Deutsches Volkstum

 

Auch dieser Beitrag wird aus den Gründen des § 86 III StGB veröffentlicht!

 

Die deutsche Geistesgeschichte der Gegenwart steht unter der Aufgabe, das deutsche Volkstum und die völkischen Lebensordnungen als die tragenden Kräfte allen Geschehens zu begreifen. Daraus ergibt sich die vordringliche Fragestellung:

 

1. Wie hat sich das deutsche Volkstum entwickelt und in seiner Eigenart ausgeprägt?

 

2. Welche Gegenkräfte haben das deutsche Volkstum. im Laufe seiner Geschichte überfremdet?

 

Die beiden Themen einer jeden künftigen deutschen Geistesgeschichte sind also: die völkische Kulturtradition auf der einen und die fremdartigen Überlagerungen auf der anderen Seite. Als die wesentlichsten Fremdüberlagerungen der Geschichte sind zu bezeichnen die Kirchen aller Denominationen, das Judentum, der Marxismus, der Liberalismus westlichen Ursprungs in all seinen Formen.

 

Die Frage nach der geistesgeschichtlichen Problematik der Freimaurerei enthält daher die Vorfrage, ob die Freimaurerei im Ganzen als eine Fremdüberlagerung anzusehen sei und welcher der genannten Hauptformen sie zugerechnet werden könne. Die bisherige allgemeine Kenntnis des freimaurerischen Wesens gab darauf nicht einmal eine vorläufige Antwort. Da sich die politische Auseinandersetzung mit der Loge abdrängen ließ auf deren äußere Form ‑ wie das Ritual, die Symbolik und das Brauchtum ‑ oder einer sektiererischen Romantik anheimfiel, konnte das eigentliche Wesen der Freimaurerei überhaupt nicht zum Problem einer politischen Erörterung werden.

 

Ähnlich verhält sich bisher die Wissenschaft. Es muß hier mit aller Deutlichkeit festgestellt werden, daß die zünftige Forschung das Thema der geschichtlichen Freimaurerei nirgends und niemals ernsthaft berücksichtigt hat. Dieses Verhalten der Wissenschaft hat zum Teil seinen Grund in dem Beziehungsspiel, das bis 1933 zwischen den Kreisen der Maurerei und denen der Wissenschaft stattfand: die weitreichende Zugehörigkeit der Intelligenz zur Loge scheint eine unvoreingenommene Untersuchung nicht gestattet zu haben. Das führte dazu, daß die unabsehbare Literatur der Freimaurerei bis zuletzt von den immer gleichen Urheberschichten getragen war. E i n m a 1 von den überzeugten Freimaurern selbst, deren verständliches Bestreben es sein mußte, alles, was die Freimaurerei vor der Öffentlichkeit und dem Zeitgeist belasten konnte, zu verhehlen und sie in bester Beleuchtung erscheinen zu lassen. Z u m   a n d e r e n von den politischen Freimaurergegnern, die wohl mit gutem Instinkt erkannten, daß es sich um eine weltanschaulich und politisch bedeutsame Frage handelte, aber mangels ausreichender Grundlagen und einwandfreier Methodik zu jenen romantischen Vorstellungen vom Wesen der Freimaurerei gelangen mußten.

 

So kann das Urteil gefällt werden, daß politische Unzulänglichkeit und wissenschaftliche Unsachlichkeit eine durchaus wesentliche Fragestellung so lange verhindert haben, bis diese durch den Zugriff des Nationalsozialismus unabweisbar wurde.

 

Dennoch läge auch heute der Gedanke nahe, daß es wenig Wert und keinen Sinn habe, eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Freimaurerei durchzuführen, da ja die Loge tot, ihre Organisation aufgelöst, ihr Material beschlagnahmt sei und mit einer konspirativen Tätigkeit kaum mehr gerechnet werden könne. Außerdem wäre es leicht zu bezweifeln, daß freimaurerische Geselligkeitsvereine und weltbürgerliche Redensarten sich zu einer geistesgeschichtlichen Problematik fügen sollten.

 

Dagegen ist indessen zu betonen: die Freimaurerei stellt un­bestrittenerweise eine internationale Erscheinung dar und ist nicht überwunden, wenn sie durch eine einzelne Nation besiegt wurde. Denn es gehört zu ihrem natürlichen Bestreben, den verlorenen Raum zur Sicherung ihrer internationalen Existenz zurückzugewinnen. Über­dies aber liegt die geistige und politische Bedeutung der Freimaurerei weniger in ihrem organisatorischen Bestand als vielmehr in jener ideo­logischen Einflußnahmen, der sie ihre Wirkungen verdankt. Es kommt demnach darauf an, Ursprung und Weg dieser Einflußnahme zu bestimmen, damit die Notwendigkeit der politischen Auseinandersetzung einleuchtend werde, d. h. die Frage nach der geistesgeschichtlichen Problematik der Freimaurerei legt den Grund für eine entsprechende politische Beurteilung und klärt das Verhältnis der Freimaurerei zum deutschen Volkstum im Horizont jener Aufgabenstellung. So gesehen aber wird sich die Untersuchung nicht auf Ritual, Symbolik und romantisches Verschwörertum richten, sondern auf die geistige Ursprungslage des Maurertums, sowie auf die geschichtlichen Konsequenzen, die sich von hier aus entwickeln.


