Ordo Templi Orientis (O.T.O.)
Hoch lebe die Synopse! Sie ist einer der besten Wege, um sich
Tendenziösität, Einseitigkeit oder Manipulation zu entziehen. An sich wollte
sich der Kulturredakteur von "luebeck-kunterbunt" so wenig wie
möglich mit "Spökenkiekerei" beschäftigen, aber die fortgesetzten
illegalen Machenschaften der Freimaurer und Clubmitglieder fordern geradezu
eine Beleuchtung des sie umgebenden Sumpfes heraus. Was diese zwielichtige
Veranstaltung (O.T.O.) anbetrifft, präsentieren wir Auszüge aus dem
Internationalen Freimaurerlexikon, von Miers, von Carmin und - last but not
least - aus dem SPIEGEL:
1) Templer, Orientalische, Orientalischer
Templerorden, 0. T. 0. (Organ "Oriflamme"), war eine Gründung des Abenteurers
Theodor Reuß (s. d.) in Verbindung mit Dr. Carl Kellner, Wien, und dem
Theosophen Dr. Franz Hartmann, die Männer und Frauen aufnahm, Zusammenhänge mit
der regulären Freimaurerei behauptete, aber nicht hatte. Der 0. T. 0. gab vor, eine
»Academia Masonica« zum Studium aller maurerischen Systeme, eine "die
reine und heilige Magie des Lichtes, die Geheimnisse der mystischen
Vollkommenheit und alle Formen von Yoga lehrende Körperschaft von Eingeweihten
zu sein", in der sich die »gesamte geheime« Weisheit und Erkenntnis von
mindestens zwei Dutzend Orden und Riten konzentriere und die in der »weißen
Sexualmagie« den Schlüssel besitze, der alle maurerischen und hermetischen
Geheimnisse erschließe. Nach einer von Reuß 1906 (?) in London herausgegebenen
Konstitution stellte der »alte« Orden eine Reorganisation einer angeblich
vorher bestandenen rosenkreuzerisch‑esoterischen »Hermetischen
Brüderschaft des Lichts« (»Hermetic Brotherhood of Light«) dar. Der 0. T. 0.
pflegte sexuell‑magische Hatha‑Yoga‑Übungen, die als
»Transmutation der Reproduktionsenergie« zur »Stärkung der ewigen Gotteskraft
auf der irdischen Ebene« bezeichnet wurden. Laut »Jubiläumsausgabe« der »Oriflamme«
(s. d.) von 1912 konnte niemand »Eingeweihter« werden, der nicht vorher die
drei Johannisgrade der Freimaurerei empfangen hatte. Diese wurden aber vom 0.
T. 0. mißbräuchlich selbst erteilt.
1916 eröffnete Reuß die 0.T.0.
Großloge "Mystica Veriá", der die Gründung der Loge »Libertas et
Fraternitas«, Zürich, folgte. 1917 wurden die Grade des Systems an den Memphis‑Misraim‑Ritus
angeglichen. Für kurze Zeit zog der Orden auch Rudolf Steiner in seinen Bann,
der bis 1914 als stellvertretender Großmeister dem Orden angehörte. Zunehmend
gewann Crowley (s. d.) hier an Einfluß, der Orden selbst löste sich in den
zwanziger Jahren in einen Haufen konkurrierender Unternehmungen auf.
Quelle: Eugen Lennhoff / Oskar Posner / Dieter A. Binder,
"Internationales Freimaurerlexikon", Neuauflage, München 2000, S. 835
2) O.T.O., Abk. f. (lat.) Ordo
Templi Orientis = Orientalischer Templerorden; zunächst insgeheim von Dr. Karl Kellner
u. Dr. Franz Hartmann gegr.; öffentlich mehr bekannt durch die von Theodor Reuß
1912 autorisierte Neugründung. Nach dem letzten Krieg fand sich die Zentrale in
Stein (Schweiz) unter der Leitung von Hermann Metzger, aber nach dessen Tod
scheint die Gruppe ihre Aktivitäten sehr reduziert zu haben. Die Unterrichtung
der Mitgl. erfolgte durch Fernlehrbriefe, obwohl an einigen Plätzen auch regelrechte
Logen bestanden. Die 10 Grade waren 1912 wie folgt betitelt (in Klammern die
Gradnamen nach 1945):
I. Grad Prüfling (M.)
II. Grad Minerval (M..)
III. Grad Johannis‑Freimaurer
(M:.)
