BRIEF AN DEN ROTARIER

Ich weiß, daß Du beleidigt warst, mein Freund, als ich mich weigerte, dem Rotary-Klub beizutreten, der Institution, deren Präsident und Förderer Du bist. Und ich vermute, daß Du mir grollst, da Du nicht glaubst, daß meine fehlende Bereitschaft, Rotarier zu werden, keinesfalls bedeutet, daß ich mich in den Lions Club oder den jüngst in Peru in Erscheinung getretenen Kiwanis aufnehmen lasse, Vereinigungen, mit denen die Deine unerbittlich um die Siegespalme der öffentlichen Wohltätigkeit, der staatsbürger­lichen Gesinnung, der menschlichen Solidarität, der sozialen Fürsorge und dergleichen mehr wetteifert. Beruhige Dich: ich gehöre keinem der genannten noch irgendeinem ähnlichen Klub oder Verein an (Pfadfinder, ehemalige Jesuiten-Zöglinge, Freimau­rer, Opus Dei usw.) und werde ihnen auch in Zu­kunft nicht angehören. Meine Aversion gegen das Verbandswesen ist so ausgeprägt, daß ich sogar da­von abgesehen habe, Mitglied des Touring-Automobil-Klubs zu werden, gar nicht zu reden von diesen sogenannten Gesellschaftsklubs, welche den Maß­stab der jeweiligen ethnischen Kategorie und des Vermögens der Einwohner von Lima bilden. Seit den schon fernen Jahren meiner aktiven Mitgliedschaft in der Katholischen Aktionspartei und wegen ihr - die­se Erfahrung öffnete mir die Augen über die Illusion jeder gesellschaftlichen Utopie und brachte mich zur Verteidigung des Hedonismus und des Individua­lismus - habe ich mir einen moralischen, psycholo­gischen und ideologischen Widerwillen gegen jede Form von Herdenzwang zu eigen gemacht, der so weit geht, daß - dies ist kein Scherz - sogar die Schlange vor der Kinokasse mir das Gefühl gibt, ver­gewaltigt, in meiner Freiheit beschränkt und auf den Status eines Massenmenschen zurückgeworfen zu werden (ab und zu bleibt mir natürlich nichts ande­res übrig, als mich einzureihen). Die einzige Konzes­sion meinerseits, an die ich mich erinnern kann, war auf drohendes Übergewicht zurückzuführen (ich bin mit Cyril Connolly überzeugt, daß »Fettleibigkeit eine Geisteskrankheit ist«), welcher Umstand mich veranlaßte, mich in einem Fitness-Klub einzuschrei­ben, wo ein hirnloser Tarzan uns fünfzehn Idioten jeden Tag eine Stunde im Takt seiner Brüllaute bei der Durchführung affenartiger Kontraktionen schwitzen ließ, die er Aerobic nannte. Die gymnastische Folter bestätigte meine sämtlichen Vorurteile über den Her­denmenschen.

Gestatte mir in diesem Zusammenhang, daß ich hier eines der Zitate wiedergebe, von denen meine Hefte voll sind, denn es bringt das, was ich denke,

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wunderbar auf den Begriff. Es stammt von einem asturianischen Weltenbummler, der sich in Guate­mala niedergelassen hat, Francisco Perez de Anton: »Eine Herde besteht, wie man weiß, aus sprach-losen Leuten mit mehr oder minder schwachem Schließ­muskel. Es gilt außerdem als bewiesen, daß in Zeiten der Verwirrung die Herde der Unterwerfung den Vor­zug gibt vor der Unordnung. Deshalb haben diejeni­gen, die wie Schafe handeln, keine Anführer, sondern Böcke. Etwas von dieser Tierart muß sich auf uns übertragen haben, wenn man in der menschlichen Herde so oft den Typ des Anführers trifft, der fähig ist, die Massen an den Rand des Felsenriffs zu führen und von dort ins Wasser stürzen zu lassen. Wenn sie nicht auf den Gedanken kommen, eine Zivilisation zu zerstören, was auch ziemlich häufig vorkommt.« Du wirst sagen, es zeugt von Verfolgungswahn, wenn man hinter einigen wohlwollenden Männern, die sich einmal pro Woche zum Mittagessen treffen und darüber diskutieren, in welchem neuen Stadtteil sie diese Säulen aus Kalkstein mit dem Metallschild »Der Rotary-Klub heißt Sie willkommen« aufstellen sollen, deren Errichtung sie anteilmäßig bezahlen, einen ominösen Abstieg auf der menschlichen Stu­fenleiter vom souveränen Individuum zum Massen­individuum erkennt. Vielleicht übertreibe ich ja. Aber ich muß auf der Hut sein. Da die Welt sich der­art rasch auf die völlige Entindividualisierung, auf die Auslöschung der Herrschaft des freien und sou­veränen Individuums zubewegt - die nur ein histori­scher Zwischenfall ist, den eine Reihe von Zufällen und Umständen ermöglicht hat (für eine geringe Zahl

