Freimaurer - Verschwörung

 

" . . . Kein Mensch zweifelt heute mehr an der furchtbaren Mitschuld des internationalen Freimaurertums an der Entfesselung des Weltkrieges. Angefangen vom Morde von Serajewo, ja, selbst viel weiter zurück noch lassen sich die unbestreitbaren Spuren ihrer den Krieg vorbereitenden Tätigkeit verfolgen. Aber wenn irgendwo, so ist in Italien die Freimaurerei offen hervorgetreten und hat gegen ihre Gepflogenheit im vollen Lichte des Tages zugunsten des Krieges entscheidend eingegriffen. "Die Stunde war vorgesehen und vorbereitet für das Schicksal Italiens durch das in ihren Tempeln stets lebendige Wort", rühmt von ihr der Aufruf des italienischen Grossorients vom 24. Mai 1915.

 

Wie man sich in italienischen Logenkreisen die Entwicklung dachte, hat im März 1915 Ivanhoe B o n o m i , einer der Intimsten Bisolattis, dargelegt, der auf dem Kongress von Reggio Emilia wegen seiner einbekannten Zugehörigkeit zur Loge aus der sozialistischen Partei hinausflog. Bis spätestens Dezember 1915 würde alles vorüber sein....

 

. . . Am 17. Oktober 1915 traten im Palazzo Giustiniani die Vertreter zahlreicher Logen zusammen behufs Vereinbarung einer "wirksamen Aktion, damit die Regierung zur militärischen Teilnahme an der Salonikiexpedition und einem engeren Anschluss an England und Frankreich sich entschliesse". Br (d.i.: Bruder Freimaurer, d.V.) Raimondo, der Abgeordnete von San Remo wurde beauftragt, die Auffassung der Freimaurerei vorzutragen....

 

....Bis dahin lebten Südslawen und Italiener in schärfster Fehde. Jenen waren Italiens Ansprüche auf südslawische Gebiete (Londoner Abkommen) wohlbekannt, und in der "Idea Nazionalele" beklagte sich damals "ein italienischer Freimaurer" bitter über die erfolgreiche Werbetätigkeit der serbischen und kroatischen Freimaurer innerhalb der französischen Logen unter Führung des kroatischen Abg. Hinkovich zum Schaden Italiens. Der Streit ging, wie der Triestiner Irredentist Tamaro am 7. Oktober 1916 im Secolo gesteht, "um die Realisierung des bereits seitens Italiens mit seinen Verbündeten getroffenen Adriaabkommens", dem das Blatt selbst, bekanntlich Organ des Palazzo Giustiniani (Hauptquartier der italienischen Freimaurer, d.V.), die "Zweck­mässigkeit eines ehrlichen Einvernehmens mit den Serben, Kroaten und Slowenen" entgegenstellt.

 

In der zweiten Januarwoche 1917 tagte in Paris ein internationaler Freimaurerkongress, wobei neben italienischen auch serbische Delegierte sich einfanden. Das Friedensprogramm trat stark in den Vordergrund, und es wurde für Juni die Einberufung eines weiteren Kongresses nach Paris vereinbart. Der beschlossenen Tagesordnung zufolge, "bezweckt der Krieg, dem freimaurerischen Ideale zum Triumphe zu verhelfen".

 

Sechs Wochen später fordert auf dem Parteitage der Radi­kalen am 14. März 1917 Br Canti, die radikale Partei müsse die Führung der Demokratie in Italien übernehmen, und Br De Viti

de Marco beantragt Fortführung des Krieges bis zur Auflösung Oesterreich‑Ungarns und der Türkei (nach dem Programm Mazzinis) unter Ausgleich der italienisch‑serbischen Gegensätze zur Be­kämpfung des teutonischen Vordringens auf dem Balkan.

