Hamburg – vor und hinter der Fassade
Piraterie auf Bestellung –
schwuler Filz – gedemütigte Strafgefangene – Beugehaftantrag gegen Senator –
intaktes Großbürgertum –
großzügige Mäzene – soziale
Abschottung – Dünkel – Pfeffersackmentalität und Hipsterschrott
Jedenfalls fand ich bald heraus, daß Schiffe mit den Waren ganz bestimmter Kaufleute nie von den Kaperern überfallen wurden. Dazu gehörten auch die Schiffe der Herren Cronen und Baltes. Zufall? Absicht? Immer wieder tauchten die gleichen Namen auf. Nicht nur Cronen und Baltes. Doch die beiden sind deswegen wichtig, weil sie die einzigen Hamburger sind. Die sind in der Stadt, ja an der ganzen Küste höchst angesehen, sind Mitglieder des Rates. Der eine war Kläger gegen, der andere Richter über Claas, genannt Störtebeker. Sie vor allem haben das Gerücht erfunden und ausgestreut, daß Claas ein Totschläger gewesen sei. Also eine äußerst gerissene Firma, gegen deren guten Ruf mein Wissen, mein Bericht schwerlich etwas werden ausrichten können.
In dieses seit langem geknüpfte Netz von
Beziehungen und Bereicherungen, von Betrug und Verrat ließ sich nun auch unser
Claas einspannen. Aber eben doch nicht so ganz, wie sich bald herausstellen
sollte. Denn als kluger Kopf, als kluger Planer, der er war, durchschaute er
alsbald die Ausbeutungsmethoden und kehrte sie gegen ihre Urheber. Vielleicht
hatte er damit schon damals sein Todesurteil unterschrieben.
Quelle: „Die Hanse.
Aufstieg, Blütezeit und Niedergang der ersten europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft“ von Uwe Ziegler, Bern / München / Wien 1996, S. 122
(...) Herr von Beust, es ist
eine seltsame Frage, aber man muss sie in diesen Tagen stellen: Sind Sie
schwul?
Ole von Beust trinkt Wasser,
er trägt ein blaues Hemd, er ist blond, er sieht ziemlich hanseatisch aus. Er
antwortet: "Jeder hat ein Recht auf Privatheit, und ich möchte darauf auch
künftig wieder zurückgreifen."
Herr
von Beust, hatten oder haben Sie ein Verhältnis mit Ihrem Justizsenator?
Beust
antwortet: "Ich war niemals intim mit Herrn Kusch. Ich bin auch niemals
über Nacht in der Wohnung am Hansaplatz geblieben." (...)
Schill
sagt: "Ich habe Ole von Beust gesagt, dass dieses Messen mit zweierlei Maß
meinem Gerechtigkeitsgefühl widerspricht, und ihn daran erinnert, dass er
seinen Lebensgefährten Roger Kusch zum Justizsenator gemacht hat. Seinen
Lebensgefährten, der am Hansaplatz in seiner Wohnung wohnt und mit dem er
früher ein homosexuelles Verhältnis unterhielt und nach wie vor ein
homosexuelles Verhältnis unterhält." (...)
Homosexualität, das sagt der
Politikwissenschaftler Oberreuther, sei jenes Tabuthema, bei dem das Recht auf
Privatheit am meisten respektiert wird: "Wenn aber Homosexualität der
Untergrund ist, auf dem politischer Filz gedeiht, muss es erlaubt sein, dies
zum Thema zu machen."
Ob sie sich liebten, ob sie
sich nicht liebten, Bürgermeister Beust hat einen seiner "langjährigsten
Freunde" (Beust) in ein Senatorenamt gehievt. Vor 28 Jahren, im
Wintersemester 1975/76, lernten die beiden sich kennen, da saßen sie gemeinsam im
Strafrechtseminar an der Uni Hamburg, "Vorsatz und Vorsätzlichkeit von
Unterlassungsdelikten" war das Thema. Eine Affäre, sagt Kusch, hatten sie
auch damals nicht, "ich wusste von ihm, dass er schwul war, aber ich
wusste es von mir selber noch nicht ‑ ob er es wusste, ob er
hellseherische Fähigkeiten hat, weiß wiederum ich nicht".
Und als der Kandidat Beust
2001 die Wahl mit dem Versprechen gewann, den Filzteppich von 44 Jahren SPD‑Herrschaft
aus den Behördengängen zu reißen, soll der fähigste aller Kandidaten für sein
Justizressort ausgerechnet sein Kumpel Kusch gewesen sein.
Jener
Kusch, der immer mal wieder mit Beust in den Urlaub düst, zum Skifahren, nach
Sylt, zum Segeln. Jener Kusch, der im Hamburger Szeneviertel St. Georg für 1100
Euro in dieser 150‑Quadratmeter‑Wohnung lebt, die Beust gehört.
Jener Kusch, der die Freundschaft mit Ole von Beust als "sehr eng"
bezeichnet, "sicherlich die dauerhafteste, die ich pflege". Und schon
das hat ja irgendwie mit Filz zu tun, mit jener Sorte jedenfalls, die Freunde
an Posten kommen lässt und andere Menschen nicht.
Und
deshalb müsste es in dieser Affäre nun darum gehen, ob Kusch tatsächlich der
beste Mann für diesen Posten war.