von Personen natürlich und in einer noch geringeren Anzahl von Ländern) bin ich mit meinen fünf Sin­nen und vierundzwanzig Stunden am Tag klar zum Gefecht, um diese existentielle Niederlage, was mich betrifft, so lange wie möglich hinauszuzögern. Der Kampf geht um Leben und Tod und ist total; alles und alle sind an ihm beteiligt. Die Existenz dieser Verbände dickgewordener Selbständiger, Manager und hochrangiger Bürokraten, die sich einmal in der Woche treffen, um ein nach Diätvorschriften zusam­mengestelltes Menu zu sich zu nehmen (bestehend aus einer gefüllten Kartoffel, einem kleinen Steak mit Reis und süßen Pfannkuchen, das Ganze begossen mit einem roten Jahrgangs-Tacama?), ist eine Schlacht, die für die endgültige Robotisierung und den Obskurantismus gewonnen wurde, ein Fort­schritt des Geplanten, Organisierten, Obligatori­schen, Routinehaften, Kollektiven und ein weiterer Rückschritt des Spontanen, Inspirierten, Kreativen und Originellen, was alles nur im Bereich des Indivi­duums vorstellbar ist.

Nach dem, was Du gelesen hast, vermutest Du, daß sich hinter meiner farblosen Erscheinung als fünfzigjähriger Bourgeois ein miesepetriger, ungesel­liger Mensch verbirgt, ein halber Anarchist? Bingo, Du hast ins Schwarze getroffen, Bruderherz. (Ich ma­che einen Scherz, der nicht funktioniert: das Unwort Bruderherz läßt mich sogleich an das unvermeidliche Schulterklopfen denken, das es begleitet, und an den widerwärtigen Anblick zweier Männer, deren Bäu­che vom unmäßigen Konsum von Bier und Fettge­bratenem zeugen, die sich kollektivisieren, eine Ge­sellschaft bilden, auf ihre ureigenen Traumbilder und auf ihr Ich verzichten.) Es stimmt: ich bin ungesellig, soweit es in meinen Kräften steht, die leider äußerst schwach sind, und ich widerstehe dem Herdengeist in allem, was mein Überleben oder meinen ausge- zeichneten Lebensstandard nicht in Gefahr bringt. Du liest richtig. Individualistisch sein heißt egoistisch sein (Ayn Rand, The Virtue of Selfishness), aber nicht dumm. Im übrigen erscheint mir die Dummheit acht- bar zu sein, wenn sie genetisch, ererbt ist, nicht, wenn sie gewählt und eine bewußt eingenommene Position ist. Ich fürchte, Mitglied im Rotary-Klub sein - oder im Lions Club, im Kiwanis, in der Freimaurer-Loge, bei den Pfadfindern, im Opus Dei - heißt (verzeih mir), kleinmütig auf die Dummheit zu setzen.