 

Inzwischen trat ein neues Ereignis ein, die russische Re­volution mit dem Sturze der Autokratie. Die Partei der russi­schen Freimaurer, der Kadetten, kam obenauf, und neue Hoffnung auf russische Hilfe zog in die verzagenden Herzen der Brüder am Tiber ein. Jubelnd drahtet der italienische Grossorient an Miljukoff seine "Glückwünsche zur grossartigen Wiedergeburt des russischen Volkes und zur baldigen Erreichung der hohen Endziele des Sieges gegen die imperialistischen Autokratien". Man witterte Morgenluft auch in Italien, und am 15. April fanden der Agenzia Stefani zufolge in ganz Italien Zusammenkünfte der maurerischen Grossen statt "im Hinblick auf Ereignisse, für die sich die Freimaurerei verantwortlich hält und in der Lage ist, den Verlauf zu bestimmen". Der freimaurerischen "Information" zufolge handelt es sich "um Fragen von grösster Wichtigkeit nationalen und internationalen Charakters". Die Verwirklichung der Weltrepublik schien plötzlich in greifbare Nähe gerückt.

 

Am nächsten Tage, dem 16. April, beschliesst der Parteitag der Reformisten, der freimaurerischen Sozialisten unter Bisolattis Führung, als unerlässlich "ein herzliches Einvernehmen mit der serbisch‑kroatischen Nation, welche zusammen mit Italien, den Polen und Tschecho‑Slowaken ein wertvolles Element sein müssen, um jeder offensiven Wiederkehr des Deutschtums entgegenzutreten". Am Schluss grosser Krawall, da eine Gruppe unter Bisolatti die Rechte Italiens auf Dalmatien bestreitet. In Marinis Antrag für ein "Zusammengehen mit Serben, Montenegrinern, Kroaten, Böhmen und Polen" tritt uns bereits das später entwickelte freimaurerische Verständigungsprogramm in seinem wesentlichen Inhalte entgegen.

 

Eilends wurde für den 7. Mai nach Paris wieder ein internationaler Freimaurerkongress zusammengetrommelt, und Br Alfonso Costa von Lissabon verriet, es sei u. a. eine Bewegung in Deutschland gegen die Monarchie als Grundlage des allgemeinen Weltfriedens geplant. Alle Ententestaaten, sowie die Vereinigten Staaten von Nordamerika waren mit insgesamt 300 Brüdern vertreten.

 

Im Anschlusse daran traten acht Tage später in Rom ca. 280 Vertreter der italienischen Logen zusammen, um die Pariser Direktiven entgegenzunehmen. Hauptredner war der im November darauf ermordete Br Ballori, Zweck der Versammlung die Vorbereitung der mit dem Ende des Krieges beginnenden neuen Zeit.... "Der Sieg der Verbündeten muss der Triumph der freimaurerischen Prinzipien sein", verkündete am 13. Mai der portugiesische Grossmeister Magalhaens Lima.

 

Doch es fiel ein Reif in Frühlingstagen. Die Hoffnungen auf das Übergreifen der Revolution auf Deutschland und Österreich‑Ungarn erfüllte sich nicht nur nicht, sondern in Russland wandten sich die Dinge zum allerschlimmsten; es trieb als politische wie militärische Macht unaufhaltsam seinem Untergange entgegen zum grossen Nachteile der Entente, zum noch grösseren Nachteile Italiens und der Kriegsziele seiner Freimaurerei. . . . Woher neue Hilfe nehmen? Wie die Fortführung des Krieges durchführen? So griff man mit beiden Händen das slawische Problem an.



Die Südslawen selbst, welche mit Russland ihre Hauptstütze verloren hatten und klug genug waren, einzusehen, dass zu einer Revision des Londoner Abkommens in ihrem Sinne so gut wie keine Aussichten bestanden, mochten begreifen, dass sie nachgerade nur mit Italien ihre Träume zu verwirklichen imstande sein würden und dass dieses sich auf slawische Hilfe angewiesen fühlen könnte; zum allermindesten aber begriffen dies die leitenden Kreise des Freimaurertums. . . .

