Springers Nazionismus

 

1. Kapitel: "Die Anklage"

 

"Wilde antizionistische Bücher", "Verfasser in Tanger Waffenhändler", "Agent zwischen Braun und Rot", "Ost‑Westgeschäfte getätigt", "litauischer Partisan", "sowjetpolnische Geheimpolizei", "untergetaucht" "ostgelenkt", "seltsamer Kamerad unterm Hakenkreuz" - worum geht es bei der Verwendung dieser lieblichen Vokabeln aus Springers Schatzkästlein? Um den einen Halbsatz aus der bei Marva erschienenen Untersuchung "ADOLF HITLER ‑ BEGRÜNDER ISRAELS" des Verfassers Hennecke Kardel von der "winzigen Minderheit der Westjuden, die Hitler mit ihren Dollarmillionen zur Macht" verholfen hatte. Jede der Verleumdungen in dem nazionistischen Gaunerartikel der Springerschen "Welt" vom 22. April 1978, das stellte sich vor Gericht heraus, war vom Lohnschreiber Deschner einzeln aus den Fingern gesogen, das Wort Tendenzliterat wäre für ihn zu milde.

 

Wo mit so grobem Geschütz geschossen wird, da scheint das Ziel zu lohnen. Der selbst für eine schleimschreibende Zunft ungewöhnliche Rufmord vom April 1978 erhält seine Deckung, seine Aufstachelung durch Springer selbst. Die glatte Verfälschung "Nach seiner (Kardels) Version haben die Westjuden mit ihren Dollar‑Millionen Adolf Hitler zur Macht verholfen" ging bei der dem Springer‑Verlag gewährten Verleumdungsfreiheit glatt durch und unter. Die Chuzpe wird vom Konzern weit übertrieben: Wir wissen, daß der Verfasser von den US­-Nazis mit dem Tode bedroht ist und dass deren Führer Collin der umbenannte Sohn eines Cohn ist, wir wissen weiterhin, daß der «Vizeführer» Daniel Burros Hand an sich legte, als gerichtsbekannt wurde, dass dieser Sohn glaubenstreuer Juden Thora‑Schüler in Richmond Hill gewesen war, wir wissen zudem, dass diese Zionistenschüler, die Hilfsschüler in der BRD betuchen, um Hakenkreuze an Mauern zu schmieren und wir wissen schliesslich, dass auch der Springer‑Mannschaft diese Zusammenhänge genauestens bekannt sind.

 

Axel Springer, zionistischer als die Zionisten, er selbst weiss genau, dass die beiden Werke des Marva‑Verlages, die sich mit dem Zionisten-Thema befassen, in der Forschung keineswegs als "wild antizionistisch" gelten (das andere Buch stammt aus der Feder des Dr. Bronder, Generalsekretär der Freireligiösen Gemeinden Deutschlands: «Bevor Hitler kam»). In jedem Jahre findet der Suchende beide Bücher auf der Frankfurter Buchmesse, sie liegen aus in Buchhandlungen und Bibliotheken Israels, in keinem Land der Welt sind sie verboten. Die "Zeitschrift für die Geschichte der Juden", Tel Aviv: ".... aufschlußreiches Buch, mit Hinweisen auf teils unbekannte Materialien, mit reicher Dokumentation und zahllosen Namen der Zeitgeschichte."

 

Die «unheilige Allianz» zwischen Nazis und Zionisten ist von Springers "Zeitgeschichtler" Deschner (es ist der eingangs unrühmlich Erwähnte) bei früherer Gelegenheit durchaus nicht geleugnet worden. "Als Nationalsozialist bin ich Zionist", von Deschner wurde dieses stolze Wort des SD‑Chefs Heydrich ausgegraben, dessen Vater "eigentlich Süss" (Riemanns Musiklexikon) und dessen Grossmutter Sarah hiess. Deschner damals weiter: «Zu den bedrückendsten Episoden in der historischen Verstrickung zwischen Deutschen und Juden gehört das Bündnis auf Zeit, dass Heydrichs SD in den Jahren 1935 bis 1939 mit Aktivisten des jüdischen Zionismus pflegte. Klammer war ein gemeinsames Ziel: Die Juden sollten aus Deutschland heraus und in Palästina angesiedelt werden.»

 

Wo Axel Springer in seinem Leib‑ und Magenblatt so tief und wider besseres Wissen unter die Gürtellinie schlagen lässt mit "ostgelenkt", "Waffenhändler" undsoweiter, da werden wir in Sachen der "winzigen Minderheit" aus New Yorks Banken‑Wall‑Street als Zeugen aufrufen den früheren Reichskanzler Dr. Heinrich Brüning und den früheren preussischen Ministerpräsidenten Dr. Otto Braun. Beide haben das Dritte Reich und den Zweiten Weltkrieg in alter Frische überlebt, beide waren bis zum Ende ihres Lebens überzeugt davon, dass Hitler ohne die umgerechnet 128 Millionen Reichsmark, die ihm aus der Wall Street zugeflossen sind, ewig Zweiter, seine Partei immer nur Zweite geblieben wäre. Mit ihrem profunden Wissen waren die beiden beim neuen Anfang 1945, in der sogenannten Stunde Null, "weg vom Fenster".

 

Axel Springers "Historiker" Görlitz, dessen Verpflichtungsschein in Sachen Zionismus ebenso wie der des Deschner in den grossen Panzerschrank der Chefetage gelangte, nimmt das Stuhlbein der saalschlachtenden SA aus der Kampfzeit als Mittel geschichtlicher Forschung: «Die Ex‑Kanzler Joseph Wirth und Heinrich Brüning (beide vom katholischen Zentrum) haben sich im Exil angesichts des Scheiterns der Weimarer Republik mit der Vorstellung zu trösten gesucht, das Ausland, vor allem amerikanische Industrielle und Bankiers, hätten Hitler Millionen zur Verfügung gestellt. Solchen Vermutungen aber entsprach die Kassenlage der Partei keineswegs. Das System der Selbstfinanzierung bei der SA spricht Bände.» Die SA («Sturm‑Abteilung») rekrutierte sich 1932 zu drei Vierteln aus dem grossen Heer der 7 Millionen Arbeitslosen und 5 Millionen Kurzarbeiter.

 

Hier Band eins zum "System der Selbstfinanzierung bei der SA" von einem dazu Berufenen. Dr. Wilhelm Abegg war als langjähriger Staatssekretär des preussischen Innenministeriums von seinen Ministern und Kanzlern mit der Fahndung nach Hitlers Finanzierern beauftragt, wir zitieren aus seinem Bericht vom 22. Mai 1933 den Punkt 4: "dass die NSDAP 1929 bis 1932 aus normalen Beträgen nur folgende Einnahmen hatte:

 

Jahr               Mitgliederzahl     NSDAP- Beiträge in Mark

 

Ende 1929              176.426             ca 17 Millionen

Ende 1930              389.000             ca 25 Millionen

Ende 1931              806.294             ca 35 Millionen

Ende 1932           1.250.625             ca 45 Millionen

 

Ende 1932 betrug der Bestand der Hitlerpolizei 400.000 Mann, und zwar 300.000 Mann SA und 100.000 SS. Der Aufwand für die SA betrug 1932 ca 180 Millionen jährlich; der Aufwand für die SS ist unbekannt.»

 

Zwei Monate später, am 15.6.1933, riet Abegg dem politischen Schriftsteller Emil Ludwig in Zürich: "Was (Hitler) fehlte, kam aus dem Ausland, vorwiegend aus den USA. Das darf man natürlich auch nicht erwähnen. Das würden die amerikanischen Verleger streichen." Diese ausserordentliche Feststellung, die im Abegg‑Archiv in Zürich liegt, haben seit dem Jahre des Herrn 1933 alle Verleger von Büchern und Zeitungen, die sich mit dem 'widrigen Gegenstand' befassten, im In- und Ausland durch ohrenbetäubendes Schweigen gewürdigt. Wir haben richtig gehört: "Was Hitler fehlte, kam aus den USA". Der in dieser Frage massgebliche Staatssekretär Abegg hatte drei seiner Polizei-Offiziere ‑ getarnt als Revisoren und Journalisten ‑ in die USA gesandt. Abegg berichtet auch über ihren Weg: "Sie gingen als Konservative und kamen als Kommunisten zurück."

 

Für den «Historiker» Görlitz, der bei den feierlichen Gelegenheiten aus Büchern des sauber gehaltenen "Welt"‑Archivs abzuschreiben pflegt, ist der Fachmann Abegg ein Luftikus wie frühere Reichskanzler auch: "Der Staatssekretär Abegg hat sich im Exil offenbar ein Traumbild zurecht gemacht wie übrigens auch Reichskanzler a.D. Wirth und Brüning, der auch an die geheimnisvollen Auslands‑Millionen glaubte. Also entfällt der ganze Warburg‑Komplex." Das 'Traumbild' hatte Abegg, bevor er aus Berlin nach Zürich emigrierte, per Aktenkisten in die Schweiz geschafft.

 

Dieses Zitat aus der «Frankfurter Zeitung» vom 14.4.32 will Görlitz in der «Welt»‑Bibliothek nicht gefunden haben: "Von den 400.000 Mitgliedern der verbotenen nationalsoz. Organisation sind 300.000 arbeitslos." Dieser Artikel des Carl von Ossietzky aus der "Weltbühne" vom 19.4.1932 ist dem «Historiker» jedoch zu Gesicht gekommen: "Es ist allgemein bekannt, dass vor etwa einem halben Jahr, als Gerüchte von einer Vergebung des Benzinmonopols an Shell auftauchten, die ganze Nazipresse wie auf Kommando schwieg. Der Syndikus der Nordwestdeutschen Erdölindustrie in Hannover, der voller Unruhe zu den Nazis lief, um Auskunft über ihre Stellung zu der beabsichtigten Monopolvergebung zu erlangen, konnte von Hitler keine beruhigenden Erklärungen entgegennehmen; der Herr des Braunen Hauses war allen Fragen gegenüber, ob er etwas zum Schutze der deutschen Erdölindustrie zu unternehmen gedenke, taub ‑ wahrscheinlich, weil der Abgesandte nicht mit der ansehnlichen Summe von anderthalb Millionen englischer Valuta aufwarten konnte. Genau soviel nämlich hat Herr Detering dem deutschen Arbeiterführer versprochen, wenn dieser ihm nach der Machtübernahme das deutsche Benzinmonopol verschachere."

 

Shell (Samuel & Samuel/London undsoweiter) machte im Dritten Reich das grosse Rennen, der erste Volkswagen lief mit Shells Benzin. Die russische Konkurrenz, das billigere Benzin, schied aus. Der Strohmann Sir Henry Detering, der im Laufe der Zeit 50 Millionen gebracht hatte, ist für Görlitz schnell erledigt: "Für Deutschland ‑ die letzte seiner drei Frauen war gebürtige Deutsche ‑ hatte er (Detering) eine Schwäche." So einfach ist das mit gefrässigen Ölherren. Bei diesen Erleuchtungen über die Psyche der Hochfinanziellen würde ein Springersches Haudeglein vom «Bild», läge der Fall anders herum, formulieren: "Nicht verzagen ‑ Görlitzer fragen!"

 

«Dass Hitler seinen 'Sozialismus' auch gerne von Leuten finanzieren lässt, die sehr wenig sozialistisch denken, ist bekannt und nicht bestritten,» das war Heuss, der Theodor, der in seinem 1932 erschienenen Buche "Hitlers Weg" diese Wahrheit auf Seite 122 niederschrieb ‑ für Görlitz noch ein Windbeutel, der an das von ihm erfundene «System der Selbstfinanzierung bei der SA» (das Görlitzsche System der Selbstbefriedigung) nicht so recht zu glauben vermochte. Jeder "aktive SA-Mann", das waren damals Arbeitslose im Hauptberuf, erhielt ausser Uniform, Unterbringung und Verpflegung eine tägliche Löhnung von drei Reichsmark aus einem der drei Hitlerschen Geheimfonds. In Berlin allein wurden am 7.2.1932 über 24.000 «Aktive» gezählt Die Dollarmillionen, die aus der Wall Street kamen, so urteilte bereits 1932 der in jener Zeit aller Welt bekannte, rothaarige US‑amerikanische Journalist H. R. Knickerbocker, seien angelegt "auf dem europäischen Kontinent in einem Schlachtfeld."

 

Ihre Schadenfreude über nicht gefundene Belege, die ‑ wenn überhaupt ausgestellt ‑ meist sehr eilbedürftig sowohl von Nazis als von Zionisten vernichtet wurden, ihre klammheimliche Freude über jeden in der "Nacht der langen Messer" vom 30. Juni 1934 (und danach) abgeschossenen Mitwisser der Auslandsfinanzierung Hitlers können die Nazionisten schlecht verbergen. Damit nehmen wir den Lift und fahren hoch zum Boss, zur Spitze des Konzerns. Die Frage, ob Axel Springer im deutschen Wiedergutmachungsraume der tatsächliche Statthalter des Zionismus ist oder ob er sich nur als solcher gebärdet, muss bei der Anklage gegen ihn, die für Nazis und Zionisten gleichermassen peinliche Wall‑Street-­Finanzierung durch persönliche Verunglimpfungen zu tabuisieren, an Hand der folgenden Tatsachen untersucht werden.

 

Als die im Aufbruch befindliche Welt von einem Axel Springer noch nicht so recht gehört hatte, erklärte 1935 der Jude Gerhard Kessler in den «Mitteilungen der Zentralstelle für Deutsche Personen‑ und Familiengeschichte» (Leipzig) im 53. Heft ....

 

Es folgen wissenschaftlichen Ansprüchen nicht genügende Ausführungen, die aus Vor- und Nachnamen des "Axel Springer" dessen jüdische Abkunft herleiten wollen. Daß Axel Springer in einem Elternteile jüdische Wurzeln hatte und daß er einen Paß des Staates Israel - allerdings nicht auf den Namen Springer - besaß, ist wiederholt behauptet worden, ist jedoch insgesamt für die Frage der Auslandsfinanzierung des größten Verbrechers des 20. Jahrhunderts ohne durchschlagende Relevanz. Jener Absatz entfällt demnach, was freundlichst nicht als Zensur, sondern als Optimierung aufgefaßt werden sollte.


 

 

....Da es also eine Zensur nicht gibt, so wird es auch in der "Stunde Null" den control‑officer Huijsman von der britischen Besatzungsmacht nicht gegeben haben, der die sogenannten "Lizenzträger" nach bestimmten Gesichtspunkten auswählte und kontrollierte? Der Presse-Springer und der Presse‑Augstein stammen somit nicht aus dem Schoss dieses geheimnisvollen fremden Geistes? Von daher also nicht der "liebe Axel" und der "liebe Rudi", und deren fortdauernde geschäftliche Verbindung? Tatsächlich belohnten die Lizenzen ein Wohlverhalten gegenüber westlichen Besatzungsmächten gewaltig, bei Fehlverhalten konnten sie über Nacht von einem Tag auf den anderen entzogen werden. Sie waren Wertpapiere, mit denen sich bei Beachtung der Spielregeln auf angenehme Art Millionär werden liess, bei Nichtbeachtung war man "toter Mann"  " ‑ das Handwerk über die Meinung stellen."

 

Langjährige Abhängigkeiten gehen ins Fleisch, gehen ins Blut, bleiben in den Knochen stecken, sie prägen den Menschen, der sich da im Jahre 1945 aus Trümmern oder den Dünen der Insel Sylt erhob. Über die deutschen Interessen der Gegenwart kann man hinwegschreiben nur bei ständiger Berufung auf deutsche Schuld der Vergangenheit. Die Weichen wurden gestellt: Spaltung ist "Einheit", Landraub ist "Schalom", der Streifen zwischen Brest und Helmstedt ist "Europa", ein geographischer Begriff. Und Berlin bleibt Berlin -  die Bild-Zeitung zu schwören von Regierung, Opposition und Verwaltung.

 

Auch Verschweigen ist Lügen. Richard Schmid, ehemals Präsident des Oberlandesgerichtes Stuttgart, befand nach seinem Scheiden aus dem Amt zur Praxis der westdeutschen Nachrichtendienste: "Der allmähliche Zerfallsprozeß ... hat Tempo angenommen. Der Mißbrauch der Macht wächst im Quadrat der Heimlichkeit." Die Verfasser des vorliegenden Buches haben sich in diesem Punkte nichts vorzuwerfen, sie berichten ohne Rücksicht auf Verluste. Von welchen Büchern der soge­nannte mündige Bürger erfahren darf ‑ Zensoren in Anzeigenleitungen der großen Blätter bestimmen es.

 

"Wir werden", sprach Axel Cäsar Springer, "ein deutsches Volk machen, wie es das auch in Deutschland noch nicht gegeben hat." Welch unpolitischer Mensch! "Ein Volk machen" mit Zeitungen, die schon in der Straßenbahn liegen gelassen werden? Als alle, alle gegen ihn schrieben ‑ da kam er, der "widrige Gegenstand", im Januar 1933, er hatte die meisten Stimmen und einen Bestseller. Auch der junge Springer zog sich in diesem besonderen Jahr der deutschen Geschichte ohne große Verzögerung ein braunes SA Hemd an, bewaffnet sich mit dem ledernen Schlagriemen.


 

Das Foto vom jungen Springer, der da in eine rein zivile Veranstaltung platzt in Reitstiefeln und voller SA‑Montur, liegt beim Verlag Marva. Pfeil der «Führerschule» über der Hakenkreuzbinde.

 

Als der vom zionistischen 'Major' Huijsman mit Lizenzen Belohnte der guten Ordnung halber einer britischen Kommission vorgestellt wurde, da fragte ein Schnauzbart den auserwählten Springer, der während der Kriegsjahre in den Dünen der Insel Sylt herumgelegen hatte (während einarmige Familienväter marschieren mussten): «Von wem sind denn Sie verfolgt worden?» Alle sogenannten Offiziere von der Presse freuten sich über die Antwort des Charmanten: «Von den Frauen.»

 

Springers Schwiegervater war der SS‑General Werner Lorenz, Gutsbesitzer aus Danzig und zuletzt Führer des SS‑Oberabschnitts Nordwest, der von Heinz Höhne im «Orden unter dem Totenkopf beschrieben wird als einer der elegantesten und pfiffigsten», als "Bonvivant mit Kasino‑Manieren", als «unübertroffener Meister der Hinterzimmer‑Intrige.» Die Tochter Rosemarie geriet also an den Hamburg‑Altonaer als Ehefrau und ("Spiegel"‑Meldung vom 1.1.1968) "es ist sehr bezeichnend, dass an dieser Konzeption (von "Bild") Rosemarie Springer einen beträchtlichen Anteil hat".

 

Wer die Deutschen so berieselt, dass Vernichtungsparolen gegen heimatlos gemachte Araber aufkommen, bis schließlich eine Bundeswehr gegen diese fliegen und marschieren wird, der darf getrost als Nazionist gelten.

 

Der erste Gestapo‑Chef Rudolf Diels, den wir als Schlusslicht‑Zeugen hören werden und der am Abend seines Lebens nicht so genau wusste, ob er nun "Hauptakteur, Mitläufer oder Widerstandsmann" gewesen war, erklärte in seinen Erinnerungen: "Die Vorstellung, dass Sozialismus und Nationalsozialismus zusammengehören und im Grunde die zwei Seiten der gleichen Medaille darstellen, entspringt einer der wichtigsten Konzeptionen der sozialistischen Bewegung innerhalb des Zionismus."

 

Wie dem auch sei: Das Judentum ist etwas hervorragendes, herausragendes. Der Prozentsatz an intelligenten und zugleich sozialen Menschen ist bei dieser Rasse größer als bei anderen. Gemessen an seiner geringen Zahl stellt es die meisten Prominenten, Präsidenten der Erde. Die Namen Einstein, Rathenau, Milch aus dem deutschen Raum mögen an dieser Stellen genügen.

 

Der Zionismus dagegen ist etwas schreckliches, er ist chauvinistisch, rassistisch und bei der Durchsetzung seiner Ziele mindestens ebenso bedenkenlos wie Imperialismus, Kolonialismus, Faschismus und Stalinismus. Die Worte King‑David‑Hotel, Bernadotte, Deir Yassir aus dem palästinensisch‑israelischen Raum genügen an dieser Stelle vollauf.

 

Die zionistische Behauptung, die Mehrheit der Juden sei zionistisch und wünsche daher, in Israel zu leben, ist so falsch wie die Behauptung von einer deutschen Kollektivschuld, deren Verfechter mit starken Mitteln, Massenmedien und Maffiamethoden den hauptschuldigen 32-Millionen­-Dollar‑Berg der Jahre 1929‑1933 zum "Unberührbaren" erklärt haben. Dieser Goldberg war es, der aus dem Münchner "Braunhäusler" (von Ossietzky) mit der ersten Geldverhandlung im Münchner "Bräukeller" (Warburg) den Führer des Zweiten Weltkrieges machte.

 

Anmerkung: Das oben mehrfach zitierte Buch "Adolf Hitler - Begründer Israels" ebenfalls von Hennecke Kardel befindet sich auf dieser Homepage; darüber hinaus auch die Broschüre "Bonnerschlag" (über die staatskriminelle Verfolgung von Kardel) und Werke über Ignatz Bubis, Marcel Reich-Ranicki und Richard von Weizsäcker.

"Springers Nazionismus" ist der erste Beitrag aus der Bibliographie "Hitlers Auslandsfinanzierung (1)"; ebenfalls auf dieser Homepage.

 

Daß die Springer-Presse keinesfalls die herrschende Meinung über den "Begründer" verkündete, ergibt sich u.a. aus der nachfolgenden kurzen Zusammenstellung anderer Presseorgane:

 

 

 

"Lob verdient der Verfasser dafür, daß er als einstmals tapferer Soldat nun so unerschrocken wie früher an Dinge herangeht, die andere ehemalige Soldaten, damals kaum weniger tapfer, heute unterwürfig verschweigen."

 

"Neue Politik", Hamburg.

 

"Der Nachweis, der in diesem Buch geführt wird, daß erst durch den Druck Adolf Hitlers auf die Juden der Staat Israel die notwendigen Einwohner aufnehmen konnte, ist einleuchtend."

 

"Lot und Waage", Graz.


 

"Nur die Angst vor neuer Judenverfolgung bewog die Juden, stärker denn je auch nach Palästina auszuwandern."

 

"Deutsche Wochenzeitung", Rosenheim.

 

"Eine eigenartige Blüte der derzeitigen Nostalgie‑Welle."

 

"Familienzeitschrift der Barmherzigen Brüder", Wien.

 

" . . . brillant geschrieben, Inhalt hoch explosiv. Buch, das sich wie der spannendste Krimi liest."

 

Wilfred von Oven, "La Plata Ruf", Buenos Aires (von Oven war Goebbels Adjutant)

 

"Eine sehr sachliche Studie mit dem Versuch, der Wahrheit zu dienen. Ein überaus  informatives Werk."

 

"Europa‑Korrespondenz", Wien.

 

"Nicht ohne Spannung. Außerdem sind die Intimkenntnisse des Verfassers enorm".

 

"Nürnberger Zeitung", Nürnberg.

 

"Daß Adolf Hitler mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Enkel des Juden Frankenberger war, ist inzwischen auch hierzulande bekannt."

 

"Die Harke", Nienburg,

 

"Für den österreichischen Leser mag es interessant sein, daß der Gründer der Sozialdemokratie, Viktor Adler, in der "vordersten Linie" der Anhänger des Antisemitisten Schönerer gestanden sein soll."

 

"Die Zukunft", Wien.

 

"Wenn solche Theorien Schule machen, werden die Entnazifizierer bald 'posthum' des Antisemitismus angeklagt."

 

"Das Freie Forum", München.

 

"Heydrich, ebenfalls ein Arier h. c., dessen Großmutter Sarah hieß und die nach hebräischem Ritus beigesetzt wurden ist..."

 

"Linzer Volksblatt", Linz.

 

". . . sehr brisant, ja bedenklich explosiv."

 

"Grenzbote", St. Pölten.

 

 

 

 

Springers Nazionismus

 

2. Kapitel "Die Zeugen J. G. Schoup und James P. Warburg"

 

J.G. SCHOUP

 

In den dreissiger Jahren bekannt als holländischer Wirtschaftsjournalist. Erhielt von James P. Warburg, New York, dessen Unterlagen in englisch über die drei Finanzierungen Hitlers durch die Wallstreet von 1929‑1933, die er im angesehenen Verlag 'van Holkema ‑ Warendorfs Uitg.‑Mij. N.V./Amsterdam' im Oktober 1933 veröffentlichte. Im Zweiten Weltkriege wurde der Gestapo‑Häftling Schoup erhängt in seiner Zelle aufgefunden. Keine Widerstandsgruppe will den Enthüller haben.

 

JAMES P. WARBURG

 

1896 als Sohn des früheren US‑amerikanischen Staatssekretärs Paul M. Warburg, Teilhaber des Bankhauses Kuhn, Loeb & Co., geboren und von Freunden Shimmy oder Sidney gerufen. Diente 1917 in der US‑Luftwaffe und erlernte anschliessend den Bankiersberuf in Hamburg beim Onkel dem deutschen Bank‑ und Industrieführer Max M. Warburg, der 1938 in die USA übersiedelte. Der andere Onkel Felix M. Warburg war als einer der führenden Zionisten Vorsitzender des Administrative Committee der Jewish Agency, er war der geistig und für das Wiedererstehen Israels grösste der drei Warburg‑Brüder.

 

DER WARBURG‑BERICHT

 

‑ im nachfolgenden kurz «WB» ‑ mit dem Titel «De Geldbronnen van het Nationaal‑Socialisme» (Drie Gesprekken met Hitler door Sidney Warburg, vertaald (übersetzt) door J.G. Schoup) wurde im Oktober 1933 sofort nach Erscheinen vom Verlage aus dem Verkehr gezogen, ohne dass gegen Herausgeber, Übersetzer oder Verfasser ein Zivil‑ oder Strafprozess in Gang gesetzt worden wäre. Die holländische NS-Bewegung des Mussert brachte unter dem ähnlichen Titel "De geheime Geldbronnen" eine Fälschung heraus, die das wesentliche verschwieg, das übrige verharmloste oder bestritt.

