Wachsende Feindschaft gegen die Freimaurerei
Mit der "Ruhe und
Gelassenheit", mit der die Freimaurerei nach Großmeister Holtorfs früherer
Meinung bei solcher Kritik zu antworten pflegt, ist es inzwischen aus. Man ist
in die unangenehme Lage gekommen, in aller Munde zu sein, und es besteht kaum
Hoffnung, daß das in absehbarer Zeit besser werden wird. Schon hat es Ausmasse
angenommen, die im inneren Kreise zu allgemeiner Panik führten. Darum wird nun
auch in verschiedenster in keiner Weise abgestimmter Form reagiert. Deutlich
geht es hier in allen Fällen um das ängstliche Umschiffen eines 'Qui s'excuse
s'accuse' ('Wer sich verteidigt, klagt sich an!') Die Schweizer Brüder etwa
machen das so:
Im Februar 1983 gibt der
oberste schweizer Freimaurer, der Großmeister der Großloge "Alpina"
folgenden Stoßseufzer von sich. "Unser Orden scheint das Ziel einer wachsenden
Feindschaft zu sein, so wie es während gewisser unruhiger Perioden im Leben
Europas der Fall war. Es gibt nur eine unseren Prinzipien angemessene Reaktion:
die Ausstrahlung der Freimaurerei durch die Ausstrahlung ihrer Mitglieder zu
bewirken". Aber, um Gotteswillen natürlich nur der dafür Geeigneten. Denn:
"Wir alle wissen, dass in einem Klima des Mißtrauens, ja der
Feindseligkeit, manche von uns aus durchaus legitimen Gründen (!) auf der Hut
sein müssen (!). Zum Ausgleich (!) verlange ich inständig (!) von allen, die
dazu die Möglichkeit haben und die dank ihrer sozialen und beruflichen Position
von einer durch Gefühle des Mißtrauens inspirierten Reaktion nicht betroffen
werden (die Freimaurerei erwartet also, daß man ihr in der profanen Welt mit
ihren eigenen Waffen gegenübertritt: Boykott von Nichtfreimaurern, deren
Nichtanstellung, deren Verleumdung usw.), es wagen (so weit ist es also bereits
in der Schweiz gekommen: es ist ein Wagnis), SICH ALS FREIMAURER ZU ERKENNEN ZU
GEBEN. Es ist ein durch die Erfahrung erhärteter Befund, daß eine angesehene
Persönlichkeit, die in ihrem sozialen Umkreis ihre Zugehörigkeit zur Freimaurerei
bekannt gibt, genügt (also etwa Divisionskommandeur oder Bankdirektor oder
Universitätsprofessor ‑ denn dazu hat man sie ja vorsorglich geködert und
plaziert), um die Überzeugung zu verbreiten (d.h. der Umgebung ein Propagandaschild
zu präsentieren), daß es sich um eine Gemeinschaft handelt, die gut sein muß,
wenn diejenigen, die ihr angehören, als achtbare Personen gelten". (Die
Bitte verhallte, wie erwartet, im kalten Winde weiter Enthüllungen ohne
heldische Zustimmung der angesprochenen Brüder). Es ist aufs Wort fast genau
das Gleiche, was der Alte vom Berge (Hassan-i-Sabbah, d. V.), Vorläufer unseres
Großmeisters, vor Jahrhunderten seinen Mordkumpanen einbleute. Das in die
Freimaurerei seit langem fest eingebaute Angeln nach illustren Namen soll sich jetzt
bezahlt machen. Die Aushängeschilder der Zerstörer der Moral, des Volkszusammenhalts,
des Glaubens und aller anderen nichtmateriellen Werte sollen die dunklen
Flecken auf der Weste zudecken und dafür herhalten als willkommene
Entlastungszeugen (die oft sogar guten Glaubens handeln) einzuspringen. Dem
deutschen Volk hat man es nicht geglaubt, als es versicherte, daß man von der
behaupteten Judenvernichtung nichts gewußt habe. Wir wollen dem entgegen gerne
glauben, daß es viele Freimaurer nicht wissen, daß es ihre Brüder waren, die
einen Verwoerd oder einen Calvi ermordeten. Doch, soll man Freimaurer‑Nobelpreisträgern
ihre Unschuld abnehmen in Anbetracht der zugegebenen Morde und der Weltkriege
und Revolutionen und moralischen und ästhetischen Zersetzungsbemühungen ihres
Bundes, da selbst Außenstehenden täglich die Beweise dafür ohne viel Zutun auf
den Tisch gelegt werden? Es wird sich zeigen, meint die Freimaurerei, daß man
für solche Lage vorgesorgt hatte. Früher, als man sie noch nicht abgesetzt
hatte, holte man solche Regierenden Fürsten als Protektoren in den Bund (was
schon 1717 selbst begann), heute die Innenminister und Obersten Richter und die
Generaldirektoren der Markenfirmen. Die Aktivisten aber, "die aus durchaus
legitimen Gründen auf der Hut sein müssen", haben weiterhin freie Bahn für
ihr illegitimes Vorgehen, sollen weiterhin mit Unterstützung aus dem Verborgenen
wühlen, wie eh und je von der Gemeinschaft der Zeichengeber nach Kräften
gedeckt und gefördert.
Bei den deutschen Brüdern
herrscht demgegenüber noch heillosere Verwirrung. Nichts ist da mehr glaubwürdig,
nicht einmal der saubere Name illustrer Brüder. Die Lage ist da ja auch etwas
ernster noch, denn da haben sich eine ganze Reihe von diesen "feinen
Leuten" verdammt viel zu schulden kommen lassen und es schwant den
Betroffenen, dass es da sogar früher oder später zu ganz ärgerlichen gerichtlichen
Nachspielen kommen kann. Überdeutlich wird es in der profanen Welt, daß es sich
dabei um Vorgänge eminent politischer Natur handelt und daß da mit gespaltener
Zunge das Geschäft Unsichtbarer betrieben wird. Die ganze Loge gleich
"schlafen legen", wie dieses bereits in Italien geschah, scheint
ihnen noch nicht angebracht. Das wäre auch sicher nicht der Weg des geringsten
Widerstands, sondern käme im Augenblick dem Läuten einer Alarmglocke gleich.
Aber man kann wenigstens die Hauptdelinquenten einstweilen aus dem
Logengespräche ziehen. So suspendiert man denn also die aktiven Politiker vom
Besuch der Loge. Es ist ein Schritt, den man schon mehrfach als naheliegende Möglichkeit
bei solchen Zerfallserscheinungen anvisierte. Dann kann man jederzeit eines
Tages, wenn Bruder Politiker XYZ im Gefängnis landet, wahrheitsgemäß sagen: Er
hat schon seit Jahren an keiner Logenarbeit mehr teilgenommen. Ohnehin gibt es
ja tausend andere Möglichkeiten, den Kontakt mit ihnen aufrecht zu erhalten.
Stresemann ist ja auch zu Großmeister Habicht ins Haus gefahren, wenn er für
seine "deutsche" Außenpolitik Rat brauchte.
Quelle: "Einst sangen die Wälder" von Juan Maler, S. 98 - 100