbehörden benötigen,
anzufordern und nachzuprüfen:
a) Die Abrüstung und Entmilitarisierung, einschließlich der damit zusammenhängenden
Gebiete der wissenschaftlichen Forschung, die Verbote und Beschränkung der
Industrie und die zivile Luftfahrt;
b) die Kontrollen hinsichtlich der Ruhr, die Restitutionen, die Reparationen,
die Dekartellisierung, die Entflechtung, die Handelsdiskriminierungen, die
ausländischen Interessen in Deutschland und die Ansprüche gegen Deutschland;
c) auswärtige Angelegenheiten, einschließlich internationaler Abkommen, die von
Deutschland oder für Deutschland abgeschlossenen werden;
d) kriegsversprengte Personen (displaced persons) und Zulassung von
Flüchtlingen;
e) Schutz, Ansehen und Sicherheit der alliierten Streitkräfte, Angehörigen,
Angestellten und Vertreter, deren Vorrechte, sowie die Deckung der Kosten der
Besatzung und ihrer anderen Anforderungen;
f) die Beachtung des Grundgesetzes und der Länderverfassungen;
g) die Kontrolle über den Außenhandel und Devisenverkehr;
h) die Kontrolle über innere Maßnahmen, jedoch nur in dem Mindestumfang, der
erforderlich ist, um die Verwendung von Geldmitteln, Lebensmitteln und anderen
Lieferungen derart sicherzustellen, daß die Notwendigkeit auswärtiger Hilfe für
Deutschland auf ein Mindestmaß herabgesetzt wird;
i) die Kontrolle der Versorgung und Behandlung von Personen in deutschen
Gefängnissen, die vor den Gerichten oder Tribunalen der Besatzungsmächte oder
Besatzungsbehörden angeklagt oder von diesen verurteilt worden sind, über die
Vollstreckung von Urteilen, die über diese Personen verhängt wurden, und über
andere sie betreffende Fragen der Amnestie, Begnadigung oder Freilassung.
3.
Die Regierungen Frankreichs, der Vereinigten Staaten und des Vereinigten
Königreichs hoffen und erwarten, daß die Besatzungsbehörden keinen Anlaß haben
werden, auf anderen Gebieten als auf den ihnen oben ausdrücklich vorbehaltenen
einzugreifen. Die Besatzungsbehörden behalten sich indessen das Recht vor, auf
Weisung ihrer Regierungen die Ausübung der vollen Gewalt ganz oder teilweise
wieder zu übernehmen, wenn sie dies als wesentlich ansehen für die Sicherheit oder
die Aufrechterhaltung der demokratischen Regierung in Deutschland oder als
Folge der internationalen Verpflichtungen ihrer Regierungen. Bevor sie
entsprechende Schritte unternehmen, werden sie die zuständigen deutschen
Behörden von ihrer Entscheidung und deren Gründen förmlich unterrichten.
4.
Die deutsche Bundesregierung und die Länderregierungen haben die Befugnis, nach
ordnungsmäßiger Unterrichtung der Besatzungsbehörden auf den Gebieten, die den
Besatzungsbehörden vorbehalten sind, Gesetze zu erlassen und tätig zu werden,
es sei denn, daß die Besatzungsbehörden ausdrücklich anders bestimmen, oder daß
derartige Gesetze oder Maßnahmen mit den von den Besatzungsbehörden selbst
getroffenen Entscheidungen oder Maßnahmen unvereinbar sind.
5.
Jede Änderung des Grundgesetzes bedarf vor ihrem Inkrafttreten der
ausdrücklichen Zustimmung der Besatzungsbehörden. Länderverfassungen,
Änderungen dieser Verfassungen, jedes andere Gesetz und jede Vereinbarung, die
zwischen dem Bund und auswärtigen Regierungen getroffen wird, treten 21 Tage
nach ihrem amtlichen Eingang bei den Besatzungsbehörden in Kraft, sofern sie
nicht von diesen vorher, einstweilig oder endgültig, abgelehnt worden sind. Die
Besatzungsbehörden werden ein Gesetz nicht ablehnen, es sei denn, daß es nach
ihrer Ansicht mit dem Grundgesetz, einer Länderverfassung, den Gesetzen oder
sonstigen Anordnungen der Besatzungsbehörden selbst oder mit den Bestimmungen
dieses Status unvereinbar ist oder daß es eine schwere Bedrohung der Grundziele
der Besetzung darstellt.
6.
Mit dem alleinigen Vorbehalt der Erfordernisse ihrer Sicherheit garantieren die
Besatzungsbehörden, daß alle Besatzungsorgane die bürgerlichen Rechte jeder
Person achten, auf Schutz vor willkürlicher Verhaftung. Durchsuchung oder
Festnahme, auf Vertretung durch einen Anwalt, auf Freilassung gegen Kaution,
sofern die Umstände dies rechtfertigen, auf Verkehr mit den Angehörigen und auf
ein rechtes und schnelles Verfahren.
7.
Die Gesetze, welche die Besatzungsbehörden vor Inkrafttreten des Grundgesetzes
erlassen haben, bleiben gültig, wenn sie nicht von den Besatzungsbehörden in
Übereinstimmung mit den folgenden Vorschriften aufgehoben oder abgeändert
werden:
a) Gesetze, die mit den vorstehenden Bestimmungen unvereinbar sind, werden
aufgehoben oder so gehandhabt werden, daß sie mit ihnen vereinbar sind;
b) Gesetze, die auf den vorbehaltenen Befugnissen gemäß § 2 beruhen, werden
kodifiziert werden;
c) nicht unter Absätze a) oder b) fallende Gesetze werden auf Verlangen der
zuständigen deutschen Behörden von den Besatzungsbehörden aufgehoben werden.
8.
Jede Maßnahme soll als Handlung der Besatzungsbehörden im Rahmen der hier
vorbehaltenen Befugnisse angesehen und als solche auf Grund dieses Statuts
wirksam werden, sofern sie in einer Weise ergriffen oder begründet wird, die in
einer Vereinbarung zwischen den Besatzungsbehörden vorgesehen ist. Die
Besatzungsbehörden können nach ihrem Ermessen ihre Entscheidungen entweder
unmittelbar oder durch Weisungen an die zuständigen deutschen Behörden zur
Ausführung bringen.
9.
Nach 12 Monaten und in jedem Fall innerhalb von 18 Monaten nach Inkrafttreten
dieses Statuts werden die Besatzungsmächte seine Bestimmungen überprüfen im
Lichte der Erfahrungen, die bei seiner Anwendung gemacht wurden, und im Hinblick
auf eine Erweiterung der Zuständigkeit der deutschen Stellen auf den Gebieten
der Gesetzgebung, Exekutive und der Rechtspflege.
Dem
Parlamentarischen Rat in Bonn mit einer Note übermittelt am 10. April 1949.
Quelle:
Sonderdruck sowie Amtsblatt der Alliierten Hohen Kommission in Deutschland, Nr.
1, S. 13 ff.