Besser, ich erkläre Dir diese Beleidigung, auf diese Weise schwäche ich sie ab, und das nächste Mal, wenn die Geschäfte unserer Versicherungsgesell­schaften uns zusammenführen, schlägst Du mir nicht mit einem Fausthieb den Schädel ein (oder mit einem Fußtritt das Rückgrat, eine Aggression, die sich eher für Leute unseres Alters schickt). Ich weiß nicht, wie ich die von diesen Verbänden betriebene Institutiona­lisierung der Tugenden und guten Gefühle besser definieren könnte denn als Abdankung der persönli­chen Verantwortung und billige Art und Weise, sich ein gutes »soziales« Gewissen zu verschaffen (ich set­ze das Wort in Anführungszeichen, um zu unterstrei­chen, wie sehr es mir mißfällt). Nach meinem Dafürhalten trägt das, was ihr, Du und Deine Kolle­gen, tut, in praktischer Hinsicht auch nicht in der geringsten Weise dazu bei, das Übel zu vermindern

(oder, wenn Du das lieber hast, das Gute zu vermehren). Die hauptsächlichen Nutznießer dieser kollektivierten Großzügigkeit seid Ihr selbst, angefangen bei Euren Mägen, die sich diese wöchentlichen Menus zuführen, und Euren schmutzigen Köpfen, die bei diesen geselligen Veranstaltungen der Verbrüderung (ein furchtbarer Begriff!) schier platzen vor Vergnügen, wenn sie Klatschgeschichten und pikante Witze austauschen und erbarmungslos über den lästern können, der nicht da ist. Ich bin nicht gegen diese Belustigungen und grundsätzlich gegen nichts, das Vergnügen bereitet; ich bin gegen die Heuchelei, die darin besteht, dieses Recht nicht offen einzufordern, das Vergnügen unter dem vorsorglichen Alibi des staatsbürgerlichen Handelns zu suchen. Sagtest Du mir nicht einmal mit Satyr-Augen, während Du mir einen pornographischen Stubs verpaßtest, ein anderer Vorteil, Rotarier zu sein, bestehe darin, daß die Institution einen wöchentlichen Vorwand allererster Ordnung liefere, fern von zu Hause zu sein, ohne die Ehefrau zu beunruhigen? Hier formuliere ich einen weiteren Einwand. Ist es Vorschrift oder schlichte Gewohnheit, daß es keine Frauen in Euren Reihen gibt? Bei den Mittagessen, die Du mir aufgezwungen hast, habe ich nie einen Rock gesehen. Ich bin sicher, daß Ihr nicht alle schwul seid, der einzige halbwegs akzeptable Grund, um das Monopol der Hosen im Rotary-Klub (Lions Club, Kiwanis, den Pfadfindern usw.) zu rechtfertigen. Meine These ist: Rotarier sein ist ein Vorwand, um fern von Überwachung, den Zwängen oder der Förmlichkeit, die in Euren Augen das eheliche Zusammenleben mit

sich bringt, ein paar angenehme männliche Augen­blicke zu verbringen. Dies erscheint mir genauso unzivilisiert wie die Paranoia der verstockten Femi- nistinnen, die den Krieg der Geschlechter erklärt haben. Meine Lebensweisheit lautet, daß in den un­vermeidlichen Fällen, in denen man sich mit dem Herdenwesen abfinden muß - Schulen, Arbeits­plätze, Vergnügungen -, die Verdummung, zu der das Cliquenwesen führt, sich durch die Mischung der Geschlechter (Rassen, Sprachen, Sitten, Glaubens­vorstellungen) abmildern läßt, welche ein pikantes Element, ein Element der Schlechtigkeit (schlechte Gedanken, deren entschiedener Praktikant ich bin) in die menschlichen Beziehungen einführt, was sie nach meiner Auffassung ästhetisch und moralisch auf eine höhere Stufe hebt. Ich sage Dir nicht, daß beides für mich ein und dasselbe sind, denn Du wür­dest es nicht verstehen.

Jede menschliche Tätigkeit, die nicht, und sei es auch nur in der indirektesten Weise, zum testikulären oder ovarialen Aufruhr, zur Begegnung von Sperma- tozoen und Eizellen führt, ist verächtlich. Zum Bei­spiel der Verkauf von Versicherungspolicen, dem wir uns seit dreißig Jahren widmen, oder die frauenfeind­lichen Mittagessen der Rotarier. Alles ist es, was vom wirklich wesentlichen Ziel des menschlichen Lebens ablenkt, das, nach meinem Urteil, in der Befriedigung der Wünsche besteht. Ich sehe nicht, zu welch ande­rem Zweck wir wie langsame Kreisel durch das sinnlose Universum trudeln. Man kann Versicherun­gen verkaufen, wie Du und ich es getan haben - mit beträchtlichem Erfolg, denn wir haben aussichtsrei­

