Weltreich
"Die Idee eines
Weltreiches ist hassenswert; das Ideal eines Menschheitsstaates ist gar kein
Ideal. In einem einzigen Staat könnte sich gar nicht die ganze Kultur
verwirklichen. Alle Völker sind ebenso wie die einzelnen Menschen einseitig, aber
in der Fülle dieser Einseitigkeiten zeigt sich eben der Reichtum des
Menschengeschlechts. Jedes Volk zeigt ein anderes Bild und einen anderen
Gedanken der Gottheit. Ein jedes Volk hat daher das Recht zu glauben, daß
gewisse Kräfte der göttlichen Vernunft gerade in ihm sich am schönsten
darstellen; ohne Überschätzung kommt ein Volk gar nicht zum Bewußtsein
seiner selbst. Die Deutschen sind immer in Gefahr, ihr Volkstum zu verlieren,
weil sie von diesem massiven Stolz zu wenig haben."
Quelle: Heinrich von Treitschke (15.9.1834 - 28.4.1896) - Sohn eines
sächsischen Generals, Historiker, Professor in Freiburg im Breisgau, Kiel,
Heidelberg und Berlin. Trat mit preußischer Gesinnung für einen deutschen
Einheitsstaat ein und unterstützte deshalb Bismarcks
Bestrebungen. Treitschke war ein Meister des geschriebenen und gesprochenen
Wortes und hatte maßgeblichen Einfluß auf das Geschichtsbild des deutschen
Bürgertums.