Barbaren und Ketzer

 

Das Märchen vom Terrorismus

 

Schon als der große Menschenbeglücker Julius Caesar vor mehr als 2000 Jahren erstmals in die Region des heutigen Deutschlands kam, fand er nichts anderes als wilde Barbaren, keulenschwingende, heulende Waldschrate in Bärenfellen, die seinen friedliebenden Legionen Angst und Schrecken einjagten, so daß die größte Militärmacht der damaligen Zeit, das römische Imperium, sich über Jahrhunderte dauerhaft weigerte, diesen Wilden die Gaben der römischen Zivilisation anzuvertrauen.

 

Kaum war das Imperium aus der Geschichte verschwunden, versuchte erneut ein großer Weltenbeglücker, der in der Geschichte als Karl der Große geführt wird, seine Idee vom friedlichen Nebeneinander aller europäischen Völker zu verwirklichen, wozu er selbst bereit war, die wilden Heiden des Sachsenlandes zu integrieren. Aber wieder gab es auch für Karl den Großen nichts anders als Schwierigkeiten mit denen, die nun Sachsen genannt wurden. Der Bote des Christentums wurde nicht nur abgewiesen, nein, seine glückpreisenden und moralbringenden Abgesandten, seine Mönche, Missionare und wen er da sonst noch schickte, sie wurden weder freundlich empfangen noch aufgenommen, sie wurden zumeist einfach erschlagen. So mußte der große Karl dann mehr als 30 Jahre seines Lebens allein darauf verwenden, die sächsischen Heiden zu ihrem christlichen Glück zu zwingen. Aber wieviele anständige Christen mußten die Idee, auch die wilden Sachsen der christlichen Seeligkeit zuzuführen, mit ihrem Leben bezahlen?

 

Selbst als Karl längst nicht mehr war, als der große Stauferkaiser Friedrich Barbarossa zumindest die Mitte Europas unter sich zu einen versuchte, standen noch immer die Sachsen dieser Idee im Wege, stifteten Unfrieden, erschlugen seine christlichen Ritter und Bischöfe, vernichteten Burgen und Pfalzen und weigerten sich selbst im 12. Jahrhundert noch immer, Zivilisation und Kultur anzunehmen und friedlich neben den anderen europäischen Völkern zu leben.

 

Und wieder viele Jahre später, als seine Heiligkeit, der römische Papst, nichts anderes als Wohlstand in das nördliche Europa bringen wollte, wozu dieses ihm doch nur seine weltlichen Pfründe ausliefern sollte, gab es wieder nichts als Ärger, Mord, Totschlag und Aufstand. Ob es die deutschen Fürsten waren, ob die geistige Revolution Luthers, insbesondere aber die Thomas Müntzers, oder die wilden Aufstände der Bauern. Ketzer, Heiden und Terroristen, soweit das Auge seiner Heiligkeit in Deutschland auch blickte. Erst als es seinen Nachfolgern dann geglückt war, wozu mehr als nur Gottes Segen benötigt wurde, in einer 30‑jährigen, von den deutschen geforderten, Überzeugungsarbeit mehr als die Hälfte der aufständischen Bauern und Städter zu eliminieren, kehrte für die nächsten Jahrhunderte weitgehend Ruhe in dieser wilden Region Europas ein. Kriege und Terrorismus waren aus der Mitte Europas fast ausgerottet.

 

Kaum, daß die sich so sehr um die geistige und kulturelle Entwicklung in den verheerten deutschen Landen bemühenden christlichen Mönche, Pfaffen und sonstigen Wohltäter den Nachkommen der Übriggebliebenen das Lesen und Schreiben beigebracht hatten, entstand neue Unruhe. Als der Franzosenkaiser Napoleon ‑ geistig als direkter Nachfolger Karls des Großen auftretend ‑ die europäische Einheitsidee versuchte durchzusetzen, führte dies ganz besonders in Deutschland zur Geburt einer Volksverhetzerbewegung. Ob sie Schiller, Fichte, Arndt, von Stein oder Scharnhorst hießen, sie hetzten und organisierten den Aufstand des Terrors in der gleichen Unruhe‑Region, nur daß sie jetzt nicht mehr Sachsen hießen, sondern Preußen. Die Region und das Volk des Terrors nahmen erneut Gestalt an, und es sollte nur noch wenige Jahrzehnte dauern, bis es einem preußischen Kanzler gelang, das Volk der Barbaren, Heiden, Ketzer, Aufständler und Terroristen in einem Deutschen Reich zusammenzuschließen. Aber das sollte und konnte nicht von Dauer sein. Das Aufkommen eines staatlich organisierten Terrorismus konnten die anderen Völker der Welt nicht zulassen. Sie schlossen sich zusammen, und wenn auch der Deutsche Kaiser belgischen Kindern reihenweise die Hände abhackte, es half nichts.

