Geheimes Rundschreiben der Mailänder Grossloge vom 20. September 1914

 

"Angesichts des sich über Europa ergiessenden Blutbades, erwacht, inmitten des Zusammenpralles zweier gegensätzlicher Kulturen und anlässlich der Wiederkehr des Gedenktages eines anderen Triumphes des menschlichen Geistes über den Obskurantismus, des Sturzes der Weltherrschaft des Papsttumes, in allen Herzen der Wunsch, dass die Ströme rinnenden Blutes nicht umsonst vergossen werden, sondern dass aus ihnen glorreich ein neues, von Thronen und Altaren befreites Zeitalter der allgemeinen Brüderlichkeit der Völker unter einander erstehen möge.

 

Keine Feste sind zu feiern, keine Reden zu halten in dieser schweren Zeit, in der, wenn auch die Herzen höher schlagen, die Zunge sich stumm zu verhalten hat.

 

Die Brüder sind daher alle zum 23. d. M., abends 9 Uhr 30 Min., zu vereinigten Logen in den Tempel geladen, um ehrerbietig den Weisungen zu lauschen, die der Meister vom Stuhl der Gemeinschaft erteilen wird.

 

Unsere Ernte ist gekommen: nun, da der Same, gesät auf wohlgepflügtem Boden und gedüngt von dem Geiste disziplinierten Gemeinsinns, aufgegangen ist, sei ein jeder Bruder stark in dem schweigenden Opfer seiner persönlichen Ueberzeugung.


 

Von heute ab gebe es keinen "einzelnen Maurer" mehr, sondern nur noch den "maurerischen Bau".

 

"Unterzeichnet ist das Rundschreiben", so fährt der Artikel fort, von dem Republikaner Stanislaus Maggi und dem früheren Mitglied der sozialdemokratischen Partei Italiens, Ludwig Resnati, beide als führende Geister der italienischen Freimaurerei bekannt.

 

Wer den ungeheueren Einfluss, den die Freimaurerei auf alle Zweige des öffentlichen Lebens im besonderen der romanischen Länder ausübt, nicht kennt und geneigt ist, ihn nach dem Massstab desjenigen zu messen, den die absolut unpolitischen Logen Deutschlands und Oesterreich‑Ungarns ausschliesslich auf dem Gebiete allgemeiner humanitärer Bestrebungen, der gegenseitigen Unterstützung und der Wohltätigkeit besitzen, kann leicht dazu kommen, die Bedeutung, die der ganzen von jener Seite in Szene gesetzten Bewegung innewohnt, zu unterschätzen.

 

Nichts wäre verfehlter!

 

Grossmeister der Grossloge Englands und der englischen Kolonien, sowie der von den zehn metropolitanischen Logen Londons, aus denen seit jeher das Licht der Erleuchtung über sämtliche Logen schottischen Ritus der ganzen Weit ‑ ausgenommen selbstverständlich die nationaldeutschen ‑ strahlt, sind König Georg V. oder sein Onkel, der Herzog von Connaught. In welchem Sinne die "Erleuchtung" aus dieser Quelle gerade in der gegenwärtigen Zeit erfolgt, kann nicht zweifelhaft sein. Die offene Stellungnahme gegen Deutschland und Oesterreich‑Ungarn, der gesamten, notorisch unter maurerischem Einfluss stehenden Presse liberaler Länder, die mit solcher Einmütigkeit niemals hätte zu Tage treten können, wenn nicht eine grosse einheitliche Organisation hinter ihr stände und sie stützte, zeigt zur Genüge, mit welcher peinlichen Genauigkeit die aus England und London stammenden Weisungen befolgt werden."

 

Anmerkung: Man fragt sich unwillkürlich, warum Dokumente von derartiger Brisanz keine Erwähnung in unseren Schulbüchern gefunden haben.

Zum gleichen Thema des Einflusses der britischen Freimaurerei unter Führung des Monarchen wird hingewiesen auf den Beitrag "Freimaurer ordnen Mitteleuropa" auf dieser Homepage und auf das dort zitierte Buch von Frau Professor Renate Riemeck.