08.2004 |
Wolfgang Eggert |
Info von: |
Diese "Verbrecher", die dem Krieg ein Ende setzen wollten |
Wolfgang Eggert ist studierter Geschichtswissenschaftler und Politologe (FUB und LMUM). Nach redaktioneller Ausbildung bei SAT 1 und einer für VOX arbeitenden Produktionsgesellschaft, wirkt er heute als freischaffender Historiker. Der abgedruckte Artikel reißt Fragen an, die im dritten Band von Eggerts Trilogie "Im Namen Gottes - Israels ´Geheimvatikan´" (Chronos Medien GmbH, München 2004) ausführlich behandelt werden. 1944 verhöhnten die
Alliierten das Die Regie der
Sieger Tatsächlich musste den Alliierten das Scheitern des 20. Juli 1944 mehr als gelegen kommen. Man stelle sich vor: Hitler stirbt mitten im Sommer 1944. Ein breitgefächertes Bündnis von Widerstandskämpfern übernimmt die Regierung, auf deren Geheiß hin die deutschen Truppen die Waffen niederlegen. Die Kampfhandlungen enden jenseits der Grenzen einer großdeutschen Nation, die das von Britannien so eifersüchtig überwachte Gleichgewicht auf dem Kontinent aus der Waagschale geworfen hat. Doch Besatzung oder gar Teilungen sind unter den gegebenen Umständen nicht in Sicht. Mehr noch, den gerade erst an den Stränden der Bretagne angelandeten Amerikanern bleibt es verwehrt, ihre militärische Präsenz nach Westeuropa zu tragen. Und die Sowjets erhalten keinen Zugriff auf die Länder Osteuropas, die bald hinter einem "Eisernen Vorhang" verschwinden werden: Polen, Ungarn, Bulgarien, die Tschechei, Rumänien, das Baltikum. Dieses Szenario konnte unmöglich im Interesse der Alliierten liegen. Und so musste der Krieg andauern, bis die siegreichen Armeen Stalins, Churchills und Roosevelts ihre längst untereinander abgesteckten "Claims" besetzt hatten. Bis zum Handschlag von Torgau und der Besetzung Berlins musste fanatisch gekämpft werden. Die Regie der Sieger rief nach SS-Truppen, nach Volksstürmen, nach Parteibonzen, die Hitlerjungen mit Hakenkreuzfahnen im Arm ins letzte Gefecht schickten. Vor dem Hintergrund diente der Nationalsozialismus London, Washington und Moskau auch als psychologisches weil plakatives Feindbild - ein Feigenblatt, das mit einer Machtübernahme von Nazigegnern, demokratischen zudem, fortgeweht worden wäre. So mag sich vielleicht insgesamt besser verstehen lassen, wieso die Versuche der deutschen Widerständler, ausländische Verbündete für ihre Pläne zum Umsturz und zur anschließenden Neuordnung zu finden, ständig frustriert werden mussten. Und zwar an alleroberster Stelle. Goerdeler - der
"Verräter" Als sich der zivile Führer des 20. Juli, Karl Friedrich Goerdeler, im März 1938 mit den Alliierten in Kontakt setzte, bereiteten ihm diese einen mehr als kühlen Empfang. In London bezichtigte ihn der Erste Ratgeber des britischen Außenministers, Robert Vansittart, sogar des Verrats. Dasselbe galt auch für den Oberleutnant Ulrich von Schwerin, der vor dem Einmarsch in Polen nach London entsandt wurde, um die Engländer davon zu überzeugen, daß die Invasion vereitelt werden könnte, wenn die Engländer Hitler zu verstehen geben würden, daß sie bereit waren, die slawische Nation zu verteidigen. "Nur die Gefahr eines Krieges an zwei Fronten kann Hitler bremsen," lautete seine Botschaft. Die auch dieses Mal auf taube Ohren fiel. Nach Kriegsausbruch versuchte Trott zu Solz am Rande einer Konferenz in Washington Präsident Roosevelt zur Unterstützung einer Denkschrift zu bewegen. Diese sollte die sich formierende Opposition gegen Hitler ermutigen. Vergeblich. Ab 1942 wurden seitens Emissären des Kreisauer Kreises Versuche unternommen, den Alliierten klarzumachen, daß es durchaus andersdenkende Kreise gab, die den Nazismus zutiefst verachteten und daß die Alliierten den Nazismus keinesfalls mit dem deutschen Volk gleichsetzen dürften. Aber eine solche Unterscheidung wurde von den Alliierten nicht akzeptiert. Chamberlain zeigte eine "eisige" Haltung, Roosevelt hielt Gespräche für "untunlich" und 1942 ließ er einen Mittelsmann wissen, daß seine Bitte um Fühlungnahme die "offizielle Politik" in "Größte Verlegenheit" bringe. Die Friedensangebote des deutschen Widerstands blockte Außenamtschef Eden mit der Bemerkung, daß die Angelegenheit zu den Akten gelegt worden sei, während Churchill mit der Erklärung konterte, daß die Atlantik-Charta nicht für die Achsenmächte gelte. Bedingungslose