che Positionen in unseren jeweiligen Gesellschaften erreicht weil es nötig ist, zu essen, sich zu kleiden, ein Dach über dem Kopf zu haben und ein Einkom­men zu erzielen, das uns erlaubt, Wünsche zu haben und zu erfüllen. Es gibt keinen anderen stichhaltigen Grund, um Versicherungspolicen zu verkaufen, auch nicht dafür, Staudämme zu bauen, Katzen zu kastrie­ren oder Stenograph zu sein. Ich höre Dich schon: und wenn im Unterschied zu dir, spinnerter Rigoberto, ein Mann, der Versicherungspolicen gegen Brän­de, Diebstähle oder Krankheiten verkauft, sich selbst verwirklicht und genußvoll auslebt? Und wenn er durch seine Anwesenheit bei Rotarier-Essen und durch seine pekuniären Beiträge zur Aufstellung von Schildern am Straßenrand mit der Aufschrift »Immer fair im Verkehr« seine glühendsten Wünsche erfüllt und glücklich ist, genau wie du, wenn du in deiner Sammlung nicht jugendfreier Bilder und Bücher stö­berst oder dich einer dieser geistigen Wichsereien hingibst, welche die Selbstgespräche deiner Hefte sind? Hat nicht ein jeder Recht auf seine eigenen Wünsche? Ja, das hat er. Aber wenn die teuersten Wünsche (Wunsch - das schönste Wort des Wörter­buchs) eines menschlichen Wesens darin bestehen, Versicherungen zu verkaufen oder dem Rotary-Klub (oder ähnlichem) beizutreten, dann ist dieser Zwei­füßer ein Einfaltspinsel. Das gilt für neunzig Prozent der Menschheit, wohl wahr. Ich sehe, Du hast es ver­standen, Versicherer.

Wegen einer solchen Geringfügigkeit bekreuzigst Du Dich? Dein Kreuzeszeichen veranlaßt mich, zu einem anderen Thema zu wechseln, welches dasselbe ist. Welche Rolle spielt die Religion in dieser Streit­rede? Treffen auch sie die Ohrfeigen dieses Renega­ten der Katholischen Aktionspartei und einstmals fieberhaften Lesers des heiligen Augustins, von Kar­dinal Newman, Juan de la Cruz und Jean Guitton? Ja und nein. Wenn ich in diesem Bereich etwas bin, dann Agnostiker. Einer, der dem Atheisten und dem Gläu­bigen mißtraut und dafür ist, daß die Menschen glauben und einen Glauben praktizieren, da sie sonst überhaupt kein spirituelles Leben hätten und die Ro­heit überhandnähme. Die Kultur - die Kunst, die Philosophie, sämtliche nichtreligiösen intellektuellen und künstlerischen Tätigkeiten - kann die geistige Leere, die aus dem Tod Gottes, aus dem Verschwin­den des transzendenten Lebens folgt, nur bei einer sehr kleinen Minderheit (der ich angehöre) füllen. Diese Leere macht die Menschen destruktiver und brutaler, als sie normalerweise sind. Obwohl ich für den Glauben bin, muß ich mir bei Religionen im all­gemeinen die Nase zuhalten, denn sie alle implizieren den Herdengeist der Prozessionen und die Abdan­kung der geistigen Unabhängigkeit. Sie alle sind ein Korsett für die menschliche Freiheit und zielen dar­auf ab, den Wünschen Zügel anzulegen. Ich gebe zu, daß vom ästhetischen Standpunkt aus gesehen die Religionen - die katholische mit ihren prachtvollen Kathedralen, Ritualen, Liturgien, Gewändern, Dar­stellungen, Ikonographien, musikalischen Aus­drucksformen womöglich mehr als jede andere - hervorragende Quellen der Lust sind, die dem Auge und der Sensibilität schmeicheln, die Phantasie anre­gen und uns ein Feuerwerk schlechter Gedanken liefern. Aber in jeder von ihnen lauert ein Zensor, ein Kommissar, ein Fanatiker, lauern der Feuerrost und die Zangen der Inquisition. Es stimmt aber auch, daß ohne ihre Verbote und donnernden Verurteilungen, ohne Sünden die Wünsche - vor allem das sexuelle Verlangen - nicht das Raffinement erlangt hätten, die sie in bestimmten Epochen besaßen. Denn ich be­haupte - und das ist keine Theorie, sondern Praxis, dank einer bescheidenen persönlichen Umfrage von begrenzter Tragweite -, daß man sich sehr viel besser in den religiösen Ländern liebt als in den säkulari­sierten (besser in Irland als in England, besser in Polen als in Dänemark) und in den katholischen bes­ser als in den protestantischen (in Spanien oder Ita­lien besser als in Deutschland oder in Schweden) und daß Frauen, die von Nonnen erzogen wurden, tau­sendmal phantasievoller, kühner und zärtlicher sind als die, die staatliche Schulen besucht haben (Roger Vailland hat dazu in Le regard froid eine Theorie ent­wickelt). Lukrezia wäre nicht die Lukrezia, die mir zehn Jahre lang Tag und Nacht (aber vor allem in der Nacht) ein unbezahlbares Glück geschenkt hat, wenn sie in ihrer Kindheit und Jugend nicht unter der Aufsicht der überaus strengen Nonnen vom Heiligen Herzen Jesu gestanden hätte, zu deren Lehren es ge­hörte, daß es Sünde war, wenn ein Mädchen beim Sitzen nicht die Knie zusammmenhielt. Diese aufop­ferungsvollen Sklavinnen des Herrn haben mit ihrer extremen Empfindlichkeit und Kasuistik in ge­schlechtlichen Angelegenheiten im Lauf der Ge­schichte ganze Dynastien von Messalinas herangezo­gen. Gesegnet seien sie!

