Erpresser am Werk
Eine dreiste politische
Geiselnahme belastet die deutsch‑polnischen Beziehungen. Das Opfer:
300.000 Volksdeutsche, die trotz Vertreibung, Diskriminierung und Verfolgung
bis heute in ihrer Heimat Oberschlesien aushalten. Sollten die Forderungen der
Geiselnehmer nicht erfüllt werden, drohen sie, der ihnen ausgelieferten
Volksgruppe ihre bescheidenen Rechte wieder zu entziehen.
Drahtzieher des Coups ist ein
gewisser Jaroslaw Kaczynski, im bürgerlichen Beruf Ministerpräsident der
Republik Polen, ein notorischer Hasardeur, der von seinen Gefolgsleuten für die
Bedenkenlosigkeit verehrt wird, mit der er internationale Rechtsnormen
ignoriert und verdreht. Hinter ihm steht sein Bruder Lech, Codename
"Staatspräsident". Bisher ging es den Kaczynskis vor allem um Geld aus
Brüssel. Doch diesmal will Jaroslaw mehr: Entweder erhalten die in Deutschland
lebenden Polen dieselben Rechte, wie sie der Nachbarschaftsvertrag von 1991 der
deutschen Minderheit in Polen zusichert, oder die Befreiung von der Fünf‑Prozent‑Hürde
für die deutschen Volksgruppenvertreter im Sejm (polnisches Parlament) wird abgeschafft.
Die übliche Unterscheidung
zwischen freiwilligen Einwanderern und autochthonen (als Ureinwohner anzusehenden) Minderheiten ignoriert Kaczynski
routiniert. Heinrich Kroll, Sprecher der Geiseln, empfiehlt derweil seinen
Schicksalsgenossen, lieber auf ihr Wahlprivileg zu verzichten, als Munition in
diesem Konflikt zu werden. Berlin täte gut daran, am geltenden Recht
festzuhalten. Erpresser, denen man nachgibt, werden nur noch unersättlicher.
Quelle: Michael Paulwitz in JUNGE FREIHEIT vom 15.9.2006