 

Nach ihrem geistesgeschichtlichen Ausgangsort ist die Freimaurerei von ihrem Ursprung her, wie später im einzelnen bewiesen wird, mit der Entwicklung des Christentums verbunden. Sie ist damit in jenen weitläufigen nachmittelalterlichen Verfallsprozeß einzubeziehen, der die "Säkularisation", d. h. die Verweltlichung und Entleerung aller christlichen Lebensinhalte zur Folge hatte und noch heute die Gesamtgeschichte beeinflußt. Demnach ist die Freimaurerei mitbedingt durch Voraussetzungen und innere Vorgänge der Säkularisation selbst.

 

Mit der Entfaltung des Individualprinzips, der Entwertung des Überirdisch-­Jenseitigen und der entsprechenden Aufwertung des Irdisch-Diesseitigen entsteht in den Jahrhunderten des Nachmittelalters eine Art "Weltanschauung", die zwar ohne das Christentum nicht zu denken ist, da sie dessen säkularisierte Form darstellt; die jedoch in einer Kampfstellung gegen das christliche Dogma aufwächst und erstmals in der Blütezeit europäischer Aufklärung den Charakter der Einhelligkeit annimmt, indem sie mit der grundlegenden Autonomie des Einzelnen andere Motive gleichen Ursprungs in sich zusammenschließt. In der Feststellung, daß die Aufklärung als geistiger Ursprungsraum der Freimaurerei gelten müsse, liegt bereits der Hinweis auf die Elemente, welche die Freimaurerei als geistesgeschichtliche Erscheinung konstituieren. Sie heißen im einzelnen: Deismus, Rationalismus und Moralismus; Universalismus, Toleranz, Liberalismus und Humanität.

 

Der geistige Ursprungsraum der Freimaurerei in der Aufklärung im ganzen erweist sich in der Ähnlichkeit und Gleichheit der geistigen Motive von Aufklärung und Freimaurerei im einzelnen. Das ideologische Gefüge des aufklärerischen Säkularisationsprozesses von der Entfaltung des Individualprinzips bis zu der Entwicklung der Vorstellung eines rational­einsichtigen und automatischen Weltgeschehens ‑ einer unterschiedslosen und überall gleichgearteten Menschheit und einer totalen Zweckstrebigkeit des Weltgeschehens und der Menschheitsgeschichte bildet zugleich den eigentlichen und ernstzunehmenden Gehalt der Freimaurerei. Dieser aber wirkt sich aus in den Motiven der Humanität, welche den höchsten Wert und damit das gleichsam religiöse Ziel der Freimaurerei darstellt, der universalistischen Auffassung der Menschheit als der Voraussetzung einer Organisation der Weltfreimaurerei und der Vorstellung eines zielstrebigen Fortschritts der Gesamtgeschichte zur humanitären Vollendung, d. h. zur Vollendung der maurerischen Arbeit am "Tempel".

 

Nun gehört es zum Wesen der Freimaurerei, daß sie nicht im geistigen Bereich verharrt, sondern als Ideologie politisch wird. Demgemäß werden die geistigen Motive politisch abgewandelt: Die Idee der Humanität bezieht sich einerseits auf den von allen geschichtlichen Bindungen befreiten Einzelmenschen, andererseits auf die universale und indifferente Gesamtheit dieser Einzelnen, die "Menschheit". Demnach entwickelt sich aus ihr zunächst der schrankenlose Individualismus, dessen politische Form der Liberalismus darstellt. Sodann aber auch der schrankenlose Universalismus, dessen politische Formen sich im Kosmopolitismus und Internationalismus manifestieren. Mit beiden Prinzipien wird dann eine politisch gewendete Idee des Fortschritts verknüpft, derart, daß die humanitäre Liberalisierung der Völker zum Sinn der Geschichte und damit zum Wesen einer jeden Staatsführung gemacht wird.

 

Aus alledem ergibt sich, daß die Freimaurerei in der Politisierung ihres geistigen Gehaltes und ideologischen Gefüges beiträgt zur Entstehung und Ausbreitung des Liberalismus. Sie ist daher trotz ihrer nationalen Differenzierungen und des Fehlens einer einheitlichen und zentralen Leitung als zwischenvölkisch-­bürgerliche Organisation des politischen Liberalismus zu bezeichnen.

 

Quelle: "Studien zur Geistesgeschichte der Freimaurerei" von Franz Alfred Six, Hamburg 1942, S. 7 - 10

 

Anmerkung: Zur Person des Verfassers zitieren wir aus "5000 Köpfe. Wer war wer im 3. Reich" von Erich Stockhorst.

 

Six, Alfred Franz, Prof. Dr. phil., geb. 9. 7. 1906 in Mannheim, Beruf: Jurist, 1929 Eintritt in die HJ, 1930 Eintritt in die NSDAP, Mitgl.‑Nr.: 245 670 und in die SA. 1934 zum Dr. phil. promoviert, 1935 Eintritt in die SS. Mitgl.-Nr.: 1676, Hauptamtsleiter des NS­-Studentenbundes, 1937 Leiter der Abteilung II des SD (Sicherheitshauptamt), 1937 Leiter der Abteilung VII des Reichssicherheitshauptamtes, 1938 gleichzeitig Ordentl. Professor an der Universität Königsberg, 1939 (Okt.) Professor an der Universität Berlin, 1941 Leiter des "Vorkommando Moskau" der Einsatzgruppe B, 1. 9. 1942 Übertritt ins Auswärtige Amt als Leiter der Kulturpolitischen Abteilung, SS­Brigadeführer, 1948 (Apr.) wegen Kriegsverbrechen zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt, 30. 9. 1952 aus der Haft entlassen.

 

Die erstaunliche Nachkriegskarriere des Dr. Alfred Franz Six wird im 2. Band der "Rechtsbeugermafia" dargestellt ("Zwei SS-Generäle und die Kaderschmiede der Manager")