Also? Woran sollen wir uns nun halten? Ich weiß nicht, woran Du Dich hältst, lieber Kollege (um einen weiteren Ausdruck zu benutzen, der zum Erbrechen ist). Ich halte mich an meinen Widerspruch, der für einen rebellischen, unklassifizierbaren Geist wie mei­nen schließlich und endlich ebenfalls eine Quelle der Lust ist. Gegen die Institutionalisierung der Gefühle und des Glaubens, aber für die Gefühle und den Glauben. Außerhalb der Kirchen, aber voll Neugier und Neid auf sie und eifriger Nutznießer all dessen, was sie mir zur Bereicherung der Welt meiner Traum­bilder schenken können. Ich weise Dich darauf hin, daß ich ein offener Bewunderer jener Kirchenfürsten bin, die fähig waren, Purpur und Sperma in höchste Übereinstimmung zu bringen. Ich suche in meinen Heften und finde zum Beispiel jenen Kardinal, über den der meisterhafte Azorin schrieb: »Raffinierter Skeptiker, lachte er im stillen Kämmerlein über die Farce, die seine Person aufführte, und wunderte sich bisweilen, daß die menschliche Dummheit, die mit ihrem Geld diese kolossale Komödie am Leben hielt, kein Ende fand.« Ist dies nicht fast ein Porträt des berühmten Kardinals de Bernis, der im 18. Jahrhun­dert Gesandter Frankreichs in Italien war, in Venedig mit Giacomo Casanova zwei lesbische Nonnen teilte (siehe dessen Memoiren) und in Rom den Marquis de Sade betreute, ohne zu wissen, wer er war, als dieser unter der falschen Identität eines Grafen von Mazan durch Italien reiste, nachdem er wegen seiner libertinen Ausschweifungen aus Frankreich geflohen war?

Aber ich sehe, Du gähnst schon, denn die Namen, mit denen ich Dich bombardiere - Ayn Rand, Vail- land, Azorin, Casanova, Sade, Bernis - sind für Dich unverständliche Geräusche. Ich breche also ab und setze einen Schlußpunkt unter dieses Schreiben (das ich, Du kannst beruhigt sein, auch nicht abschicken werde).

Viele Mittagessen und Gedenkschilder, Rotarier.