 

Die Unterlagen zum "WB" wurden erst sieben Jahre später auf Verlangen der deutschen Besatzung in Holland vernichtet. Zwei Exemplare des "WB" gelangten über den österreichischen Gesandten von Alexich in Den Haag nach Wien. Dem Münchner Institut für Zeitgeschichte wurde Kopie des einen Exemplares vorgelegt, das die für den Bundeskanzler Schuschnigg so bezeichnenden Randstriche und Unterstreichungen aufwies. In dem «Vierteljahresheft für Zeitgeschichte» versuchten im Oktober 1954 die Professoren Hans Rothfels und Theodor Eschenburg («der seine Schüler zu tendenziöser Forschung und zu tendenziöser Darstellung erzieht», so Rechtsanwalt E. Engelhardt/Nürnberg) als Herausgeber und ein US‑Amerikaner namens Hermann Lutz (Chicago) als Verfasser, den «WB» als Fälschung abzutun: «Schuschnigg versteht Holländisch nicht und kann daher die Randstriche und Unterstreichungen nicht angebracht haben.» Jeder gebildete Deutsche versteht den Inhalt eines holländischen, flüssig geschriebenen Buches mit Leichtigkeit.

 

Geringfügige deutsche Namensverwechslungen des US‑Amerikaners James P. Warburg (z.B. "von Heydt" statt "von der Heydt") dienen den Nazionisten dazu, den "WB" ‑ der "scheinwerferartig in das Dunkel hineinzündet, in dem der Zweite Weltkrieg und Hitler gemacht wurden" ‑ 'mystification' zu nennen. Namensänderungen werden auch sonst von Verfassern politischer Enthüllungsschriften gebraucht aus Gründen, die auf der Hand liegen. Hermann Lutz, Haupt der Fälschungs‑Theorie, erklärt in seinem Buche «Verbrechervolk im Herzen Europas?» dieses: "J. P. Schoup hatte .... das Bankhaus J. P. Morgan + Co. als Hauptgeldgeber hervorgehoben." Der Name J. P. Morgan kommt im "WB" überhaupt nicht vor.

 

Ein Herr A. Poporski, seinerzeit Nachrichtendienstler des Generals von Schleicher (Reichskanzler im letzten Monat des Jahres 1932 und im Januar 1933), schrieb aus Johannesburg am 14.6.1955 an das Abegg-Archiv in Zürich: «Die kostenlose Versendung der Lutz‑Broschüre liegt in der Hand der jüdischen Dame Shishmareff. Die Broschüre ist tödlich verwundbar.» Am 2.2.57 teilte der gleiche Poporski dem Abegg‑Archiv mit. "Aus der Hoover Library in Palo‑Alto sind diese Dokumente, die dort waren, alle verschwunden und dort arbeitet Hermann Lutz, der Verteidiger Warburgs. Nun werden Sie vieles verstehen.»

 

Der Wallstreet‑Gesandte James P. Warburg hatte beim Reichstagsbrand 1933 nicht ganz begriffen, dass Hitler bereits Reichskanzler war, als guter US‑amerikanischer Demokrat glaubte er, die bevorstehenden Reichstagswahlen seien zur Kanzlerschaft noch nötig. Dieser Felder im "WB" spricht nicht für, sondern viel eher gegen eine Fälschung. Wer sonst konnte gleichzeitig die Weltführungsspitze im südlichen Teil der Halbinsel Manhattan, die Wall Street, und die wechselnden deutschen Führerhauptquartiere in München und Berlin so in Einzelheiten beschreiben wie der Geldbote, Goldjunge, James P. Warburg? Nur ein ganz genauer Kenner der Hochfinanz konnte derartige Details im "WB" vorbringen, da gibt es keine sachlichen oder datenmässigen Unrichtigkeiten, das hat auch noch niemand zu behaupten gewagt.

 

Ob die ins Geschäft gesteckten insgesamt 32 Millionen US‑Dollar hauptsächlich der Hitlerschen Judenverfolgung und damit der Gründung des Staates Israel dienen, ob sie in erster Linie der Hitlerschen Aufrüstung und damit der Auslösung des Zweiten Weltkrieges nützen, oder ob sie bei der Verwirklichung beider Ziele gleichmässig helfen sollten, darüber werden Historiker, die diesen Namen verdienen, einmal streiten müssen. Fest steht: Diese 32 Millionen Dollar waren entscheidend für die Machtergreifung Hitlers, so sieht es auch der frühere preussische Ministerpräsident Braun. Ohne diese umgerechnet 128 Millionen Reichsmark wäre die NSDAP zweitstärkste Partei und damit zweiter Sieger geblieben, Adolf Hitler hätte den Posten des Reichskanzlers nicht erhalten. Mit diesen gewaltigen Beträgen kam es ein knappes Jahrzehnt darauf zum Zweiten Weltkrieg, der den Rüstungsbossen die angelegten Dollar‑Millionen als Milliarden in die Kassen zurückspülte. Der Staat Israel entstand drei Jahre nach Ende dieses Zweiten Weltkrieges.

 

Hier der Schoup‑Warburg‑Bericht, links in holländisch, rechts in deutscher Übersetzung:

 

Anmerkung: Auf die Wiedergabe des holländischen Textes wurde verzichtet. Die Übersetzung ins Deutsche hat der Richter a. D. Dietrich Schmiedel besorgt. Schmiedel war als Wiedergutmachungsrichter in Berlin tätig und lebt seit Jahrzehnten im belgischen Exil, weil er als Enthüller ungeheuerlicher Korruptionsskandale weiterem schwersten Staatsmobbing aus dem Wege gehen wollte.

 

 

 

 

Springers Nazionismus

 

3. Kapitel: "Warburg-Bericht" (1929)

 

WIE ES KAM....

 

Sidney Warburg hatte wenig gesagt, als die anderen Gäste noch da waren. Nun, mit mir allein, begann er vom Sinclair‑Skandal.

 

‑ "Es gibt Augenblicke, in denen ich aus der Welt der Intrige, der Börsenmanöver, der Umtriebe und der Schiebung weglaufen möchte. Mit meinem Vater spreche ich wohl einmal über die Dinge, auch mit anderen Bankiers und Maklern. Und wissen Sie, was ich niemals begreifen kann? Wie es möglich ist, dass jene Menschen guten und ehrlichen Charakters - dafür habe ich zahllose Beweise ‑ sich auf Schiebung, Mittun bei Betrügereien einlassen, wovon sie doch wissen können, dass dadurch Tausende getroffen werden. Die Manipulation im Sinclair Trust hat für Wall Street Millionen Dollar eingebracht, aber Tausende Sparer ruiniert. Man bekommt niemals Antwort, wenn man nach den Beweggründen der unehrlichen und sittlich nicht zu verteidigenden Handlungen der Häupter in den Finanzkreisen fragt. Es darf doch nicht sein, dass sie ‑ in ihrem privaten Leben edel und gut ‑, sobald sie in die Finanzwelt kommen, ihren eigenen Charakter ablegen und für Geld, wenn es auch dann manchmal Millionen Dollar sind, alle Begriffe von Ehrlichkeit und Moral zur Seite schieben.»

 

Der Gewissenskonflikt, der aus den Worten von, Sidney Warburg zu schliessen ist, Sohn eines der grössten Bankiers der Vereinigten Staaten, Firmenmitinhaber im Bankhaus Kuhn, Loeb ‑ Cy., New‑York, ist die Tragik seines  Lebens. Doch hat er sich von dem Milieu nicht befreit, dessen tiefste Triebe er niemals hat ergründen können.

 

Die im Jahre 1928 gesprochenen Worte geben vielleicht die Erklärung, wenn ich mich nun im Jahre 1933 frage, warum er der Welt sagen wollte, wie der deutsche Nationalsozialismus finanziert wurde. Er hat dabei seine eigene Rolle und Mitverantwortlichkeit nicht in den Hintergrund geschoben, dagegen ehrlich sein Geständnis persönlicher Mitarbeit abgelegt.

 

Als ich von ihm das Manuskript mit dem Ersuchen empfing, es zu übersetzen, habe ich gefühlt, dass die Lebenstragik des Schreibers bis zu einer Intensität gewachsen ist, die ihn zu dem ehrlichen Bekenntnis zwang, dessen Aussage sich auf den hier folgenden Blattseiten befindet. Mögen sie der erste Schritt zur Befreiung sein, die ich von Herzen für ihn wünsche, da er den Mut hat, der Welt zu sagen:

 

«SIE machten es möglich, aber ich war dabei ihr

feiges Werkzeug !»

 

Wenn auch die "arme Welt" oder die arme "Menschheit" ‑ Worte, mit denen der Schreiber seine Arbeit beschliesst - seinen Ruf nicht verstehen sollten, bleibt doch sein Bekenntnis eine Tat des Wagemuts, die dafür nötig war.


 

Denn wagen heisst es, mit eigenen Kreisen zu brechen und die Freunde von gestern vor dem Weltforum als Gewissenslose zu brandmarken, vor allem wenn eigene Mitverantwortlichkeit dabei nicht verblümt wird.

 

                                                          Der Übersetzer

Oktober 1933

 

Anmerkung: Damit ist der Übersetzer vom Englischen ins Niederländische gemeint und nicht vom Niederländischen ins Deutsche.


 

 

 

                                                                  1929

 

Geld ist Macht. Der Bankier weiss es zu konzentrieren und zu manipulieren. Der internationale Bankier treibt internationale Politik. Die Zentralregierung des Landes, in dem er niedergelassen ist, verpflichtet ihn dazu; denn sie übt auf die Zentralbank Einfluss aus. In anderen Ländern heisst die Bank Nationalbank. Wer begreift, was da hinter jenem Wort (National) in den letzten Jahren versteckt wird und was sich dahinter verbirgt, der weiss auch, warum ein internationaler Bankier sich nicht aus der internationalen Politik halten kann.

 

Die amerikanische Bankwelt entwickelte sich schon monatelang in einem heftigen Tempo. Wir erlebten einen Boom, wir wussten es. Pessimisten hatten eine plötzliche Umkehr vorausgesagt, wir buchten jeden Tag stets grösser werdende Order, Wall Street lachte die Pessimisten aus. Die ganze Welt bekam Geld aus der Wall Street; selbst fern abgelegene Balkanstaaten, von denen wir früher den Namen allein auf der Schule gehört und ihn eilig vergessen hatten, bekamen Kredit und ihre Schuldverschreibungen wurden gekauft, die Spekulanten warfen sich darauf, die Kurse stiegen.

 

Ökonomen sind nun im Jahre 1933 noch nicht darüber einig, warum die Pessimisten gerade im Jahre 1929 recht behielten und kein Jahr früher und kein Jahr später. 1929 war für Wall Street der Beginn einer Serie elender Jahre, die noch nicht abgeschlossen ist.

 

Die Kurse bröckelten nicht ab ‑ wie der gebräuchliche Ausdruck für ein normales Sinken lautet ‑, sondern stürzten ineinander und in ein paar Wochen war es mit der Ausleihmanie von New‑York zu Ende. Unterhändler für kreditbedürftige Länder in Europa gingen unverrichteter Sache in ihre Länder zurück. Amerika schien kein Geld mehr zu haben. Bei uns ist es üblich, dass grosse Männer in mühsamen Zeiten ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen. Interviews mit Hoover, McCormick, McKenna, Dawes, Young und zahlreichen anderen wurden in den führenden Blättern veröffentlicht, aber wir wurden in Wall Street nicht weiser dadurch. Wir lebten in einer Hölle.

 

Wenn man zu einem Telefongespräch gerufen worden war, dann sah man bei seiner Rückkehr, dass Steels, Anaconda, Bethlehem und die führenden Ölwerte zehn bis zwanzig Punkte gesunken waren. Ob man wollte oder nicht, die Baisse zog einen an, und ich kenne manchen seriösen Bankier von erstklassigem Ansehen, der früher die entgegengesetzte Meinung als ein verbrecherisches Spekulationsspiel ansah, der nun mitging à la baisse. Öffentlich, ohne von seinen Maklern zu verlangen, seine Baisse‑Order vor dem Markt zu vertuschen oder zu verschweigen.

 

Ich sagte doch schon, dass wir in einer Hölle lebten. Es wird wohl an jene Zeit im Jahre 1933 gedacht, aber niemand, der in den Wall-­Street‑Kreisen jene Tage nicht wirklich erlebt hat, kann sich vorstellen, wie der Zustand tatsächlich war. Wir dürfen nicht vergessen, dass die ganze Weit nach Wall Street blickte und dass London, Paris, Amsterdam und Berlin in Spannung mitlebten und sich ganz auf New York eingestellt hatten. Der Krach in Wall Street bekam dadurch internationale Bedeutung.

 

Ich überlasse es anderen, die Ursachen dieser plötzlichen Umkehr aufzuspüren. Ich will allein den Zustand des amerikanischen Finanzmarktes im Jahre 1929 kurz wiedergeben. Ohne einen Blick hierauf würde das folgende für meine Leser grossenteils unbegreiflich sein.

 

Die Bundesreservebanken hatten gewaltige Beträge in Deutschland ausstehen. Seit der Aufhebung der Darmstädter und der National‑Bank, dem Nordwolle‑Krach, der Umorganisation der D.‑Banken, dem Placieren der Young‑Anleihen und der Errichtung der Bank für internationalen Zahlungsverkehr waren die Kredite in Deutschland eingefroren. Dasselbe war der Fall mit Österreich nach der Credit‑Anstalt‑Krise. Die Begleichung der französischen, belgischen, rumänischen und italienischen Kriegsschulden geschah freilich noch, aber stets mit Verspätung, und die verschiedenen Schuldnerländer begannen an jedem Fälligkeitstag erneut, auf Veränderungen in Annuitäten und Zinsfuss zu dringen. Jahre zuvor war die französische Kriegsschuld bereits unter Bedingungen konsolidiert worden, die sich später als für Frankreich viel zu flüssig herausstellten. Kurzum, insgesamt hatten die Vereinigten Staaten im Jahre 1929 ausländische Forderungen ‑ sowohl gegen Regierungen wie gegen Private ‑ von ungefähr fünfundachtzig Milliarden Dollar. Das war im April. Die amerikanische Bankwelt hat niemals für Wilson geschwärmt Seinen Idealismus sahen die Bankiers und Finanziers als gut genug für das Studierzimmer, aber ungeeignet für die internationale Geschäftswelt an. Darum hat der Vertrag von Versailles, der auf Wilsons Gedankengängen aufgebaut wurde, niemals die Sympathie von Wall Street gehabt. Vor allem wurde dieser Vertrag deshalb abgelehnt, weil Frankreich darin ohne Widerspruch grundlos bevorrechtigt worden war. Das war die Meinung im Jahre 1920, im Jahre 1929 war die Meinung eine ausgesprochene Feindseligkeit in Bezug auf diesen Vertrag geworden. Inzwischen waren allerdings zahlreiche Veränderungen an den ursprünglichen Bestimmungen angebracht worden (Dawes, Young, usw.), aber es blieb doch noch allzeit eine Tatsache, dass Frankreich durch seinen Vorrang bei den Reparationsleistungen und durch seine Forderung, diese in Gold zu erhalten und nicht in natura, nach der Meinung der amerikanischen Bankwelt den Schlüssel für die wirtschaftliche Wiederherstellung von Deutschland in Händen hielt. Wenn wir nun wissen, dass von dieser wirtschaftlichen Wiederherstellung die Wohlfahrt von Amerika und von Grossbritannien, selbst der ganzen Welt abhängt, dann begreift man, wie freigebig die Amerikaner waren, um mit Krediten an Deutschland und Mitteleuropa diese Wiederherstellung zu fördern. Aber Frankreich fuhr ihnen hierbei in die Räder; denn alles, was Amerika direkt oder unter Vermittlung von London, und alles was London direkt nach Deutschland zur Finanzierung vergab, fand doch früher oder später seinen Weg nach Frankreich in der Form von Reparationszahlungen. Deutschland konnte ja doch nicht so enorm viel exportieren, dass seine Handelsbilanz einen genügenden Überschuss erreichte, um seine Reparationsschuld an Frankreich zu erfüllen. Es musste daher aus seinem Kapital seine Schuld bezahlen, aber dieses Kapital war in der Form grosser Kredite durch Amerika und England gewährt. Dieser Zustand wurde unhaltbar. Deutschland konnte nicht bis in die Ewigkeit fortfahren, Geld aufzunehmen, Amerika und England konnten nicht fortfahren, Geld auszuleihen.

 

Infolge der bereits genannten Schwierigkeiten in Deutschland, Österreich und Mitteleuropa waren die ausländischen Forderungen von Amerika zum grossen Teile eingefroren. Fünfundachtzig Milliarden Dollar ist selbst für ein Land wie die Vereinigten Staaten keine Kleinigkeit. Eingefroren waren hiervon schätzungsweise sicher fünfzig bis fünfundfünzig Milliarden Dollar, der Rest war überhaupt nicht sicher: denn mehr und mehr begann man, an dem guten Willen der ehemaligen Alliierten ‑ mit Ausnahme von England ‑ im Zusammenhang mit der Zurückbezahlung ihrer Schulden an Amerika zu zweifeln.

 

Wir müssen. noch ein Endchen in der Geschichte der Nachkriegsjahre zurückgehen. Von dem ersten Tage der Unterzeichnung des Vertrages von Versailles an hat Frankreich die Bestimmungen davon als bleibend und heilig angesehen, nicht aus Geflühlsüberlegungen, sondern aus wohlverstandenem eigenem Interesse. Wie da auch in den letzten Jahren in Wort und Schrift versucht worden ist, die französischen Regierungen und die französischen Sachverständigen auf finanziellem Gebiet einsehen zu lassen, dass da von Deutschland nach den Klauseln dieses Vertrages mehr verlangt wurde, als es geben konnte ‑ man hat niemals Erfolg damit gehabt, dieser Meinung bei den massgeblichen Kreisen von Paris Eingang zu verschaffen. Solange die Franzosen von dieser Wahrheit nicht durchdrungen sind, gibt es keine Möglichkeit internationaler Zusammenarbeit. Dieses Jahr wird darüber in London eine Weltkonferenz abgehalten; ich gebe keinen Pfifferling für das Gelingen, wenn die französische Regierung ihren Standpunkt nicht von Grund auf revidiert. In allen Unterhandlungen, die seit 1920 geführt wurden, um zu einer Revision des Versailler Vertrages zu kommen, hat Frankreich sich stets einer Verminderung der deutschen Reparationsschuld an Frankreich widersetzt. Freilich wurden die Herabsetzungen doch durchgesetzt, aber Frankreich gab hierdurch nicht mehr auf als dasjenige, was es doch niemals bekommen hätte, und es wusste selbst aus der Herabsetzung noch Vorteile herauszuschlagen. So erhielt dieses Land bei der Annahme des Young‑Planes den grössten Teil der unabdingbaren Jahresleistungen und verstand es, dadurch sein Übergewicht gegenüber Deutschland instandzuhalten. Ich verurteile die Haltung Frankreichs nicht. Die Staatsleute und die Finanzsachverständigen dieses Landes werden durch Motive geleitet, die für alle Zeit auf eine Verhinderung einer Wiederholung von 1914 abzielten, und ein wohlhabendes Deutschland ‑ (die Deutschen waren für Europa immer die Raubritter aus dem Mittelalter und werden es allzeit bleiben) ‑ vergrössert die Möglichkeit dieser Wiederholung. Darum musste nach französischer Einsicht Deutschland wirtschaftlich schwach bleiben. Aber die Weit hat ein wohlhabendes Deutschland nötig, vor allem Amerika. Warum? Sucht das mal in wirtschaftlichen Lehrbüchern, in Betrachtungen praktischer internationaler Wirtschaft aller Zeiten nach, denn dicke Bücher auf diesem Gebiet beinhalten viel Unsinn und beweisen einen vollständigen Mangel an Einsicht in die Wirklichkeit der Dinge. Wirtschaftler sind nun einmal meistens Stubengelehrte. Sie .kennen eine Bank, eine Fabrik, eine Handelsfirma und eine Börse allein von aussen. Vergesst auch nicht, dass Wilson, als er noch Professor in Princetown war, in Amerika als der tüchtigste Ökonom galt. Aber ich bin abgeschweift. Also behaltet dies: Frankreich will kein wohlhabendes Deutschland, weil es um seine eigene Sicherheit besorgt ist; Amerika und England bedürfen eines wohlhabenden Deutschlands, weil sonst diese Länder selbst keine Wohlfahrt kennen. Um Deutschland wirtschaftlich schwach zu halten, macht Frankreich von seinem Recht auf Reparationsleistungen Gebrauch, das durch Mangel an Wirklichkeitssinn Wilsons und im Rausch des Sieges 1918‑1920 durch jedermann viel zu hoch veranschlagt und für Deutschland ein beständiger Alptraum ist. Alle deutschen Regierungen haben zwischen zwei Feuern gestanden: den Forderungen des Auslandes (vor allem Frankreichs) auf der einen Seite, und dem Unwillen im Binnenland auf der anderen Seite. Gaben sie dem Ausland nach, dann schalt sie das deutsche Volk ‑ und das kann hart schelten und schreien ‑, taten sie es nicht, dann drohte eine Besetzung durch französische militärische Macht. So ist das Ruhr‑Abenteuer entstanden. Frankreich hatte hiermit wenig Erfolg und wiederholte es dann auch niemals mehr, aber es fand einen anderen Weg, um von seinen Reparationsforderungen den gewünschten Gebrauch zu machen. Ich kann in dieser gedrängten Form nicht die ganze französische Politik analysieren. Ich will dazu nur dies sagen, dass Frankreich durch seinen hartnäckigen Widerstand gegen jede Herabsetzung und durch sein Einwilligen in Herabsetzungen nur dann, wenn andere Vorteile dafür an die Stelle kamen, genau solange seine Reparationsforderungen anwenden konnte, wie die Anleihen von Amerika und England an Deutschland und Österreich nicht zureichend waren, um eine wirtschaftliche Wiederherstellung zu bewirken und den Verpflichtungen des Vertrages von Versailles ‑ selbst abgeschwächt oder verändert ‑ nachzukommen.

 

Es wird niemanden verwundern, dass die Finanzwelt in Amerika nach Mitteln ausblickte, um Frankreich auf diesem Gebiet schachmatt zu setzen. Wenn die Waffe der Reparationsleistungen aus Frankreichs Händen geschlagen würde, dann könnte durch finanzielle Hilfe von Amerika und England Deutschland sich erholen und die Wohlfahrt in den zwei grössten Ländern der Welt würde wieder eine Möglichkeit werden. Es wurde zwischen den Bundesreservebanken und den unabhängigen leitenden Bankiers in den Staaten im Juni 1929 beraten. Erst später erfuhr ich, wozu dieser Ge­dankenaustausch geführt hat. Vorab erzähle ich noch kurz die Einsichten in die internationale Ölwelt. Es besteht eine internationale Ölwelt ebenso wie eine internationale Bankwelt, das ist sicherlich bekannt. Ölmagnaten sind gefrässige Herren. Standard Oil und Royal Dutch sind gute Freunde. Diese zwei Unternehmen haben die Welt in Felder aufgeteilt, und jeder hat für sich selbst eine bestimmte Anzahl Felder reserviert. So haben diese grossen Gesellschaften Jahre hintereinander grosse Gewinne machen können. Sowjetrussland hat dann das ganze Geschäft verdorben und gegen Standard und Royal Dutch heftigen Wettbewerb getrieben. Seitdem machen diese Unternehmen nur noch sechs oder sieben Prozent Gewinn von ihrem Kapital, das ist nicht ausreichend, um die Gefrässigkeit von Direktoren zu befriedigen. Die Konkurrenz von Sowjetrussland hatte vor allem Erfolg in Deutschland, weil die verschiedenen Regierungen in jenem Lande stets eine Annäherung an die neuen Herrscher in Russland suchten, und mit Handelsverträgen, Krediten usw. den deutschen Markt für russisches Öl und Benzin leichter zugänglich machten als für dieselben Produkte anderer Herkunft. Noch einige Absätze Geduld und Ihr werdet begreifen, wie es kam, dass Vertreter der Standard Oil und von Royal Dutch bei den Besprechungen anwesend waren, die die Bundesreservebanken 1929 mit verschiedenen amerikanischen Bankiers führten. Ich werde mich nun nicht mehr weiter über internationale finanzielle Angelegenheiten verbreiten und einfach berichten, welches 1929 mein Anteil an den bereits genannten Besprechungen war, welcher Auftrag daraus floss und wie ich den Auftrag ausgeführt habe. Für Liebhaber phantastischer Geschichten ist dieser Bericht trocken und frustrierend, schmeisst dieses Buch also weg. Für sie, die wissen, dass das wirkliche Leben mehr Aufregungen bringen kann als die stärkste Phantasie eines Romanschreibers, ist mein Bericht bald ebenso wenig geeignet, denn Aufregung unterstellt Mord, Totschlag, Diebstahl, Erpressung, Nötigung, Ehebruch und sex appeal. Mein Bericht ist einfach eine getreue Erzählung von vier Gesprächen, die ich mit dem "kommenden Mann" Europas, Adolf Hitler, geführt habe. Ich habe kein Schrifttum bringen wollen, ich erzähle nur mein eigenes Erlebnis, alles was ich gehört habe, und hier und da werde ich, zur besseren Orientierung des Lesers, meine eigenen Einsichten beifügen. Ich ziele nicht darauf ab, mit der Veröffentlichung meiner Erfahrung Hass gegen Personen zu züchten, ich will allein die Kriminalität eines Systems vor Augen führen, dass die Welt regiert und wo dass geschehen kann, das ich mitgemacht habe. Geschehen kann, ist nicht genau. Geschehen ist, will ich sagen.

 

Im Juli 1929 bekam ich eine Einladung, um am folgenden Tage in das Büro der Guarantee Trust in New York zu einer Unterhaltung mit Carter, dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats dieser Bank zu kommen. Carter war allein und fiel sogleich mit der Tür ins Haus. Am folgenden Tage sollte im Vorstandszimmer der Guarantee Trust eine Versammlung stattfinden, wo die Aufsichtsratspräsidenten der anderen Bundesreservebanken anwesend sein sollten, wie auch fünf unabhängige Bankiers, der junge Rockefeller und Glean fünf die Royal Dutch. Carter hatte in einer früheren Versammlung ‑ das war die Zusammenkunft vom Juni ‑ über mich mit den Herren gesprochen und alle waren darin einig, dass ich der Mann war, den man nötig hatte. Ich kann perfekt deutsch und war in Hamburg in einem uns befreundeten Bankhause vier Jahre tätig gewesen. Carter erzählte mir, worum es ging. Die internationalen finanziellen Verhältnisse wären mir genügend bekannt, darüber würde er daher nicht sprechen. Auch wüsste ich sicher gut, wie man in New York in der Bankwelt nach Mitteln ausblickte, um nun doch endlich einmal dem Missbrauch ein Ende zu bereiten, den Frankreich mit seinen Reparationsforderungen an Deutschland trieb. Ich bekam eine kurze Zusammenfassung von allem, was Frankreich auf dem Gebiet der internationalen Geldpolitik getan hatte. Carter wusste auch, dass man in London darüber ebenso dachte wie in New York. Ferner würde ich wohl sehen, was am folgenden Tage noch auf den Tisch kam, aber in jedem Falle rechnete er auf mein Kommen.