 

....Am 29. Juni trat in Paris in der Rue Cadet der internationale Freimaurer-­Kongress zusammen, auf dem das tschechische und südslawische Element besonders stark vertreten war. In der Schlusssitzung vom 1. Juli wurde das von Br Lebey im "Temps" veröffentlichte Programm beschlossen, das mit Rücksicht auf die wachsende Aussichtslosigkeit des italienischen Krieges dessen vorläufigen Abbau und die Verschiebung der Erfüllung der italienischen "Aspirationen" (Bestrebungen, Ehrgeiz, d.V.) beschloss. Erst sollte und wollte man die südslawische und tschechische Revolution durchführen und Oesterreich­-Ungarn von innen heraus sprengen. Ueber die strittigen Gebiete sollte die Volksabstimmung entscheiden, was für Italien den Verlust des grössten Teiles seiner "Aspirationen" zur Folge hätte. Dennoch stimmten die italienischen Delegierten Ferrari, Nathan und Ballori zu, d. h. sie fügten sich, weil sie mussten. Böhmen, sehr stark vertreten, setzte eine Ausnahmebehandlung durch, indem seine Forderungen bedingungslos Zustimmung erfuhren. Nun brach in Italien unter der Führung der katholischen Trustblätter jener Sturm über den Verrat der Freimaurerei an den geheiligten Kriegszielen los, und ein wahrer Hexensabbat umbrauste acht Tage lang die Brüder von Schurzfell und Kelle. Vergebens mahnte "Secolo", das Pariser Programm "habe ja jene im Auge", es suche sie nur auf anderen gangbareren Wegen zu erreichen. Die Freimaurerei vom schottischen Ritus rückte in öffentlicher Erklärung vom Grossorient ab, und viele Brüder forderten eine Neuorientierung unter Reinerhaltung und stärkerer Betonung des nationalen Charakters des Programms; ja, "Secolo" selbst beginnt (10. Aug.) seinen Reinwaschungsversuch mit den bezeichnenden Worten: "Wir verteidigen die Freimaurerei nicht". Fieberhaft arbeitete man zwischen Rom und Paris, um den Skandal beizulegen, und es ergibt sich, dass zwar die französischen Freimaurer die restlose Annahme ihres elsass‑lothringischen Programms durchgesetzt hatten, aber von einer Anerkennung des italienischen nichts wissen wollten, vielmehr entschieden hinter Masaryk, Trumbich und Genossen getreten waren. Der Grossmeister Ferrari opferte sich schliesslich der rasenden See. In dem offiziellen Schreiben, worin er die Demission begründet, stellt er der Trustpresse das ehrende Zeugnis aus: Jene, welche heute am lautesten schreien, traf ich nie in Triest in den Tagen der Verschwörungen! Die Pariser Beschlüsse hätten geheimgehalten werden müssen... Er sei überrascht und empfinde es bitter, vom französischen Grossoriente im Stiche gelassen zu werden.

 

Die Absage der italienischen Regierung im "Giornale d'Italia" vom 15. Juli bemerkt sarkastisch, "wir sind geneigt, an euerem brüderlichen Tische in einer Ecke neben dem verkappten jugoslawischen Feinde uns mit einem Teller Bohnen zu begnügen".

 

Dennoch beschliesst die Generalversammlung des italienischen Grossorients vom 24. Juli eine "lebhafte Werbetätigkeit über die Kriegsziele und die Friedensbedingungen" ganz im Sinne des Pariser Programmes vom 1. Juli. Die Meldung der Agenzia Volta, dem Organe des Propagandaministers Br Commandini, die Neuwahl des Grossmeisters werde einen vollkommenen Richtungs‑ und Personenwechsel in entschieden nationalem Sinne bringen, diente demnach nur zur Irrefübrung und Beruhigung der Oeffentlichkeit, denn tatsächlich wurde auch am 25. November an Stelle Ferraris, Nathan gewählt, der ja in Paris mitgestimmt hatte. Man täuschte eine Friedenspolitik vor, um insgeheim die Kriegspolitik weiterzuführen, bemerkte der Osservatore Romano. Es blieb also bei den Vereinbarungen.

 

Am 13. März 1918 plaudert Secolo den ganzen Pariser Verständigungsplan aus. Im Anschluss an den Pariser Kongress hatten sich in Genf zahlreiche jugoslawische und italienische Logendelegierte getroffen und zwei Werbekomitees für die Verständigung zwischen Italien einerseits und Serbien, Kroatien und Slowenen andererseits gebildet, welche "für die Befreiung der unerlösten Völkerschaften der Habsburger Monarchie" arbeiten sollten. Die Verständigung solle vom Geiste des Programmes Mazzinis getragen sein, des grossen Apostels der Rechte der Völker und des Propheten der Emanzipation der von Oesterreich und der Türkei unterdrückten Nationalitäten.

