Unsittlicher Freimaurereid

 

Das erste Buch, das unseres Wissens sich kritisch mit der Freimaurerei auseinandersetzt, wurde 1747 von einem Abbé Larudon in Amsterdam herausgebracht. Auf Seite XXIX sagt er bezüglich des Schwurs, den der Eintretende bei der Freimaurerei zu leisten hat: "Wenn man ihn leistet, so weiss man nicht, wozu man sich verpflichtet, denn man kennt weder die Dinge, die man später verschweigen soll noch jene, die man ausführen soll. Außerdem ist man ja doch bereits dem Souverain gegenüber durch einen Treueid gebunden und es ist leicht denkbar, dass in jenem, was man der Loge verspricht, Dinge enthalten sind, die sich mit dem ersteren nicht vereinbaren lassen, Ein solcher Schwur ist daher unsittlich".

 

Larudon (und andere) sollten schnell schon Recht behalten mit ihren Warnungen. Denn kaum ein halbes Jahrhundert verging, bis dass dieses von Anderson bereitgestellte Gefäß mit anderem Inhalt gefüllt wurde. Wo waren denn auch die Grenzen gezogen, wenn man den Menschen "frei" macht in seinen Aspirationen? "Die Freimaurerei propagiert von Anfang an eine seltsame Perversion, die darin besteht, das Geistige zu materialisieren und das Materielle zu vergöttlichen. Gott wird Mensch und der Mensch wird Gott" (León de Poncins, "La F. M.", Diffusion de la Pensée Francaise, Chiré-en-Montreuil 1972, S. 38). Die Gefahr für eine solche Gesellschaft besteht in der möglichen Degenerierung, in ihrer virtuellen Abhängigkeit von starken skrupellosen Persönlichkeiten, die es verstehen, sich in ihr obenan zu setzen. Genau das aber geschah (zum ersten Male) bereits 1784, als auf dem Wilhelmsbader Freimaurer Kongreß die Vertreter Weisshaupts, des Gründers des Illuminatenordens, in einem Augenblick das Heft an sich reißen konnten, als der Großmeister des Ordens der Strikten Observanz, Einladender zu diesem Kongreß, (nach 20‑jährigem eifrigsten Wirkens, wie der anwesende Mirabeau spöttisch dazu bemerkt) hilflos fragen muss: Was ist das eigentliche Objekt des Ordens und was sein wahrer Ursprung? Zwei Jahre später fragen die französischen Maurer in England an: "Bitte sagen Sie uns, ist die Freimaurerei historisch, politisch, hermetisch oder wissenschaftlicher Natur? Moralisch, sozial oder religiös? Sind die Überlieferungen mündlich oder schriftlich?" (Nesta H. Webster, "Secret Societies and Subversive Movements", Britons Publishing Company, London 1964, S. 234). Die Illuminaten aber waren die Revolutionäre, verkappten Revolutionäre unter den Anwesenden. Weisshaupt hatte das Künstlerpech, daß einer seiner Boten vom Blitz getroffen wurde und man bei dem Toten die belastenden Dokumente fand. In diesen sagt Weisshaupt z.B.: "Das eigentliche Ziel unserer Gesellschaft ist nichts anderes, als Macht und Reichtum zu gewinnen, die weltlichen und religiösen Regierungen zu unterminieren und die Herrschaft der Welt zu erlangen." Ziel der Illuminaten ist es, aus den Menschen mittels einer langsamen und graduierten Erziehung ganz neue Wesen zu machen; sie gehorsam zu machen bis zum Wahnsinn, bis zum Tod, gehorsam unsichtbaren und unbekannten Oberen gegenüber" (Louis Blanc, "Histoire de la Révolution"). Immer wieder haben die Historiker auf die vollkommene Parallele dieser Gedanken zu denen der Assassinen hingewiesen. Diese Pläne will Weisshaupt verwirklichen, indem er von einem inneren Kreis aus die Freimaurerei als Ganzes beherrscht.

 

Quelle: "Das verschleierte Bild zu Sais" von Juan Maler, Buenos Aires 1974, S. 101 f