 

Natürlich kam ich am folgenden Tage. Carter und Rockefeller spielten die erste Geige, die anderen hörten und stimmten zu. Das Geschäft, um das es ging, war ganz einfach - Worte Carters ‑ jeder war ja einig, dass es nur ein Mittel gab, um Deutschland aus dem finanziellen Griff von Frankreich zu erlösen, und das war eine Revolution. Die Revolution konnte durch zwei verschiedene politische Gruppen ausgeführt werden. Zuerst kam die deutsche Gruppe der Kommunisten in Betracht, aber wenn eine kommunistische Revolution in Deutschland Erfolg hatte, würde die Macht Sowjetrusslands in Europa verstärkt und die bolschewistische Gefahr für den Rest der Welt vergrössert werden.

 

Blieb übrig eine Revolution, durchgeführt von einer Gruppe deutscher Nationalisten. In dieser Richtung gab es freilich verschiedene Gruppen, aber eine politische Bewegung war radikal genug, um einen wirklichen Umsturz in Deutschland zustande zu bringen, nötigenfalls mit Gewalt. Carter hatte von einem Bankdirektor aus Berlin über einen gewissen Hitler sprechen hören. Rockefeller hatte selbst einen kurzen Bericht in einer deutsch‑amerikanische Zeitung über die nationalsozialistische Bewegung unter Leitung dieses Mannes Hitler (er sprach diesen Namen 'Heitler' aus) gelesen. In der vorhergegangenen Versammlung war beschlossen worden, mit «jenem Mann Hitler» Verbindung aufzunehmen, um herauszufinden, ob er für amerikanische finanzielle Unterstützung zugänglich war. Nun wurde mir die Frage deutlich gestellt: War ich bereit, nach Deutschland zu gehen, mich mit diesem Mann Hitler in Verbindung zu setzen und zu dessen finanzieller Unterstützung die nötigen finanziellen Massregeln zu treffen? Es musste schnell gehandelt werden, denn je eher diese Nationalisten in Deutschland zur raschen Entwicklung gebracht werden konnten, desto besser. In den Unterhandlungen mit Hitler musste der Nachdruck vor allem darauf gelegt werden, dass da von ihm eine aggressive Politik erwartet wurde, eine Pflege der Revanche‑Idee gegenüber Frankreich. Hiervon erwartete man eine Angst auf französischer Seite und als Folge ein grösseres Mitgehen der französischen Regierung bei internationalen Problemen im Austausch gegen eine eventuelle Unterstützung durch Amerika und England an dieses Land bei einem eventuellen Angriff Deutschlands. Hitler durfte natürlich von diesem Zweck der Unterstützung nicht in Kenntnis gesetzt werden. Seinem eigenen Verstande und seiner Findigkeit musste dies überlassen werden. Es wurde abgesprochen, dass ich Hitler den Puls fühlen sollte hinsichtlich des Wieviels eines Betrages, den er für einen völligen Umsturz der deutschen Staatsordnung nötig zu haben glaubte. Sobald ich das wüsste, solle ich im Geheim‑Code des Guarantee Trust an Carter kabeln, woraufhin dieser Betrag nach Gutheissung auf meinen Namen bei einer europäischen Bank zur Verfügung gestellt werden solle, woselbst ich dann zur weiteren Abgabe an Hitler darüber verfügen könne. Ich habe diesen Auftrag angenommen. Warum? Wenn ich nun mir selbst diese Frage stelle, dann weiss ich keine Antwort zu geben. Im Jahre 1929 würde ich vielleicht gesagt haben: weil ich darüber mit Carter und Konsorten einig bin. Aber wann weiss ein Mensch, dass er gut oder schlecht handelt? Schliesslich geht es hierum nicht, ich erzähle und das genügt.

 

Drei Tage später war ich an Bord der "Ile de France" mit Bestimmung Cherbourg, zwölf Tage später war ich in München. Ich hatte Diplomatenpässe, Empfehlungsbriefe von Carter, von Tommy Walker (damals noch nicht kompromittiert), von Rockefeller, von Glean und von Hoover. Die diplomatische Welt stand mir damit ebenso offen wie die Geschäftswelt, die Bankwelt und nicht zuletzt der Kreis der Regierenden.

 

Hitler war nicht leicht zu erreichen. Dieser Mann war entweder feige oder aber er fürchtete, sich billig zu machen. Der amerikanische Konsul in München hatte keinen Erfolg damit, für mich eine Verbindung mit der Gruppe der Nationalisten Hitlers zustande zu bringen. Das war ein Zeitverlust von ungefähr acht Tagen. Ich beschloss, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und schritt mit einer Einführung durch den amerikanischen Konsul zum Bürgermeister von München, dem Oberbürgermeister Deutzberg. Der Beamte versprach mir, dass ich bereits am folgenden Tage Bericht empfangen solle, wo und wann Hitler mich würde empfangen können, aber ich zweifelte an seinen Worten. Er hatte jedoch nicht zuviel gesagt, denn bereits am folgenden Tage im Laufe des Morgens lag bei dem Portier meines Hotels ein freundliches Brieflein von Deutzberg, worin er mir Tag und Uhrzeit angab, wann Hitler mich im Bräukeller empfangen würde. Ich musste nur meinen Namen einem Kellner in diesem Café angeben und dann würde ich wohl zu Hitler gebracht werden. Es glich alles den Heimlichkeiten bei Maffiabanden. Ich ging und alles lief flott. Hinter dem grossen Saal dem Bräukellers ist ein gutes, altertümliches Zimmer, wo Hitler zwischen zwei Männern an einem länglichen Tisch sass. Ich hatte den Mann wohl einmal abgebildet gesehen, aber selbst ohne die Bekanntschaft durch Abbildung würde ich gewusst haben, dass Hitler der Mittlere war. Die drei Männer standen auf, stellten sich einzeln vor, durch den Kellner wurde mir ein grosser Krug Bier gebracht und ich konnte beginnen. Natürlich war ich nicht geneigt, mit meinem Auftrag in Gegenwart dieser zwei Begleiter herauszurücken. Ich bat dann auch um eine Unterhaltung unter vier Augen. Hitler flüsterte kurz mit den zwei Männern und sagte mir dann scharf. «Das ist nicht meine Gewohnheit. Können Sie sich gehörig ausweisen, dann werde ich es erwägen.» Er erwog nicht Ein Blick auf die zwei Männer war ausreichend, sie verschwanden.

 

Ich legte nun alle Einführungsbriefe auf den Tisch und ersuchte Hitler, davon Kenntnis zu nehmen. Gewissenhaft las er die Briefe und fragt mich dann, ob ich beabsichtigte, in einer amerikanischen Zeitung über meine Unterhaltung mit ihm etwas zu schreiben. Ich antwortete verneinend. Das erleichterte ihn sichtbar. "Ich liebe keine Journalisten", sagte Hitler weiter, "vor allem nicht amerikanische Journalisten".


 

Ich fragte nicht warum, es interessierte mich nicht. Vorsichtig stellte ich nun einige Fragen, auf alle bekam ich eine ausweichende Antwort oder ein einfaches Ja oder Nein. Inzwischen trank Hitler seinen grossen Bierkrug leer und schellte. Unverzüglich kam der Kellner, der mich hineingeführt hatte und nahm eine Bestellung auf. Der neue Krug schien für Hitler Sprechwasser zu sein, denn nun legte er los.

 

"Von allen Fremden sind mir die Amerikaner am ehesten sympathisch. Sie waren die ersten, die uns nach dem Kriege geholfen haben. Das wird Deutschland niemals vergessen. Ich spreche vom neuen Deutschland. Was denken Sie dort in Ihrem Lande von unserer Bewegung? ... Unser Programm ist doch ins Englische übersetzt. Die Zeit wird Sie lehren, was wir wollen. Das deutsche Volk ist durch die Bestimmungen des Versailler Vertrages zur Sklaverei verurteilt. Es gibt keine Freiheit mehr für Deutsche, weder im Inlande noch im Auslande. Unsere Regierungen sind seit 1918 aus Feiglingen und Verrätern zusammengestellt. Jeder ist käuflich. Das Volk hat den neuen Führern geglaubt. Juden und Marxisten sind hier die Herren. Zucht und Ordnung bestehen nicht mehr. Der deutsche Beamte ist unzuverlässig. Ein Unglück für das Land ... Das Geschwätz ist ohne Ende. Von dem Reichstag und den Landtagen ist nichts zu erwarten. Alle politischen Parteien betreiben schändlichen Kuhhandel. Die Regierung lässt sich das Gesetz durch das Ausland vorschreiben, anstelle die Zähne zu zeigen und fühlen zu lassen, dass das deutsche Volk noch zur Verteidigung imstande ist. Das Volk ist viel besser als die Regierungen ... Wie soll es anders werden? Wir führen eine intensive Propaganda gegen Verrat und Käuflichkeit, wir haben nun schon zwei Zeitungen und unsere örtlichen Organisationen wachsen sichtbar. Sie denken nun, durch Uniformverbote unsere Aktion zu beschneiden. Unsinn. Die Uniform ist ja doch nicht der Geist Wir fahren damit fort, den Geist des Volkes zu bearbeiten. Die Unzufriedenheit muss noch grösser werden, die Arbeitslosigkeit muss noch zunehmen. Dann nur können wir vorwärtskommen. Die Regierung hat Angst, weil wir bewiesen haben, dass wir den richtigen Weg zum Herzen des Volkes kennen. Wir bieten Arbeit und Brot Das können wir geben, wenn es wieder wie früher ein bewusstes deutsches Volk geben wird, das sein Lebensrecht unter den Völkern zu erobern weiss. Die Reichswehr ist auf unserer Seite, und unsere Abteilungen sind überall in strenger Zucht zur Entwicklung gekommen. Wir sind nicht auf die Utopie eines Judenbastards festgelegt wie die Marxisten, sondern unser Programm ist deutsch und von Kompromissen ist bei uns nicht die Rede ... »

 

Hitler machte auf mich einen eigenartigen Eindruck. Seine kurzen abgerissenen Sätze, das Durcheinander‑Gehaspel ohne ernste Beweisführung liessen mich unterstellen, dass dieser Mann innerlich leer war und Schwierigkeiten mit grossen Worten und Demagogie lösen wollte. Ich brachte die Organisation seiner Bewegung zur Sprache.

 

«In unserer Bewegung gibt es einen grossen Geist der Solidarität. Viele Arbeitslose haben sich uns in den grossen Städten angeschlossen, in den kleineren Orten viele Mittelständler, auf dem flachen Lande viele Bauern. Unsere Menschen opfern gern von dem wenigen, das sie haben, um der Bewegung vorwärtszuhelfen. Eine Unehrlichkeit oder Schiebung kann. bei uns nicht vorkommen, denn ich habe selbst alles in Händen. Die vorbildliche Zucht bei unseren Menschen lässt alle finanziellen Mittel automatisch zum zentralen Punkt hier in München fliessen und der zentrale Punkt bin ich ... Gewalt? Aber das versteht sich doch von selbst. Eine grosse Bewegung hat niemals ohne Gewalt praktischen Nutzen geliefert. Das selige Geschwätz von Pazifisten ist lächerlich. Diese Menschen leben nicht. Kraft ist Leben. Leben ist Gewalt. Blicken Sie mal zur Natur, blicken Sie mal zur Tierwelt. Dort gilt nur ein Recht: das Recht des Stärkeren ... Nach aussen hin? Aber das wird wohl nicht anders möglich sein. Ich will Amerika ausser Betracht lassen. Aber die anderen Länder. Haben Sie gedacht, dass Deutschland jemals ohne Gewalt seine Kolonien zurückbekommt, oder Elsass-Lothringen oder die grossen Teile von Polen oder Danzig? ... Geld? Gerade darum geht es. Darum muss das deutsche Volk frei werden, um sich wirtschaftlich Geltung zu verschaffen, dann nur kann das Geld verdient worden, um bei günstiger Gelegenheit mit der Kraft der Waren unsere Rechte zu erhalten ... Frankreich ist unser Feind, die anderen früheren Alliierten sind unsere Konkurrenten, das ist ein grosser Unterschied ... Mit dem Schwindel der jüdischen Banken muss ein Ende werden. Galizische Spekulanten streichen das Vermögen des Mittelstandes ein. Die grossen Warenhäuser machen den Handel für den Kleinbürger unmöglich ... Zins und Miete werden geregelt und abgeschafft werden ... Hier ist unser Programm, darin können Sie alles finden, was wir uns als Ziel gesetzt haben ... ».

 

Es war für mich an der Zeit, mit dem wahren Zweck meines Besuches zur Sache zu kommen ... Er liess mich nicht ganz aussprechen: «Schwierigkeiten? Natürlich gibt es Schwierigkeiten, aber diese halten mich nicht zurück. Ich habe Aufhebung der Entmündigung des deutschen Volkes zur Lebensaufgabe gewählt, und ich werde siegen oder dabei untergehen. Die grösste Schwierigkeit ist für uns, dass das Volk durch den jahrelangen Zustand von Hintansetzung indifferent geworden ist. Daher ist eine starke, grosse Propaganda nötig, die Geister wach rüttelt So eine Propaganda kostet Geld ... Nein, hohe Beiträge können wir unseren Menschen nicht auferlegen. Ich habe die Beiträge schon revidieren müssen, weil es viele gab, die sie nicht aufbringen konnten ... Es gibt wohl bestimmte Sympathien in manchen Kreisen für unsere Bewegung, vor allem beim Adel, aber die Sympathien sind nicht sauber. Ich will kein Knechtlein der monarchistischen Bewegung in Deutschland sein. Alle Adligen hier sind von monarchistischen Gedanken angesteckt, und darum lasse ich sie nicht in die Bewegung. Auf Sympathie bei den Grosskapitalisten können wir vorläufig noch nicht rechnen. Jedoch werden sie uns unterstützen müssen, wenn die Bewegung eine Macht geworden ist. Was denkt man in Amerika über unsere Bewegung? .. »

 

Die amerikanische Meinung über seine Bewegung schien Hitler besonders zu interessieren. Ich gab ihm die gleiche Antwort wie zuvor, nämlich dass wir in Amerika zu wenig von seinen Zielen wüssten, um uns ein Urteil bilden zu können. Wieder begann er, über die Schwierigkeiten zu sprechen. «Es gibt viele Arbeiter, die unserer Propaganda zugänglich sind, aber Selbsterhaltung hält sie davon ab, unserer Bewegung beizutreten. Die sozialdemokratischen Gewerkschaften haben starke Streikkassen, in dieser Zeit ist es natürlich für viele fast unmöglich, die Unterstützung der Vereinigung missen zu in müssen. Aber wir suchen nun nach einem Mittel, um die gutgesinnten Elemente aus den Gewerkschaften doch in unsere Bewegung aufnehmen zu können. Sie können da für uns nützliche Arbeit leisten und die Geister ihrer Mitgenossen mit gutem Ergebnis beeinflussen. Ich ar­beite zur Zeit einen grossen Plan für ein eigenes Pressebüro hier in München aus, für einen eigenen Verlag mit Filialen in Berlin, Hamburg und in einer Stadt am Rhein. Norddeutschland ist erst am Kommen. Bayern ist im allgemeinen günstig gesinnt, auch Sachsen.»

 

Es wurde schwierig, meinen Auftrag auszuführen. Hitler schien sich selbst gern reden zu hören, und wenn ich versuchte, ein kurzes Wort zu sagen, das Einleitung zur Mitteilung meines Auftrages sein konnte, sprang er auf einen anderen Gegenstand über. So fuhr er fort...

 

«Präsident Hindenburg steht unserer Bewegung nicht mit Sympathie gegenüber, aber er wird sich zur rechten Zeit doch nicht dem Volkswillen widersetzen. Die Clique der Aristokraten, die ihn umgibt, hat vor der aufkommenden Macht des deutschen Volkes Angst, weil wir sehr wohl einmal Rechenschaft über ihre feige Haltung gegenüber dem Auslande und den jüdischen Kapitalisten ... verlangen könnten ... » Er schweigt plötzlich, blickt mich lange an und sagt dann grimmig: «Sind Sie auch Jude? Nein, glücklicherweise. Wohl von deutscher Herkunft. Ja, das lese ich an Ihrem Namen ab.» Nun bekam ich endlich Gelegenheit, auf die Schwierigkeiten in Hitlers Bewegung zurückzukommen und ich kam rundheraus mit einem Vorschlag finanzieller Hilfe an den Tag.

 

Wann dies möglich sein würde? Was würden wir dann nicht erreichen können? «Ohne Waffen muss unsere Bewegung sich doch totlaufen. Uniformen können sie uns wegnehmen, doch wird unser Gedanke wachsen, aber Waffen haben wir nötig ... An den Bestimmungen von Verträgen störe ich mich nicht, und mit Geld kann ich überall Waffen bekommen. Hier in München haben wir für eine ausgesuchte Abteilung eine Schiess‑Schule eingerichtet, die von der Bewegung sehr geschätzt wird.»

 

Ich kam nun mit dem festumrissenen Vorschlag und fragte nach Hitlers Meinung über einen etwaigen Betrag. Das schien ihn in Verlegenheit zu bringen. Er schellte. Ein Gespräch im Flüsterton mit dem Kellner. Nervös spielte Hitler mit einem Notizbuch, er schien in Gedanken versunken. Ein langer hagerer Mann von schätzungsweise vierzig Jahren, offenbar Soldat in brauner Uniform, kam herein. Hitler nötigte ihn, neben ihm Platz zu nehmen. Ich wurde nicht vorgestellt, hörte jedoch wohl den Namen, mit dem Hitler ihn ansprach: von Heydt. Ohne Einleitung fragte Hitler ihn, was er nötig habe, um intensiv die Bewegung in ganz Deutschland zu propagieren. «Wir müssen mit dem Norden rechnen, wir müssen bedenken, dass wir mit Unterstützung der Arbeitslosen, die nun doch bei den Gewerkschaften sind, viel erreichen können, und wir dürfen nicht vergessen, wieviel nötig sein kann, um den Plan der Sturm-­Abteilungen gründlich auszuarbeiten. Bewaffnung kostet viel Geld, und die Schmuggler stellen hohe Forderungen.» Von Heydt nahm einen langen Bleistift vom Tisch, und auf der Rückseite eines Pappkartons begann er zu rechnen. Hitler lehnte mit dem Arm auf seinem Stuhl und folgte seiner Bezifferung. Dann übernahm er die Pappe des von Heydt und dankte ihm in einem Tone, der deutlich eine Anweisung war, uns allein zu lassen. «Sehen Sie einmal her. Eine Berechnung anzustellen ist für uns nicht leicht. An erster Stelle würde ich wohl wissen wollen, wieweit Ihre Auftraggeber zu gehen bereit sind. Ferner ist die Frage, ob sie, wenn ihre Unterstützung aufgebraucht ist bereit sein sollten, um aufs Neue beizuspringen. Von Heydt hat hier eine Bezifferung gemacht, ich kann damit in der Hauptsache einig gehen, aber ich würde erst wissen wollen, wie Sie diesen beiden Punkten gegenüberstehen. Dann kommt noch hinzu, dass wir unsere Berechnung nach bestehenden Plänen gemacht haben, danach gibt es noch verschiedene im Werden, die ausgearbeitet und zur Ausführung kommen, sobald die ersten geglückt sein werden. Ich denke an die Ausbildung unserer Abteilungen auf dem Gebiete des Segelfliegens, ich denke auch an die Beschaffung von Uniformen für Arbeitslose ‑ die Uniformverbote sind doch nur vorübergehend ‑ und an fernere Pläne.»

 

Ich musste natürlich die Antwort schuldig bleiben und machte noch einmal gut deutlich, dass diese erste Unterhaltung nur Kontaktsuche sei. Von seinen Gedanken über die Grösse der finanziellen Unterstützung würde es abhingen, ob meine Auftraggeber wirklich zum Verschaffen von Geldmitteln übergehen würden und dann erst könnte ein Höchstbetrag genannt werden. Das schien Hitler nicht zu gefallen, oder er fand es vielleicht zu verwickelt, denn in verstörtem Ton fragte er mich weiter, ob ich persönlich denn keine Vorstellung von dem Betrag hätte, den man ihm zur Verfügung stellen wolle. Auch hierauf musste ich ihm die Antwort schuldig bleiben. Ich erwartete nun, dass er fragen würde, warum ihm eigentlich das Angebot finanzieller Hilfe von amerikanischen Seite gemacht wurde, er fragte ganz etwas anderes. Wann würde ich das Geld bekommen können? Ich konnte ihm hierauf antworten, dass ich vermutete, dass sobald man in New‑York meinen telegrafischen Bericht im Hause habe, da wohl Massnahmen getroffen würden, um rasch das Geld nach Deutschland zu überweisen, wenn man über den Betrag einig sei. Er fiel mir wieder in die Rede. «Nein, nicht nach Deutschland, das ist viel zu gefährlich. Ich vertraue keiner einzigen deutschen Bank. Das Geld muss auf eine Bank im Auslande überwiesen werden, wo ich dann darüber verfügen kann.» Wieder besah er die Berechnung auf dem Blatt, als er mir zuflüsterte, als ob er einen strengen Befehl gäbe: «Hundert Millionen Mark».

 

Ich gab mein Erstaunen über seinen grossen Appetit nicht zu erkennen, versprach ihm, nach New‑York zu kabeln und ihm rasch die Antwort meiner Auftraggeber mitzuteilen. Davon wollte er nichts hören. «Sobald Sie einen Bericht aus Amerika haben, schreiben Sie dann nur an von Heydt, seine Anschrift ist Lützow‑Ufer 18, Berlin. Dieser setzt sich dann mit Ihnen wegen der weiteren Regelung in Verbindung.» Hitler stand auf, reichte mir die Hand, ein deutlicher Wink, zu gehen.

 

Auf dem Wege zum Hotel rechnete ich aus, dass hundert Millionen Mark ungefähr vierundzwanzig Millionen Dollar bedeuteten, ich zweifelte an der Bereitwilligkeit von Carter und Konsorten, einen derartigen Betrag als verlorenen Zuschuss in eine europäische politische Bewegung zu stecken. Schliesslich überlegte ich, dass sie in New‑York das auszumachen hätten und kabelte im geheimen Code eine kurze Zusammenfassung des Gespräches, das ich mit Hitler geführt hatte.

 

Am folgenden Tage ging ich zu einer Versammlung der nationalsozialistischen Partei in einen Zirkus. Morgens hatte ich hierzu eine Einladung empfangen. Hitler selbst sprach und nach ihm kam ein gewisser Falkenhayn. So wie in meinem Gespräch mit ihm fiel mir nun auch wieder die Leerheit seiner Darlegungen auf. Nirgends ein Schein von Beweisführung, kurze kräftige Sätze, abgehackt und nun herausgeschrien, demagogische politische Taktik, durchlaufende Aufpeitschung. Ich bekam Mitleid mit jenen Journalisten, die hier anwesend waren, um einen Bericht für ihre Zeitung zu schreiben. Von einer derartigen Rede, so kam es mir vor, ist kein Bericht zu machen. Hitler sprach nicht über die Bewegung, auch nicht über ein Programm oder über Verbesserungen, die er mit seinen Gefolgsleuten einfuhren wolle. Er schalt auf die Regierungen ab 1918, auf die grossen Banken, auf die Kommunisten, auf die Sozialdemokraten, auf die Juden und auf die grossen Warenhäuser. Seine Rede lief über von Worten wie Verräter, Diebe, Mörder, Gewissenlose, Volksverbrecher, Verleumder des deutschen Geistes usw. Er nannte keine Tatsachen, blieb vage und allgemein, aber ... er hatte Erfolg. Später vernahm ich, dass ungefähr hundertdreissig neue Mitglieder an diesem Abend den Nationalsozialisten beigetreten waren. Von Falkenhayn's Rede bekam ich den Eindruck, dass sie den Zweck hatte, die Zuhörer nach den aufpeitschenden Worten Hitlers zu beruhigen. Langstielig und halb unverständlich wollte Falkenhayn beweisen, dass Sowjetrussland für die Welt eine Gefahr sei, dass da von Sozialismus in der Union keine Rede sein könne und dass die Hitler‑Bewegung die erste Partei sei, die dem Volke den wirklichen Sozialismus bringe. Sein Erfolg war mässig.

 

Erst am dritten Tage empfing ich Antwort von Carter. Eine kurze Antwort, ebenfalls im geheimen Code, es würden zehn Millionen Dollar zur Verfügung gestellt, ich sollte nur kabeln auf welche Bank in Europa ich diesen Betrag auf meinen Namen wünsche. Carter dachte darüber anscheinend so wie ich, vierundzwanzig Millionen Dollar waren wohl etwas viel, um auf einmal in den Wind gestreut zu werden. Ich schrieb unmittelbar an von Heydt, und am folgenden Tag bekam ich von ihm einen telefonischen Anruf aus Berlin. Wir verabredeten uns in meinem Hotel.

 

Von Heydt kam noch am selben Abend in München in Gesellschaft eines unscheinbaren kleinen Kerlchens an, das er mir unter dem Namen Frey vorstellte. Ich empfing die Herren auf meinem Zimmer und teilte ihnen mit, dass New York bereit war, zehn Millionen Dollar auf eine europäische Bank auf meinen Namen zur Verfügung zu stellen, ich solle hierüber zugunsten von Hitler verfügen. Es müsste wegen Ausbezahlung und Überweisung des Geldes eine Regelung getroffen werden. Beide nahmen alles zur Kenntnis, ohne das geringste Erstaunen zu zeigen und sagten, nichts beschliessen zu können, ohne mit dem "Führer" beraten zu haben. Ich begriff nicht sofort, wen sie meinten, aber als ich weiterhin ein paarmal den Namen Hitler nannte, berichtige mich der kleine Frey brutal und sagte immer wieder: «Sie meinen den "Führer". Später habe ich oft bemerkt, dass in den Kreisen der Nationalsozialisten der Name Hitler niemals ausgesprochen wurde, sondern dass; man stets von dem Führer sprach. Na schön. Dann mal Führer.