Kapitulation als Garant des Totalen Krieges Die Folgen waren für die Männer des 20. Juli, die jetzt nur noch sehr schwer Unterstützung für Ihre Widerstandsarbeit finden konnten, fatal. Dies zumal die Alliierten in Casablanca einem "besseren Deutschland" die kalte Schulter zeigten. Es wäre leicht gewesen, die verhängnisvolle Forderung nach "bedingungsloser Kapitulation" mit dem zur Opposition ermutigenden Nebensatz zu verbinden: "...so lange Hitler und sein Naziregime an der Macht sind". Unzweifelhaft hätten auf diesem Wege eine ganze Reihe führender Generäle - darauf hoffend, daß eine Umsturzregierung in diesem aussichtlosen Kräftemessen bessere Friedensbedingungen erhielte als die bestehende - den Weg zum Widerstand gefunden. Anstelle dessen wurde nun die bedingungslose Kapitulation vom deutschen Staat verlangt, was - ohne das direkt zu benennen - die Männer um Stauffenberg mit Hitlers Schergen auf ein und dieselbe Stufe stellte. Während das alliierte Lager den Widerstand in sämtlichen außerdeutschen Ländern unterstützte, untergrub es zugleich in geradezu herausfordernder Art und Weise jenen im direkten Feindesland. Angloamerikanische
Wasserträger für Hitler Aufgeklärte
Selbstsucht Jetzt, da der demokratische Präsident Roosevelt entschlossen schien, die Nachkriegswelt mit den Sowjets zu teilen, setzte der Republikaner Dulles auf einen Separatfrieden mit dem konservativen Teil des Widerstands, dem es nach einer Machtergreifung ermöglicht werden sollte, im Osten den Sozialismus zu beerdigen. Gerade acht Tage, bevor Stauffenberg seine Bombe hochgehen ließ, drahtete Dulles aus dem schweizerischen Bern, daß ein "dramatisches Ereignis" in Kürze "im Norden" über die Bühne gehen könnte. Um werbend hinzuzufügen, daß eine Gruppe der Anti-Hitler-Verschwörung bestrebt sei, "zu verhindern, daß Zentraleuropa .... unter die Kontrolle der Russen komme." Doch diese antisowjetische Vision war ihrer Zeit mindestens ein Jahr voraus und in den entscheidenden Etagen der Macht tickten die Uhren noch anders. Quasi als Warnschuß lancierte die Presse die Nachricht, der spätere CIA-Chef hätte Anfang 1933 im Hause eines engen Geschäftspartners - des Kölner Bankiers Schroeder - die Koalitionsregierung zwischen Hitler und Papen auf den Weg gebracht; an der Seite seines Bruders, der nach dem Krieg zum US-Außenminister erhoben werden sollte. Ebenfalls Indiskretionen waren es, die Stauffenberg währenddessen in Deutschland zwangen, den vorher so oft abgebrochenen Umsturzplan tatsächlich am 20. Juli ablaufen zu lassen. Am 18. Juli 1944 wurde nämlich bereits in Diplomatenkreisen über das erwarteten Großereignis getuschelt. Weiteres Zuwarten bedeutete, das Unternehmen der Gestapo in die Hände zu spielen. Als Stauffenberg in die Wolfsschanze beordert wurde, war der Beschluß unumstößlich, diesmal auf alle Fälle zu bomben. Heute weiß jedes Kind, daß der Anschlag fehlging. Kaum bekannt, bzw. nur ungenügend behandelt wurde dagegen der tieferliegende Grund: Die Sprengkraft jener Bombe, die Graf Stauffenberg zur Zündung brachte, war für eine sichere Tötungsaktion weit zu schwach bemessen. Hitler wurde nicht einmal ernsthaft verletzt. Die offizielle Forschung mäandert gern an der These, daß die Höllenmaschine vor ihrer Detonation einige Fuß weit