IV.
Grad Schottischer Freimaurer (Prinz
von Jerusalem, Ritter v. Osten u. Westen)
V.
Grad Rose‑Croix‑Maurer (Souveräner
Prinz Rose‑Croix, Ritter v. Roten Adler)
Vl.
Grad Templer‑Rosenkreuzer
(Erhabener Ritter, Prinz v. Königlichem Geheimnis)
VII.
Grad Mystischer Templer (Sehr Erhabener
Souveräner General Groß Inspektor)
VIII.
Grad Orientalischer Templer (Perfekter
Oberpriester der Illuminaten)
IX.
Grad Vollkommener Illuminat
(Eingeweihter des Gnostischen Sanktuariums)
X.
Grad Supremus Rex (Höchster u. Heiligster König)
Darüber hinaus existierte
vermutlich noch ein 11. Grad, wie man aus "Äquinox VII" (Zürich 1957,
S. 34) schließen darf. Der O.T.O. nimmt Männer u. Frauen auf, wodurch sich
bestimmte Ziele in den höheren Graden erst realisieren lassen: die Namen der
Frauen werden jedoch niemals preisgegeben ("Äquinox", S. 13). Lt.
Manifest des O.T.O., § 4, können die wirklichen Ziele "nur von den
höchsten Eingeweihten vollständig verstanden werden .... aber es kann offen
gesagt werden, daß er hermetische Wissenschaft oder verborgenes Wissen lehrt ....
Yoga in allen Formen" (vgl. Pan-Amrita-Yoga). Der Großmeister des O.T.O.
nannte sich O.H.O. mit dem Zusatz (lat.) Rex Summus Sanctissimus (= Höchster u.
Heiligster König). Organisationsmäßig umfaßte der O.T.O. Zürich auch noch: den
Ordo Illuminatorum (Illluminaten-Orden),die Fraternitas Rosicruciana Antiqua
(Alte Bruderschaft vom Rosenkreuz) u. die Ecclesia Gnostica Catholica (Gnostisch-Katholische
Kirche). In "ÄquinoxVII" wird auch noch behauptet, daß "die
Weisheit u. das Wissen der folgenden Körperschaften" zum O.T.O. zählen:
Orden der Ritter vom hl. Geist, Orden vom Tempel, Johanniterorden, Malteser‑Orden,
Ritter vom hl. Grab, Kirche vom hl. Grab, Hermetische Bruderschaft des Lichts,
"AASR 33°, Memphis‑Ritus 97°, Misraim‑Ritus 90°, Swedenborg‑Ritus,
Martinisten‑Orden, Sat-Bahai‑Orden, Hermetischer Orden der Goldenen
Dämmerung; als ausdrücklich nicht dazugehörig wird die Astrum Argenteum bez. In
den Schriften werden die anderen, ähnlichen Organisationen als "gemeine
Schwindler" (vgl. Z. "Oriflamrne",Nr. 24 v. 19. 2.1963)abgetan.
