Bernard Willms
Wer
'den Frieden' mehr liebt als seine Nation und ihre Freiheit, ist nur ein
blökendes Schaf. Wer 'den Menschen' mehr liebt, ist schon ein leibhaftiger
Schwachkopf, und wer 'die Freiheit' oder 'den Sozialismus' mehr liebt als sein
Vaterland, verurteilt sich selbst zum Raketenfutter in der Hand der geballten
Nationalismen der Supermächte."
Ein deutscher
Politikprofessor, der in den 1980er Jahren solches publizierte, war sich bewußt, daß er damit weder seine akademische Karriere
befördern noch sich bei den herrschenden politischen Eliten empfehlen konnte.
Aber das war nicht das Ziel jener "Reden aus dem deutschen Elend",
die Bernard Willms damals landauf, landab vor allen
hielt, die ihn nur hören wollten. Sein ständiges Ceterum censeo, Germaniam
esse restituendam entsprang vielmehr einer
strengen politischen Ethik. Diese legte ihm nach seinem Selbstverständnis die
Pflicht auf, dem nationalen Imperativ auf die Weise zu dienen, wie es einem
Philosophieprofessor zukommt: durch "strenges Denken" auf der
akademischen Seite und durch "Erziehung zur Nation" auf der
öffentlichen.
In dieses Doppelamt wuchs er
erst allmählich hinein. Der vor 75 Jahren, am 7. Juli 1931, in Mönchengladbach
geborene Bernard Willms hatte zunächst eine
Buchhändlerlehre absolviert, bevor er in Köln und dann in Münster Philosophie,
Soziologie und Deutsch studierte. 1964 promovierte er bei Joachim Ritter mit
einer Dissertation über Fichtes politische Philosophie. Zeitweise Assistent bei
dem Soziologen Helmut Schelsky, habilitierte er sich
1969 für Politische Wissenschaften an der Ruhr‑Universität Bochum und
wurde im Jahr darauf dortselbst Professor für
Politische Theorie und Geschichte der Politischen Ideen. Trotzdem verstand sich
Willms zeitlebens vor allem als Philosoph.
Auch damit war der Weg zur
Idee der Nation und zum nationalen Imperativ noch nicht zwangsläufig
beschritten. Als Ideenhistoriker profilierte Willms
sich zunächst als ein intimer Kenner der Philosophie des Engländers Thomas
Hobbes (1588‑1679) und galt bald als der führende Hobbes‑Spezialist
in Deutschland. Aber in den siebziger Jahren war er auch auf anderen Feldern
aktiv, darunter dem der Theorie der internationalen Politik. Man kann sogar
vermuten, daß er zunächst über diese Schiene die zentrale Bedeutung der Idee
der Nation erfaßte. Praktisch überall auf der Welt
leben die Menschen seit dem Abschluß der
Dekolonisierung in Staaten, die sich vor allem als unabhängige Nationen
verstehen, auch wenn ihre Nationswerdung oft noch in den ersten Anfängen
steckt.
Anfang der achtziger Jahre
schließlich wandte Willms sich der eigenen, damals
noch geteilten Nation zu. Mit seinem Buch über "Die Deutsche Nation.
Theorie ‑ Lage ‑ Zukunft" (1982) rehabilitierte er auch für
die Deutschen die Idee der Nation. Zugleich begann eine Phase, in der Willms durch Auftritte in außerakademischen Kreisen einem
größeren Publikum die Pflicht zur Nation verdeutlichen wollte. Seine geistige
Orientierung am Deutschen Idealismus ‑ vor allem an Hegel ‑ hat
allerdings eine breitere Rezeption seines Denkens eher behindert. Daß
"Ideen" und nicht die bloß empirische Realität im idealistisch-hegelianischen
Sinne die Essenz des Wirklichen darstellen, sozusagen die wirklichste Realität
bilden, die man sich überhaupt denken kann, war eine Vorstellung, die selbst
für viele seiner gutwilligen Zuhörer nur schwer nachzuvollziehen war.
Da er in diesem Sinne von
ihrer "Idee" als einer vernünftigen Wirklichkeit ausgeht, haben
Nationen zudem für Willms entgegen dem in Deutschland
weitverbreiteten Verständnis keine
"dingliche" Basis, sie sind nicht anhand von Ethnizität,
natürlichen Grenzen oder gar "Rassen" naturwissenschaftlich
objektivierbare "Gegenstände". Nationen sind sich historisch‑kontingent
entwickelnde freie politische Gemeinschaften. "Die Nation ist ein Volk,
daß in bezug auf einen bestimmten Raum in der
Geschichte hindurch das Bewußtsein eines Wir, eines
Ganzen, eines Selbst entwickelt hat, das als dieses Selbst einen gemeinsamen
politischen Willen, das heißt einen Staat, ausbilden will und das in
unablässiger Bemühung seine Selbstbestimmung und seine Selbstbehauptung
politisch geltend macht und geschichtlich durchhält." Wo immer politische
Gemeinschaften gemäß dieser Idee existieren, handelt es sich um Nationen. Wobei
es nichts verschlägt, wenn die jeweilige bloße empirische Realität gegenüber
den strengen Forderungen der Idee Defizite aufweist.