 

Volk, Staat und Kaiser wurden befreit. Aber selbst dies reichte nicht aus, denn kaum 15 Jahre später betrat der größte Terrorist und Massenmörder aller Zeiten die Bühne in Deutschland. In der Absicht, die ganze Welt seinem Terrorregime unterzuordnen, schreckte er auch vor einem neuen Weltkrieg nicht zurück. Nach der Befreiung kehrte dann, dank der weisen und klugen Gestaltung der anderen Mächte, endlich Ruhe und Wohlstand in Deutschland ein. Selbst aufkommende studentische Unruhen ließen sich mit wenigen geschickten Manövern von terroristischen Elementen trennen, die anschließend der Gerechtigkeit der Justiz zugeführt werden konnten. Aber auch in der Folgezeit zeigte Deutschland immer wieder seine terroristische Anlage und Neigung. Dies wirkte selbst auf solche, die nur auf der Durchreise waren.

 

Kaum kommt die Welt zur Ruhe, da fliegen Flugzeuge in die Türme des Welthandelszentrums in New York und gegen das amerikanische Verteidigungsministerium. Die Türme hatten sich gerade erst in Staub aufgelöst, schon wurde man bei der Suche nach der Herkunft der Pläne und Attentäter fündig. Es lag eigentlich auf der Hand, wo sie nur herkommen konnten. Wer dieses Deutschland betritt, der kann sich anscheinend dem so negativen Einfluß ganz einfach nicht entziehen. Es muß wohl sein Klima sein, das jeden, gleich ob dort geboren oder ob nur auf der Studien‑ oder Durchreise, der diesem Klima ausgesetzt ist, zum Barbaren, Ketzer oder auch Terroristen macht.

 

Auch als heute, keine drei Jahre später, mit Arbeitern und Angestellten besetzte Züge in Spanien in die Luft gesprengt werden, kann sich fast jeder sicher sein, wo die Pläne ausgebrütet wurden und von wo die Terroristen ausgezogen waren. Aus dem Land des Terrors.

 

War es zu früheren Zeiten immer nur die Aufgabe anderer, dieses Land des Terrors zu bekämpfen oder seine Menschen zu plündern, zu vergewaltigen und zu erwürgen, so ist aber dank dem seit 50 Jahren herrschenden Einfluß von Moral und Gutheit zwischenzeitlich zumindest erreicht worden, daß heute die eingeborenen Terroristen selbst zu der Einsicht gebracht wurden, sich eine Regierung zu wählen, die massiv und mit allen Mitteln nicht nur der Erbsünde der Deutschen und dem daraus sich ausbreitenden Terrorismus entgegenarbeitet, sondern die alles und jeden derer, die an dieses Land nur denken, unter Kontrolle zu bringen versucht. Mit hervorragend ausgebildeten und ausgestatteten verdeckten Einsatzkräften, mit Überwachungs‑ und Kontrolltechniken aller Art und neuester Elektronik wird - wenn auch die letzten Anschläge noch erhebliche Lücken demonstrieren ‑ ein immer dichteres und sich selbst perfektionierendes System zur Eindämmung und hoffentlich auch baldigen Ausmerzung des Terrorismus installiert und ausgebaut. Und dort, wo die Einsichten nachlassen und die konstruktiven Kräfte zu erlahmen drohen, da findet sich ‑ dank der ausgeklügelten Fahndungsmethoden ‑ doch immer wieder ein Motivationsschub und eine Rechtfertigung, um die Überwachung auszubauen und zu verstärken.

 

Es soll niemand meinen oder auf die Idee kommen, daß das Dargestellte an auch nur irgendeinem Punkt nicht dem entspricht, was auch in der Zukunft unverändert andauern soll. Nur eines, das läßt sich, wie in vielen anderen Märchen, zum Abschluß nicht mehr anführen. Auch wenn es schade ist, so verlangen die erreichten Zustände, Verzicht zu leisten, Verzicht auf den vielgelesenen Abschluß: "und wenn sie nicht gestorben sind, dann ......".

 

Quelle: Denk-Mal: Deutschland und die Welt vom 26.3.2004 - Deutsche Idealisten (www.deutsche-idealisten.de) GUWG-Verlag, 50169 Kerpen-Horrem, Rathausstraße 51 Fax: 0 22 73 - 60 37 58