 

Ich wartete in München auf Berichte des von Heydt, und er kündigte in einem kurzen Briefchen zwei Tage später seinen Besuch an. Er kam wieder mit Frey in mein Hotel. Mir wurde die folgende Regelung vorgeschlagen Ich solle nach New York kabeln, die zehn Millionen Dollar seien mit bei den Bankiers Mendelsohn ‑ Co. in Amsterdam zur Verfügung zu stellen. Selbst solle ich nach Amsterdam gehen und diese Bankiers ersuchen, mir zehn Schecks, jeden von einer Million Dollar, auszuhändigen, ausgeschrieben in dem Mark-Gegenwert und auf zehn Städte in Deutschland verteilt. Die Schecks solle ich dann zugunsten von zehn verschiedenen Namen indossieren und sie von Heydt, der mit mir nach Amsterdam fahren wolle, dort am Ort aushändigen Ich bekam das Gefühl, dass man mir eine von Handelsweise vorschrieb und mich am liebsten so schnell wie möglich aus Deutschland verschwinden sähe. Ich hatte keine Beschwerde gegen diese Regelung und die Sache verlief so wie von Heydt sie vorgeschlagen hatte.

 

In Amsterdam berührten mich zwei Dinge eigenartig. Im Büro von Mendelsohn ‑ Co. wurde ich mit ungewohnter Ehrfurcht empfangen und der von Heydt, der neben mir am Schalter stand, an dem ich um eine Unterredung mit dem Direktor gebeten hatte, wurde durch untere und hohe Angestellte behandelt, als ob er bester Kunde der Bank sei. Nachdem die Transaktion abgelaufen war und er die zehn Schecks in seiner Brieftasche hatte, ersuchte er mich, zum deutschen Konsulat mitzugehen. Auch dort wurden wir mit Ehrerbietung und Unterwürfigkeit empfangen, die deutlich den grossen Einfluss des von Heydt bewiesen.

 

Über Southampton reiste ich nach New‑York mit der Olympia zurück. Im Büro der Guarantee Trust Company stattet ich Carter meinen Bericht ab. Er liess mich jedoch nicht aussprechen und fragte, ob ich zwei Tage später kommen wolle, um in einer Vollversammlung zu berichten. Dieselben Herren wie im Juli waren anwesend, diesmal jedoch gab es auch neben Glean, der für die Royal Durch auftrat, einen Engländer, Angell; er war einer der Hauptangestellten der Asiatic Petroleum Company.

 

Carter war der Meinung, dass Hitler wohl der Mann sei, der sich etwas zutraue. Sie fanden alle, dass vierundzwanzig Millionen Dollar ziemlich zugepackt war, aber ich bekam den Eindruck, dass gerade die Grösse dieses Betrages Vertrauen in die Entschiedenheit und die Entschlossenheit des Führers weckte. Rockefeller erkundigte sich mit aussergewöhnlich grossem Interesse nach den Auslassungen des Führers über die Kommunisten, und als ich ihm einige Sätze aus der Rede anführte, die ich in München gehört hatte, sagte er, dass es ihn nicht verwundere, dass Hitler vierundzwanzig Millionen Dollar verlangt hätte. Ob ich auch habe vernehmen können, wie Hitler sich die Bewaffnung der Nationalsozialisten gedacht hätte und ob er seine Aktion vorzugsweise auf der Strasse durchführen wolle oder ob er mehr zu einer Umsetzung auf parlamentarischem Wege neige. Ich konnte hierauf nur sehr vage antworten, gab jedoch meinen persönlichen Eindruck wieder, dass Hitler alle Mittel ergreifen werde, dabei auf seinen Ausspruch bauend, aus er nun bei seiner Lebensaufgabe sei und siegen oder dabei untergehen wolle. Carter fragte mich weiter, wie Hitler zur Monarchie stehe und ob ich den Eindruck hätte, dass es ihm letztlich darum ginge, den Kaiser wieder nach Deutschland und auf den Thron zu bekommen. Ich antwortete, indem ich dazu Worte Hitlers anführte.

 

Ich weiss nicht, ob da 1929 und 1930 noch weitere Beträge aus Amerika an Hitler gezahlt wurden; falls es geschehen ist, dann haben sich die Herren einer anderen Zwischenperson bedient.

 

Wohl ist es eine Tatsache, dass ich einige Wochen nach meiner Rückkehr aus Europa in den Hearst‑Blättern ein besonderes Interesse an der neuen Partei in Deutschland bemerkte. Regelmässig wurden sogar kurze Berichte über Ausführungen Hitlers in der New York Times, der Chicago Tribune, der Sunday Times usw. veröffentlicht Wo man früher fast kein Interesse an der Innenpolitik Deutschlands gezeigt hatte, wurde nun das Programm der Hitlerschen Bewegung in langen Artikeln besprochen und manchmal bewundert. Im Dezember 1929 kam sogar eine lange Studie in einem Monatsblatt der Harvard Universität über die nationalsozialistische Bewegung in Deutschland heraus, in der Hitler als ein Retter für dieses Land zum Himmel erhoben und ihm erstmalig der Titel «the coming man of Europe» erteilt wurde.

  

 

 

 Springers Nazionismus

 

4. Kapitel: "Warburg-Bericht (1931)"

 

Ich habe versprochen, dass ich mich nicht mehr über internationale finanzielle Verhältnisse verbreiten würde. Das Versprechen war voreilig. Ich muss hier noch von einigen Ereignissen, die sich auf dem Markt von London und in New­ York abspielten, zum besseren Verständnis dessen, was weiter folgen soll, berichten. Es ist nicht romantisch, liebe Leser, aber beklagt Euch bei denjenigen, die Geschichte machen, nicht bei mir.

 

Im September 1931 gab die Bank von England den Goldstandard auf. Das will etwas sagen in einem Lande, das stets in der Finanzwelt das Gold als die Grundlage seines ganzen Geldsystems angesehen und in der Praxis folgerichtig die Goldtheorie angewandt hat Mit einer kurzen Unterbrechung von 1915 bis 1921 hat England seit den Tagen des grossen Penn das Gold als Eckstein seines Geldsystem gehabt. Die grundsätzliche und praktische Veränderung in England hatte für Amerika grosse Folgen. Die Bedeutung des enormen Goldvorrats der Bundesreservebanken wurde hierdurch erheblich herabgesetzt. Aber auf dem New Yorker Markt war dies nicht die Last, die man so sehr fühlte. Es war viel eher für Amerika das Begreifen einer Gefahr, die auch für den Dollar entstehen konnte. So wie es mit dem Pfund Sterling abgelaufen war, fürchtete man, würde es auch mit dem Dollar gehen. Die amerikanische Finanzwelt wusste, dass die Abschwächung des Pfundes Sterling hauptsächlich die Folge der Taktik Frankreichs war, die darauf ausging, London finanziell so zu schwächen, dass von dort Hilfe an Deutschland unmöglich wurde. Die Haltung New Yorks im Jahre 1931 unterschied sich nicht sehr von der Londons in den Jahren 1929 und 1930, und deswegen fürchtete man in Amerika, dass man derselben Taktik Frankreichs ausgesetzt sein würde, wie sie London erlebt hatte. Die französischen finanziellen Sachverständigen haben seit 1926 bewiesen, dass sie tüchtige Manövrierer sind, Poincaré ist das grösste finanzielle Genie dieser Zeit. Früher sahen amerikanische und englische Finanziers und Sachverständige mit einer gewissen Geringschätzung auf ihre französischen Kollegen herab. Die Jahre 1926 und 1931 und alles, was dazwischen liegt, haben uns gelehrt, dass wir in Paris auf finanziellem Gebiet noch sehr wohl in die Schule gehen können. Vielleicht später werde ich dies noch gelegentlich dem ungläubigen Leser beweisen. Dies liegt nicht innerhalb des Rahmens dieses Buches. New York war in Spannung. Die Spannung wurde zur Unruhe, als ‑ wie es in früheren Jahren in London geschah - enorme Goldverschiffungen von New York nach Europa stattfanden und als es schien, dass diese Verschiffungen zu einem grossen Teile für Frankreich bestimmt waren. Ganz richtig ist das nicht. Am Beginn sahen wir die Goldverschiffungen sogar gern, denn wir hatten schon lange unseren Glauben an die Finanzlegende verloren, dass grosse Vorräte Gold auch wirklich Wohlfahrt für das Land bedeuteten. Das französische Volk glaubt noch an dieses Märchen. Aber als da Ende September 1931 und Anfang Oktober 1931 in drei Wochen zwischen 650 und 700 Millionen Dollar Gold nach Europa verschifft worden waren, da begann uns die Bewegung zu beunruhigen. Es ging hier noch allein um private Verschiffungen. Die französischen Regierungs‑Hinterlegung in Gold bestanden noch bei den Bundesreservebanken. Ende Oktober wurden diese auf 800 Millionen Dollar geschätzt Wenn diese auch einmal abgerufen würden, was war dann? Natürlich waren wir in der Lage, diesen Betrag abzugeben, aber das würde in den Staaten eine Panik verursacht haben und die Flucht aus dem Dollar würde Tatsache geworden sein. Also: Frankreich hatte eigentlich den Schlüssel zur Dollar‑Lage in Händen.

 

Wir gehen wieder einige Wochen zurück. Hoover hatte in diesen Tagen einem Redakteur der Chicago Tribune ein Interview gewährt. Unbewusst spielten sowohl Hoover wie dieser Redakteur die Karte Frankreichs. Wussten Sie, dass ein Rockefeller, ein Wannamaker, ein Harding, Sohn des verstorbenen Präsidenten, und ‑ dass ich es mal ruhig sage ‑ Hoover selbst auf diesem Gebiet kindlich unbeholfen war und naiv sind? Ich kenne auch Hauptfiguren in europäischen Ländern, die ebenso wenig von internationalen Finanzen und Wirtschaft wissen. Das ist also keine spezifisch amerikanische Erscheinung.

 

Wir fahren fort. Hoover hatte diesem Redakteur seine Absicht erzählt, dass er binnen kurzer Zeit mit eingreifenden Vorschlägen kommen würde in Verbindung der Reparationsleistungen Deutschlands mit der Regelung der Kriegsschulden zwischen allen Staaten; man konnte sogar aus den Mitteilungen dieses Redakteurs erkennen, dass es nicht unmöglich war, dass Hoover einen Vorschlag zur Annullierung der Reparationsleistungen unterbreiten würde. Diese Vorstellungen wurden in Amerika etwas ungewöhnlich aufgenommen. Aber Frankreich war auf der Hut. Ich weiss nicht, ob Hoover aus eigener Initiative Laval eingeladen hat, im Oktober 1931 nach Washington zu kommen, oder ob Laval sich hat einladen lassen. In den Finanzkreisen von New York behauptet man, dass letzteres der Fall gewesen sei. Laval würde also nach Washington kommen. Aber unerwartet kamen da am 15. Oktober zwei französische Sachverständige nach New York, am Tage, an dem Laval seine Reise in die Staaten antrat. Die französischen Sachverständigen waren Farnier, Generalbeauftragter der Bank von Frankreich, und Lacour‑Gayet, früherer Finanz‑Attaché der französischen Gesandtschaft in Washington. Sie setzten sich unmittelbar mit den Führern der Bundesreservebanken in Verbindung, die sofort zwei Vertreter des Finanzministeriums dazuholten. Es wird noch immer über alles, was in der berüchtigten Zusammenkunft besprochen worden ist, geklatscht. Von Carter weiss ich, was in der Hauptsache behandelt wurde. Über Einzelheiten hat er sich niemals auslassen wollen. Ich habe wohl erfahren können, dass die Besprechungen nicht immer gerade freundlich gewesen sind. Die Franzosen waren nach New ­York gekommen, um mit den Bundesreservebanken zu beraten, was in New York geschehen war. Sie behaupteten, dass die französische Regierung einige Millionen an dem Sinken des Pfunds Sterling und an der Aufgabe des Goldstandards verloren habe. Die schwache Lage des Dollars hätte in Paris Unruhe geweckt, und sie wollten verhindern, dass sie am Dollar ebenso viele oder noch grössere Verluste wie am Pfund Sterling erlitten. Darum möchten sie wissen, was getan würde, um den Dollar zu stabilisieren. Natürlich kamen die enormen Goldverschiffungen nach Europa zur Sprache und selbstverständlich auch die grossen Hinterlegungen für französische Rechnung bei den Bundesreservebanken. Die Franzosen erklärten sich bereit, einen Betrag von ungefähr zweihundert Millionen Dollar, der für französische Rechnung bei privaten französischen Banken ausstand, auf die Bundesreservebanken zu übertragen, wodurch ihre Lage verstärkt werden würde. Aber die Franzosen stellten Bedingungen. In erster Linie müssten die Bundesreservebanken einen Mindestkurs für den Dollar in Bezug auf die französischen Beträge garantieren, die in Amerika ausstanden, zum zweiten sollte der Zinsfuss für diese Beträge bis auf 4,5 % erhöht werden und zum dritten sollte ein Mindestguthaben bestimmt werden, das Frankreich stets in den Staaten unterhalten müsse. Als die Amerikaner nicht sofort bereit waren, auf diese Bedingungen einzugehen, teilten die Franzosen mit, so «en passant», während es für sie doch die Hauptsache war: dass eine Vereinbarung, die sie, Farnier und Lacour‑Gayet, mit den Bundesreservebanken schliessen würden, Unterteil einer allgemeinen Vereinbarung bilden müsse, die Laval mit Hoover einige Tage später in Washington abschliessen würde. Deutlich kam zum Vorschein, dass Hoover durch Laval von seinen Plänen um die Reparationszahlungen und die Schuldenregelung abgebracht werden sollte, und dass Laval von der Stützung Gebrauch machen würde, die New York von den französischen, in Amerika ausstehenden Regierungsbeträgen nötig hatte, um den Präsidenten zum Aufgeben seiner Pläne zu zwingen. Niemand kann sagen, wie das Ergebnis dieser Gespräche ‑ sowohl in New­ York wie in Washington gewesen ist. In New York widersetzte sich die Bankwelt hartnäckig dem Gedanken, dass sich die Staaten für einen Betrag von 800 Millionen Dollar ‑ die französischen in Amerika unterhaltenen Beträge ‑ für die französischen Absichten auf internationalem Gebiet verkaufen liessen. Aber es ist doch eine Tatsache, dass Hoover dem Laval das Versprechen gegeben hat, nichts in Sachen Reparationsfrage oder Schuldenregelung zu unternehmen, ohne vorher bei der französischen Regierung Rat zu holen. Als das in Washington bekannt wurde, verlor Hoover mit einem Schlage sein Ansehen in diesem Milieu. Das hat noch bei den Präsidentenwahlen nachgewirkt, und viele behaupten, dass es dem zuzuschreiben ist, dass Hoover nicht wiedergewählt wurde. Man vergisst jedoch, dass Hoover zwischen zwei Feuern stand. Auf der einen Seite die amerikanische Bankwelt mit den Bundesreservebanken an der Spitze, die den Standpunkt einnahm, dass Amerika die französischen Einlagen ebenso gut auch missen könne, weil diese durch Frankreich missbraucht würden, um einen moralischen Einfluss auf die Staaten‑Regierung auf dem Gebiet der internationalen Politik auszuüben; auf der anderen Seite das Finanzministerium, dessen Führungskräfte auf das Vorbild Englands wiesen und alles tun wollten, um eine Panik wegen der Dollar‑Lage zu verhindern.

 

Im Oktober 1931 war die Lage in Wall Street gedrückt und die Stimmung war düster. Ende des Monats empfing ich den folgenden Brief Hitlers aus Berlin:

 

«Unsere Bewegung wächst über ganz Deutschland mit einer Schnelle, die grosse Forderungen an die finanzielle Organisation stellt. Ich habe den Betrag, der mir durch Sie besorgt wurde (sic), zum Ausbau der Partei gebraucht und sehe nun, dass ich in absehbarer Zeit festlaufe, wenn da keine neuen Einkünfte gefunden werden. Ich verfüge nicht wie unsere Feinde, die Kommunisten und die Sozialdemokraten, über die grossen Finanzquellen von Regierungen, sondern ich bin ausschliesslich auf Beiträge in der Partei selbst angewiesen. Von dem Betrage, den ich empfangen habe, ist nichts mehr übrig. Im folgenden Monat muss ich die letzte grosse Aktion starten, die uns zur Übermacht in Deutschland bringen kann. Dafür ist viel Geld nötig. Ich ersuche Sie, mir umgehend zu berichten, auf wieviel ich von Ihrer Seite rechnen kann.»

 

An diesem Brief fielen mir zwei Dinge auf. Es war das erste Mal, dass Hitler mir gegenüber das Wort Partei gebrauchte, und sein Ton war mehr der eines Anspruchhabenden als der eines Bittenden. Der Brief war wohl aus Berlin datiert, erreichte mich jedoch in einem Umschlag mit amerikanischer Briefmarke, abgestempelt in New York. Hitler hatte also bereits einen Vertrauensmann in den Staaten, und zwar in New York.


 

Am folgenden Tage war ich bei Carter und gab ihm den Brief. Carter war der Leiter der Opposition gegen das, was er die Alte-­Weiber‑Haltung der Regierung angesichts der französischen Forderungen nannte. Der Bericht über die veränderte Haltung Hoovers hatte ihn derart gereizt, dass er bei jeder Gelegenheit seiner Wut auf Frankreich gegenüber jedermann, der es nur hören wollte, freien Lauf liess. Carter ist ein aufbrausender Mann. Er las den Brief von Hitler und begann zu lachen, dann fluchte er und schalt sich selbst einen grossen Dummkopf. Zu mir sagte er: "Was sind wir schliesslich doch für Esel, von 1929 ab haben wir nicht an "diesen Mann" Hitler gedacht. All diese Zeit über hatten wir die Mittel in Händen, um Frankreich kleinzukriegen und wir haben es nicht gesehen. Warten Sie, noch mittags müssen wir hier zusammenkommen, und ich werde probieren, Montagu Norman von der Bank von England, der in New York ist zu erreichen. Wenn er kommen will, dann können wir Nägel mit Köpfen machen. Sie kommen natürlich auch.»

 

Die Versammlung in den Büros der Guarantee Trust war vollzählig. Ich kann dies nur durch die Tatsache erklären, dass der gespannte Zustand auf dem Finanzmarkt in New York die Anwesenheit der Führenden nötig machte und Carter sie daher alle leicht erreichen konnte. Die Meinungen waren geteilt. Rockefeller, Carter und McDean waren die Hitlerianer, wenn ich so sagen darf, und die anderen schwankten. Montagu Norman musste erst in Kenntnis gesetzt werden von dem, was sich 1929 abgespielt hatte. Er fand einen Betrag von 10 Millionen Dollar ziemlich hoch für die Finanzierung einer politischen Bewegung, eine Meinung, die die anderen nicht begriffen, umso mehr als es doch bekannt war, dass politische Parteien in England hohe Beträge für ihre Propaganda verbrauchten. Glean von der Royal Dutch teilte die Meinung von Montagu Norman. Er sagte weiter, dass er in den Veröffentlichungen Hitlers wenig Aggressivität gegenüber Frankreich habe bemerken können. Er hätte den Eindruck, dass Hitler ein grosser Schreier sei, der niemals zu Taten kommen würde. Auch ihm fiel es auf, dass Hitler seine «Bewegung» offenbar in eine «Partei» umgeformt hatte und dass seine parlamentarischen Absichten hierdurch voran kamen. Glean beschloss seine Meinungsäußerung damit, dass genug geschwätzt würde, in Deutschland mehr als anderswo, und dass ein Mann wie Hitler, einmal im Reichstag, mit einer Mehrheit seiner Anhänger hieran mittun würde, ohne die Bohne am wirklichen Zustand zu verändern. Carter und Rockefeller bestritten diese Meinung und sagten, dass Hitler, wenn er eine Mehrheit im Parlament bekäme, dies ihn nicht seines Programmes entledigen könne, das ihn gegenüber dem deutschen Volk band; er würde daher wahr machen müssen, was er in Reden und Artikeln stets als einziges Mittel angegeben hätte, um aus den Schwierigkeiten herauszukommen. Neben seiner parlamentarischen Aktion würde er auch mit seinen Männern auf die Strassen gehen, wolle er den grossen Anhang in Deutschland nicht verlieren. Endlich kam man zu dem Beschluss, dass weitere finanzielle Unterstützung dem Hitler grundsätzlich gegeben werden solle, aber dass, bevor man einen Betrag bestimme, es nötig sei, dass sich jemand von dem letzten Stand in Deutschland überzeuge und die Hitlerpartei aus der Nähe betrachte. Ich wurde gefragt, ob ich bereit sei, diese Untersuchung anzustellen, und je nachdem wie meine Befunde ausfielen, sollte ich einen Betrag an Carter kabeln, der auf demselben Wege wie 1929 überschrieben würde.

 

Ich konnte mich nicht sogleich von meinen eigenen Geschäften freimachen und fuhr erst zehn Tage später nach Europa.

 

Seit 1929 hatte sich in Deutschland viel geändert. Die nationalsozialistische Bewegung, deren Führer mich 1929 in einem Bräukeller in München empfing, war nun an die Oberfläche gekommen und hatte in derselben Stadt ein Hauptquartier in einem der schönsten Gebäude mit bester Nachbarschaft. In anderen Städten, in Berlin, Hamburg, Frankfurt, Düsseldorf, Köln, hatten die Nationalsozialisten ein eigenes Haus, wo wie vor einer Kaserne zwei Uniformierte Tag und Nacht auf Posten standen. Ich sah viele Passanten die Wachtposten mit einer Armhaltung grüssen, die sehr dem faschistischen Gruss glich, wobei sie einander «Heil Hitler» zuriefen. Es war wahrlich nicht viel Studium nötig, um zu sehen, dass der Anhang Hitlers seit 1929 enorm gewachsen war. Meine Reise durch Deutschland konnte ich verkürzen, denn überall sah ich das gleiche Bild. An Sonnabendnachmittagen und an Sonntagen war in den meisten Städten die Mehrheit der Jugend in Uniform und sie zog in Formationen aus, die sich in nichts von militärischen Abteilungen unterschieden. Es gab zwar Unterschiede in Uniformen, aber braun und schwarz herrschten vor. Hakenkreuze ‑ Symbol der Hitlerpartei ‑ sah man überall, sogar Frauen trugen eingerahmte Hakenkreuze auf Täschchen. Die Verkäuferin in dem Zigarrengeschäft in Berlin, in dem ich regelmässig meine Einkäufe tat, trug ein grosses Hakenkreuz an einer dünnen Halskette. Deutlich kam die Absicht des Bekennens zum Ausdruck, vielmehr als an sinnlosem Aufputz zu sehen war. In Hamburg hatte ich ein Gespräch mit einem Bankdirektor, den ich noch von früher kannte. Er war sehr von Hitler eingenommen und bekannte, dass er früher viel mehr Vertrauen in die Deutschnationale Partei gehabt hätte, aber er zweifelte an dem Erfolg dieser Bewegung, weil die Monarchisten dort Herr seien und das deutsche Volk den Verrat der kaiserlichen Familie im Jahre 1918 noch nicht ganz vergessen hätte. Es fiel mir schwer, seine Meinung ernst zu nehmen, weil er Jude ist. Ich musste Aufklärung haben und fragte ihn, wie es möglich sei, dass er als Jude für die Hitlerbewegung Sympathien hätte. Er lachte. "Hitler ist ein starker Mann und den hat Deutschland nötig. Es muss ein für allemal mit Halbheiten und Kompromissen ein Ende sein. Das deutsche Volk ist nicht reif für die Demokratie. Als ein Kaiser das Land regierte, vielleicht ganz schlecht, und dieser allein für den Gang der Dinge verantwortlich war, da gab es kein Meckern. Jedermann erfüllte seine Aufgabe und begriff seine Pflicht. Deutsche haben eine ganz andere Einstellung als Engländer und Amerikaner. Es muss in Deutschland jemanden geben, zu dem sie aufsehen können, dann tun sie, was befohlen wird, weil es letztlich doch auf den starken Mann ankommt, der an der Spitze steht. Für einen Ebert haben sie im Grunde niemals etwas anderes als Spott übrig gehabt. Selbst die Sozialdemokraten nicht. Und was Hindenburg betrifft, so haben sie viel Ehrfurcht vor ihm, aber sie betrauern, dass er nicht als Regierender im wahren Sinne des Wortes handeln kann. Von 1918 an haben wir bürgerliche Kanzler gehabt, durch die Politik sind sie bis zur höchsten Sprosse der Leiter hochgeklettert. Vor ihnen hatte man keinen Respekt. Ein Prinz von Geblüt, in Opposition zum Kaiser, der würde einen guten Reichskanzler abgegeben haben." Ich machte die Anmerkung, dass doch auch Hitler von niederer Herkunft sei. Sicher, aber das sei ganz etwas anderes, Hitler arbeite sich selber hoch, krieche nicht in eine politische Partei, um sein Ziel zu erreichen, sondern stampfe eine eigene Partei aus dem Grund. «Ihr sollt sehen, dass Hitler kommt Es kann noch ein Jahr dauern, aber dann ist er 'der' Mann in Deutschland. Er hat in den Schützengräben begonnen und wird als Diktator enden.» Wieder stellte ich die Frage, wie mein Gewährsmann, obwohl selbst Jude, Anhänger einer Hitlerpartei sein konnte. Er schaffte sich dies mit einer billigen Redensart vom Halse. «Mit Juden meint Hitler die galizischen Juden, die seit Kriegsende Deutschland verpesten. Die Juden von althergebrachtem deutschem Stamm erkennt er vollkommen als 'ebenbürtig' an und er wird, wenn seine Zeit gekommen ist, uns durchaus nicht belästigen. Auch dürfen Sie nicht vergessen, dass in der sozialdemokratischen und in der kommunistischen Partei der Ton durch Juden angegeben wird. Die wird er wohl nehmen, nicht weil sie Juden sind, sondern weil sie Kommunisten oder Sozialdemokraten sind.» Ich stellte noch eine Frage, Hitler sei doch auch bekanntermassen gegen das jüdische Bankkapital, ich kann wohl sagen, gegen das Bankwesen im allgemeinen. Mein Gewährsmann fand mich sehr naiv. "Das Programm Hitlers ist nicht in allen Punkten zur Verwirklichung da", sagte er, "und das weiss Hitler auch sehr gut, aber um die Masse für seine Bewegung zu gewinnen, muss er auch unerfüllbare Wünsche wecken, besonders dieser Punkt ist wohl der geringste, über den wir uns zu beunruhigen brauchen. Wem Hitler einmal an die Macht kommt, dann braucht er Masse nicht mehr zu beachten, denn er ist stark genug, seinen eigenen Willen durchzusetzen."