von Hitler weggeschoben worden war. Auch habe ein Holztisch die Durchschlagskraft der Sprengladung entscheidend gebremst. Abgesehen davon, daß die Unversehrtheit von Hitlers unteren Extremitäten dieser Behauptung den Boden entzieht, ist festzuhalten, daß trotz langer Tradition kein Fall eines Bombenattentats bekannt wäre, in dem ein Tisch einen derartigen Anschlag ins geradezu Wirkungslose hätte verpuffen lassen. Fakt dagegen ist, daß die Sprengkraft der Bombe extrem schwach bestimmt worden sein muß. Darf es da verwundern, daß das Corpus Delikti englischer Herkunft war...? Vermutlich hätten die Männer um Stauffenberg ihren Coup niemals ablaufen lassen, wenn ihnen die eigentlichen Kriegsziele und die daraus resultierenden Zusammenhalte im Bündnis der Alliierten bekannt gewesen wären. Anders als gewiß von Dulles oder Empirelastigen Briten suggeriert, galten unter den "Großen Drei" nämlich nach wie vor die öffentlichen Treueschwüre und - zwischen Stalin und Roosevelt - das bereits lange vor Kriegsausbruch datierende Einverständnis, den faschistischen Popanz zu nutzen, um die Welt unter sich aufzuteilen. Die Forderung nach bedingungsloser Kapitulation und das Verbot gesonderter Friedensschlüsse trug dem Rechnung. Darüber hinaus wusste Roosevelt nur zu gut, daß es ein Friedensgesuch einer neudemokratischen Regierung in Berlin ihm und Churchill unmöglichen machen würde, den alliierten Soldaten zu erklären, warum es zum Preis weiterer Millionen Menschenleben nötig sein sollte, weiterzukämpfen. Diese nicht ganz leichte Aufgabe fiel nun der alliierten Presse zu, die sich zu dem Spagat genötigt sah, eine Revolte gegen einen Despoten mit dessen Worten zu erklären. Die Atmosphäre der
finsteren Verbrecherwelt Eine andere wichtige US-Zeitung, The Herald Tribune, kommentierte: "Im allgemeinen bedauern es die Amerikaner keinesfalls, daß Hitler von der Bombe verschont wurde und sich nun persönlich seiner Generäle entledigt. Außerdem haben die Amerikaner mit Aristokraten nichts am Hut, ganz besonders nicht mit solchen, die Dolchstöße ausführen". Und die London Times schlug nach, es wäre wohl kaum nötig hervorzuheben, daß Hitlers Gegner keine Freunde der Alliierten sind: "Die Generäle, die sich als Thronfolger aufspielten, handelten so, nicht als Verfechter der Freiheit, sondern als Verfechter der Militarismus." Eine offenbar an zentraler Stelle ausgegebene Sprachregelung, die darauf abzielte, die Sympathien der eigenen Bevölkerung von den deutschen Vorgängen abzuziehen, bewirkte, daß die alliierte Presse ganz allgemein die breite Beteiligung von Zivilisten an den Umsturzplänen bestritt oder verschwieg. Allenthalben wurde stattdessen gebetsmühlenartig von der "Verschwörung der Generale", von einer "Intrige des Adels" oder auch vom "Widerstand der Junker" gesprochen, hinter dem sich nichts als der verzweifelte Versuch in ihrem Ehrgeiz verletzter Militärs verberge, aus Interesse an der eigenen Karriere den Tyrannen zu ermorden. Eine rein soldatische Verzweiflungstat ohne jeden ethischen Hintergrund. Daß wir besser
dastehen
Soweit das Memorandum Wheeler-Bennetts, der vor dem Attentat die Oppositionsführer Adam von Trott und Goerdeler empfangen und ihnen suggeriert hatte, er stünde auf ihrer Seite. Das Dokument datiert auf den 25. Juli, als in Deutschland bereits die ersten Todesurteile gegen festgenommene Widerstandskämpfer vollstreckt wurden. Wenn sich die
Revolte verschlimmern sollte Natürlich blieb diese extreme Sichtweise im Westen nicht ohne Widerspruch. Allen Dulles war über die Tragödie des 20. Juli über alle Maßen bestürzt. Und George Anthony Bell, der Bischof von Chichester, verlangte - außer sich vor Wut über die alliierte Reaktion - daß alles Menschenmögliche getan werden sollte, um wenigstens jene Verschwörer, die noch nicht von der SS ergriffen worden waren, aus Deutschland herauszulotsen. Seinem Appell wurde nicht einmal eine Antwort zuteil. Wohl, weil die Regierung gerade in die genau entgegengesetzte Richtung ruderte: England denunziert