 

Das serbisch‑jugoslawische Freimaurerkomitee arbeitete mit Erfolg, denn binnen kurzem hatte es den grössten Teil der serbischen Abgeordneten und Politiker für den Plan gewonnen. Das italienische Komitee liess sich Zeit und sammelte knapp vor dem Zusammentritt des römischen Irredentistenkongresses noch eine Liste von beim Br. Abg. Canepa einzureichenden Unterschriften. Diese Liste vereinigt in lehrreicher Weise die bekanntesten Freimaurer und Führer des verbissensten Antiklerikalismus, Leute wie Colajanni, Cappa, Agnelli, De Viti de Marco, Guglielmo Ferrero, Einaudi Ojetti, Salvemini, denen sich noch der papstfeindliche "christliche" Demokrat der Abg. Ciriani und sein ehemaliger Herr und Meister, der beweibte abgefallene Priester Romolo Murri beigesellten. Auch Enzio Garibaldi sei nicht vergessen.

 

Inzwischen war ein weiteres italienisch‑tschechisch‑jugoslawisches Komitee unter dem Br Torre entstanden, anscheinend ein Konkurrenzunternehmen. Merkwürdigerweise aber decken sich die beiden Programme der Komitees aufs Tüpfelchen, auch die Disposition der Werbetätigkeit verlief genau in denselben Linien, nirgends trat Konkurrenzneid zutage, sondern im Gegenteil herz­innige Harmonie, ein volles Hand‑in‑Hand‑arbeiten, und auf dem Kongress zu Rom liess man endlich die Maske fällen und das geheime Einverständnis, die gemeinsame Mache, trat offen hervor. Um den rein freimaurerischen Charakter der Bewegung und ihrer Führung sich zu wahren, hatte man das zweite, das Torre‑Komitee gegründet, das auch Nichtmaurer heranziehen und der ganzen Verständigungsaktion  nach aussen hin einen nicht ausgesprochenen freimaurerischen Charakter verleihen sollte. Man wollte eine spontane, aus den Ereignissen selbst geborene und jeder Zweideutigkeit entbehrende Bewegung vortäuschen.

 

Am 20. Dezember 1917 machte Br Arcá in der Kammer den ersten Vorstoss im Sinne der Verständigung, und in der französischen Kammer macht sich der Minister des Äusseren Br Pichon das Programm vom 1. Juli nahezu wortwörtlich zu eigen. Die Pressekampagne eröffnet am 28. Dezember Corriere della Sera. Tag für Tag hagelt es von da ab aus den Spalten des "Secolo" und des genannten Mailänder Blattes und den kleineren Trabanten Artikel über Artikel, um die Oeffentlichkeit zu gewinnen, von ihren antislawischen Neigungen zu bekehren und den Widerstand Sonninos zu besiegen. Lapegna, Agnelli, Amendola, Trumbich, Ferrero, Altobelli, alle bekannten Freimaurer von Namen ergreifen der Reihe nach das Wort in Entwicklung eines wohlerwogenen Programmes....

 

... Schliesslich spielt das italienisch‑jugoslawische Freimaurer-Komitee seinen Haupttrumpf aus, es hält auf dem Kapitol in Rom seinen "Kongress der von Oesterreich‑Ungarn unterdrückten Völkerschaften ab". Alle Statisten, die wir im Verlaufe der hier nur flüchtig skizzierten Vorgänge kennen lernten, bereichert noch um einige weitere, welche keinen Zweifel an dem rein freimaurerischen Charakter des Unternehmens aufkommen lassen wie Franklin-Bouillon, Barzilai, Martini, Scialoja, Mussolini, Pantaleoni, Salvemini, Albert Thomas, erscheinen gemeinsam an der Seite der Trumbich und noch anderer -itsche. . . . Die Täuschung scheint gelungen, die dumme Welt scheint zu glauben, dass unterdrückte, blutig verfolgte Völker hier ihre Sache in die Hand nähmen zum heiligen Befreiungskampfe, während es sich um nichts weiter handelt als um die Krönung des im Juni in Paris so hübsch eingefädelten grossen internationalen Freimaurerbluffs."

 

Quelle: "Augsburger Postzeitung" vom 30. und 31. Mai 1918