 

Zwei Tage später sprach ich mit einem Grossindustriellen in Berlin, auch er war ein Anhänger des Nationalsozialismus. Ferner las ich alle Blätter, und wenn es eine Durchschnittsübersicht der politischen Strömungen in der deutschen Presse gab, musste ich zu der Einsicht kommen, dass danach die nationalsozialistische Partei in Deutschland die grösste Aktivität an den Tag legte und sehr sicher festen Fuss in allen Schichten der Bevölkerung gefasst hatte und dass die Gegenwehr von Kommunisten, Sozialdemokraten und von anderen Parteien lau und bestimmt ungenügend war.

 

Ich kam mehr und mehr zu der Überzeugung, dass Hitler nicht experimentierte, sondern ein deutlich beschriebenes Ziel in Übereinstimmung mit der Mehrheit des deutschen Volkes erreichen wollte. Es wurde nun Zeit für mich, mich mit Hitler in Verbindung zu setzen, und ich schrieb an die Anschrift in Berlin, die ich von ihm erhalten hatte, vom Hotel Adlon aus, in dem ich abgestiegen war. Am folgenden Tage wurde ich ans Telefon gerufen, als ich in der Halle des Hotels Zeitungen kaufte. Eine Stimme, vermutlich die einer Frau, fragte mich, ob ich abends in meinem Hotel zu sprechen sei und sie nahm Bezug auf ein Schreiben, dass ich an den «Führer» gerichtet hatte.

 

In meinem Zimmer empfing ich von Heydt und einen Neuling. Er wurde mir als Lütgebrune vorgestellt. Nach einer kurzen Mitteilung des von Heydt ergriff Lütgebrune das Wort. Es war, als ob er eine vorbereitete Rede hielt, von Zeit zu Zeit blickte er auf ein kleines Bündel Notizen.

 

«Unsere Aktion bei den Arbeitslosen hat über Erwarten Erfolg gehabt, aber sie kostet viel Geld. Die Häuser in den verschiedenen Städten sind wie Kasernen eingerichtet, unsere Männer schlafen dort, essen dort, alles auf Kosten der Partei. Uniformen werden durch uns verschafft. Diejenigen, die bezahlen können, kaufen die Uniformen, aber die Arbeitslosen dürfen nicht durch die Kosten ihrer Ausrüstung abgeschreckt werden. So sind wir wohl verpflichtet, unseren arbeitslosen Mitgliedern gratis Uniformen und Ausrüstung zu verschaffen. Unser Fuhrwerk ist teilweise Eigentum von Parteimitgliedern, aber wir haben Lastwagen und andere Fuhrmittel auf eigene Kosten anschaffen müssen, vor allen in den Gegenden, wo wir noch nicht stark genug sind. Es gibt Parteimitglieder, die ihren Lastwagen nicht an die Bewegung ausleihen, weil sie Angst haben, dass dann ihre Kunden wegbleiben. Dann gibt es noch die Waffen. Wir müssen Waffen von Schmugglern kaufen und diese stellen hohe Forderungen. An den Grenzen zu Österreich, Holland und Belgien haben wir unsere Einkaufsposten, aber oft werden diese durch die Behörden beschlagnahmt Dabei gehen Tausende verloren und wir müssen wieder von neuem beginnen. Zu direkten Verbindungen mit den Waffenfabriken sind wir noch nicht gekommen, nur mit der F.N.‑Fabrik in Belgien haben wir einen Vertrag, aber die Menge, die man uns garantiert hat, ist zu klein. Unsere Sturmtruppen sind ungenügend ausgerüstet. Maschinengewehre können wir noch nicht kaufen, Revolver und Karabiner reichen nicht aus, um auf die Strasse zu gehen. Dabei ist der Zufluss Arbeitsloser in einigen Städten gewaltig, und jeder neue Mann kostet uns Geld.»

 

So fuhr Lütgebrune noch eine ganze Zeit fort. Von Heydt ergriff wieder das Wort und teilte mir mit, dass der "Führer" mich am folgenden Tage morgens um elf Uhr in dem Hause Fasanenstrasse 28 empfangen würde. Ich hätte nur meinen Namen dem Dienstmädchen anzugeben. Fasanenstrasse 28 ist ein gewöhnliches herrschaftliches Haus. Von aussen konnte ich nicht sehen, dass sich hier der Führer aufhielt, keine braunen Uniformen, keine Zeremonien. Ein gewöhnlicher Besuch bei einem gewöhnlichem Bürger. Hitler war in den zwei Jahre, die ich ihn nicht gesehen hatte, gealtert. Ich fand ihn jedoch weniger nervös, würdiger, auch besser gepflegt in Äusserem und in Kleidung, ich würde sagen, dass er selbstbewusster geworden war. Das Wiedersehen mit mir schien ihm Vergnügen zu bereiten, denn er erkundigte sich mit Interesse nach allerlei Kleinigkeiten, die mich persönlich berührten. Dann, ohne Einleitung, wie es stets seine Gewohnheit war, kam er zur Sache.

 

«Ich habe nicht viel Zeit. Lütgebrune hat Sie in allem bereits mit dem Stand der Dinge vertraut gemacht. Was sagt man nun in Amerika? Gebt uns noch ein Jahr und wir haben die Macht in Händen. Lesen Sie die Berichte aus dem Reichstag? Wie finden Sie dort bei Ihnen unser Auftreten? Wenn dort einer unserer Vertreter aufsteht, dann lauschen sie allesamt, und die rote Bande zittert und bebt. Wir bekommen die Spitzbuben schon. Sie haben das deutsche Volk verraten und verkauft, aber dafür werden wir sie strafen. Wir haben einen Mobilisierungsplan fertig, der ist klipp und klar. Einer meiner besten Mitarbeiter ist Göring. Diesen habe ich damit beauftragt. Unsere Mannschaften sind in zwei Stunden im ganzen Lande auf den Beinen, um auf die Strasse zu gehen. Wir haben zunächst die Sturmabteilungen, deren Aufgabe es ist die Gebäude zu besetzen, die politischen Leiter gefangen zu nehmen, die Regierungsleute, die nicht mit uns sind; dann kommen unsere anderen Männer, diese besetzen endgültig die Gebäude, unsere Organisation wird dann ausgebaut. Wenn da Blut fliessen muss, dann soll da Blut fliessen. Eine Revolution macht man nicht mit einem Taschentuch. Ob das Taschentuch rot oder weiss ist, tut nichts zur Sache. Allein mit Gewalt kann man Verrätern mores lehren.»

 

Hier fragte ich doch, wie das Verhältnis zum Ausland werden müsse. Hitler stand auf und lief mit grossen Schritten durchs Zimmer. «Das Ausland teilen wir in zwei Lager, unsere Feinde und unsere Konkurrenten. Unsere Feinde sind in erster Linie Frankreich, Polen und Russland, unsere Konkurrenten sind England, Amerika, Spanien, die skandinavischen Länder und Holland. Mit dem Rest der Welt haben wir nicht zu rechnen. Die Bevölkerung von Elsass‑Lothringen muss zum Aufstand kommen, dasselbe in (Ober‑) Schlesien. Das ist unsere erste Aufgabe, sobald wir an der Macht sind. Will Frankreich es auf einen Krieg ankommen lassen, dann mal Krieg. Die Verträge von Versailles und andere erkennen wir nicht an. Ich will Deutschland und das deutsche Volk frei sehen. Wir dürfen uns nicht bewaffnen. Dann werden wir es im Geheimen tun. Alle deutschen Regierungen haben sich durch Frankreich in die Karten sehen lassen. Unsere Abteilungen sind keine Regimenter. Unsere Waffen sind kein Kriegsmaterial. In zwei Jahren bilde ich eines deutsches Heer aus, das stark genug ist, um Frankreich anzugreifen. Ich werde die chemische Industrie für Kriegszwecke ausbauen. Mit unseren Konkurrenten ist die Sache noch einfacher. Ohne Deutschland können sie nicht arbeiten und leben. Ich werde Forderungen stellen. Überall wo deutsche Erzeugnisse durch hohe Zölle zurückgewiesen werden, werde ich zeigen, dass sie Deutschland nötig haben. Die Landwirtschaft muss zu einer bisher ungekannten Produktion gesteigert werden. Das deutsche Volk muss seine Nahrung im eigenen Lande finden können. Und geht es nicht allein mit Frankreich, dann hole ich Russland dazu. Die Sowjets können unsere Industrieerzeugnisse noch nicht vermissen, wir geben Kredit, und wenn ich Frankreich nicht kleinbekomme, dann sollen die Sowjets mir dabei helfen.»

 

Ich muss hier eine kleine Bemerkung machen. Ich habe dieses Gespräch nach meiner Rückkehr in mein Hotel wörtlich notiert, meine Notizen liegen vor mir, ich bin daher nicht verantwortlich für das Unzusammenhängende und das Unbegreifliche, wenden Sie sich daher an Hitler, wenn Sie seine Ansichten über die auswärtige Politik ungereimt finden. Ich fahre fort. «Stalin hat einen Plan gemacht, der wird Erfolg haben, weil das russische Volk dafür gewonnen wurde. Auch ich werde einen Plan aufstellen und mich strikt daran halten, und was die Russen können, das können die Deutschen zweimal so schnell, zweimal so intensiv. Nach einem Jahre meiner Regierung darf es in Deutschland keine Arbeitslosen mehr geben. Alle Juden gehen raus. Auch alle Kommunisten. Alle Sozialdemokraten. Die Lager, in denen ich sie einschliessen werde, sind jetzt schon bezeichnet. Die Reichswehr ist bis auf den letzten Mann auf unserer Seite. Die Regierung erkennt das nicht, ich gönne ihr das Besserwissen, ich bin meiner Sache sicher. Göring, Göbbels, Streicher und von Heydt sind verschiedene Male in Rom gewesen und haben mit Mussolini, mit Rossi, mit Dumini und anderen faschistischen Leitern die ganze Organisation dortzulande besprochen. Angepasst an unsere Zustände bauen wir auch unsere Organisation auf. Mussolini und Stalin, ersterer mehr als zweiter, sind die einzigen Leiter in der Welt, vor denen ich Achtung habe. Alle anderen sind ein Trupp alter Weiber. Stalin ist ein Jude, das ist schade. Hat von Heydt Ihnen erzählt, wieviel wir nötig haben? Als Ihr Brief kam, haben wir alles genau berechnet. Haben Sie dort in Amerika eine Ahnung, welche Schwierigkeiten wir hier haben? Wenn alles nur auf dem gewöhnlichen politischen Weg ginge, dann wäre es einfach, es gibt nicht eine Stadt in Deutschland, in der ich nicht mit Freude empfangen werde. Politische Stimmenmehrheit erreiche ich wohl. Aber das Volk muss Angst haben, dass, wenn meine parlamentarische politische Aktion nicht gelingt, die nationalsozialistische Partei nicht vor einer anderen Aktion zurückschrecken wird, um mein Ziel zu erreichen. Angst gibt es nur durch Machtbezeigung. Das Machtzeigen ist nur durch Uniformen und Waffen möglich. Wenn durch eine Gruppe Braunhemden ein paar Kommunisten totgeprügelt werden, dann ist das für unsere Partei von ebenso grossem propagandistischem Wert wie eine Rede von mir selbst. Mussolini hat eine neue Ära im politischen Leben eingeläutet, er ist der erste gewesen, der Innenpolitik mit etwas anderem als grossen Worten und parlamentarischen Anträgen gemacht hat. Kurzum, dieser ganze Apparat mit dem unsere Partei nach aussen Macht zeigt und das Volk beeindruckt, der kostet Geld. Ich habe Ihnen damals geschrieben, weil die Zeit drängt und nun der Augenblick da ist, die Sache tüchtig anzupacken. An einigen Orten waren wir schon verpflichtet, Arbeitslose abzuweisen. Das ist für die Bewegung sehr zu bedauern, denn mit Arbeitslosen kann man alles anfangen, wenn wir ihnen nur Uniformen und Essen geben können. Kennen Sie unsere Kasernen? Ich werde Sie hier in Berlin einmal ein Haus besichtigen lassen. Ich muss von den Gutsituierten nichts haben, die sind um ihre Haut zu sehr besorgt, wenn es darauf ankommt; den gewöhnlichen Arbeiter, den Proletarier, den haben wir nötig; die haben doch nichts zu verlieren. Haben Sie auch mit Lütgebrune gesprochen? Das ist ein Advokat, aber ein Intellektueller der guten Art, während mir die Intellektuellen bis in den Tod zuwider sind. Sie treten immer mit Wissenschaft und geschichtlichen Lektionen auf. Was haben sie mit ihrer Wissenschaft erreicht? Nichts. Nun sind wir an der Reihe, lasst nun einmal die Faust und das Schwert sprechen. Arbeiten und kämpfen, das ist doch sicher das ganze Leben. Träumen und Faseln haben noch niemals etwas zustande gebracht Haben Sie auch Verbindungen zur Reichsbank? Das scheint mir dort auch Pfuscherei zu sein. Schacht scheint mir noch der beste der ganzen Bande, aber er ist Doktor, das gefällt wir nicht. Gewöhnlich sind die Leute unzuverlässig geworden durch ihre Laschheit in der Wirklichkeit des Lebens. Das viele Studieren und die Träumereien müssen erledigt sein. Die Jugend muss auf das Land zur Arbeit und gedrillt werden, um sich, sobald es nötig ist, wehren zu können.»

 

Ich wurde nervös von seinem Auf‑ und Niederlaufen im Zimmer. Es kann auch sein, dass seine scharfen Worte und der Mangel an Linie in seinem Gespräch mich ermüdeten. Aber Hitler fuhr fort.

 

«Wenn ich in Amerika wohnen würde, dann würde ich mich nicht mit Politik befassen, denn dort ist das Volk wirklich frei, und Amerikaner zu sein, das ist ein Vorrecht. Deutscher zu sein, das ist in den letzten Jahren eine Schande geworden. Wir werden dafür sorgen, dass es wieder eine Ehre wird. Wissen Sie, dass sie mir diesen Schandnamen nicht geben wollen? Ich bin in Österreich geboren und darum bin ich kein Deutscher. Lächerlich. Aber sie sollen mich auf ihren Knien erkennen, nicht als einen der ihren, sondern als ihrer mehrere. Die Kommunisten beginnen Angst zu bekommen, die Juden denken, dass es nicht so weit kommen werde, und die Sozialdemokraten glauben noch, dass sie ihre Haut mit parlamentarischem Geschwätz und Gedrehe retten können. Wir haben hier in Berlin die besten Männer bei den Kommunisten, die Leiter klagen ihre Not in Moskau und bitten um Hilfe. Aber sie wissen nicht, dass Moskau nicht helfen kann. Sie müssen sich selber helfen, und dazu sind sie zu feige. Die schwierigste Geschichte ist das Verhältnis zu den Kirchen. Die lutherisch‑deutsche Kirche bereitet mir keine Schwierigkeiten, die anderen protestantischen Kirchen werden auch wohl beizeiten beidrehen, aber die Katholiken. Sie wissen doch, dass ich Katholik bin. Das Zentrum ist eine mächtige Partei und kann mit den bayerischen Parteien als Unterstützung sehr viel erreichen. Diese Partei müssen wir schonen, bis wir an der Macht sind. Aber darin sitzen auch Luder, das weiss ich wohl, aber vorläufig lasse ich sie links liegen. In einigen Distrikten treten die Bischöfe gegen die Nationalsozialisten auf, es gibt Priester, die Nationalsozialisten keine Absolution erteilen und die eine Kommunion verweigern. Ein tüchtiges Durchprügeln würde das verändern können, aber das ist hier nicht die gute Taktik. Wir müssen warten.

 

Also von Heydt hat keinen Betrag genannt. Lütgebrune auch nicht. Nein, das war nicht möglich, dieser kannte den Betrag nicht. Sehen Sie einmal, wir haben alles genau ausgerechnet, und wir überlassen die Wahl Ihrem Auftraggeber. Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder gehen wir auf die Strasse, sobald unsere Sturmabteilungen vollkommen organisiert sind, das ist eine Frage von drei Monaten, nachdem wir das Geld haben; oder wir arbeiten mit Wahlen, aufeinanderfolgend, und halten unsere Truppen für den Notfall bereit Das erste nennen wir den Revolutionsplan, das zweite nennen wir den «Staatsumstellungsplan». Wie ich sagte, das erste ist eine Frage von drei Monaten, das zweite ist eine Frage von drei Jahren. Wie denken Sie selbst darüber?»


 

Ich konnte nicht mehr tun, als durch ein Schulterhochziehen meine Unkunde erscheinen zu lassen.

 

«Natürlich kennt Ihr Amerikaner die Zustände hier nicht und es ist schwierig zu sagen, welches der beste Weg ist, den wir betreten müssen. Aber was denken Sie, was Ihre Auftraggeber sagen sollen?»

 

Auch diesmal konnte ich keine Antwort geben. Hitler fuhr fort:

 

"Sehen Sie her. Ich bin noch nicht mit mir selbst und mit meinen Mitarbeitern einig, welchen Weg wir einschlagen müssen. Göring ist für die Revolution, kurz und gut. Die anderen sind mehr für die Umstellung und ich selbst neige zu beiden. Die Revolution kann in ein paar Tagen die Macht in unsere Hände spielen, die Umstellung verlangt lange Monate der Vorbereitung und viel Untergrundarbeit. Aber es gibt einen Grund, warum wir noch keine Entscheidung getroffen haben, und der ist, dass wir nicht wissen, auf wieviel Geld wir von Seiten Ihrer Auftraggeber zählen können. Wenn Sie im Jahre 1929 spendabler gewesen wären, dann wäre alles jetzt lange in Ordnung. Aber mit den zehn Millionen Dollar haben wir noch nicht die Hälfte unseres Programms durchführen können. Ich werde Ihnen nun unsere Berechnung in Einzelheiten mitteilen. Revolution will heissen, dass wir mit grossen Ausbezahlungen an Arbeitslose die Menschen an uns ziehen müssen und in einem schnellen Tempo Waffen kaufen und unsere Sturmabteilungen organisieren. Davon werden die Schmuggler Missbrauch machen und Preise fordern, die unsere Ausgaben gewaltig steigern. Mit grossem Geld werden wir wohl Erfolg haben, Maschinengewehre einzuschmuggeln, denn ohne Maschinengewehre hat es keinen Zweck loszuschlagen. Die Umstellung dagegen kann nur dann vollzogen werden, wenn wir durch Obstruktion im Parlament ‑ im Reichstag und in Landtagen ‑ verschiedene Wahlen forciert haben, die Masse wird dann wahlmüde und lässt sich durch unsere forsche Propaganda leicht verblüffen. Während wir unsere parlamentarische Arbeit tun, bewaffnen wir unsere Männer und organisieren die Sturmabteilungen. Einige von Zeit zu Zeit wiederkehrende Demonstrationen unserer Abteilungen gegen Kommunisten sind dann ausreichend, um dem Volk eine Vorstellung unserer bewaffneten Macht zu geben. Wir gebrauchen diese Zeit, um noch tiefer in die Reichswehr einzudringen. Mit einer Wahl, die uns wirkliche Mehrheit bringt, ist das Ergebnis erreicht und gleich dem, was eine Revolution uns in einem Monat oder dreien, vieren würde bringen können. Für beide Wege bin ich zugänglich. Alles hängt ab vom Gelde.»

 

Hitler nahm wieder am Tisch Platz. Er nahm ein kleines Notizbuch zur Hand, blickte zu mir auf und fuhr fort Eine Revolution kostet eine halbe Milliarde Mark. Die Umstellung kostet zweihundert Millionen Mark....» Er wartete etwas ... «Was werden Ihre Auftraggeber dazu beschliessen ?»

 

Ich konnte nicht antworten. Ich versprach, dass ich mich mit New York in Verbindung setzen und schnell berichten würde, was sie beschlössen. Hitler ergriff das Wort, stand auf und begann erneut zu wandeln.

 

«Ihre Menschen dort in Amerika haben doch sicher ein Interesse daran, dass unsere Partei hier in Deutschland die Macht in die Hände bekommt, sonst wären Sie nicht hier und die zehn Millionen Dollar wären mir 1929 nie gegeben wor­den. Ihre Ziele interessieren mich nicht, und wenn Sie es gut begreifen, müssen Sie einsehen, dass ich ohne finanzielle Mit­tel nichts erreichen kann. Die Kommunisten hier in Deutsch­land bekommen Geld aus Moskau, das weiss ich und das kann ich beweisen, die Sozialdemokraten werden durch die jüdischen Bankiers und durch die Grossbanken unterstützt und haben eine starke Parteikasse, die Deutschnationalen be­kommen enorme Beträge von der Grossindustrie und ihr Lei­ter Hugenberg ist Eigentümer verschiedener Zeitungen, die grosse Gewinne machen, die Zentrumspartei bekommt jeden Betrag, der nötig ist, von der katholischen Kirche und die verfügt über Milliarden, vor allem in Süddeutschland. Wem ich damit die armseligen vierzig Millionen Mark vergleiche, die ich 1929 von Ihren Auftraggebern empfangen habe, dann ver­stehe ich immer noch nicht, wie wir uns getraut haben, mit den beschränkten Mitteln unser grosses Programm anzu­packen. Sie haben doch sicher in Deutschland und hier in Berlin gesehen, wie weit wir seit 1929 vorankamen; stehen Sie dann nicht verblüfft vor dem Ergebnis? Soll ich Ihnen mal etwas sagen? Die Reichswehr ist durch und durch national­sozialistisch, das wissen Sie bereits; es gibt keinen einzigen Staatsdienst in dem unsere Partei nicht starken Anhang hat. Vor allem bei den Eisenbahnen und in den Postämtern sind wir stark und wenn unsere Parole zur Revolution in einigen Monaten ausgegeben wird, dann können wir ohne viel Mühe die Hand auf die Staatsdienste legen. Als ich 1929 mit Ihnen sprach, musste ich noch sagen, dass der Norden und die Rheingegend lau waren. Das ist nun vollkommen verändert. Selbst in Frankfurt am Main, wo die Juden stark sind, haben wir unser eigenes Haus, und in Hamburg, wo die Deutschnationalen und die Kommunisten einen grossen Anhang haben, sind wir gut organisiert. Auf zahlreichen Konsulaten im Auslande sitzen Parteileute und beim ersten Signal aus Berlin gehen sie radikal mit uns. Sagt das alles nichts? Beweist das nicht, dass die lumpigen vierzig Millionen gut verwendet worden sind? Aber alles muss schnell und gut gehen und unser Geld ist verbraucht. Sagen Sie Ihren Auftraggebern, dass sie in ihrem eigenen Interesse so schnell wie möglich die fünfhundert Millionen Mark senden müssen, dann sind wir in spätestens sechs Monaten bereit.»

 

Die letzten Sätze hatte Hitler hinausgeschrien, als ob er in einer Volksversammlung stünde, und mir böse zugesprochen, ab ob ich sein ärgster Gegner sei. Ich hatte genug, wiederholte, dass ich nach New York Bericht erstatten und schnell Bescheid geben würde. Was ich dann auch prompt tat. Es dauerte fünf Tage, bis ich aus New York Antwort hatte. In diesen fünf Tagen hatte ich das Gefühl, niemals allein zu sein. Das will heissen mit Ausnahme der Stunden, die ich in meiner Hotelsuite verbrachte. Überall vermeinte ich Männer zu sehen, die mir folgten. Ich weiss immer noch nicht, ob es Wirklichkeit oder Einbildung war, aber doch würde ich verschiedene Fälle erzählen können, die starke Beweise für eine durchlaufende Kontrolle sind, unter der ich in den fünf Tagen stand. Aber ich will die Detektiv‑Fähigkeiten meiner Leser nicht auf die Probe stellen. Einen Fall muss ich aber doch erzählen. Am zweiten Tag nach meiner Unterhaltung mit Hitler lief ich auf dem Kurfürstendamm in Richtung Wilmersdorf. Dort wohnte ein alter Freund meiner Familie in einer kleinen Villa. Ich wollte ihn aufsuchen. Als ich den Damm hinunterlief und in die Strasse einbog, in der die Villa steht, sah ich deutlich einen Mann mir vorausgehen, den ich die letzten zehn Minuten mindestens drei‑, viermal hinter oder vor mir bemerkt hatte. Ich kam an die Villa und wollte gerade den Knopf der elektrischen Klingel drücken, als ich einen kleinen Pappkarton an der Aussenseite des Zaunes bemerkte. Mit Bleistift stand darauf in Druckbuchstaben geschrieben: «Abwesend.» Ich schellte nicht. Abends in meinem Hotel telefonierte ich mit dem Hause meines Freundes, bekam keine Antwort und nach einigen Minuten Warten teilte das Telefonfräulein mit, dass niemand im Hause sei. Das alles erschien mir in Berlin natürlich und gewohnt Später jedoch ‑ ich hatte am letzten Tage, den ich in Berlin verbrachte, einen kleinen Brief an meinen Fremd geschrieben des Inhalts, dass es mir leid täte, dass er abwesend gewesen sei ‑ bekam ich in New York eine Antwort in der mein Freund berichtete, nicht aus Berlin weggewesen zu sein und dass er von meiner Mitteilung über seine Abwesenheit nichts begreife. Auch ich begriff nichts von der Geschichte, bis ich am Beginn dieses Jahres vernahm, dass unser alter Familienfreund ein bekannter Sozialdemokrat in Berlin war und in die Schweiz geflüchtet ist. Wir Amerikaner interessieren uns in der Regel nur mässig für die politische Überzeugung unserer Freunde; ich hatte vorher niemals gewusst, dass er Sozialdemokrat war. Nun jedoch ist der Vorfall aus dem Jahre 1931 mir klar und ich glaube, dass sich das Beschatten in den fünf` Tagen nicht auf meine Person beschränkte, sondern dass auch mein Telefon in meiner Hotelsuite unter Kontrolle stand. Hierbei dürfen wir nicht vergessen, dass Hitler 1931 noch kein Reichskanzler war, sondern nur Leiter einer starken politischen Partei.

 

Carter antwortete mir undeutlich, ich kabelte zurück: «Repeat» und bekam dann ein langes Kabelgramm.