Für kurze Zeit stand auch Rudolf Steiner mit dem O.T.O. (Misraim-Ritus) in
Verbindung. Lit.: A. P. Eberhardt, Von den Winkellogen Deutschlands im letzten
Vierteljahrhundert, Leipzig 1914, P. C. Martens, Geheime Gesellschaften,
Leipzig 1923; M. Kully, Die Wahrheit über die Theo‑Anthroposophie, Basel
1926; Julius Evola, Metaphysik des Sexus, Stuttgart 1962; Roger Peyrefitte, Die
Söhne des Lichts, Karlsruhe 1962 (S. 272-78); Hermann Metzger, Erleuchtete?,
Zürich 1964; "Das gemischte Kloster von Appenzell" in Z. Quick Nr. 29
v. 12. 7. 1972; Francis King, Sexuality Magic and Perversion, Secausus/USA
1971, 1974; Francis King, The Secret Rituals of the O‑T-O., New York
1973 (EA); Michael D. Eschner, Die sexualmagischen Unterweisungen des O.T.O.,
Berlin 1982; Helmut Möller/Ellic Howe, Merlin Peregrinus. Vom Untergang des Abendlandes,
Würzburg 1986; Hella Wiesberger (Hg‑), Zur Geschichte u. aus den Inhalten
der erkenntniskultischen Abt. der Esoterischen Schule, Dornach 1987; Josef
Dvorak, Satanismus, Frankfurt 1989; Rudolf Passian, Licht u. Schatten der
Esoterik, München 1991; Walter Jantschik, Der Egregor des OTO u. verwandter
thelemitischer Logen, in Z. "AHA AbraHadAbra" 7/91; Wolfgang Weirauch,
Tue, was du willst (Interview), in: "FlensburgerHefte" Nr. 33 (6/91);
Thomas Höfer, Wasch mich, aber mach mich nicht naß!, in: Z. "Flensburger
Hefte" Nr. 33 (6/91).
Quelle: "Lexikon des Geheimwissens" von Horst E. Miers, 3.
Auflage, S. 465 ff
3) Hartmann war eine
ausgesprochen schillernde Figur. Als Freund und Reisebegleiter der Helena
Petrowna Blavatsky war er unter anderem Mitglied der Rosenkreuzer‑Gesellschaft
in England, die nur Freimaurer ab dem dritten Grad aufnahm. Die Arbeit dieser
Gesellschaft bestand im Studium der Kabbala, der Astrologie, der Alchemie, der
Theosophie, der Talismane und der mystischen Symbolik. Den innersten Kreis
dieser Gesellschaft bildete damals der Orden der Goldenen Dämmerung, dessen deutschem
Ableger später auch ein Mann angehören sollte, der mit seinem Flug nach England
noch heute für Verwirrung sorgt: Rudolf Heß, Hitlers Stellvertreter.
Von
Dr. Franz Hartmann sagt man, er sei ein ausgesprochener Verstandesmensch
gewesen, ein intellektueller Typ, der diese magischen Dinge mit intellektueller
Schärfe anging und seine Ansichten mit unerbittlicher und nüchterner Logik
vertrat. Daß er eine wirklich außergewöhnliche Persönlichkeit gewesen sein muß,
darauf läßt seine Mitgliedschaft in den zahlreichen geheimen Verbindungen im In‑
und Ausland und vor allem seine Mitgliedschaft und Arbeit in der hohen und höchstgradigen
Freimaurerei schließen, unter anderem im Alten und Angenommenen Schottischen
Ritus, dem auch heute noch weitverbreitetsten und, wie Eingeweihte meinen,
vollkommensten Hochgradsystem der Freimaurerei. Ein Gründungspatent der
Großloge Memphis-Misraim weist Hartmann mit dem 95. Grad aus.
Kellner und Hartmann
beschlossen, auch im deutschen Sprachraum einen neuen esoterisch‑okkulten
Orden zu gründen, und hoben diesen schließlich im Kreise weniger Vertrauter und
Eingeweihter im Jahr 1895 in Wien als Ordo Templi Orientis aus der Taufe. Kurz
darauf stieß auch der gelernte Drogist, Opernsänger, Journalist und vielseitige
Geheimdienstler Theodor Reuß zu diesem Orden. Kein Wunder, Reuß war ebenfalls
Mitglied der Societas Rosicruciana in England, der englischen Rosenkreuzer‑Gemeinschaft,
war Mitglied des Ordens der Goldenen Dämmerung, der Großloge Memphis‑Misraim,
er experimentierte mit dem Swedenborg‑Ritus und dem Cernau‑System
und gehörte der Londoner Loge »Pilger Nr. 208« an.
Die eigentlichen Ziele des Ordo
Templi Orientis und die Ordensarbeit bleiben in den ersten Jahren weitgehend im
dunkeln. Es dürfte immerhin interessant sein, daß der spätere Begründer der
Anthroposophie und vormalige Generalsekretär der Theosophischen Gesellschaft in
Deutschland, Rudolf Steiner, einmal Großmeister (Rex summus) dieses
orientalischen Templerordens war, ehe sich in den zwanziger Jahren der britische
Magier und Geheimdienstler Aleister Crowley zum Generalgroßmeister des Ordens
aufschwang.