die deutsche Opposition
Die von den Briten betriebene Denunziationskampagne - sie wurde seinerzeit auch durch den PWE-eigenen "Soldatensender Calais" verfolgt - lag genau auf der Ratschlagsebene des Wheeler-Bennett-Memorandums, die Fraktion der "guten Deutschen" noch vor Kriegsende auszudünnen. Was nicht verwundern darf, da der gefragte Chefberater John Wheeler-Bennett dem Chef der Political Warfare Executive Bruce Lockhart als Vize zur Seite stand. Dieser Machiavellismus ist umso befremdlicher, wenn man sich vor Augen hält, daß Churchill, Roosevelt und Stalin damals schon seit mehr als einem Jahr von der gegen die Juden gerichteten "Endlösung" wussten. Doch anstatt den Holocaust durch den Widerstand beenden zu lassen oder auch nur ein einziges Mal mit gezielten Luftschlägen gegen die Wach- und Vernichtunseinheiten von KZs auf das Geschehen einzuwirken, mühte man sich um seine propagandistische Instrumentalisierung. Etwa um den Kampfeswillen der eigenen Soldaten anzuspornen oder - wie bei Churchills Zivilbombardements geschehen - um eigene Terrorkampagnen als Vergeltungsschläge zu begründen. Auch die Zwangsmaßnahmen gegen Deutschland wie Teilung, Besetzung und "Umerziehung" fanden hier eine willkommene zusätzliche Argumentationsplattform. Deutschland wird
nicht besetzt zum Zwecke seiner Befreiung
Wohl auch im Sinne der "gewissen Absichten" hielten es die Alliierten nach dem Krieg für angebracht, die Interpretation aufrecht zu erhalten, laut der die Ereignisse des 20. Juli Frucht einer Verschwörung einiger weniger ehrgeiziger Offiziere gewesen war. So konnte man nämlich die (vor allem von der Nazi-Propaganda verbreitete) These stützen, nach der es während der Naziherrschaft in Deutschland keinerlei Form von Widerstand und Opposition gegen das Regime gegeben hätte, weshalb alle Deutschen als Nazis betrachtet und auch als solche behandelt werden müßten. Louis P. Locher, früherer Chef des Berliner Büros der Associated Press und später Kriegskorrespondent der Alliierten in Paris, erwähnt in seinem Buch "Always the Unexpected", daß die amerikanische Presse gezielt Meldungen über den deutschen Widerstand unterdrückte. Er erklärt: "Berichte über die Widerstandsbewegung passten nicht in das Konzept der bedingungslosen Kapitulation. Schon im Sommer 1942 hatte meine Annahme Bestätigung gefunden, daß Roosevelt entschlossen war, die Schuld des gesamten deutschen Volkes und nicht nur des Naziregimes für den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges festzulegen." Jetzt erließ der US-Präsident sogar eigens eine Weisung, daß schriftliche Erwähnungen über einen deutschen Widerstand während der Hitlerzeit zu unterbleiben hätten. Der lange Arm dieses Banns überschattete ein gutes Stück Nachkriegszeit des besetzten Deutschland und reichte mitten hinein in die sogenannten Kriegsverbrecherprozesse, bei denen es auch um die Aburteilung von Widerstandskämpfern ging, die den Nachstellungen der Gestapo entgangen waren. Nicht wenige Köpfe der Opposition hatten die Kapitulation auf diplomatischen Positionen im Ausland überdauert, nur um jetzt zu erleben, daß sie als Angeklagte vor das Nürnberger Siegertribunal zitiert wurden. Natürlich baten die Verzweifelten sofort ihre vermeintlichen Freunde im britischen Außenministerium um Bezeugung ihrer aktiven Widerstandsarbeit, doch liefen ihren Appelle zumeist ins Leere. So wurde infolge schwerster Rechtsbeugung der entschiedene Nazigegner Ernst von Weizsäcker, ehemals Staatssekretär im deutschen Außenamt, zu einer Gefängnisstrafe verurteilt - obwohl zahllose bekannte Antifaschisten