 

Von genannten Beträgen kann keine Rede sein. Wollen wir nicht und können wir nicht. Beweisen Sie dem Mann, dass eine derartige Überweisung nach Europa den Geldmarkt zerrütten muss. Erwarten langen Bericht, bevor Entscheidung getroffen werden kann. Bleiben Sie an Ort und Stelle. Setzen Sie Untersuchung fort. Überzeugen Sie den Mann von der Unmöglichkeit der Wünsche. Vergessen Sie im Bericht nicht die eigene Erkenntnis über die Möglichkeiten der Zukunft des Mannes.»

 

Also hatte Carter keine hohe Meinung von Hitlers finanziellen Einsichten, wollte vor Treffen einer Entscheidung eines ins Einzelne gehenden Bericht von mir abwarten und erwartete von mir, dass ich den Führer von der Unmöglichkeit seiner Wünsche überzeugen und meine eigene Meinung über die Möglichkeit seines Erfolges in meinem Bericht sagen sollte.

 

Ich schrieb einen kleinen Brief an Hitler und teilte ihm den Inhalt des Telegramms mit. Zwei Tage später bekam ich in meinem Hotel Besuch von zwei Herren, die ich noch nicht kannte. Göring und Streicher. Der erste war ein elegant aussehender Mann, forsch im Auftreten, sehr brutal. Der zweite machte auf mich den Eindruck eines Frömmlers.

 

Göring begann das Gespräch damit, seine Verblüffung über die Tatsache zum Ausdruck zu bringen, dass ich die Meinung des Führers nicht teilte. Als Amerikaner wäre es freilich mühsam, die deutschen Zustände zu begreifen, aber der Führer habe mich so gut über den Plan und das Programm der Partei unterrichtet, dass ich nun doch wohl ganz auf der Höhe sein müsste. Ich bremste sogleich. Meine Erkenntnisse oder meine Meinung täten hier nichts zur Sache. Ich war es ja nicht, der Geld austeilen sollte, ich war nichts anderes als Zwischenperson. Das schien er nicht zu glauben und er fuhr fort, mit mir in einer persönlichen Form zu sprechen, die vollkommen die Tatsache leugnete, dass ich Auftraggeber hinter mir hatte. Streicher nahm nun in einem flehentlichen Tone das Wort. Ich konnte diesen Mann nicht ausstehen. Wie unangenehm auch immer, die Brutalität von Göring war mir hundertmal lieber. Wir hörten nicht auf. Ich machte zum soundsovielten Male deutlich, dass ich nichts an der Sache tun könnte, dass ich meinen Bericht noch am selben Tage nach New York gesandt hätte und abwarten müsste, was meine Auftraggeber beschlössen. Nun stellte Göring sich böse und sagte mir wörtlich: «Das ist alles Schwindel. Wir haben Sie doch nicht gerufen. Erst lassen Sie uns einen tollen Betrag vor den Augen schimmern und dann, wenn wir sagen, was wir nötig haben, dann ist er zu hoch und da können die Herren nicht liefern. Ein Schwindler sind Sie.»

 

Die Brutalität machte mich böse und ich wies Göring die Tür. Er ging mit Streicher, ohne mich zu grüssen. Ich schrieb unmittelbar darauf einen kleinen Brief an Hitler und ersuchte ihn, weiter persönlich mit mir zu verhandeln und keine Vertreter mehr zu senden, vor allem nicht Göring. Kurz erzählte ich ihm, was da vorgefallen war und ich fügte dazu, dass ich Göring in keinem Falle mehr zu treffen wünsche Was sich da zwischen Hitler und Göring abgespielt hat, weiss ich nicht, aber am folgenden Tage bekam ich einen kleinen Brief von Göring, worin er mir eine Entschuldigung anbot und die Schuld an seinem Auftreten der grossen Anspannung gab, unter der er als dem Führer nahestehender Parteileiter im Augenblick lebe.

 

Am folgenden Tage wurden da zwei Herren angeboten. Amerikaner haben einen grossen Fehler in Europa. Sie empfangen zu leicht auf eine einfache Ankündigung hin. In Amerika ist das von keiner Bedeutung, da wird alles flotter abgehandelt. Unnötiger Diskurs ist da selten in der Geschäftswelt. Ich empfing die zwei Herren, von Heydt und eine neue Figur. Vorstellung. Gregor Strasser. Eine feinere Type als Göring, aber bei einer grösseren Förmlichkeit ebenso brutal. Von Heydt ergriff als erster das Wort. Ich hörte kaum zu und fiel ihm in die Rede. All das Geschwätz mit Leitern der Partei habe im Augenblick keinen Sinn. Zu warten war auf New York. Wenn der Herr Hitler mich über die Angelegenheit sprechen wolle, dann würde ich mit ihm eine Unterhaltung haben und versuchen, ihm den Standpunkt meiner Auftraggeber zu verdeutlichen. Strasser kam hier dazwischen. Ob ich den Standpunkt denn teile? "Ich habe keinen Standpunkt in der ganzen Angelegenheit. Ich führe einen Auftrag aus." Die Antwort war jedoch im Code‑Stil gefasst, und da ich sie unverändert an Hitler durchgegeben hätte, würde es vielleicht möglich sein, dass ich einzelne Punkte aufklären könnte. So musste meine Mitteilung begriffen werden. Strasser begann wiederum, über das Programm auszupacken. Ich bekam den Eindruck, dass seine Aufgabe in erster Linie das Bearbeiten der Arbeitslosen war. Er schalt ‑ ohne jedoch grob zu sein ‑ auf die Bonzen der Gewerkschaften und der sozialdemokratischen Partei Er nannte nacheinander vierzig, fünfzig Namen, und dann zeigte er todesruhig auf die Wand und sagte, allzeit ebenso ruhig: «Dort ist der Platz für die Kerle und dann einige zig Scharfschützen dafür.» Die gröbsten Worte, die er gebrauchte, waren «Kanaille» und «Hunde», aber er sagte sie ebenso ruhig wie alle anderen. Ich hatte genug von seinem Geschwätz und ersuchte die Herren, mich nun allein lassen zu wollen, da ich noch eine Anzahl Briefe schreiben müsse. Strasser gab mir eine Karte, eine Einladungskarte, um am folgenden Sonntag in Breitenbach einer nationalsozialistischen Parade beizuwohnen.

 

Ein überraschender Anblickt. Auf einer Waldwiese, von knorrigen Baumstämmen umgeben, stehen im Karree fünf Sturmabteilungen und lauschen dem Pfarrer, der Feldgottesdienst hält. Aus der Ansprache des Pfarrers habe ich die folgenden Sitze behalten. Sie haben mir eine tiefere Einsicht in den deutschen Nationalsozialismus gegeben als die vielen Worte von Hitler und seinen Führern.

 

«Ihr seid Gottesstreiter. Tagein, tagaus strömt das beste Blut, weil Ihr mit Heldenmut Eure Leiber zu einem Bollwerk gegen den Bolschewismus aufgerichtet habt, um zweitausend Jahre christlicher Kultur vor dem Untergang zu retten. Ihr, die Ihr auf Eure roten Fahnen der Volksgemeinschaft mit dem weissen Feld der Reinheit und der Treue, mit dem Runenzeichen des Sieges, den bitteren Streit für deutsche Art und deutsches Wesen geschrieben habt. Ihr tut gut für Euer Gewissen und für Gott. Lasst Euch nicht in die Irre führen, lasst Euch nicht unterdrücken. Der Geist von Christus ist ein Geist des Kampfes gegen Satan und gegen seine Hölle. Der Feind, den Christus durch seinen Kreuzestod hat besiegen wollen, trachtet gegenwärtig danach, sich wieder zu erheben, der Feind, der ewig ruhelos ziehende Jude, hat beschlossen, Rache zu üben. Er trachtet danach, die Heiligkeit der Ehe zu vernichten, bewusst die Reinheit der Sitten und der Volksseele zu vergiften. Und da muss die christliche Nächstenliebe, weil es um Sein oder Nichtsein des Christentums selbst geht, zum Streit aufrufen. Kameraden, unser Streit ist eine berechtigte Notwehr. Unser Nationalsozialismus ist die Rettung für Volk und Vaterland. Hört nicht auf die Politiker, die unseren fanatischen Nationalismus als ein Verbrechen schildern, die jeden Nationalismus verfluchen. Unser Nationalismus ist derselbe wie der eines Pastor Wetterle, wie der eines Kardinals Mercier van Mechelen, eines Kardinals Dubois von Paris, die mit Tausenden ihrer Priester das französische Volk zur flammenden Vaterlandsliebe anfeuerten und mit glühender Begeisterung zum Aushalten bis zum Endsieg ermutigten. Was gut genug ist für Franzosen und Belgier, ist für uns Deutsche nicht zu gering. Im Weltbrand von 1914 stand der Feind an den deutschen Grenzen. Heute sitzt der Feind inmitten des Landes und knechtet unser Volk und macht es zum Sklaven. Im August 1914 zogen Millionen aus, gesegnet durch die Kirche und unter der Hut der Gebete der Kirche, zu den mörderischen Schlachtfeldern, um Volk und Vaterland zu retten. Was damals erlaubt war, ja selbst uns Priestern geboten war, soll gegenwärtig falsch, irrig und verboten sein ... ? Kameraden, das ist eine Lüge. Und darum sage ich es Euch: Nationalsozialist sein heisst: Kämpfer sein für ein Volk, das bereit ist, seinen Gottglauben, seine Sittenreinheit und seine Ehre bis zum letzten Atemzug zu verteidigen. Ihr seid eine Vorsehung von Gott, weil Ihr das niedrige Menschentum mit seinem tödlichen Gift der Entzweiung verbannen wollt! Der Segen Gottes ruht auf Eurem Streit. Und nun, Helme ab. Lasst uns, wie die niederländischen Geusen es taten, die Hände falten und singen, dass es tausendfältig über das Land schallen möge: Herr, mach uns frei .. »

 

Das Dankgebet ist zu Ende, der Felddienst ist hiermit getan. Scharfe Kommandos klingen über das Feld, die braunen Reihen formieren sich zum Abmarsch.

 

Zwei Feldgendarmen in grünen Uniformen blicken mit Interesse der Sturmabteilung nach. Die Polizei ist auf Posten. In ganz Deutschland, besonders in Preussen, hat sie strenge Aufträge bekommen, allen Bewegungen der SA nachzugehen. Severing, Minister des Inneren, hat vorige Woche im Reichstag über die gefährliche Putschvorbereitung der NSDAP gesprochen.

 

Drei Tage später bekam ich ein Kabelgramm aus New York. Bericht erhalten. Sind bereit, zehn, höchstens fünfzehn Millionen Dollar zu leisten. Weisen Sie Mann auf Notwendigkeit Aggressionsgefahr Ausland hin.»

 

Wieder schrieb ich an Hitler, um eine Verabredung zu treffen. Ich teilte ihm mit, dass ich Bericht aus New York erhalten hätte und dass ich vorzugsweise ihn selbst darüber in Kenntnis setzen wolle. Noch am selben Abend bekam ich Besuch des von Heydt, wieder in Gesellschaft von Strasser. Der Führer sei überarbeitet, nach Vorschrift des Arztes müsse er mindestens zwei Wochen Ruhe halten. Sie hätten Vollmachten, die sie mir zeigten, sie dürften in seinem Namen handeln. Widerstrebend teile ich dann den Inhalt des Telegramm aus New York mit.

 

«Fünfzehn Millionen Dollar» ‑ er nimmt aber sofort das Höchste ‑ sagt von Heydt, ist nicht viel für unsere gewaltige Aktion. Aber ich weiss, dass der Führer es annehmen wird. Von Revolution kann nun keine Rede sein. So wie Göring und andere sich das vorstellen, so leicht geht das nicht. Ich würde selbst auch gern auf die Barrikaden gehen, auch ich habe genug von den Zuständen. Aber wir dürfen uns keine Wahnvorstellungen in den Kopf reden. Wir würden niedergeschossen werden, bevor wir wissen, was da eigentlich los ist. Das würde von uns Leitern unverantwortlich sein. Wir müssen nun mit Vorschlägen zu Hitler kommen, um uns besser zu organisieren und unsere Männer gut zu drillen. Revolution würde nunmehr Mangel an Soldatengeist und Kameradschaft sein. Nutzlose Opfer herauszufordern ist ein kommunistischer Gedankengang. Damit haben wir nichts zu tun. Die SA nun auf die Barrikaden zu schicken, das würde die Vernichtung unserer Bewegung bedeuten, das würde Blutvergiessen sein, kostbares Blut, für nichts, auf unseren toten Leichnamen würde die Fahne des Chaos und der Verzweiflung, die Fahne des Bolschewismus, aufgerichtet werden. Wir haben in unserer Partei während der letzten Wochen einen Zulauf von neuen Elementen gesehen, die noch mühsam zu handhaben sind, sie kommen aus anderen Parteien und aus anderen Weltanschauungen, sie müssen sich noch in unsere Welt einleben.»

 

Von Heydt scheint ebenso wie alle Leiter der Nationalsozialistischen Partei, die ich bisher getroffen habe, von der Manie angesteckt zu sein, überall, passend oder unpassend, das Programm und die Taktik der Partei zu besprechen, als ob er auf einer Volksversammlung wäre.

 

Strasser fragt mich, was ich denke, wann die fünfzehn Millionen Dollar in Deutschland ausbezahlt werden könnten. Ich sage ihm, dass dies eine Frage von ein paar Tagen sei, sobald ich wisse, ob Hitler mit den angebotenen Beträgen übereinstimme, aber dass ich, bevor ich die nötigen Massnahmen zur Überweisung des Betrages nach Europa treffen würde, doch wohl eine Unterredung mit Hitler werde haben müssen. Von Heydt sagt mir, dass dies vorläufig unmöglich sei, weil Hitler vollkommener Ruhe bedürfe. Warten auf seine Rückkehr würde eine grosse Verzögerung bedeuten. Wenn ich es zu schätzen wisse, dann wolle er eine Versammlung mit allen Parteiführern einberufen, morgen oder übermorgen, und dort könne ich mitteilen, was ich Hitler persönlich habe sagen wollen. Ich gab nicht nach und sagte zum Schluss, dass ich nichts tun wolle, ohne mit Hitler persönlich gesprochen zu haben.

 

Am anderen Tage mittags wurde ich vom Lunch in meinem Hotel weggerufen. In der Halle wartete ein Chauffeur auf mich mit einem Brief. Es ist ein eigenhändiges Schreiben von Hitler, worin er mich ersucht, mit diesem Auto zu ihm zu kommen. Eine Viertelstunde später sitze ich in seinem Zimmer in der Fasanenstrasse. Ich kann keine Ermüdung, keine Krankheitszeichen bei ihm feststellen, spreche auch nicht über seine Gesundheit und führe unmittelbar meinen Auftrag aus. Hitler steht wiederum auf und während er in dem Zimmer wandelt, schreit er:

 

«Fünfzehn Millionen Dollar! Das sind ungefähr sechzig Millionen Mark. Wie lange dauert es, bevor dieser Betrag hier ist? Das ist viel zu wenig, um die Dinge gut anzupacken. Die Amerikaner kennen unsere Pläne nicht.»

 

Ich lasse ihn merken, dass fünfzehn Millionen Höchstbetrag sind und dass er aus der Abschrift des Kabelgramms, das ich ihm zusandte, ersehen habe, dass man über zehn, höchstens fünfzehn Millionen spricht Er hört mich zum ersten Male aufmerksam an. Ich benutze die Gelegenheit, um ihm zu sagen, dass in dem Kabelgramm auch stehe, dass ich ihn auf die Notwendigkeit eines aggressiven Auftretens nach aussen hinweisen solle. Amerika hat vermutlich den Eindruck, dass seine Aktion im Rest von Europa noch nicht ausreichend Nachhall hat. Ich will nicht weitergehen, vielleicht will er nun wissen, was meine Auftraggeber eigentlich damit bezwecken. Aber Hitler beginnt wieder zu schreien. Denken Sie, dass ich Wunder tun kann mit unseren Menschen hier? Haben Sie eine Vorstellung von der Gleichgültigkeit der Deutschen, das «Judenpack» hat hier den Menschen einen Geist des Schwindels, Geldverdienens, Internationalismus und Pazifismus eingeflösst. Dagegen müssen wir tagein, tagaus losziehen. Erst müssen wir dem Volk Mut beibringen und erst dann können wir etwas beginnen. Es gibt keine Ordnung in Deutschland, wir müssen wieder vom Grund auf beginnen. Warten Sie mal, wenn wir mit unserem Werk bei dem deutschen Volk fertig sind, dann kommt das Ausland an die Reihe. Lesen Sie doch unser Programm und davon werden wir keinen Daumenbreit abweichen. Lesen Sie die Punkte 1 bis 7. Punkt 1: Aufrichtung eines geschlossenen Nationalstaats, der alle deutschen Stämme umfasst. Die Erklärung dazu lautet: Wir geben keinen einzigen Deutschen im Sudentenland, in Elsass­Lothringen, in Polen, in der Völkerbundskolonie Österreich und in den Nachfolgestaaten des alten Österreich preis. Lesen Sie die Erklärung von Punkt 2: Erzbergsche und Stresemannsche Augendienerei gegenüber dem Ausland wollen wir nicht und dann soll man sehen, dass das Ausland eine andere Achtung und viel mehr Respekt vor einer kräftigen Vertretung der deutschen Belange haben wird. Anstelle von Hauen und Stechen sollen Achtung und ein sehr sicheres Inrechnungstellen der deutschen Wünsche auf dem Gebiet der auswärtigen Politik und des Internationalen die Folge unseres Auftretens sein. Was sagt Punkt 3? Die Entfernung von Juden und von allen Nichtdeutschen aus allen verantwortlichen Stellungen des öffentlichen Lebens. Und Punkt 4? Die Einwanderung von Ostjuden und von anderen minderwertigen Ausländern wird nicht mehr zugelassen. Lästige Ausländer und Juden können des Landes verwiesen werden. Lesen Sie dann noch einmal Punkt 6: Derjenige, der kein Deutscher ist, kann nur als Gast im deutschen Staat leben und steht unter Ausländerrecht. Und Punkt 7: Die Rechte und Belange der Deutschen gehen den Rechten und Interessen von Bürgern fremder Völker vor. Und an die Spitze stellen wir unser Ziel: Die Wiedergeburt Deutschlands im deutschen Geiste mit deutscher Freiheit. Was wollen Sie noch mehr? An jenes Programm halten wir uns und wir werden es bis zum letzten Buchstaben ausführen. Ich weiss wohl, dass ich uns damit Frankreich, Polen, die Tschechoslowakei, vielleicht auch Russland, Italien und Ungarn auf den Hals hole, aber das hat vorläufig keine Bedeutung. Daran können wir erst denken, wenn unser Volk bereit ist, die Folgen einer deutschen Politik im Interesse des deutschen Volkes ohne einzigen Vorbehalt auf sich zu nehmen. Unser Volk ist verbastardiert, und die fremden Schandflecken müssen da erst heraus ... » Hitler setzte sich nieder und dachte nach. Nun sprach er ruhiger.

 

«Gut, die fünfzehn Millionen nehme ich an. Unserem Programm werden wir folgen, nur die Taktik wird verändert werden. Ich werde den langsamen Weg wählen, den Weg der Umstellung, aber wir werden ankommen. Es beginnt schon bei Präsident Hindenburg eine Veränderung, wenn ich die aristokratische Clique, die um ihn herum Ränke schmiedet, aus dem Wege geräumt habe, dann erst bin ich fertig. Sein Sohn hält nichts von mir, er hetzt seinen Vater gegen mich auf. Der Präsident ist ein alter Mann, er lässt sich durch andere leiten. Gut, dann mal her mit den fünfzehn Millionen. Von Heydt wird wohl mit Ihnen vereinbaren, wie ich den Betrag erhalten werde.»

 

Ich machte ihm noch deutlich, dass es nicht unmöglich wäre, dass meine Auftraggeber nicht in einer Überweisung die fünfzehn Millionen senden würden, sondern dass sie erst zehn Millionen und später noch fünf Millionen überwiesen; dass sie noch auf meine Mitteilung warteten, bevor sie etwas täten. Ich wies Hitler auf die Bedeutung der Bedingung hin, die in dem Telegramm von Carter angegeben war: das forsche Auftreten gegenüber dem Ausland. Diesmal begann er nicht, in seinen abgehackten Sätzen zu schwadronieren und über sein Programm zu schmettern, sondern er sagte festentschlossen ruhig: «Überlassen Sie das getrost mir. Was ich bereits erreicht habe, steht als Pfand für das, was ich erreichen kann.»

 

Hiermit war das Gespräch gelaufen, was ich erfreulich fand, denn eine Unterhaltung mit Hitler ist ein ermüdendes Geschehen. Er schreit und rast nur so vor sich hin. Scheinbar hat die Gewohnheit, in Volksversammlungen zu sprechen, ihn so gepackt, dass er ein normales ruhiges Gespräch nicht mehr führen kann.

 

Am selben Tage noch kabelte ich nach New York einen ausgedehnten Bericht über mein Gespräch mit Hitler und tat nicht mehr, als auf seine Programmpunkte, die seine auswärtige Politik betrafen, und auf sein festes Versprechen zu verweisen, keinen Daumenbreit von jenem Programm abweichen zu wollen. Ich dachte nicht, dass dies genügen würde, um Carter und Genossen in Bezug auf die erwünschte aggressive Haltung der Nationalsozialisten gegenüber dem Ausland zu beruhigen, und meinte, dass die Sache hiermit erledigt sei.

 

Drei Tage später jedoch bekam ich eine Antwort von Carter, die geradlinig auf meine Meinung einging. Fünfzehn Millionen Dollar würden auf meinen ersten Antrag hin bei der europäischen Bank geleistet werden, die ich angeben würde. Unmittelbar darauf schrieb ich diese Antwort an Hitler. Von Heydt kam zu mir und ersuchte mich, sofort den Betrag nach Europa auf die folgende Weise überweisen zu lassen: fünf Millionen auf meinen Namen bei Mendelsohn ‑ Co., Amsterdam, fünf Millionen bei der Rotterdamschen Bankvereinigung, Rotterdam, und fünf Millionen bei der Banca Italiana in Rom. Mit von Heydt, Gregor Strasser und Göring reiste ich an die drei Orte, um die Beträge abzuheben. Es mussten eine grosse Anzahl Schecks auf grosse und kleine Orte in Deutschland und auf zahllose Namen ausgestellt werden. Die NS-­Führer hatten lange Listen mit Namen bei sich. In Rom wurden die Herren im Hauptgebäude der Bank durch den Vorsitzenden des Vorstandes empfangen, und als wir fünf Minuten in seinem Büro waren, kamen zwei - an ihrer Uniform erkenntliche ‑ hochgestellte Faschisten in das Büro. Vorstellung. Rossi und Balbo. Göring führte das Wort, er sprach italienisch mit den Herren. Was gesprochen wurde, konnte ich nicht verstehen. Wir wurden zu einer Mahlzeit in das Haus von Balbo geladen. Ich war der einzige, der nicht in Uniform war. Die NS‑Führer hatten ihre braune Uniform und die Faschisten ihre schwarze. Nach dem Essen wurde in einem grossen Saal mit offenen Türen zu einem prächtigen Garten getanzt. Die braunen Uniformen wirkten auf die Damen sehr anziehend. Ein alter Italiener in einem schwarzen Hemd mit zahlreichen Dekorationen sass neben mir, um nach den Tänzern zu sehen. Er begann ein Gespräch auf deutsch. Italien hätte niemals sein Bündnis mit Deutschland aufgeben dürfen, dann stünden wir viel stärker gegenüber Frankreich da. Aber unsere Freunde in Deutschland seien auf dem richtigen Wege, und wenn die Revolution dort Tatsache würde, dann kämen die guten alten Tage von früher zurück. Es sei keine schönere Kombination möglich: die italienische Kultur mit dem deutschen Geiste. Sie solle die Welt erneuern und erobern.

 

Mit der «Savoya» fuhr ich drei Tage später aus Genua nach New­ York ab.

 

Carter berief eine vollzählige Versammlung bereits am Tage nach meiner Rückkehr aus Europa ein. Rockefeller erkundigte sich sofort, ob Hitler einen offenen Streit mit Hindenburg wagen würde. Ich äusserte meine Meinung, dass Hitler zu allem imstande sei, das dazu beitragen könne, sein Ziel zu erreichen, aber dass er kein Phantast und sich der Mühen bewusst sei, mit denen er zu kämpfen habe, er sich jedoch nicht auf ein Experiment einlassen werde, wenn er nicht im voraus des Erfolges sicher sei. Ich musste wörtlich erzählen, was da in den Gesprächen, die ich mit Hitler gehabt hatte, gesagt worden war. Auch fragte man immer wieder nach meinen Eindrücken von dem Zustand in Deutschland. Als ich die Meinung des Hamburger Bankiers wiedergab, wollte Glean wissen, ob bei den besitzenden Klassen in Deutschland keine Furcht vor der finanziellen Politik des Hitlerprogramms bestünde, insbesondere vor «Brechung der Zinsknechtschaft», wie Hitler es nennt. Ich antwortete, indem ich die Meinung des Berliner Industriellen und die Meinung des Hamburger Bankiers anführte, dass da in jedem politischen Programm Punkte seien, die Massen anziehen müssten, die aber in der Praxis niemals durchgeführt werden könnten. Ich äusserte, dass die deutschen besitzenden Klassen darum diesen Teil des Hitler-Programms nicht ernst nähmen.


 

Zu den Wünschen Hitlers bemerkte Carter, dass Beträge, wie ich sie gekabelt bitte, doch absurd wären und deutlich bewiesen, wie wenig Einblick Hitler in die internationalen finanziellen Verhältnisse hätte. Ich bemerkte, dass dies meiner Meinung nach nicht allein bei finanziellen Verhältnissen der Fall sei, sondern dass ich verblüfft seiner Unkenntnis auf dem Gelände der internationalen Politik gegenübergestanden hätte. Niemand jedoch interessierte sich dafür, in Amerika eine allgemeine Erscheinung. Carter fragte mich noch, was ich von den Mitarbeitern Hitlers hielte. Ich erzählte den Vorfall mit Göring. Das schien ihm besonders zu gefallen, und er sagte rundheraus, dass nach seiner Meinung ein solcher Mensch geeigneter Mitarbeiter für einen Leiter wie Hitler sei.