Die Idee der Nation ist einer
politischen Philosophie der Freiheit geschuldet. Für Willms
war jedoch klar, daß "Freiheit" nicht "erbaulich" zu
fordern, sondern in all ihren problematischen Konsequenzen beim Wort zu nehmen
ist. Mit der Folge, daß Freiheit nur in einer konkreten Rechtsordnung in einem
"starken", souveränen Staat überhaupt als lebbar gedacht werden kann.
Wo aber die Notwendigkeit staatlicher Existenz von den Staatsangehörigen
akzeptiert wird und sie den jeweiligen Staat als den ihrigen begreifen und
erfahren können ‑ bzw. einen Staat fordern, der von ihnen als der ihre
begriffen werden kann ‑, ist die Idee der Nation präsent.
Sie läßt sich somit nicht von
rechtsstaatlich geregelter Freiheit und Demokratie im Sinne einer passiven und
aktiven Teilhabe aller Bürger an den Geschicken ihrer politischen Gemeinschaft
trennen. Freiheit und Demokratie allerdings nicht in jenem emphatischen Sinne
einer liberalistischen Ideologie, in der "mehr Freiheit" und
"mehr Demokratie" als Schlüssel zur Lösung aller politischen Probleme
ausgegeben werden. Für Willms konnte es in einer Welt
unzähliger Staaten keine abstrakte, für alle Nationen richtige Lösung des
Problems geben, wie jeweils Freiheit, politische Teilhabe sowie die ja immer
notwendige äußere Selbstbehauptung konkret zu realisieren sind.
Willms, von
seinem persönlichen Habitus her ein außergewöhnlich liberaler Mensch, war
deshalb ein entschiedener Gegner des politischen Liberalismus. Das Politische ‑
die Regulation der allzeit gefährlichen Konsequenzen der conditio humana ‑ konstituierte für
ihn ein Reich strenger Notwendigkeiten, an das die Maßstäbe privater Moral
nicht angelegt werden können. Auch die Einsicht in diesen Sachverhalt gehörte
für ihn zum nationalen Imperativ, ohne daß damit eine Option für ein bestimmtes
Staatsmodell verbunden war. Eine Nation kann durchaus freiheitliche,
demokratische und auch sozialistische Institutionen als Errungenschaften
anstreben oder daran festhalten wollen. Aber sie müssen als nationale
Errungenschaften der politischen Selbstbehauptung und Wohlfahrt der je eigenen
Nation begriffen werden und objektiv damit vereinbar sein. Sonst sind sie nur
Kennzeichen und Instrumente einer politischen Unterwerfung. Wo
"Freiheit", "Demokratie", "Sozialismus" oder
dergleichen als höchste Ziele ausgegeben werden, die es um jeden Preis zu
realisieren gilt, handelt es sich um nichts anderes als die Ideologie von
objektiven inneren oder äußeren Feinden einer Nation.
Recht auf Leben in einem konkreten Staat
Für Willms
ist, wie er zu formulieren liebte, jede Nation unmittelbar zu Gott und hat sich
nur vor sich selbst, aber vor keinem anderen irdischen Richter zu
rechtfertigen. Für ihn stellt die Idee der Nation die gegenwärtige und in
absehbarer Zukunft einzige Wirklichkeit der politischen Vernunft der Menschheit
dar. Mehr Vernunft als eine Welt von souveränen Nationalstaaten in einem
dynamischen System von wechselseitiger Selbstbehauptung und Anerkennung gibt
die historische Lage nach seiner Überzeugung nicht her. Anderes und mehr zu
verlangen, bedroht nur diese existierende Vernunft und vergibt die einzige
wirkliche Chance zu einem vernünftigen, menschenwürdigen politischen Dasein auf
diesem Planeten.
Deshalb haben die Menschen,
wie Willms wiederholt unterstrich, ein Recht auf
Nation, d.h. auf ein Leben in einem konkreten Staat, den sie als den ihren
ansehen können. Alles andere wäre ein Rückschritt in die menschenunwürdigen und
freiheitsfeindlichen Verhältnisse einer Unterwerfung unter eine anonyme
Fremdherrschaft. Kurzum: finsterste Reaktion, auch wenn sich diese noch so
fortschrittlich drapiert.
Bernard Willms
schied vor gut 15 Jahren, am 27. Februar 1991 aus dem Leben. Sein geistiges
Vermächtnis, das Bewußtsein unseres Rechtes auf
unsere Nation, wird uns hoffentlich noch lange erhalten bleiben.
Quelle: DAG KRIENEN in JUNGE FREIHEIT vom 14. Juli 2006
Anmerkung: Das höchste Maß an Liebe hat dem Mitmenschen zu gelten. Danach
kommen in der Reihenfolge: Freiheit, Friede und Nation und alles ist nichts
ohne Gerechtigkeit.
Die Leugnung einer einheitlichen Moral "privater" und
"staatlicher" Art trägt den Verdacht der Schizophrenie in sich.
Mit der These, die Idee der Nation sei "die gegenwärtige und in
absehbarer Zukunft einzige Wirklichkeit der politischen Vernunft der
Menschheit" mag Willms durchaus Recht haben.
Allerdings war damit naturgemäß ein Konflikt mit dem freimaurerisch
inspirierten Ungeist im westlichen Mainstream
vorprogrammiert. JENE sind schon über die Abermillionen Leichen beider
Weltkriege und des roten Terrors in der Sowjetunion gegangen, ohne mit der
Wimper zu zucken und ohne die Unvereinbarkeit ihrer Wahnvorstellungen mit den
Gegebenheiten von Mensch und Natur zu begreifen.