Man sieht: Im Europa des
Jahres 1907 war der Boden für tüchtige Logenarbeit jedenfalls bereitet. Der
Kontinent war überzogen von einem dichten Netz geheimer, mehr oder weniger
obskurer Orden und Gesellschaften, in denen Esoteriker aller Sparten, nicht
zuletzt aus dem völkisch‑ariosophischen Bereich, auf der Suche nach dem
Licht und den unsichtbaren Meistern waren und die ‑ unter anderm im Ordo
Templi Orientis ‑ auch mittels sexualmagischer Tantra‑Übungen den
Urgrund allen Sein, zu ergründen suchten. Sicher hat da nicht jeder des
Urgrunds wegen derlei Exerzitien auf sich genommen. Den meisten aber wird man
zugestehen müssen, daß sie der ernsthaften Überzeugung waren, es ginge, wie
Adolf Hitler später immer zu sagen pflegte, darum, den Menschen zu überwinden:
»Meine Politik ist nicht im landläufigen Sinne eine nationale Politik. Ihre
Maßstäbe und Ziele nimmt sie von einer allseitigen und umfassenden Erkenntnis
vom Wesen des Lebens. Wir wissen noch nicht das Ziel in seiner ganzen Größe.
Aber wir haben es im Blut, wir erleben es.«
Damals, im Wien der
Jahrhundertwende, mag von alldem schon etliches dem späteren Führer ins Blut
geschossen sein. Seine Meister aber erschienen ihm erst viele Jahre und einen
ganzen Krieg später. (Carmin - S. 38 f)
.....................................
Nun ja, hier geht es freilich
zunächst nicht um Metaphysisches, sondern um ganz greifbare Dinge, nämlich um
die physisch durchaus erfaßbare Erscheinungsweise dieser oder jener Mächte, die
auf der Basis dieser und jener Philosophie und unter dem Tarnmantel dieser oder
jener Religion oder Weltanschauung in das politische Geschehen dieses
Jahrhunderts eingegriffen haben. Beispielsweise: Wie oder wo mag wohl ein allem
Anschein nach stets auf dem Boden der Fakten und Tatsachen stehender Franz
Josef Strauß vor noch nicht allzulanger Zeit im so profan scheinenden
politischen Getriebe unserer Epoche das Treiben illuminierter Brüder geortet
haben?
Es gibt tatsächlich einen
Orden, der für sich offen und öffentlich in Anspruch nimmt, das Erbe der
Illuminaten zu vertreten. Aufgrund der Schriften Weishaupts allein aber ist
schon anzunehmen, daß Strauß gewiß nicht diese Art von Illuminaten gemeint
hatte, obwohl dieser Orden durchaus mit dem dunklen Treiben rund um das Reich
von Thule verbunden ist. Es ist auch nicht auszuschließen, daß der eine oder an
Adept dieses Ordens als unbekannter Dreipunkte‑Bruder in höheren Graden
tatsächlich auf dieser oder jener Etage der Neuen Weltordnung herummauert. Bei
diesem Orden handelt es sich um den Ordo Templi Orientis (O.T.O.), dem
bekanntlich so illustre und gegensätzliche Persönlichkeiten wie der Begründer der
Anthroposophie, Rudolf Steiner, und Aleister Crowley zeitweise als
Ordensmeister vorstanden. Man erinnere sich: Der ursprüngliche O.T.O. wurde von
bekannten Großmeistern in diversen Freimaurerlogen wie Dr. Franz Hartmann,
Heinrich Klein, Karl Kellner und Theodor Reuß gegründet, nachdem Kellner im
Zuge einer ausgedehnten Asienreise sozusagen erleuchtet, zumindest in die
sexualmagischen Geheimnisse der Vamacharis, der Jünger des Pfades zur Linken,
eingeweiht worden war.