 

Ungefähr ein Jahr später, im September, nachdem die nationalsozialistische Partei in Deutschland am Vierzehnten dieses Monats einhundertundsiebzehn Abgeordnetensitze im Reichstag bekommen hatte, empfing ich einen kurzen Brief von Carter, in dem er mich an die zwei Reisen nach Deutschland und die Gespräche, die ich mit Hitler geführt hatte, erinnerte. Er fragte mich, ob ich bereit sei, wieder nach Deutschland zu gehen und mit dem Führer eine Unterredung zu haben, wenn es nötig werden würde. Eine Woche lang überlegte ich, was ich hierauf wohl antworten müsste. Ich hatte nach meiner letzten Deutschland‑Reise durch von Heydt, Strasser und Göring regelmässig Briefe mit umfangreichen Büchersendungen, Broschüren, Tageszeitungen usw. erhalten. Der Nationalsozialismus war mir nun sehr gut bekannt und die Person Hitlers hatte, auch durch meinen Kontakt zu ihm selbst, für mich nicht mehr viel Geheimnisvolles; ebensowenig wie für die anderen in unseren Kreisen. Ein neuer Kontakt mit diesen Menschen in Europa war für mich keine schöne Aussicht. Weder von den Personen noch von ihrem Schrifttum noch von ihrer Propaganda ging viel aus, das noch anzog. Vielleicht ist mein deutscher Ursprung zu sehr im Trott des amerikanischen Lebens untergegangen. Mein Grossvater kam vor 90 Jahren nach Amerika, mein Vater wurde dort geboren, meine Mutter ist rein amerikanisch. Darum konnte ich mich wohl in das ihm aufgezwungene Überlegenheitsgeflühl des deutschen Volkes, das für Hitler der Schlüssel zu seinem ganzen Programm ist, nicht einfühlen und so blieben seine Arbeit und sein Ziel mir völlig fremd. Ferner hatte ich mit mir selbst ausgemacht, dass meine Freunde auf einem verkehrten Weg seien und dass Hitlers Angriffslust in der auswärtigen Politik Frankreich vielleicht biegsamer und zur Mitarbeit bereiter machen könnte, zugleich aber auch eine Gefahr für die Welt bedeutete. Man weiss wohl, wo solch ein Mensch als Diktator beginnt, aber was das Ende sein wird, das ist niemandem bekannt. Ich hatte mit Glean im Laufe jenes Jahres meine Ansicht besprochen und dieser wollte mich mit der Mitteilung beruhigen, dass Mussolini, auch unbezweifelbar Diktator eines grossen Landes, ziemlich abgekühlt sei; dass er oft mit grossem Mund und durch Drohungen einige Augenblicke der Angst für die Welt, insbesondere für Frankreich erzeugt hätte ‑ was nach Glean ganz gut war ‑ aber wenn es darauf ankam, dann sei er wieder brav in sein Gehäuse gekrochen. Nach seiner Meinung würde es mit Hitler nicht anders gehen. Natürlich wäre es nicht die Absicht, einen Krieg zwischen Deutschland und Frankreich herauszufordern, sondern nur, diese Kriegsgefahr akut zu halten, sodass Frankreich im Hinblick auf die mögliche Unterstützung durch England und Amerika willfähiger und biegsamer in internationalen finanziellen Angelegenheiten würde.

 

Zum Schluss traf ich eine Entscheidung. Ich teilte Carter mit, dass ich bereit war, nochmals nach Europa zu fahren, um mit Hitler zu verhandeln, sobald dies nötig sein würde.

 

 

 

 

Springers Nazionismus

 

5. Kapitel: "Warburg-Bericht (1933)"

 

Im Schlafwagen nach Berlin finde ich die Ausgabe einer deutschen Tageszeitung. Auf der Frontseite der Leitartikel:

 

«Aus dem Inneren der Stadt strömen die Menschen in Massen zur Jahrhunderthalle und zur Versammlung auf dem Messehof, zu den umliegenden Aussenplätzen und Gebäuden. In den Strassen der Umgebung werden die Omnibusse, die Lieferwagen, die Privatwagen und die Motorräder geparkt. Links vorbei an den Fahrzeugen sausen die vollgeproppten Strassenbahnwagen und seit drei Uhr warten ungeduldige Frauen und Männer mit Klappstühlchen und Proviantpäckchen vor dem Eingang der Gebäude. Um fünf Uhr sind die Brücken über die Oder, die zum Messegelände führen, schwarz von Menschen und Fahrzeugen. Der Verkehrsplan wird genau befolgt, aber dennoch kommt es zu Stauungen. Und stets auf Neue klingen die Heilrufe, wenn die Transporte mit Parteigenossen oder SA‑Männern singend und mit entfalteteten Fahnen auf die Versammlungsplätze kommen. Die Polizei läuft mit Brotbeutel und Feldflasche herum. Man erzählt, dass ihre Überfallwagen mit Maschinengewehren und Tränengasbomben ausgerüstet sind. Auf den Bahnhöfen laufen die Sonderzüge ein, einer nach dem anderen, Freude, Begeisterung und Fröhlichkeit auf allen Gesichtern. Männer und Frauen, Arbeiter, Bauern und Bürger, Beamte und Amtspersonen, Studenten und Arbeitslose, alle werden vom Jubel mitgerissen, der die innere Spannung der gewaltigen Wahlperiode ersetzt. Unvergesslicher, herrlicher Tag! Hitler spricht!

 

Zum ersten Male marschiert die vollständige SA der Provinz. Es gibt Sturmabteilungen, die zehn Stunden und länger auf offenen Lastwagen sassen, bevor sie an ihrem Bestimmungsort waren. Die SA‑Kolonnen werden mit Blumen überhäuft. Es wird ein Triumpfzug. Stets aufs Neue gehen die Arme grüssend in die Höhe: «Heil, SA! Heil ... !» Die Trommeln schlagen, die Hörner schallen.

 

In dem riesenhaften Betongebäude der Jahrhunderthalle, dem mächtigen Gedenkzeichen, das für alle Zeit das Volk von Preussen an die grossen Zeiten von 1813 erinnert, strömt eine tausendköpfige Menge. Lange Transparente sind an der Brustwehr und an den Bogen des zweitgrössten Kuppelbaus der Welt aufgehängt. Dort steht: "Wir kämpfen nicht für Mandate, wir kämpfen für unsere Weltanschauung. Nieder mit dem Marxismus, damit der Sozialismus lebe. Für ein feiges Volk gibt es keinen Platz auf dieser Welt!" "Achtung! Achtung!" klingt es aus den Lautsprechern. "Achtung! Jeder auf seinen Platz ! Die SA marschiert ein !"

 

Und sie rücken auf. Das Riesengebäude bebt. Ein orkanartiger Jubel bricht los. Zwanzigtausend Menschen stehen auf von ihren Plätzen. Unter den Jubeltönen ziehen die Standarten und die Fahnen ein. Es gibt eine schwarzumflorte. Eine Mutter schreit. Ein unbekannter SA-Mann ist für sein Volk den Heldentod gestorben.

 

Die Sturmtruppen marschieren heran. Draussen hört man sie singen: «Wir sind das Heer vom Hakenkreuz ... !» Die Begeisterung steigt aufs höchste.

 

Und stets neue Kolonnen. Männer, die nichts mehr anerkennen als Hingabe und Kampf. Der Boden dröhnt unter dem Marschtritt, unter der Kraft und der Zucht der braunen Bataillone.

 

«Achtung ! Achtung ! Soeben ist Hitler angekommen ! Achtung ... !» Die Begeisterung rast. "Heil, Heil!" Er kommt! Tausende Augen suchen den Führer ! Da ist er !

 

Forsche Kommandos. Ein Jubelschrei: «Adolf Hitler!» Nun wird es still. Vor das Mikrophon ist der Gauleiter getreten. «Meine lieben deutschen Volksgenossen!» beginnt er. Nach einigen markanten Sätzen beschliesst er: "Der Führer hat das Wort!" Wieder erschallt ein gewaltiges Jubeln. Dann lauschen die Massen. Adolf Hitler spricht.

 

Erst langsam, gemessen und kühl. Der erste Beifall. Hitler winkt zu schweigen.

 

Er spricht weiter, mit mehr Überzeugung, unwiderlegbar. Er wird heftig und fordernd. Die Nicht‑Nationalsozialisten werden getroffen. Was dieser Frontsoldat, Gefreiter Adolf Hitler, dieser Mann aus dem Volke sagt, das ist alles so einfach, so normal und so gerade und es ist alles so wahr, dass die immer von ihrer Bildung Redenden und die Besserwisser und die Vernünftler mit ihren ewigen, sachlichen Einwänden schweigen. Gespannt folgen sie dem Sprecher. Sie haben es schwer, diesen Mann, den sie aus Neugier sehen wollten, zu verstehen und zu begreifen. Aber sie geben ihm ihren Beifall.

 

Hitler winkt zu schweigen.

 

«Wer zu den unserigen gehört, weiss, dass nicht jede fünf oder zehn Jahre, sondern nur einmal in einem Jahrhundert ein Wendepunkt in der Geschichte unseres Volkes erreicht wird!» Sie, die an der Seite stehen, die Enttäuschten, sie, die bereits so oft verraten wurden, lauschen nun scharf.

 

«Als Volk wurden wir vor dreizehn Jahren zerbrochen und auf das zerbrochene Volk folgte das zerbrochene Wirtschaftsleben. Einst, vor hundert Jahren ... damals haben nicht die dem deutschen Volk neuen Segen und neues Glück gebracht, die nur an das Wirtschaftsleben dachten, sondern vielmehr diejenigen, die Gut und Blut für die Ehre des deutschen Volkes einsetzten. Es kann nicht anders sein: Das deutsche Wirtschaftsleben wurde nicht gebrochen, sondern das deutsche Volk wurde gebrochen ... !»

 

Der Frontsoldat Hitler spricht nicht über Programme, sondern von Hingabe, Arbeit und Opfern.

 

Nun klingt seine Stimme wie eine Trommel. Nun spricht er über Deutschland, und wie. Die Herzen flammen auf. Das ist ein Zeugnis, ein Wille und ein felsenfester Glaube. Hitler liebt Deutschland. Er lebt und kämpft allein für Deutschland und immer nur wieder für Deutschland !

 

Die Augen glänzen. Die Gesichter sind fest entschlossen. Die Zweifler werden mutig. Die Ungläubigen beginnen wieder zu hoffen. Er zieht die Lauen und die Gleichgültigen mit und die alten Kämpfer werden zu neuen Taten angefeuert. Hitler zieht sie alle mit seinem glühenden Freiheitswillen in den Kreis seiner Meisterschaft hinein. Ein geknechtetes Volk erwacht. Klassenschranken fallen. Nicht klassenbewusste Arbeiter und unzufriedene Bürger, nein, zwanzigtausend deutsche Volksgenossen glauben und jubeln, glauben an den Führer und jubeln ihm zu!"

 

Das alles lese ich im Schlafwagen nach Berlin. Auch noch, dass von Pfeffer durch Hitler abgesetzt wurde, dass von Heydt aus der Partei ausgetreten ist, dass Strasser auf die Seite gestellt wurde, weil sein Bruder in den Sturmabteilungen zur Meuterei angefacht hat.

 

Ich bin beinahe froh, dass ich zum dritten Male den Auftrag zu einer Unterhaltung mit Hitler angenommen habe. Hier in diesem Lande geschehen Dinge, die uns allein aus der Geschichte der Völker bekannt sind. Dabei zu sein, da mittendrin zu stecken, mit dem Leiter sprechen und seine tiefsten und geheimsten Beweggründe vernehmen zu können, das ist wahrlich nur wenigen vergönnt.

 

In Berlin herrscht eine eigenartige Stimmung. Ob es die Stille vor einem gewaltigen Sturm ist? Ich weiss es nicht. Niemand spricht über Politik. Ich besuche den alten Freund in Wilmersdorf, sein Haus ist verlassen, diesmal sehe ich, dass er wirklich abwesend ist. Ich habe ein Gespräch mit dem Direktor eines grossen Warenhauses. Über die Lage lässt er sich nicht aus. Er sagt nur auf meine vielen Fragen, dass da schwierige Tage kommen würden, aber mehr bekomme ich nicht heraus. An einigen Punkten Berlins ist das Stadtbild ungewöhnlich. Schupos bei Gewehrpyramiden und neben Maschinengewehren. In rasender Fahrt sausen offene Lastwagen mit Reichswehrleuten durch stille Strassen, Motorbrigaden fliegen über den Kurfürstendamm und in der Nachbarschaft der Regierungsgebäude in der Nähe meines Hotels sieht man überall bewaffnete Truppen. Wenig braune Uniformen, für mich eine unbegreifliche Erscheinung. Hitler ist doch in die Regierung aufgenommen, die wenigen Zeitungen, die sich an den Gegenstand wagen, nennen seinen Namen als den des Reichskanzlers der Zukunft, einer sehr nahen Zukunft. Ich hatte mehr Zurschaustellung ihrer Macht von der Hitlerpartei in Berlin erwartet. Aus den Zeitungsberichten wurde ich nicht schlau. In einem Gespräch mit einem Attaché der amerikanischen Gesandtschaft wird mir jedoch vieles deutlicher. Er erzählt, wie Hitler die Presse bereits in Fesseln gelegt hat, während er noch kein Reichskanzler ist, dass seine Sturmabteilungen in der Nachbarschaft von Berlin stehen, um beim ersten Alarm in die Stadt einzufallen; dass die Präsenz der Reichswehr offizielle Präsenz, aber ohne Bedeutung ist, weil die Regierung, wenn es darauf ankommt, sie nicht gegen Hitlers Truppen gebrauchen wird, weil sie unzuverlässig ist und viele nationalsozialistische Elemente zählt; dass Hitler seinen Sturmtruppen und SA‑Abteilungen neue Kämpfer zugesellt hat, denen er selbst den Namen Mord‑Truppen gegeben hat. Niemand in den politischen Parteien protestiert gegen diese brutale Benennung, die ein Hohn auf alle Kultur ist. Die Sozialdemokraten sind mürbe, denn sie sehen ein, dass ihre parlamentarische Arbeit zu nichts geführt hat. Die Kommunisten haben auch Angst obwohl sie es doch gewesen sind, die immer am lautesten schrien. Gestern wurde ihr Karl­Liebknecht‑Haus überrumpelt und vom Dach bis zum Keller durchsucht. Offiziell heisst es 'durch Polizei und Reichswehr', aber mein Gewährsmann behauptet, dass die Mordtruppen Hitlers einen grossen Anteil an der Verwüstung des K.L.-Hauses hatten. Es wurden zahlreiche kommunistische Leiter verhaftet, die Rote Fahne ist verboten ‑ zeitweise nur, aber sie soll doch nicht mehr vor den Wahlen erscheinen. Die Sozialdemokraten sind lau in ihren Manifesten und Zeitungen. Jeder fühlt, dass sie dem Nationalsozialismus nicht gewachsen sind. Dem deutschen Volk muss imponiert werden, nur vor Kraftmeiern hat es Achtung. Deutsche sind grosse Kinder, Naivlinge. Ein grosser Gedanke reisst Deutsche nicht mit.

 

Zum ersten Male bekomme ich einen beschränkten Überblick über den politischen Zustand. Mein Gewährsmann wagt sich an Vorhersagen. "Hitler ist nicht mehr zu bremsen", sagt er weiter, Sie werden es sehen. Reichskanzler ist er in der folgenden Woche. Da kann ein von Papen nichts machen, ein von Schleicher hat es mit Unterstützung des jungen Hindenburg versucht, aber da ist nichts geglückt. Hitler kann, wenn er es will, Reichspräsident werden. Vorläufig wird er sich mit der Reichskanzlerschaft zufrieden geben, aber Hindenburg ist alt und es kann jeden Tag etwas passieren. Dann ist Hitler vollständiger Diktator ohne den Schein eines verfassungsmässigen Staatsoberhauptes. Bei diesem Mann ist alles möglich. Ich habe ihn einige Male gesprochen und auch seine Reden gehört. Er macht mit seinen Zuhörern, was er will. Er lässt sie nicht zum Nachdenken kommen, er schreit und schreit, bis die Menschen nicht mehr widerstehen können. Ich hatte immer das Gefühl, wenn ich ihn hörte, dass ich mich stark seiner Suggestion widersetzen müsste, um nicht hundertprozentig mitzugehen. Später, wenn Sie sich selbst fragen, was er gesagt hat, dann können Sie es nicht mehr wiederholen. Was denken Sie vom Nationalsozialismus?»

 

Ich wollte keine Antwort geben, wenigstens keine vollständige. "Abwarten", sagte ich "wir Amerikaner haben damit schliesslich nichts zu tun. Wenn das deutsche Volk in Hitler einen Retter sehen will, dann ist es sein gutes Recht, das geht uns nichts an."

 

Mein Gewährsmann meinte es anders und wollte mir beweisen, dass Hitler eine Gefahr wäre für Europa, ebenso wie Mussolini, und dass die italienische Gefahr durch die Machtausweitung der Nationalsozialisten und eine Hitler‑Diktatur vermehrt werden würde.

 

Am gleichen Abend schrieb ich an die alte Anschrift Hitlers in Berlin, dass ich angekommen sei und ihm um eine Unterredung bäte. In dieser Nacht brannte das Reichstagsgebäude. Mittags kam Göring in mein Hotel, noch brutaler als früher, arrogant und autoritär. Er war von einem Neuling begleitet, den er mir unter dem Namen Goebbels vorstellte. Beide waren voll von dem Brand. Sie schalten die Kommunisten, die das Gebäude in Brand gesetzt hätten und wollten mich gleichsam zu einem Bekenntnis ihres heiligen Rechts überreden, die Kommunistenbrut bis zum letzten Mann auszurotten. Ich folgte wie stets meiner Taktik und gab keine Meinungsäusserung. Auf meine Frage, wo und wann ich Hitler sprechen könne, gingen sie erst ein, nachdem sie tüchtig ausgewütet hatten. Der Führer würde mich abends um halb zwölf in der Fasanenstrasse empfangen. Göring werde mich in einem Auto abholen.

 

Hitler war sehr aufgeregt. Für seine Begriffe aufgeregt, für einen anderen rasend. Aufgeregt war er ihm wahren Sinne des Wortes immer. Er begrüsste mich kaum wie es sich gehörte. Er wütete gegen die Kommunisten, die den Reichstag in Brand gesetzt hätten; beschuldigte die Sozialdemokraten, dass sie die Hand im Spiele gehabt hätten, rief das deutsche Volk auf, als ob er Tausende vor sich hatte. Ich kann hier die wütende Rede nicht wiedergeben, denn ich habe nichts behalten. Es gab keinen Zusammenhang. Seine Raserei dauerte eine halbe Stunde, bevor er am Tisch Platz nahm und mit mir ein halbgeregeltes Gespräch begann, stets durch Schelten und Schimpfen auf Kommunisten unterbrochen.

 

Ich wusste nicht, was ich bei Hitler zu tun hatte. Die Sache war so. Carter hatte einen Brief Hitlers erhalten, in dem er gebeten worden war, so schnell wie möglich den früheren Vertrauensmann nach Deutschland kommen zu lassen, einer Unterhaltung wegen. Diesen Brief hatte Carter mir gezeigt und durch mein Versprechen einige Monate zuvor hatte er mich ersucht, schnellstens nach Berlin zu fahren.

 

Nun sass ich vor Hitler, aber ich wusste nicht, was er mich fragen oder was er mir sagen würde. Ich wartete ruhig ab.

 

Ich finde es von grosser Wichtigkeit, Sie über den Fortschritt in unseren Reihen zu unterrichten. Seit 1931 ist unsere Partei in einem Verhältnis von 1 zu 3 gewachsen. Es gibt Abteilungen, bei denen die Anzahl der Arbeitslosen die der noch Arbeitenden weit übertrifft. Die verschiedenen Wahlen haben unsere Mittel stark in Anspruch genommen, nun stehen wir am Vorabend der Umstellung. In der Partei selbst habe ich eine Säuberung veranlassen müssen. Verschiedene Elemente, sogar auf führenden Posten, waren unzuverlässig. Aber das ist alles vorbei, es geht nun darum, den letzten Schlag mit Erfolg zu liefern. Durch den Brand im Reichstag haben die Kommunisten für immer mit sich selbst abgerechnet. Schwieriger ist es, in unserem letzten Angriff die Sozialdemokraten zu besiegen. Auch dürfen wir die Deutschnationalen nicht vergessen und diese haben Geld. Nach Berlin können wir mit unseren Truppen nicht kommen, weil wir, wenn wir auch der Reichswehr sicher sind, das Gros der Bevölkerung nicht hinter uns haben, vor allem nicht im Norden und in der Judengegend. Es ist um Berlin ein grosser Kreis gezogen und da habe ich drei Viertel der Truppenmacht unserer Partei konzentriert. Noch einige Tage und dann haben wir den grossen Tag, den Tag der Wahlen. Diesen Schlag müssen wir gewinnen. Durch die Urne oder mit Gewalt. Plan für einen ungünstigen Wahlausgang ist fertig, Hindenburg, seinen Sohn, von Papen, von Schleicher und Brüning auszuheben und in einer Festung einzuschliessen. Auch die Führungsspitzen der Sozialdemokraten werden wir gefangen nehmen. Bis in die kleinsten Einzelheiten ist alles geregelt. Aber die Hälfte unserer Sturmabteilungen verfügt nur über Gummiknüppel, und viele Mannschaften haben altertümliche Karabiner. Grosse Waffenvorräte liegen nahe den deutschen Grenzen in Belgien, Holland und in Österreich bereit. Schmuggler geben keinen Kredit. Sie verlangen schandbare Preise, sie wissen natürlich sehr gut, was hier geschieht und ziehen die Möglichkeiten in Rechnung. Unterhandeln mit diesen Kerlen erbringt nichts, klingende Münze verlangen sie, mehr nicht.

 

Ich dachte, Sie schon viel eher hier in Berlin zu haben, dann hätte ich alles längst geregelt, nun, im letzten Moment, muss es flink in Angriff genommen werden. Lange Reden helfen daher nichts. Was denken Sie, was Ihre Auftraggeber tun werden? Unser Geld ist verbraucht. Wollen Sie weiterhin unterstützen oder nicht? Vergessen Sie nicht, dass wir gegen Moskau, gegen die ganze deutsche Schwerindustrie, gegen die katholische Kirche und gegen die Internationale kämpfen. Das sind keine Feinde, die wir unterschätzen dürfen. Die Beiträge in unserer Partei sind kaum gestiegen, obwohl ich den Zutritt auf zwei Mark erhöht habe und den Beitrag auf eine Mark. Es gibt zu viele Arbeitslose, die wir freistellen und mit Uniformen und Waffen versehen müssen. Auf dem flachen Land geht es noch. Dort haben unsere Menschen Karabiner und Jagdgewehre. In den Städten ist es schwieriger. Was denken Sie? Wieviel wollen Ihre Menschen geben?»

 

Ich konnte nicht antworten, umsomehr nicht als ich auf die Frage nicht vorbereitet war und mit Carter vor meiner Abfahrt keine Beratung durchgeführt hatte.

 

«Ich habe keine Berechnung angestellt, dazu hatten wir keine Zeit. Zu meinen Mitarbeitern, bis auf ein paar Ausnahmen, habe ich kein Vertrauen mehr. Unsere Partei ist in kurzer Zeit so gewaltig gewachsen, dass es für mich stets schwieriger wird, die ganze Führung in den Händen zu halten. Und es muss sein, denn zuverlässige Führer sind knapp. Die Monarchisten beginnen, in unsere Reihen überzulaufen, aus dem Stahlhelm kommen jeden Tag neue Anmeldungen. Sogar massenhaft Anmeldungen. Dem können wir nur zujubeln, aber die Leiter, die mitkommen, müssen wir scharf kontrollieren. Ich vertraue in diesen Tagen niemandem. Ich habe nun Hindenburg persönlich kennen gelernt. Das Gespräch war keineswegs angenehm. Der Alte war sehr reserviert, aber ich tat, als ob ich es nicht bemerke. Ich habe Zeit, er wird bald wissen, mit wem er es zu tun hat, und wenn ich ihm einmal klaren Wein eingeschenkt habe, dann wird er mit uns mitgehen oder verschwinden. Kompromisse kenne ich nicht. Aber, Sie sind doch kein Jude? Nein, daran erinnere ich mich noch. Ihr Name ist doch deutsch. Ja, von deutschem Ursprung. Es ist besser, wenn Sie hier in Deutschland mit einem deutschen Pass reisen, Goebbels kann dafür sorgen. Sie kennen ihn doch. Er und Göring sind meine besten Mitarbeiter. Von Heydt ist draussen, das wissen Sie, und von Pfeffer auch. Dieser Strasser ist lächerlich. Eine Meuterei in der SA gegen mich. Eine volle Versammlung der Gauleiter und die Sache war aus. Kraft, Wagemut, starkes Auftreten sind alles. Anstatt draufzuhaun, nicht zu warten, haben Strasser und seine Leute Vorbereitungen getroffen, alles in der Stille geregelt, und ich war über das ganze Getue im Bilde, bis ich im rechten Augenblick eingegriffen habe. Schwache Brüder. Noch zu politisiert. Manieren, die sie von der roten Brut überbehalten haben. Was sagt man in Amerika von dem Brand im Reichstagsgebäude» ‑ und er vergass offensichtlich, dass ich bereits hier war, als das Gebäude brannte ‑ «aber wir wissen, wer die Schuldigen sind. Beweisen können wir alles. Dieser Kommunist hat den Brand gelegt. Aber hinter ihm sitzen Kommunisten und Sozialdemokraten. Dafür sollen sie büssen.»

 

Hitler hatte sich langsam zu einer Art ängstlicher Raserei hochgearbeitet und sauste wiederum im Zimmer auf und nieder. Plötzlich lief er zur Tür,  zog diese weit auf und sah in das Vestibül. Er begann zu rasen und zu schreien auf jemanden, der sicherlich im Gang stand, aber ich konnte niemanden sehen. Was er wirklich mit seinem Geschrei beabsichtigte, das weiss ich nicht. Erst dachte ich, dass er jemandem verbieten wollte, unser Gespräch im Vestibül abzuhören, aber das war nicht der Fall, denn als er wieder im Zimmer stand, raste er weiter gegen den unsichtbaren Jemand über etwas, das noch nicht klar war, über das elend lange Warten auf alberne Dinge, über das wenige Vertrauen, das man gegenwärtig in Untergebene haben könne.

