Freimaurer-Meinungsmache
". . . Mittlerweile haben
die deutschen Logen mit den Freimaurern Frankreichs, Englands, Russlands (!),
Serbiens, Montenegros (!) und Italiens einträchtig Zwiesprache gehalten, der
Menschheit Wohl und Wehe beraten, während die Freimaurer der letzten Länder
noch die besondere Aufgabe hatten, den Weltkrieg
vorzubereiten. Einzelheiten ruhen noch in dunklem Schosse. Aber man bat
schon zwei Jahre vorher im Grossorient ‑ das ist die Freimaurerei der romanischen
Länder ‑ gewusst, dass der blutige Kampf gegen das katholische
Oesterreich und das christliche Deutschland bevorstände. Die Freimaurerei
Italiens musste den Boden für den schändlichsten Treubruch vorbereiten. Sie hat
ihre Aufgabe glänzend gelöst, was um so weniger überraschen mag, als
bekanntlich nicht nur die sogenannte Intelligenz, sondern auch das hohe
Beamtentum und das Offizierkorps zu drei Viertel Anhänger der Loge und damit
der Humanität sind . . .
Nun hat der Deutsche
Grosslogenbund seine Beziehungen zu den italienischen und französischen Brüdern
abgebrochen. Er tut das unter einer Begründung, die wir leider nicht anerkennen
können. Die italienische Freimaurerei soll sich in ihrer Gesamtheit in
politische, zum Kriege führende Parteikämpfe eingelassen haben, was dem
freimaurerischen Grundgesetze widerspräche. Gewiss hat man sich in diese Kämpfe
eingelassen, aber nicht heute oder gestern, sondern schon Jahrzehnte hindurch. Die ganze romanische Freimaurerei
verfolgte immer politische Ziele und es ist längst geschichtlich verankert,
inwieweit sie an allen revolutionären Bewegungen praktischen Anteil genommen
hat. Darum haben auch fast alle Staatswesen wiederholt die Logen unterdrückt. "Wir
sind", so erklärte der offizielle Redner auf dem Freimaurerkonvent 1903, "das
Gewissen des Landes; wir sind jedes Jahr entweder die Totenglocke für ein
Ministerium, das seine Pflicht nicht getan und die Republik verraten hat, oder
eine Stärkung für dasselbe. Wir haben dem Ministerium Combes diese Stärkung
zuteil werden lassen." Und der italienische Grossmeister erklärte 1901:
"Damit unsere Tätigkeit erfolgreich sei, muss die Freimaurerei die
Macht haben, die öffentliche Meinung zu erzeugen und zu leiten, und sie muss
sich der Mitwirkung aller staatlichen Faktoren vergewissern".
Das sind alles so bekannte
Tatsachen, dass die deutschen Freimaurer keine unzutreffende Darstellung geben
sollten. Wenn die italienischen Freimaurer heute den Krieg entfesseln, um die
Monarchie und den heiligen Stuhl zu vernichten, so handeln sie gemäß einer mehr
als fünfzigjährigen Tradition. Aber wie dem auch sei, wir begrüssen es, dass
man sich von jener Gesellschaft trennt. Die Diskussion ist ja noch nicht
abgeschlossen und dem deutschen Volke werden einst die Augen geöffnet werden,
wohin uns die Freimaurerei geführt hat. Gegenwärtig arbeitet sie in einem
anderen Lande an der Kriegshetze gegen Oesterreich."
Quelle: "Rheinische Volkszeitung" vom 1. Juni 1915