Der O.T.O. stellte
gewissermaßen eine Verschmelzung des auf Initiative von Theodor Reuß von einem
gewissen Leopold Engel wiederbelebten Illuminaten‑Ordens und der ebenfalls
von Reuß reorganisierten »Hermetischen Bruderschaft des Lichts« (Hermetic
Brotherhood of Light) dar.
Über Hartmann bestand
bekanntlich eine direkte Verbindung zum Ordo Novi Templi des Lanz von
Liebenfels: Hartmann war Vorsitzender der Wiener Theosophischen Gesellschaft,
und diese wiederum war nahezu geschlossen im Liebenfelsschen Templerorden
vertreten. Liebenfels wiederum war wie Guido von List Mitglied des Thule‑Ordens.
Theodor Reuß und die Bruderschaft des Lichts ihrerseits sind Bindeglieder zu
den englischen Rosenkreuzern und den Brüdern vom Golden Dawn: und über so
vielseitige Persönlichkeiten wie Monsieur Papus führt dann auch ein Weg zu
einer der seltsamsten, heute noch überaus aktiven Geheimgesellschaften: der
Prieuré de Sion. (Carmin, S. 278 f)
Quelle: "Das schwarze Reich" von E. R. Carmin, 5. Auflage, 2000
(a.a.O)
4) In Berlin wird gegen eine
Satanssekte ermittelt die Ihre Schützlinge mit Sexzwängen, Ekeltraining und
Gedankenkontrolle zu höherem Bewußtsein führen will.
"Das Trampeln schwerer
Schuhe" riß die Sektenmitglieder aus "friedlichem
Morgenschlummer". Eine "Horde Polizei", so klagten die
Heimgesuchten hinterher, habe den "Thelema‑Orden des Argentum
Astrum" überfallen und die Abtei des Berliner Magie‑Vereins gefilzt,
vom Tempel bis zum Klo.
Die zwanzig Beamten, die
vergangenen Herbst das Charlottenburger Mietshaus der "ordensartig
organisierten Religionsgesellschaft" (Vereinssatzung) durchsuchten, fanden
zwar nicht die vermuteten Haschbestände, dafür aber Einschlägiges "über
die Droge Sekte" (ein Fahnder).
Im Kellerraum der Berliner
Kult-Kommune klaubten die Schupos Ritualwerkzeuge vom Altar, Dolch und
Kurzschwert ‑ nach alliierten Bestimmungen unbefugter Waffenbesitz.
Diverse Sektenutensilien, ebenfalls konfisziert, weckten bei den Ermittlern den
Verdacht, der Orden verstoße durch seine "Ziele, Methoden und
Praktiken" gegen Menschenwürde und Recht.
Das sah die Staatsanwaltschaft
genauso. Sie ermittelt seitdem gegen den Chefideologen des Ordens, den
gelernten Fernsehmechaniker Michael Dietmar Eschner, 36, wegen des Verdachts
der Körperverletzung, Bedrohung und Nötigung.
Das Verwaltungsgericht
bestätigte bei zwei weiblichen Sektenmitgliedern die Streichung der
Sozialhilfe, weil das Leben im Orden "nicht der Zielrichtung des
Bundessozialhilfegesetzes" entspreche. Und der Berliner Innensenator prüft
derzeit, ob die belastenden Erkenntnisse zu einem Verbot des Vereins
ausreichen.
Die absonderliche
Glaubensgemeinschaft betreibt mit drastischen Methoden die Umprogrammierung
ihrer Eleven zu einem höheren Bewußtsein. Privatbesitz und Außenkontakte sind
verpönt, die Thelema-Oberen erzwingen Disziplin durch Gehorsamseid und
Schlafentzug, verordnen Geschlechtsverkehr und Ekeltraining ‑ vom
Kotverzehr bis zur Selbstverstümmelung.
Der Vereinszweck gibt sich
satanisch. Die Satzung gebietet "die Verbreitung der Lehren des 'Liber Al
vel Legis' Gesetz von Thelema ‑ wie es Aleister Crowley am 8., 9. und 10.
April 1904 von 12.00 Uhr bis 13.00 Uhr gegeben wurde". Crowley, "der
verderbteste Mann der Welt" (Sektenwerbung), steht für die Verkehrung der
christlichen Werteordnung.
