Drei Schlesier im deutschen Aufgebot für die Fußballweltmeisterschaft
2006
Miroslav Klose, Lukas Podolski und Michael
Ballack
"Die Deutschen können
sich beglückwünschen, weil sie Podolski und Klose
haben, die polnischer Abstammung sind", erklärte der polnische
Nationaltrainer Pawel Janas unmittelbar nach der Gruppenauslosung für die
Fußball-WM im Dezember 2005. Und auch die deutschen Medien kolportieren gerne
diese "multikulturelle" Mär. Tatsächlich aber wurden die beiden
Torjäger in Oberschlesien geboren, als Kinder kamen sie mit ihren Eltern als
Aussiedler ‑ also als Volksdeutsche, nicht als Ausländer ‑ in die
Bundesrepublik. Gerne jedoch lassen politisch korrekte Journalisten diesen
Umstand fallen. Zuweilen schlägt das Kapriolen, so nannte die Berliner Zeitung Klose in ein und
demselben Satz sowohl "Sohn polnischer Eltern" als auch "Enkel
deutscher Großeltern". Uninformiert tönen die Medien, seine Identität
hätte das Sturmduo längst geklärt ‑ und zwar zugunsten der polnischen.
Das trifft auf Klose gar nicht, auf Podolski nur
bedingt zu.
Lukas Podolski
wurde 1985 in Gleiwitz geboren und kam bereits als
Zweijähriger mit Vater Waldemar und Mutter Christina nach Bergheim bei Köln. Da
aber noch ein beträchtlicher Teil der großen Familie in Oberschlesien lebt,
zieht es "Poldi" mehrmals im Jahr in seine Heimat. In Polen wird er
so als heimatverbundener Landsmann deklariert. Podolski
selbst weicht aus: "Ich bin Fußballer", lautete seine Antwort auf die
Frage nach seiner Identität, ehe er ergänzte: "Ich fühle mich beiden
Ländern verbunden."
Sturmpartner Miroslav Klose
wurde vor 28 Jahren in Oppeln geboren. Vater Josef und Mutter Barbara waren
Deutsche und Leistungssportler. Während sie 82 Mal für die polnische
Handballnationalmannschaft auflief, kickte er als Fußball‑Profi unter
anderem für AJ Auxerre in Frankreich. 1987 siedelte
die Familie dann von Schlesien in die Pfalz aus. Als Miroslav bei der WM 2002
fünf Treffer erzielte, trafen sich die Fans aus der heutigen deutschen
Minderheit im Oppelner Land mit Deutschlandfahnen in den Kneipen. Viele trugen
auch das Nationaltrikot mit Kloses Nummer. Auf die Straße ging man nicht,
wollte lieber nicht provozieren.
Knapp zwei Jahre zuvor hatte
der damalige polnische Nationaltrainer Jerzy Engel bei Klose angefragt, ob er
für Polen spielen wolle ‑ und erhielt eine Absage. Ebenso wie jene Fans,
die darauf hofften, Klose würde jetzt vor dem WM‑Duell auch die polnische
Nationalhymne mitsingen. "Die kann ich gar nicht", stellte der
Bundesliga Torschützenkönig klar, dessen Vater nach wie vor gute Beziehungen
zur deutschen Minderheit unterhält. Wie Jörg Ciszewski,
Redakteur beim Schlesischen Wochenblatt, der Zeitung für die deutsche
Minderheit, jüngst betonte, hat Miroslav Klose für die Deutschen in Schlesien
noch immer eine Vorbildfunktion und ist im Gegensatz zu den polnischen Spielern
eine große Identifikationsfigur. Bei den Polen dagegen ist Klose weniger
beliebt, er wird mehrheitlich nicht als Pole angesehen, statt dessen als
abgehoben, neureich und deutsch charakterisiert.
Quelle: RICHARD HAUSNER in JUNGE FREIHEIT vom 23.6.2006
Zu: "Die Schlesier" von Richard Hausner,
JF 26/06
Mit Ballack sind es drei Schlesier
Ich habe mich gefreut, daß mit
dem Artikel über Klose und Podolski einmal wieder
etwas über meine schlesische Heimat zu lesen war. Aber wir haben nicht nur zwei
Schlesier in der deutschen Mannschaft ‑ wir wollen doch nicht den
Görlitzer Ballack vergessen! Also sind es drei! Görlitz liegt an dem Grenzfluß
Neiße, ist zweigeteilt und liegt in dem kleinen Zipfel Niederschlesiens, das
uns noch geblieben ist, eine wunderschöne gepflegte Stadt mit Häusern aus den
verschiedensten Stilepochen, die während des Krieges kaum zerstört worden sind.
Ich habe früher in meiner
Heimat Niederschlesien die Oberschlesier größtenteils als besonders zuverlässig
und heimatverbunden erlebt, aber wer die jetzigen Verhältnisse dort kennt, wird
verstehen, daß Podolski die Frage nach seiner
Identität ausweichend beantwortet, schließlich will er die in Oberschlesien
lebenden Familienangehörigen ungehindert besuchen können. Denn man weiß ja nie!
‑ Solchen Problemen ist der Schlesier Ballack nicht ausgesetzt, dessen
Situation ist auch anders. Vermutlich weiß man gar nicht, daß er ebenfalls
Schlesier ist.
Quelle: SYBILLE BIEKER‑WUTTKE, BOVENDEN in
JUNGE FREIHEIT vom 30.6.2006