aus aller Herren Länder für ihn Partei ergriffen." Die Rehabilitation sollte auf sich warten lassen. Während der von eigenen Landsleuten geleistete Widerstand besonders in den Niederlanden, in Polen, Frankreich und Italien zur Grundlage des politischen Selbstverständnisses der Demokratie wurde, blieb der Widerstand der Deutschen gegen den Nationalsozialismus auf Druck der Besatzungsmächte lange Zeit ein Tabuthema. Die Alliierten waren auch nach Kriegsende nicht an einem "Nachweis des anderen, besseren Deutschlands" interessiert. "Sie wollten nicht", schreibt Gerd Überschär, "daß sich die Überlebenden der NS-Diktatur auf einen deutschen Widerstand berufen könnten." Wobei praktisch-psychologische Gesichtspunkte, die sich von dem zentralen Begriff der Kollektivschuld herleiteten, bestimmend waren. Die Deutschen unten
halten Der Schritt geschah aus rein praktisch-strategischen Gesichtspunkten. Und so kann es nicht verwundern, daß es der ehemalige Berater des britischen Außenministers, John Wheeler-Bennett war, welcher jetzt als erster Engländer von Rang den Verschwörern des 20. Juli ethische Motive zubilligte. Bis hart an diesen Moment heran hatte der linientreue Geheimdienstmann und "Historiker" das Wohl und Wehe des Widerstands weit weniger vorteilhaft bewältigt. Wobei seinem Wort als "Berater des Foreign Office für die Veröffentlichung von Akten des Deutschen Außenministeriums" sowie zeitweiliger Chefherausgeber bleibendes Gewicht zukam. Auf diese Weise montierte nun ausgerechnet ein Mann, der nur wenige Jahre zuvor Hitlers Rachejustiz an Stauffenbergs Mannen bejubelt hatte, den Deutschen die spannendenderen Passagen ihrer jüngsten Geschichte. Daß die in der gebotenen Form präsentiert und in ihren tagespolitischen Implikationen auch verstanden wurden, dafür hatte neben der alliierten Lizenzpresse vor allem der westdeutsche Rundfunk zu sorgen. Dessen erster und langjähriger Chef? Niemand geringerer als jener Hugh Greene, der 1944 an der Seite von Wheeler-Bennett die Schwarze Propaganda gegen Deutschland geleitet und Männer des Widerstandes über den Äther denunziert hatte. Diese englischen Quellen fragwürdiger Tradition waren es, die jetzt an vorderster Front daran arbeiteten, die Bundesrepublik "fit" für die NATO und die Wiederbewaffnung zu machen. Daß die Mitgliedschaft in dem Militärbündnis die deutsche Teilung zementierte, wurde der Öffentlichkeit freilich verschwiegen. Und auch die strategische Bedeutung der Allianz blieb dem stolzen Michel, der aufrichtig daran glaubte, nun wieder "wer" zu sein, verborgen. Die NATO, sagte deren erster Generalsekretär, der Brite Lord Ismay, wurde gegründet um "die Russen draußen, die Amerikaner drinnen, und die Deutschen unten zu halten". Es war ernst gemeint. Der Preis ist das
wert Erinnern wir uns, daß George Bush sen. am Ende des ersten Irak-Krieges den auf Bagdad zumarschierenden General Schwarzkopf zurückpfiff, wodurch Saddam Hussein im Amt verblieb. Um die Schlacht auf anderen Ebenen weiterführen zu können, verhängte die UNO anschließend auf Drängen der USA und Großbritanniens rigide Boykottmaßnahmen gegen die einstige Vormacht des Mittleren Ostens. Die Auswirkungen auf das geschwächt am Boden liegende Land waren verheerend, während Washington strategisch und ökonomisch punkten konnte. In der in Nordamerika ausgestrahlten Fernsehsendung "60 Minutes" fragte darob die Moderatorin Leslie Stahl am 12. Mai 1996 US-Außenministerin Albright: "Wir haben gehört, daß eine halbe Million Kinder (aufgrund der Wirtschaftssanktionen) gestorben sind. Ich meine, das sind mehr Kinder, als in Hiroshima gestorben sind. Ist das den Preis wert?" Madeleine Albright bezweifelte die Zahlen gar nicht und erwiderte: "Ich denke, das ist eine sehr harte Wahl, aber wir denken, der Preis ist das wert!" |