Ruin durch Freimaurerei

 

Doch lassen wir dem Fachmann selbst das Wort. Er stellt zuerst fest, dass der belgische Grossorient mit einem Rundschreiben betteln geht und sagt dann:

 

"Aber warum denn dann in Friedenszeiten all diese Zirkulare, die wir ja so gut kennen, von der Blüte der belgischen Freimaurerei, von einem bald erreichten Ziele usw.? Ich kann und will mich nicht darüber näher äussern, denn mich bindet nun einmal mein Wort, und das werde ich halten, wenn auch als Mann und nicht als Freimaurer, obwohl man mich enttäuscht, getäuscht, belogen und ‑ die natürliche Entwicklung unter "Brüdern" ‑ ruiniert hat! Das soll mich aber nicht hindern, diesem ebenso gefährlichen wie kindischen Gebilde unablässig auf den Leib zu rücken. Als ehemaliger Meister vom Stuhle bin ich wohl berechtigt, ein Urteil auszusprechen.

 

Die Freimaurerei ist mir zum Ruin geworden, denn sie hat mein Leben verwirrt und mir eine ungeheure Schuld aufgeladen. In ihrem Dienste und Interesse belud ich mein Gewissen, ruinierte ich Familien, brachte manchen braven Mann um seine Existenz oder trug dazu bei, nur weil sie der verruchten Tätigkeit der Loge im Wege standen. Wie oft war ich Zeuge, wie man in Not geratene Brüder mit dem Hinweis fortwies, es sei kein Geld vor­handen, und dabei lagen Tausende in der Kasse, oder man drückte sich mit einer faulen Ausrede um diese Pflicht, weil der Bruder nicht von der eigenen Nationalität war! Nie hörte der Streit auf in der L. . ., und wo immer ich hinkam, gab es zwei Parteien: die guten, sogen. frommen Maurer, die es aus voller Ueberzeugung waren, auf denen alle Arbeit lastete und welche daher ‑ das fünfte Rad am Wagen bildeten. Das sind Leute, die für ihr Ideal zum Opfer ihres Lebens bereit sind und daher ‑ nichts gelten. Es sind gutmütige Lämmer, die alles glauben. Ihnen steht gegen­über die gewaltsame Partei des Protzentums, meist Charaktere niedrigster Sorte. Sie glänzen überall und sind vorne dran, aber um im stillen wirklich zu arbeiten für eine Sache, da­für sind sie nicht, im Gegenteil, es ist die Partei der ewigen Opposition. Das sind die Spekulanten, denen die Loge ein Mittel zur Erringung von Vorteilen, von Stellung, kurz: des äusseren Gewinnes ist. Diese Entzweiung war und ist ein chronisches Uebel, und sie ist eine der Hauptursachen des nie erlahmenden inneren Gezänkes. Und eines der höchsten Ideale der Maurerei ist die Brüderlichkeit. Niemals aber, in den vielen Jahren, da ich die Freimaurerei kenne, kam es zu einer richtigen Aussprache, denn der Geldsack befand sich stets in der Hand der Plutokratie und die idealer gesinnte Minderheit hing mit ihrer Existenz somit stets in der Luft. Und ‑ man macht sich wahrhaftig kein Gewissen daraus, einen unbequem werdenden Bruder an den Bettelstab zu bringen, am wenigsten, wenn er eine Familie hat. Genau die gleichen Zustände fand ich in Frankreich, wo ich als fremder Maurer fleissig zur Arbeit ging, ja, es war dort womöglich noch schlimmer. In Italien prügelten sich die Brüder, und auch in den Vereinigten Staaten fand ich die alte Welt wieder. In Spanien haben die Brüder Angst, dass die Welt sie als solche erkenne, und sie fürch­teten für ihre Stellungen, wenn sie offen mit einem der ihrigen verkehrten. Und aus Angst, dass jemand sein Diplom entdeckte, legte es dort der Bruder jede Nacht unter sein Kissen. Und eifrig geht er jeden Morgen zur Messe, damit ja niemand Ver­dacht schöpfe. Ich durchwanderte die Türkei, und in Aegypten fand ich Zirkel und Winkel als Geschäftsreklame, z. B. bei meinem Schneidermeister; aber immer und überall waren es zwei Parteien. Schliesslich wurde mir mein Gewissen zu schwer, und ich packte einmal aus und sagte mir die Last von der Seele herunter. Man hat mich seitdem verfolgt und schikaniert, man hat mich ruiniert, aber ich begann zufriedener zu werden.

 

Und nun, meine Herren Brüder, wo sind die Ideale, seit der Krieg ausbrach? Erröten müsstet ihr, wenn ihr dessen noch fähig wäret, ihr belgischen Brüder, die ihr da schreibt: "Sie wissen, geehrter Herr Grossmeister, dass die ganze Unter­weisung eines Grades unserer Freimaurerei von St. Johannes auf der religiösen Ehrfurcht aufgebaut ist, welche der "geschworenen Treue" gebührt in allen Verhältnissen des Lebens, so ‑ tragisch sie auch sein mögen. Das ist wahr für die Völker, wie für die Individuen." Von der "Treue in allen Verhältnissen und  noch so tragischen Lagen" sind heute noch ein paar elende Fetzen übrig, ja vielfach nicht einmal diese. An die Stelle eurer vielgerühmten Ideale ist der Hass, der tätige Hass getreten, in eurer Humanität kanntet ihr kein Erbarmen und stiesst den Bruder mit Wollust ins Elend, mit dem ihr fast ein Menschenalter Stuhl an Stuhl sasset.. Belgier und Franzosen, Engländer und Italiener, keiner von euch, ist um ein Haar besser als der andere; die Treue in allen Verhältnissen des Lebens, das war das allererste, was ihr gebrochen habt und worauf ihr heute stolz seid! Als erste habt ihr die Brüder aus dem Lande gejagt und ihnen ihr Hab und Gut dann weggenommen oder verkommen lassen. Wer wird in Hinkunft euren Schwüren noch Glauben schenken? Ihr Herren Belgier tut euch was darauf zugute, dass ihr "Brüder der sog. Johanneslogen" in Deutschland, der Schweiz, England, Amerika und Italien (die Feragruppe) euch nicht mit Politik befasst, dass ihr bessere Menschen seid als die anderen, und da straft ihr euch Lügen mit eurem Rundschreiben! Ihr wendet euch an die amerikanischen Logen, die im Kartell sind mit dem Gr ... Or... von Italien, mit denen ihr ja doch im beständigen Hader lebt, und der balgt sich seinerseits wieder in den Blättern herum und belegt mit seinem Banne die Fratelli von der Piazza Gesu! Und nun, ihr Brüder vom belgischen Grossorient, gestattet eine Frage: Ihr reklamiert die Wiederherstellung der Freiheit und Unabhängigkeit Belgiens. Ihr kennt die letzten Ziele des Gr... Or ... de France. Heraus mit der Sprache! Sind diese im letzten Grunde auf Belgiens Freiheit und Unabhängigkeit gerichtet oder nicht, etwa auf etwas ganz anderes? Und wenn ihr schon nicht den Mut habt, darauf zu antworten, so habt wenigstens ,den zu gestehen, dass ihr, wenn schon nicht in euren Zielen (das kommt noch), so doch in euren Idealen bankerott seid."

 

Quelle: "Augsburger Postzeitung" vom 17. Oktober 1915 ("Anklagen und Bekenntnisse eines Freimaurers")