Freimaurer‑ und andere Brüder

 

In einem Land, in dem es für Senatoren, Richter, führende Staatsdiener, ja für alle, die Rang und Namen haben oder haben wollen, zum guten Ton gehörte ‑‑ selbst für die vorangegangenen US­-Präsidenten von George Washington angefangen ‑‑, einer Freimaurerloge anzugehören und ihren Großkommandeuren und Meistern eidlich verpflichtet zu sein, wäre es naiv zu glauben, Woodrow Wilson wäre nicht in diese Kreise eingebunden gewesen. Es spielt dabei keine Rolle, ob er nur "Maurer ohne Schurz und Kelle" oder zu höheren Graden aufgestiegen war wie sein von ihm zum Finanzminister ernannter Schwiegersohn William Mc Adoo. Bedenklich stimmt allein seine Zugehörigkeit zu diesen bzw. einer dieser geheim tätigen Logen, verfolgen sie doch Ziele und Herrschaftspraktiken, die offensichtlich das Licht einer offenen demokratischen Gesellschaft scheuen. Für das Jahr 1913 berichten neutrale Quellen aus der Schweiz, in den USA habe es 50 Großlogen mit 15.000 Einzellogen gegeben. The American Freemanson, das bedeutendste amerikanische Freimaurerjournal, verweist in seiner Ausgabe vom März 1916 auf eine Schätzzahl von 1,7 Millionen Meister‑Maurern innerhalb der USA.

 

In Ergänzung zum Zitat von Theodore Roosevelt ("Hinter der sichtbaren Regierung sitzt auf dem Throne eine unsichtbare Regierung, die dem Volke keine Treue schuldet und keine Verantwortlichkeit anerkennt. Diese unsichtbare Regierung zu vernichten, den gottlosen Bund zwischen korruptem Geschäft und korrupter Politik zu lösen, ist heute - 1912 - die erste Aufgabe des Staatsmannes") sei auf den Untersuchungsausschuß des Repräsentantenhauses, das sog. Pujo­-Komitee ‑‑ benannt nach dem Abgeordneten Pujo von Louisiana, verwiesen. Von seiner Untersuchung des amerikanischen Bankwesens drang jedenfalls soviel in die Öffentlichkeit: die Direktoren der Bankengruppe Morgan, First National Bank, National City Bank, Bankers Trust Comitee, Guaranty Trust Company waren in 112 Aktiengesellschaften mit einem Gesamtkapital von 22 Milliarden Dollar mit 341 Aufsichtsratsitzen vertreten.

 

"Wenn auch dies alles keinen unmittelbar politischen Einfluß beweist so unterliegt es doch, nur geringem Zweifel, daß eine ganze Reihe von beträchtlichen Entscheidungen zu jener Zeit nicht in den weiten hellen Räumen des Weißen Hauses und des Kapitols, sondern in den fast lichtlosen düsteren Kontoren jener engen Gasse ‑ Wallstreet genannt ‑ getroffen wurden, die der Besucher New Yorks nicht ohne Beklemmung durchschreitet. Portal an Portal reihen sich hier die großen Bankhäuser, die schon vor dem Ersten Weltkrieg die Geldgeschäfte der Vereinigten Staaten besorgten, seither aber zu einer finanziellen Austausch-Zentrale fast der ganzen Welt geworden sind.

 

Gewiß hätte es ohne Präsident Wilson's höchst persönlichen Entschluß keinen Eintritt Amerikas in den Ersten Weltkrieg gegeben, aber wichtige vorbereitende Schritte sind vom Bankhaus Morgan unternommen worden. Sicherlich bedurfte der rasch einsetzende Strom der Kriegslieferungen nach England und Frankreich die Duldung der Washingtoner Regierung. In Gang gesetzt wurde er aber in New York, und es zeigte sich bald, daß hier weitreichende Vorstellungen von einer ganz neuen Art des ameriikanischen Welteinflusses am Werke waren. Und zu den internationalen Neuerungen, die den Ersten Weltkrieg bewirkten, gehören auch die Begriffe der "business policy" und "Dollar-­Diplomatie".

 

Quelle: "Historische Tatsachen" Nr. 79, Seite 18