Quelle: STFFAN BERG, KLAUS
BRINKBÄUMER, JÜRGEN DAHLKAMP, PER HINRICHS, SEBASTIAN KNAUER, CORDULA MEYER,
ANDREAS ULRICH, CHRISTOPH SCHULT in DER SPIEGEL 35 / 2003 / 34 – 46 (Auszug)
hambukg - Der
Skandal um Häftlinge, die nackt gefesselt wurden, weitet sich aus: Gestern
hat die Justizbehörde einen dritten derartigen Fall
eingestanden. Behördensprecher Carsten Grote hatte am Wochenende bestätigt,
dass zwei Strafgefangene im Sommer
2005 nach Durchsuchungen nackt
auf Liegen gefesselt worden waren. Der Häftling, dessen Fall gestern bestätigt wurde, sei inzwischen wegen
Körperverletzung eines Justizbeamten im Strafvollzug rechtskräftig verurteilt worden. „Die Justizbehörde geht davon aus, dass die Beamten rechtsmäßig gehandelt haben“,
hieß es dazu.
Justizsenator
Roger Kusch (CDU) hob gestern die „großartige Arbeit“ der Mitarbeiter des Strafvollzugs in
Hamburg hervor. „Ihre Arbeit in den Kontext menschenunwürdiger Zustände in
ausländischen Gefängnissen zu stellen, ist schwer erträglich“, sagte er. Kusch hatte schon am Sonntag eine umgehende Untersuchung der Vorfälle angekündigt. Staatsrat Carsten Lüdemann und die Mitarbeiter der Behörde wurden beauftragt, alle Akten der vergangenen zehn Jahre zu
überprüfen.
Kusch
steht bereits seit Monaten in der Kritik. Zuletzt beantragte ein
parlamentarischer Untersuchungsausschuss der Bürgerschaft Beugehaft gegen den Senator, weil er eine Aussage zu Vorgängen in dem geschlossenen
Heim für Jugendliche in der Feuerbergstraße verweigert hatte.
Quelle:
Lübecker Nachrichten vom 21.2.2006
„Ich
sehe hier Dinge, die ich bisher nur in einer anderen Stadt kennengelernt habe:
in Paris. Hamburg ist am ehesten mit Paris vergleichbar, im Guten wie im
Schlechten. Es gibt ein intaktes Großbürgertum, es gibt großzügige Mäzene, man
kann in Hamburg mitten in der Stadt sehen, wo das Geld erarbeitet wird. Und wer
nicht sehen will, wo das Geld verdient wird, zieht von der Elbe eben an die
Alster. Schöne Städte und schöne Menschen sind daran gewöhnt, bewundert zu
werden. Sie halten auf Distanz. So gibt es hier unsichtbare, aber für die
betreffende Gruppe erkennbare Merkmale: Auto, Kleidung, Schule, Sprache - das,
was die Franzosen ,le code’ nennen. Natürlich gewinnt man, indem man den Status
zementiert. Man verliert aber auch, man kappt Vitalität. Kulturelle Dynamik, in
London oder in Amerika etwa, wo ich vorher lange gelebt habe, kommt auch
daher, dass alles ein Gebräu ist. Es gibt in Hamburg eine gewisse Tendenz zur
sozialen Abschottung. Aber Hamburg ist eine Stadt, die es sich leisten kann.“
Tom Buhrow - „Tagesthemen“-Moderator
Quelle: DER SPIEGEL 34 / 2007 (SPIEGEL extra METROPOLEN,
S. 4)
Schon während
meiner Jugend in Braunschweig habe ich
über den Hamburg-Dünkel des damals
noch konkurrenzlosen NDR gestaunt. Mittlerweile lebe ich seit zwei
Jahrzehnten hier und habe einiges dazugelernt.
Zum Beispiel, dass es einen SPD-Klüngel gab und dass die nachfolgende „Regierungspartei“ dieses Modell eins zu eins
übernommen hat. Das ist das Traditionelle der Stadt. Oder das
Pfeffersackphänomen, das bedeutet, dass hier niemand von seinen Pfründen
rückt. Das ist das Wertkonservative dieser Stadt. Und dann noch die
Kreativität, vor allem die der Immobilieninvestoren, die in die von den
Jungkreativen attraktiv gemachten Viertel einrücken und aus Atmosphäre Hipsterschrott machen. Das ist das Coole an dieser Stadt. Bleiben das eigentlich gar nicht
so schlechte Wetter, die kurzen Wege, das viele Wasser und die vielen hübschen Ecken der Stadt. (...)
Quelle: Arnim Dahlen im SPIEGEL-Leserbrief 35 / 2007 / 6
Heinrich Heine
Die Stadt Hamburg ist eine gute Stadt; lauter solide Häuser. Hier herrscht nicht der schändliche Macbeth, sondern hier herrscht Banko. Der Geist Bankos herrscht überall in diesem kleinen Freistaate, dessen sichtbares Oberhaupt ein hoch- und wohlweiser Senat. In der Tat, es ist ein Freistaat, und hier findet man die größte politische Freiheit. Die Bürger können hier tun, was sie wollen, und der hoch- und wohlweise Senat kann hier ebenfalls tun, was er will; jeder ist hier freier Herr seiner Handlungen. Es ist eine Republik. Hätte Lafayette nicht das Glück gehabt, den Ludwig Philipp zu finden, so würde er gewiß seinen Franzosen die hamburgischen Senatoren und Oberalten empfohlen haben. Hamburg ist die beste Republik. Seine Sitten sind englisch, und sein Essen ist himmlisch. Wahrlich, es gibt Gerichte zwischen den Wandrahmen und dem Dreckwall, wovon unsere Philosophen keine Ahnung haben. Die Hamburger sind gute Leute und essen gut. Über Religion, Politik und Wissenschaft sind ihre respektiven Meinungen sehr verschieden, aber in betreff des Essens herrscht das schönste Einverständnis.