Der Münchner Sektenexperte
Pfarrer Friedrich‑Wilhelm Haack hält den 1947 verstorbenen englischen
Satanisten und Sexualmagier, Leitbild auch des amerikanischen Hippie‑Mörders
Charles Manson, für den "Stammvater der dunkelsten Varianten des
religiösen Untergrunds". Crowleys Credo ("Ich bin eine Hölle von
einem Heiligen Guru") wurde in der sizilianischen "Abtei
Thelema" Satansriten, religiösen Sexorgien und Tieropfern eingelöst.
Labile Jugendliche, fürchten
Berliner Strafverfolger, könnten auch durch den Absolutheitsanspruch der Ordensoberen
in Abhängigkeit geraten. Unter der Vorspiegelung, zu einer neuen
Persönlichkeitsstufe zu gelangen, setzten sich die Kandidaten klaglos einer
Mixtur aus Psychostreß, Okkulthokuspokus und Gehirnwäsche aus. Die
"Umkonditionierung", so ein Fahnder, überschreite noch die
"Selbstkasteiung des Mittelalters."
Polizeibeamte schildern in
Untersuchungsberichten "ein Sozial‑ und Sexualverhalten, wie es
nicht einmal bei tierischen Primaten zu beobachten" sei.
Kult‑Kommunarde Eschner,
Anfang der siebziger Jahre wegen Betrugs und Unterschlagung in anderen Branchen
zu dreieinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, vergibt in hauseigener
Hierarchie Sekten-Dienstgrade, vom Zelatoren bis zum Ipsissimus. Die
"praktische bewußtseinsverändernde Arbeit" des Ordens vermittelt er
als "okkulte Wissenschaft so systematisch und wissenschaftlich" wie
"die Chemie" ‑ Scharlatanerie mit einem Schuß Wissenschaft,
neben religiösem Abrakadabra ein Psycho-Cocktail mit Meditation,
"Astralreisen", Verhaltenstraining in der Gruppe und allerlei
"Kabbala".
Die angestrebte
Umkonditionierung reicht bis zur Gedankenkontrolle. Renitenz gegenüber
Ausbildern wird vom "Beißer" mit schmerzhaften Bissen ins
Daumennagelbett bestraft ‑ eine "Hilfestellung zur besseren
Selbstbeherrschung". Der Einübung von Selbstdisziplin, angestrebt etwa
durch das Verbot, eine Woche lang das Wort "ich" zu gebrauchen, wird
mit der Rasierklinge nachgeholfen.
Der ehemalige zweite
Vereinsvorsitzende Marcus Jungkurth: "Man bestraft sich sozusagen wie ein
ungehorsamer Hund, so hat Crowley das auch formuliert, dann schneidet man sich.
Das macht man etwa eine Woche, danach sehen beide Arme aus wie Gehacktes."
Eschner schwächt ab: "Halb so wild, wie es aussieht. Das blutet kaum, ist
aber nützlich."
Ein vereinsspezifisches
Ekeltraining, das laut Eschner nur "theoretisch" durchgenommen wird,
bei dem aber nach Aussagen Ehemaliger schon mal "direkt in den Mund
uriniert" wurde, soll die Selbstüberwindung fördern.
Die Strategien werden in
sekteneigenen Publikationen erläutert; alle Bücher erscheinen in dem von der
Eschner-Gefährtin Siegrid Kersken‑Canbaz gegründeten "Kersken‑Verlag"
(Stammkapital: 100 000 Mark), dessen Druckerei dem Orden die wirtschaftliche
Existenz garantiert.
Obwohl der inzwischen auf die
Mitglieder überschriebene Betrieb satzungsgemäß deren materielle
Lebensbedürfnisse sicherstellen soll, haben Sektenangehörige, wie
Behördenermittlungen ergaben, finanzielle Unterstützung aus öffentlichen
Mitteln beantragt.
