Politik und Logen

 

Prinz Max von Baden (er war erklärter Freimaurer) äußerte am 2. November 1918 ‑ also eine Woche vor der Revolution ‑ "Was Sie jetzt in Deutschland sich abspielen sehen, ist das Ergebnis einer stillen unterirdischen Vorarbeit vieler Jahre". Es drängt sich die Frage auf: Kannte Prinz Max die Urheber jener unterirdischen Vorarbeit und die Art ihrer Tätigkeit? Was hat er getan, um ihr entgegenzuwirken? Oder war er vielleicht selbst ein Glied dieser unterirdischen Macht? Tatsache ist, daß die große Mehrheit der im Öffentlichen Leben Deutschlands wirkenden Personen bis heute dieser unterirdischen Macht ahnungslos gegenübersteht ... Der österreichische Groß‑Industrielle und Reichsrats‑Abgeordnete Alxander von Peez hat zwar bereits vor einem Jahrzehnt in seiner Schrift England und der Kontinent auf die verborgenen Fäden hingedeutet, die die Schicksale der europäischen Staaten an die schlauen Schachzüge Englands knüpfen. Was Peez uns enthüllt, ist in Kürze dies: Das kluge England begnügt sich nicht damit, nach Art anderer Staaten seine offiziellen Vertreter in fremden Ländern zu unterhalten. Es entsendet noch ein Heer von Korrespondenten und Agenten, die in der harmlosesten Maske sich unter die fremde Bevölkerung mischen und einen ausgiebigen Aufklärungs‑ und Kundschafter‑Dienst betreiben. Sie beschränken sich aber nicht darauf, alle Vorgänge in den fremden Ländern gründlich zu erforschen, sondern bemühen sich, selbst Einfluß auf die Stimmung und Bewegung im Volke zu gewinnen. Sie wissen in der unverfänglichsten Weise Beziehungen anzuknüpfen zu Personen von Ansehen und Einfluß, Männer der Presse, der Gelehrtenwelt, des Parlaments und der regierenden Kreise; und überall wissen sie Anschauungen und Stimmungen hinzutragen, wie sie der englischen Politik genehm sind. Und England ist in solchen Dingen großzügig; es spart nicht an Mitteln; es weiß allezeit den noblen Gönner und Protektor zu spielen, unvermerkt Manchen in seinen Bann ziehend, der sich selbst kaum Rechenschaft darüber gibt. Vor allem verfehlt es nicht, mit den inneren Feinden der fremden Staatsordnung, mit Verschwörern aller Art innige Fühlung zu halten und sich ihrer gelegentlich wirksam zu bedienen. In den letzten hundert Jahren (geschrieben 1909) ist es wohl kaum in irgend einem europäischen Staate zu inneren Unruhen gekommen, ohne daß England dabei nicht die Hände im Spiele gehabt hätte.

 

Einen wichtigen Faktor aber, der in der Politik Englands eine hochbedeutsame Rolle spielt, hat Peez nur flüchtig gestreift: eine mächtige Organisation, die sich über alle Länder der Welt verzweigt, sich den Blicken der Öffentlichkeit sorgsam verbirgt und doch einen ungeahnten Einfluß im Völkerleben ausübt: die Freimaurerei.

 

"Ein alter freimaurerischer Grundsatz bestimmt, daß die Logen sich von Politik fern halten sollen. Die deutsche Freimaurerei hat es damit ernst genommen, die ausländische nicht. Die englischen und insbesondere die romanischen Logen befassen sich nicht nur mit Politik, sondern sie treiben ‑ wenigstens in ihren höheren Graden ‑ fast ausschließlich Politik. Die Freimaurerei ist dort zu einem Werkzeug der nationalen Begehrungen geworden, ja sie bildet den eigentlichen Mittelpunkt aller politischen Planung. Die romanischen Logen, die es verstanden haben, fast alle Personen von gesellschaftlichem Einfluß an sich zu ketten, sind zu einer hinter den Kulissen stehenden Instanz geworden, die allerwegen leitend und bestimmend in das öffentliche Leben eingreift. Sie sind längst dahin gelangt, aus sich heraus die Männer zu ernennen, die eine politische Rolle zu spielen haben. Sie entsenden die maßgebenden Führer in die einzelnen Parteien, sie besetzen die einflußreichen Stellen in Stadt und Staat, sie bestimmen die Minister und Botschafter, sie lenken durch ihre Sendlinge die wichtigsten Presse‑Organe, kurz: sie beherrschen das öffentliche Leben wie ein Regisseur ein gut geleitetes Theater. Sie waren also in Wahrheit die eigentlichen Regenten der Staaten, und die Fürsten oft nichts als Werkzeuge in ihrer Hand, Marionetten, denen man die Ehre des äußeren Glanzes überließ. die man aber rücksichtslos stürzte, wenn sie sich der geheimen Oberleitung nicht fügten.

 

Da auch die großen Finanzleute der Welt dieser geheimen Verbindung angehören, so stehen mächtige Kapitalien hinter ihr, und die Staaten sind ihr fast willenlos preisgegeben. Diese Verschwörung ist niemals in Verlegenheit um materielle Mittel, wenn es gilt, vielverbreitete Presseorgane zur Beeinflussung der Massen zu kaufen oder neu zu schaffen, einflußreiche Männer der Kunst und Wissenschaft sich dienstbar zu machen, hohe Beamte zu bestechen, feile Subjekte zur Ausübung von Verbrechen und politischen Morden zu kaufen, Streiks, Revolutionen und Kriege anzustiften. Diese verschworene Sippe strebt nach Weltherrschaft; sie will eine neue Tyrannis aufrichten über allen Völkern und sie scheut vor keinem Mittel zurück, um ihrem Ziele näher zu kommen. Sie will anstelle der Fürsten neue Geheim‑Regenten setzen, die um so willkürlicher schalten und walten können, da sie niemand verantwortlich sind.

 

Die Anschläge der Verschwörung gelingen um so leichter, als sich eine Staunen erregende Technik ausgebildet hat, um die ahnungslosen Massen erfolgreich zu betören. Sie gibt allen ihren Bestrebungen den Anschein der Volksfreundlichkeit. Alles tut sie angeblich zur Befreiung und kulturellen Hebung der Völker. Ihre Kundgebungen triefen vor Schlagworten wie Humanität, Freiheit, Gerechtigkeit, Versöhnung, sittlicher Kultur.

 

Doch der treibende Gedanke ist in allen Fällen auf Umsturz und Vernichtung gerichtet, weil nur aus den Trümmern der bestehenden Zustände sich die Macht dieses großen Geheimbundes erheben kann.

 

 Quelle: "Die unterirdische Macht" von Theodor Fritsch, Leipzig 1920, S. 3 ff