Das Feindbild
Pathologischer Kirchenhaß vieler Logen und die schärfste Verurteilung der
Freimaurerei durch Papst Leo XIII. in seiner Enzyklika "Humanum
genus" vom 20.4.1884
Auch wenn man kritisch ist
gegen alle Behauptungen von "Weltverschwörungen" und man den
Großmeister der italienischen Freimaurer, Andriano Lemmi, mit seinem
pathologischen Kirchenhaß nicht als repräsentativ für alle Logen betrachtet und
insgesamt die romanischen Organisationen von den anderen unterscheidet, so
bleibt doch festzuhalten, daß man es hier mit der damaligen intellektuellen
Führung in einem rücksichtslosen Kampf gegen die katholische Kirche zu tun hat,
wie immer auch die menschheitlichen Ideale dieser Bewegung einzuschätzen sind.
Dies und auch die Erfolge der Freimaurer innerhalb des Katholizismus selbst,
insbesondere in Lateinamerika, können anderseits nicht daran hindern, zu
bedenken, was die Intensität des katholischen Kampfes gegen die Freimaurerei
bedeutet für die Festigung des Gruppenbewußtseins im Angesicht des Feindbildes.
Auch Leo XIII. unterscheidet in seiner Enzyklika "Humanum genus" vom
20. April 1884 einzelne "Sectatores", die zwar nicht schuldlos sind,
aber an den bösartigen Aktionen nicht teilnehmen und sich über die letzten
Ziele der Freimaurerei nicht klar sind. Doch beginnt das Lehrschreiben mit dem
Hinweis auf die Invidia Diaboli, und es fordert gegen Ende den Weltepiskopat
auf, "diese lasterhafte Seuche" (impuram luem) auszurotten, weil ein
so heftiger Angriff eine ebensolche Verteidigung verlangt. Im ersten Abschnitt
werden das Reich Gottes und das Reich Satans einander gegenübergestellt. Die
Anklagen gegen die "Naturalisten" sind im wesentlichen die gleichen,
die der Papst vorher gegen die "Sozialisten und Kommunisten"
vorgetragen hat und die er ein Jahr später gegen den Liberalismus vortragen
wird, nur daß auf die den Manichäern vergleichbare Arbeit im zeugenlosen Dunkel
hingewiesen wird. Leo XIII. wiederholt das unter der Strafe der Exkommunikation
stehende Verbot der Zugehörigkeit, das seine Vorgänger ausgesprochen haben. (Humanum genus, Acta Leonis II 43-70)
Die positive Bestimmung, was eine Freimaurerloge ist, sollte in den Vereinigten
Staaten von Amerika und in Kanada zu Komplikationen führen. Für den
Katholikentag in Amberg 1885 konnte Fürst Löwenstein laut Bericht seines
Biographen keinen Bischof finden, der eine entsprechende Rede zur Abwehr der
Freimaurer hielt, und auch nach dem päpstlichen Schreiben "Praeclara"
vom 20. Juni 1894 (Acta Leonis XIV 208f),
in dem wiederholt die Freimaurer verurteilt wurden, die jetzt aus dem Dunkel
ans Licht gekommen seien, war selbst Bischof Korum der Meinung, die Leitung des
geplanten Anti‑Freimaurer‑Kongresses in Trient müsse Sache der
Laien sein. Dort sollte Gabriel Jogand‑Pagés auftreten, der als Ex‑Freimaurer
seit 1885 unter Berufung auf die päpstliche Enzyklika "Humanum genus"
die Logen bekämpfte und als "Leo Taxil" eine Miß Diana Vaughan
erfand, die in die Geheimnisse des Satanskultes eingedrungen sei und nach ihrer
Bekehrung im Verborgenen leben müsse, um dem Tod durch Freimaurerhand zu
entgehen. Sein Komplize war der Arzt Charles Hacks, der als Dr. Bataille die
Schrift "Le Diable au XIXme siècle" veröffentlichte. Die
Aufmerksamkeit einiger französischer Bischöfe konnte auch die Schrift eines
Domenico Margiotta über den italienischen Großmeister Andriano Lemmi gewinnen.
Ein Auszug hiervon erschien auch in deutscher Übersetzung, ebenso die Predigten
des Dominikaners Monsabré, der zu einem Kreuzzug gegen die Logen aufrief. Fürst
Löwenstein bemühte sich als Präsident des "Komitees für römische
Angelegenheiten" beim Katholikentag um die Verbreitung solcher Schriften
in Deutschland, wo aber, so auch durch Bischof Korum, insbesondere Bedenken zu
den "Enthüllungen" über den Satanskult geäußert wurden. Die
Initiative zu dem internationalen Kongreß, der vom 20. bis 30. September 1896
in Trient unter dem Protektorat von Kardinal Parocchi stattfand, war von
Italien ausgegangen. Löwenstein war der Überzeugung, daß es eine Aufgabe im
Kampf für die Kirche sei, das Präsidium zu übernehmen. Daß man dann dort doch
einige Skepsis gegen "Leo Taxil" an den Tag legte, war das Ergebnis
einer gerade noch rechtzeitig eingetroffenen Information. Eine in Trient
eingesetzte römische Untersuchungskommission urteilte noch am 22. Januar 1897,
die Existenz der Miß Vaughan sei weder bewiesen noch widerlegt. Am 17. April
deckte "Taxil" in Paris seinen Schwindel auf. Weniger die Psychologie
dieses Mannes ist bemerkenswert als vielmehr die in dieser Affäre sichtbar
gewordene allgemeine Problematik, in der sich weite Teile des Katholizismus
angesichts einer in ihren Grundlagen christentums‑ und kirchenfeindlichen
Welt befanden. Es war ein schwieriger Weg, der hier zwischen Anpassung und
absolutem Widerstand zu gehen war.
Auf einer anderen, wenn auch
keineswegs ganz getrennten Ebene laufen die antisemitischen Tendenzen, von
denen auch ein Teil einzelner Katholizismen, insbesondere des österreichischen
und französischen, bestimmt waren. Die Wurzeln sind komplex: ein subkutaner
Antisemitismus in der Geschichte des Christentums aktualisierte sich an der
Kirchenfeindschaft liberaljüdischer Schriftsteller und verband sich mit einem
allgemeinen sozialen Ressentiment gegenüber der jüdischen Finanz‑ und
Wirtschaftswelt. In Frankreich waren sowohl der rechte wie auch der linke
Flügel des Katholizismus affiziert (beeindruckt),
und in Österreich verknüpften sich mittelständische Mentalität und christlich‑soziale
Reformideen. In Frankreich nannte 1899 Abbé Gayraud die Juden "la nation
malfaisante et parasitaire", und im Wahlaufruf der "Christlich‑sozialen
Partei" 1903 hieß es: "Katholiken und Protestanten vereinigt euch in
brüderlicher Liebe gegen den Judenkapitalismus und die asiatische
Geldmoral."
Quelle: "Handbuch der Kirchengeschichte", herausgegeben von
Hubert Jedin, Freiburg/Basel/Wien 1973, Band VI / 2. Halbband, S. 224 - 227
Anmerkung: Gegenüber denjenigen, die einen vernichten wollen, sollte man
nicht zimperlich sein!
Den Text der Enzyklika "Humanum Genus" findet man in englischer
Sprache auf der Internetseite des Vatikan.