Die Sozialhilfe, inzwischen
gekappt, hat so grundlegende Ergüsse wie die von Eschner herausgegebenen
"geheimen sexualmagischen Unterweisungen des O.T.O." bezuschußt. Dort
finden Leser "die vollständigen Details der tantrischen Techniken, mit
denen Adepten wie Aleister Crowley ihre überragenden magischen Erfolge
erzielten" ‑ etwa die: "Die Jungfrau soll das Feuer und den
Priester mit ihren Händen entflammen und dabei sagen: Accendat in nobis Therion
ignem sui amoris et flammam aeternae caritatis."
In der Sektenpraxis, schildert
eine Ehemalige, ging es auch schon spontaner zu: Der Guru habe "sich
hingesetzt, und ich mußte mich praktisch auf ihn raufsetzen. Es spielte
überhaupt keine Rolle, ob ich erregt war oder nicht". Fellatio als Kult‑Genuß:
"Anschließend", beschreibt die "Oberpriesterin" ihren Part,
"hast Du mich gerufen, um Dir einen zu lutschen."
Unter Hinweis auf den rigiden
Gehorsamseid, ließ eine Betroffene protokollieren, habe es Eschner immer wieder
fertiggebracht, "daß jeder mit jedem ins Bett ging und daß jeder mit jedem
Praktiken oral oder anal durchführte" ‑ mal zu Ausbildungszwecken
vor der ganzen Gruppe, mal unter der Decke. Die Folge: Schon bald nach
Eröffnung der Abtei registrierte die Polizei Tripper im Tempelorden.
Wie weit fortgeschritten der
Prozeß der Entmündigung einzelner Sektenmitglieder und wie groß ihr
Abhängigkeitsverhältnis in diesem Beziehungschaos bereits war, belegen
Tagebuchblätter, die zur Selbstkontrolle und zur Selbstrechtfertigung für die
Gruppe geschrieben wurden. In einem Stimmungstief und wegen schierer Vergeßlichkeit
("... fiel mir siedendheiß ein, daß ich Dich heute aufs Vögeln ansprechen
sollte") hatte sich ein weiblicher Sektenlehrling selber
"Konsequenzen ausgedacht": stundenlange Meditation, "Sonntag 4x
Vögeln nachholen" sowie "eine Ausarbeitung über meine Ängste
schreiben und analysieren".
In Briefen an den Berliner
Senat haben sich Eltern Betroffener über den "lebensfeindlichen und
menschenverachtenden Orden" beklagt, in dem es laut Eschner inzwischen
"demokratisch wie in einem offenen Haus", nach Elternmeinung
"seit Juli 1983 praktisch wie in einem Gefängnis" zugeht.
Schon Anfang letzten Jahres
hatte der Berliner Sektenbeauftragte Pfarrer Thomas Gandow in einem Gutachten
über die "neosatanische Ordensgründung" gefordert, der Verein müsse
"von Amts wegen gelöscht oder gar verboten werden". Auch Andreas
Hilliger, Senatsbeauftragter für "Jugendsekten und Psychokulte",
empfiehlt staatliches Durchgreifen. Das "quantitative Problem" sei
zwar gering, doch in der "psychischen Pression nach innen und der totalen
Isolation nach außen" seien die Berliner Thelemiten "vergleichslos im
ganzen Spektrum".
Einfach dichtmachen können die
Behörden den Tempel nicht. Rechtlich strittig ist, ob sich Eschner, der auf
"das freiwillige Dulden bzw. Befolgen" seiner Befehle verweisen kann,
als Initiator "solcher primitiven und perversen Verhaltensweisen"
(Ermittlungsbericht) überhaupt strafbar macht.
Auch aussagewillige
Mitglieder, die dem Satanstempel entkommen sind, verzichten auf Strafanzeige.
Teilweise akzeptieren sie Eschners Psychoanforderungen noch im nachhinein als
Mittel zur Selbstverwirklichung, oder sie fürchten sich, weit sie ihrem Chef‑Magier
auch "Ferntötungen nach afrikanischem Voodoo-Ritual" zutrauen.
Von allen Mitgliedern hat
Eschner bei Aufnahme in den Orden eine Haarsträhne archiviert.
Quelle: DER SPIEGEL 20 / 1985 / 106 + 108
Anmerkung: Eschner ist dann doch tatsächlich auch als Autor in dem Literaturverzeichnis
bei Miers aufgeführt.