 

Er nahm wieder Platz und raunte mir zu: «Sie haben noch keinen Betrag genannt.» Es gibt Momente, wo Hitler den Eindruck eines Wahnsinnigen macht. Ein geregeltes Gespräch mit ihm zu führen, ist stets unmöglich, aber manchmal ist seine Art, vom Hundertsten ins Tausendste zu kommen, so hinderlich und so albern, dass man an seinem geistigen Gleichgewicht zweifelt. Ich bin der Meinung, dass er übernervös ist. Die letzten Jahre haben sein Wesen ganz mit einem bestimmten Denkbild belegt, er hat unter einer fortdauernden Spannung gelebt. Viele würden schon lange erlegen sein, aber Hitler scheint gewaltige Naturkräfte zu besitzen. Ich glaube jedoch nicht, dass er über einen grossen Verstand verfügt. Wann immer ich versuche, den Inhalt aller Gespräche, die ich mit ihm gehabt habe, zusammenfassen, dann komme ich zu der Schlussfolgerung, dass er nicht intelligent ist, sondern seltsam starrköpfig und verbohrt. Das ist nach meiner Meinung, seine Kraft. Wir kennen wohl alle in unserer Umgebung jene Menschen, die häufig dumm und wenig gebildet sind, die an etwas festhalten ‑ an einer Idee oder einem Besitz ‑ und dafür alles aufopfern, die damit untergehen oder damit gewinnen. So sehe ich Hitler. Ob er für das deutsche Volk ein Segen oder ein Fluch ist, das kann nur die Zukunft erweisen, aber ich glaube schon, dass das deutsche Volk das einzige auf der Welt ist, in dem ein Mann wie er es zu einem derartigen Einfluss bringen kann. Denn es gibt soviel schwache Punkte in seiner Person und in seinem Auftreten, dass in anderen Ländern sowohl der Mann selbst als auch seine Partei längst verspottet und geschmäht worden wären. Da ich den Mann kenne aus den verschiedenen Gesprächen, die ich mit ihm gehabt habe, begreife ich nun auch, warum er ‑ seit seinem schliesslichen Siege ‑ nicht mehr zugänglich ist, weder für deutsche noch für ausländische Journalisten. Er ist tatsächlich für sich selbst und für seine Partei in einem Interview gefährlich, denn er weiss sich nicht zu beherrschen, er plappert alles heraus, sagt seine Absichten ohne die geringste Reserve. Bereits in unserem ersten Gespräch war mir das aufgefallen. Freilich hatte ich sehr starke Einführungsschreiben, meine Identität stand fest, an allem konnte er merken, dass er es mit jemandem zu tun hatte, der als der Vertreter der stärksten Finanzgruppe der Welt auftrat; aber es war kein Zeichen von Staatskunst und von politischer Einsicht, mich so unumwunden von seinen geheimsten Absichten zu unterrichten. 1933 war das nicht mehr so gefährlich wie 1929 und 1931, aber in beiden Jahren war er mir gegenüber ebenso offenherzig wie 1933. Auch die Juden lassen ihn nicht los. Die Judenfrage ist für ihn der Kern, um den es für das deutsche Volk geht Er hat dabei Ideen, die für einen Gymnasiasten in den Vereinigten Staaten lächerlich wären. Geschichtliche Tatsachen schiebt er einfach beiseite, ich bin der Meinung, dass er über den modernen Begriff «Rasse» nichts weiss.

 

Nach seiner Frage ‑ oder eigentlich seinem Verweis ‑: "Sie haben noch keinen Betrag genannt", begann er mit der Judenfrage und ‑ bei Jahve ‑ er begann das Problem in Deutschland mit dem Negerproblem in Amerika zu vergleichen. Das war für mich genug, um mir eine Meinung über Hitlers Verstand und Einsicht zu bilden. Diese zwei Probleme sind doch nicht zu vergleichen Ich erspare Ihnen die unsinnigen Vergleiche, die Hitler anstellte.

 

Es war beinahe drei Uhr morgens und ich wusste eigentlich nicht, was er von mir wünschte. Darum machte ich von einer kleinen Atempause bei seiner unzusammenhängenden Darstellung Gebrauch, um zu fragen: "Sie sprachen doch über einen Betrag?"

 

«Gerade darum geht es nun. Wir haben nicht mehr viel Zeit. Die Sache ist diese: Sind Ihre Auftraggeber bereit, uns fernerhin zu unterstützen? Welchen Betrag wollen Sie mir verschaffen? Ich habe mindestens hundert Millionen Mark nötig, um alles durchzusetzen und um die Chance eines endgültigen Sieges nicht fahren zu lassen. Was halten Sie davon?»

 

Ich versuchte ihm deutlich zu machen, dass von einem derartigen Betrag keine Rede sein könne, weil er zunächst einmal bereits fünfundzwanzig Millionen Dollar empfangen habe, und zum zweiten, dass die Überweisung eines derartigen Betrages in ein paar Tagen nach Europa von New York aus den Markt zerrütten müsste. Davon begriff Hitler nichts, und er sagte es mir auch unumwunden. "Von den verwickelten Bankdingen verstehe ich nichts. Wenn Sie da in Amerika das Geld haben, dann kann es doch nach Deutschland überwiesen worden, telegrafisch oder so. Es scheint mir ziemlich einfach." Es war hoffnungslos, und ich hatte keine Neigung, ihm eine Unterrichtsstunde in internationaler Finanzwissenschaft zu geben. Ich beschloss daher, ihm zu versprechen, meinen Auftraggebern über unser Gespräch Bericht zu erstatten und dann abzuwarten, was sie beschliessen würden.

 

"Sie telegrafieren doch, nicht wahr? Tun Sie es dann hier, dann wird Ihr Telegramm schneller behandelt. Code? Wir können Ihnen auch helfen, ich werde eben für Sie telefonieren." Nun musste ich ihm deutlich machen, dass ich mit Carter in Geheim-­Code korrespondierte, und er bat mich um eine Erklärung. Ob denn niemand das Kabelgramm lesen könne? Auch nicht die Direktion der Telegrafen‑Ämter? Er war verwundert und fand es nicht gut, dass Private miteinander telegrafieren konnten, ohne dass die Staatsdienste der verschiedenen Länder ihre Berichte entzifferten. Er bekannte rundheraus, davon noch niemals gehört zu haben.

 

Es war bald halb fünf, als ich meine Hotelsuite betrat, und ich begann sofort mit dem Zusammenstellen meines Code-­Kabelgramms an Carter.

 

Da war ein fremdes Etwas, wenn man in diesen Tagen die deutschen Blätter las. Es wurde mir freilich erzählt, dass da noch kommunistische und sozialdemokratische Tages‑ und Wochenzeitungen zu bekommen seien, aber die Hotelboys, die ich danach aussandte, kamen stets mit den bekannten Berliner Tageszeitungen. Ohne Ausnahme wurde der Brand im Reichstagsgebäude als eine kommunistische Sabotage‑Untat abgestempelt. Andere Stimmen ‑ falls diese vorhanden gewesen sein sollten ‑ habe ich nicht auffangen können. Später, in Amerika und anderswo, habe ich andere Erklärungen gelesen, aber wenn es wahr ist, dass die Hitlerpartei bei dem Brand ihre Hand im Spiele hatte, dann ist Hitler der tüchtigste Schauspieler, den ich in den fünf Erdteilen kennenlernte. Göring und Goebbels stehen ihm nur wenig nach. Seine Entrüstung, seine Wut über diesen Brand waren so echt ‑ oder besonders gut geheuchelt ‑ dass ich immer noch, allein bei dem Gedanken an jene Unterhaltung, unter dem Eindruck seiner wilden Gefühle stehe.

 

Etwas Merkwürdiges bemerkte ich auch in jenen Tagen in Berlin. An Ecken von Strassen und Plätzen sah ich oft zehn, zwanzig braune Uniformen, behakenkreuzt und im Kreise aufgestellt. Eine Viertelstunde riefen sie laut:

 

"Ausmisten - wählt Nationalsozialisten"

 

Dann gingen sie weiter, stellten sich wieder auf und riefen:


 

«Das allerneueste Judenei ‑

das ist die deutsche Staatspartei !»

 

Mittags sah ich von meinem Hotelzimmer aus wohl vierzig braune Uniformen in einem Kreis stehen. Eine halbe Stunde lang schrien sie, in einem bestimmten Rythmus:

 

«Prolet erwache !

Wenn du die Freiheit der deutschen Arbeit

erkämpfen willst

Wenn du für Frau und Kinder Brot

haben willst

dann

wehr Dich, wehr Dich,

Arbeiter der Stirn und Faust!

Nur Liste Neun.»

 

Ich musste stets an Hitler denken, wenn ich diese Männer sah ‑in Berlin nannten sie diese Propaganda «Sprechchöre».

 

Alles Hitler. Kurze Sätze. Immer nur sprechen, schreien, rufen, ohne eine Erwiderung von anderen. Der andere kann nicht einmal zu Wort kommen. Wohl eine neue Methode von Propaganda. Bei uns haben wir wohl auch einmal etwas Neues auf dem Gebiete der Wahlpropaganda gefunden, aber so etwas Suggestives, so etwas, das auf die Masse leicht einwirkt, habe ich noch nirgend gesehen. Sobald die erste Partei damit beginnt, ist sie natürlich Herr der Strasse; denn wem eine andere Partei in der Nachbarschaft mit Sprechchören losgeht, dann kommt es zu Schlägereien und Kämpfen, anders geht es nicht. Dieser Rythmus und dieses stetige Wiederholen derselben Worte peitscht die Sprecher in eine Art Ekstase und in dieser Ekstase sind sie zu allem fähig. Ich habe von diesen braunen Männern einige gesehen, die über die Köpfe der Menge hinwegsahen, als ob sie eine bessere Welt erschauten und die in dem schönen Anblick schwelgten. Die Ekstase war deutlich an ihren Gesichtern abzulesen. Kann ein Mensch in diesem Zustand noch logisch denken? Psychologen haben das Wort. Gestern las ich irgendwo in einer Dissertation, dass Faschismus und Nationalsozialismus eine Krankheit seien, eine seelische Krankheit, vielleicht. Ich erzähle nur.

 

Carter kabelte mir, dass da höchstens sieben Millionen Dollar überwiesen werden könnten, d.h. fünf Millionen Dollar würden aus New York nach Europa an die anzugebenden Banken und zwei Millionen Dollar in Deutschland durch die Rhenania Aktiengesellschaft an mich persönlich überwiesen. Die Rhenania ist die deutsche Filiale der Royal Dutch in Düsseldorf.

 

Ich schrieb Hitler diese Antwort und wartete.

 

Am folgenden Tage, schon ganz früh am Morgen, wird mir Goebbels gemeldet. Er brachte mich nach der Fasanenstrasse. Hitler empfing mich in demselben Zimmer. Göring war bei ihm. Das Gespräch war ganz kurz, schroff beinahe. Ich bekam den Eindruck, dass die drei Männer die Regelung nicht billigten und sich Gewalt antun mussten, um nicht gegen mich ausfällig zu werden. Alles verlief jedoch flott. Hitler bat mich, die fünf Millionen Dollar wiederum auf die Banca Italiana in Rom überweisen zu lassen. Göring würde mich begleiten. Die zwei Millionen aus Düsseldorf müssten in deutschem Geld in fünfzehn gleichwertigen Schecks, alle auf den Namen von Goebbels, ausgeschrieben werden.

 

Damit war die Unterhaltung abgelaufen. Ich ging.

 

Bis zuletzt habe ich meinen Auftrag genau ausgeführt. Hitler ist Diktator des grössten Landes in Europa. Die Welt hat ihn nun bereits einige Monate an der Arbeit gesehen. Meine Meinung über ihn hat nun keine Bedeutung. Seine Tage werden beweisen, ob er der Narr ist für den ich ihn halte. Für das deutsche Volk hoffe ich von Herzen, dass ich mich irre.

 

Die Welt leidet und seufzt weiter an einem System, das sich eines Hitlers bedienen muss, um bestehen zu bleiben. Arme Welt, arme Menschheit !

 

 

 

 

Springers Nazionismus

 

6. Kapitel: "Der Zeuge Reichskanzler Dr. Heinrich Brüning"

 

Dr. Heinrich Brüning wurde 1885 in Münster/Westfalen geboren, im Ersten Weltkrieg kaiserlicher Offizier und von März 1930 bis Mai 1932 als katholischer Zentrumspolitiker Kanzler der Weimarer Republik. Seine Andeutungen über die Finanzierung Hitlers durch die Wall Street hat die Springersche "Welt" vom 10.12.1970 dem Manne nicht vergessen, der in jenem Jahr in den USA verstorben war: "Brüning - Verächter der Republik" (Artikel aus der Feder des Ernst Cramer).

 

Wir zitieren aus einem Brüning-Brief des Jahres 1947:

 

"Glücklicherweise waren Hindenburgs außerverfassungsmäßige Berater unter sich geteilt. Eine Gruppe zielte auf eine Regierung ohne Nazipartei, gleich der später unter Herrn von Papen eingesetzten, die diktatorisch vorgehen und die politischen Parteien auflösen sollte. Andere wollten eine neue Regierung haben, die die Nazis einschließen sollte. Die letztere Gruppe hatte unter ihren Mitgliedern eine Anzahl von Bankiers, die einen besonderen, indirekten Druck auf den Präsidenten nach seiner Rückkehr nach Berlin ausübten. Zum mindesten einer von ihnen hatte, wie man wußte, seit Oktober 1928 großzügig die Fonds der Nazis und der Parteien der Nationalisten mit Geld unterstützt. Er starb, kurz nachdem die Nazis an die Macht gekommen waren. Das Finanzieren der Nazipartei, teilweise von Menschen, von denen man es am wenigsten erwartet hätte, daß sie sie unterstützen würden, ist ein Kapitel für sich. Ich habe niemals öffentlich darüber geprochen, aber im Interesse Deutschlands könnte es notwendig werden, es zu tun und aufzudecken, wie dieselben Bankiers im Herbst 1930 den Botschafter Sackett gegen meine Regierung zu Gunsten der Nazipartei zu beeinflussen suchten."

 

Quelle: "Deutsche Rundschau", herausgegeben von Rudolf Pechel, 70. Jahrgang, Heft 7, Juli 1947, Seite 6

 

Anmerkung: Mit dem Botschafter Sackett ist der damalige US-Botschafter Frederic M. Sackett in der Reichshauptstadt Berlin gemeint.

 

Im Schwurgerichtssaal des Bonner Landgerichts hielt Dr. Heinrich Brüning am 25. Februar 1953 einen Vortrag über die Weltkrise von 1928 - 1934  -  Da er, inzwischen wiederum Professor US-amerikanischer Universitäten, erneut über die Geldgeber der Nazis nicht sprach, befragte ihn im Anschluß an seinen Vortrag der Oberamtsrichter Dr. Sand mündlich. Dr. Brüning antwortete ausweichend und einige Tage darauf am 5.3.1953 schriftlich:

 

Herrn

Oberamtsrichter Dr. Sand

(22 c) Waldbröl

 

Sehr verehrter Herr Oberamtsrichter!

 

Ich würde gern die an mich von Ihnen schon persönlich gestellten Fragen ausführlich beantworten, wenn ich es für opportun hielte. Man muss auf die Zeit warten, wo von anderer Seite, nicht von den ausgesprochenen Gegnern des Nationalsozialismus, der Schleier von den Dingen, die Sie erwähnen, gezogen wird. Nur dann hat es eine Wirkung. Ich kann Sie versichern, dass viele an der Arbeit sind, auch im Ausland, diese Funktion auszuüben.

 

Mit freundlichen Grüssen

Ihr sehr ergebener

 

H. Brüning

 

Anmerkung: Sein 'öffentliches Geheimnis' nahm Brühning mit ins Grab. Sofern beispielsweise von der oben erwähnten Springer-Presse aus recht durchsichtigen Gründen Kritik an der Person des Reichskanzlers Brüning geübt wurde, ist diese unbegründet. Die Möglichkeiten der Widerlegung solcher Ehrabschneidungen sind Legion. Als ein Beispiel von vielen soll aus dem Nachwort von Theoderich Kampmann zu Brünings Memoiren zitiert werden:

 

"Was wäre geworden, wenn Brüning ein paar Monate länger das Steuer der deutschen Politik hätte lenken können?" Meine Antwort lautet, daß es dann weder eine Hitlerdiktatur noch einen Zweiten Weltkrieg gegeben hätte, weder den gespenstischen Fackelzug, der das Dritte Reich eröffnete, noch das Meer von Blut und Tränen, mit dem es versank.

 

Als Heinrich Brüning am 30. März 1930 fünfundvierzigjährig seine Kanzlerschaft begann, war er der Öffentlichkeit so gut wie unbekannt; als er am 30. Mai 1932 demissionierte, war er der maßgebliche Politiker Europas. Durch Brüning wurde die Frage nach dem Fortbestand der Weimarer Republik zur Frage des Fortbestandes der politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen Ordnung aller europäischen Staaten, in etwa selbst der USA.

 

Brüning war der erste Kanzler nach der Katastrophe von 1918, der mit einem klaren Konzept vor den damaligen Reichstag trat und der mit unerschütterlicher Gelassenheit dieses Konzept Schritt um Schritt zu realisieren trachtete. Wenige Wochen nach Brünings Amtsantritt wurde deutlich, daß es zwischen dem Reichsparlament und dem Reichspräsidenten eine Reichsregierung gab, die weder pathetisch deklamierte noch gewohntermaßen manipulierte, sondern mit unerschrockener Konsequenz verfügte und handelte.

 

Die hohen menschlichen Qualitäten Brünings wurden selten bestritten. Etwa seine ethische Lauterkeit, seine eiserne Disziplin, seine unermeßlich scheinende Arbeitskraft, seine profunde Sachkenntnis, seine panoramic ability, seine Fähigkeit also, innerhalb der political matters jedes und alles im Rundblick zu sichten. Weniger deutlich wurde den Zeitgenossen, die Brüning gelegentlich einen Zauderer nannten, des Kanzlers gelassenes Warten auf jenen entscheidenden Punkt, der blitzschnelles Handeln erforderte. Richtiges Handeln an der falschen Stelle, heißt es in den Memoiren, ist genauso verheerend wie falsches Handeln an der richtigen Stelle.

 

Wie Bismarcks politisches Genie bestand dasjenige Brünings unter anderem darin, daß er einerseits auf weiteste Sicht hin kalkulierte und andererseits, durch keinerlei Theorien blockiert, jeden passenden Augenblick beim Schopfe faßte. Brüning wußte insofern um das Geheimnis der coincidentia oppositorum, der Vereinbarkeit also von Gegensätzen, als er bei jeder Unterhandlung nicht bloß den eigenen Standpunkt einleuchtend umschrieb, sondern auch den gegnerischen Standpunkt ruhig zur Kenntnis nahm und einem übergreifend Gemeinsamen einordnete.

 

 

 

Springers Nazionismus

 

Kapitel 7: "Gebrüder Strasser"

 

Gregor Strasser, Jahrgang 1892, und Otto, der etwas jüngere Bruder, beide aus dem bayerischen Deggendorf stammend, galten Ende der zwanziger Jahre in der NSDAP als die mächtigsten Männer nach Hitler. Otto ging als erster im Jahre 1930 von der roten Fahne mit dem Hakenkreuz ("Die Sozialisten verlassen die NSDAP") und Gregor, der mit anderen die Dollar-Millionen des James P. Warburg in Empfang genommen hatte, verliess seinen Führer erst 1932 - zwei Jahre darauf wurde der zuviel Wissende beim sogenannten Röhmputsch ermordet.

Dr. Wilhelm Abegg, der anschließend zu Wort kommt, war langjähriger Staatssekretär im Preussischen Innenministerium, damit Stellvertreter des Ministers. Er leitete die Fahndung nach Hitlers Finanzierern. Hier aus der Züricher Besprechung vom 26.5.1933 mit Dr. W. Abegg (Original im Abegg-Archiv/Zürich):

 

d) betreffend Gregor Strasser

Mit G. Strasser hatte ich Ende 1932 und Anfang 1933 verschiedene Besprechungen. Er gab zu, dass er mit einem Amerikaner Finanzverhandlungen führte, um das Parteidefizit zu decken. Auf meine Frage, was Hitler als Gegenleistung zugesichert habe, antwortete Strasser ausweichend. Er sei zwar mit der USA Finanzhilfe einverstanden gewesen, aber nur bedingt. Er habe wissen wollen, was Hitler der USA Hochfinanz als Gegenleistung versprochen habe, denn der amerikanische Verbindungsmann habe ihm hierüber keinen Aufschluss geben wollen. Auch Hitler habe ihm keinen Aufschluss gewährt u. er habe den Eindruck gewonnen, dass Hitlers Gegenleistung mit dem Parteiprogramm in Widerspruch stehe. Das sei auch einer der Gründe gewesen, weshalb er sich mit Hitler überworfen habe und von der Politik nichts mehr wissen wolle.

 

In der gleichen Besprechung vermerkte Dr. Abegg unter lit. c):

 

betreffend Dr. Bell

Von Bell haben wir weitaus am meisten über Hitlers Finanzquellen erfahren. Es ist schade, dass hierüber keine Auszüge gemacht werden konnten.

 

Auch der nach Österreich entkommene Dr. Bell wurde vorsichtshalber gleich mit erschossen.

Dr. Otto Strasser, der jüngere der beiden Brüder, hat auf seiner Flucht (eine Million Reichsmark waren auf seinen Kopf ausgesetzt) über Prag, Wien, Zürich nach Kanada im Januar 1940 in Paris bei 'Editions Bernard Grasset' sein Buch "Hitler et moi" erscheinen lassen. Wir bringen daraus die Übersetzung eines Absatzes auf Seite 155:

 

"Hugenberg und Schacht wurden sich ihres Irrtums bewusst und nahmen unverzüglich ihre Beziehungen zu Hitler auf; von Papen versuchte, sich ihnen anzuschliessen. Die Versöhnung des Ex-Kanzlers mit Adolf fand statt im Hause des reichen Finanzmannes israelitischer Herkunft Schröder, der die Kassen für den neuen politischen Feldzug des Nationalsozialismus auffüllen sollte."

 

 

 

 

Springers Nazionismus

 

Kapitel 8: "Baron Kurt von Schröder"

 

Jahrgang 1889. Der Familie mit ihren weltweiten Bankbeteiligungen, mit ihren engen Beziehungen zu den Warburgs, wurde im Jahre 1868 der preussische Adel samt der Freiherrenwürde verliehen. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges trat der SS-General und gleichzeitige ITT-Direktor Baron von Schröder in Nürnberg auf - als Zeuge der Anklage.

Der bereits erwähnte A. Poporski aus dem Nachrichtendienst des Generals von Schleicher bekundete am 16. Juni 1955:

 

"Ich wußte, daß am 4. Januar 1933 bei der Besprechung Hitler/Papen/Bankier Schröder auch Herr John Foster Dulles, der jetzige Außenminister Amerikas, anwesend war. Allan Dulles, der heutige Leiter des amerikanischen Central Intelligence, war damals Direktor der Henry Schröder Banking Komp., New York. Der internationale Bankier von Schröder arbeitete mit Warburg/Hamburg, der Schröder Komp. und der Dillon-Read-Gruppe (Baruch). Das läßt Sie die Verbindung verstehen. Foster Dulles war damals der Inhaber der Rechtsanwaltsfirma Sullivan & Cromwell, welche die Rechtssachen der erwähnten Hochfinanzgruppe bearbeitet."

 

Baron von Schröder bestreitet die Dulles-Teilnahme vom 4.1.1933 und er beschrieb 1957, dass "in meinem Hause die Unterhaltung zwischen Herrn von Papen und Hitler stattfand, während Hess, Himmler und Keppler sich im Nebenzimmer aufhielten."

Der Hamburger "Stern" 19/1973 brachte unter dem Titel "Profite unter dem Hakenkreuz" den folgenden Bericht (Auszug) vom "deutschen ITT-Direktor, Bankier und SS-General Kurt von Schröder, dem SS-Führer Himmler persönlich verbunden":

 

"Als besonders geeignet von den vorgeschlagenen Leuten fand Mr. Behn den Kölner Bankier Kurt von Schröder, in dessen Haus am 4. Januar 1933 Franz von Papen und Hitler zusammengetroffen waren, um die Machtübernahme der Nazis zu beschließen. Bankier von Schröder (SS-Nr. 276 904) wurde neuer ITT-Direktor; 1936 wurde der Bankier vom SS-Reichsführer Himmler zum SS-Standartenführer befördert und später gar SS-Brigadeführer (Generalmajor).

 

Zum Chef aller ITT-Unternehmen im Dritten Reich aber machte Behn den Rechtsanwalt Dr. Gerhard Alois Westrick, einen älteren Bruder des späteren Ministers in Erhards Bundeskanzleramt, Dr. Ludger Westrick (CDU). Westricks Anwaltsfirma hatte sich damals auf die Vertretung amerikanischer Firmen in Deutschland spezialisiert.

 

Anwalt Westrick und Bankier von Schröder verhalfen denn auchdem US-Konzern durch ihre persönlichen Kontakte zur Nazi-Elite schon bald zu einer beträchtlichen Expansion. ...

 

Frage: "War Ihnen direkt oder durch Hörensagen irgendein Protest Behns oder seiner Vertreter gegen solche Gesellschaften bekannt geworden, die sich an Umtrieben für die Kriegsvorbereitungen Deutschlands beteiligten?"

 

v. Schröder: "Nein." ...

 

Von da ab übernahm ITT New York wieder alle deutschen ITT-Besitzungen in eigener Regie. Auf den Trümmern des Reiches baute ITT ein neues Imperium, ein Konsortium von fast 40 Firmen mit 60 000 Mitarbeitern und vier Milliarden Mark Umsatz ... Sampson: "Wenn die Nazis den Krieg gewonnen hätten, hätte ITT als eine makellose Nazi.Firma dagestanden; da die Nazis den Krieg verloren, stand ITT wieder als makellose US-Firma da."

 

Derart makellos war nach dem Kriege der Ruf von ITT als US-Firma, daß der Konzern 1967 sogar von der amerikanischen Regierung 27 Millionen Dollar Schadenersatz für die von US-Bombern im Krieg zerstörten deutschen ITT-Fabriken einstreichen konnte."

 

 

 

 

 

Springers Nazionismus

 

Kapitel 9: "RENE SONDEREGGER"

 

Rene Sonderegger - Schweizer Journalist, später als Severin Reinhard bekannt durch politische Schriften und Bücher. An den ihm untergeschobenen 'Antisemitismus' (was immer das sein mag, auch Araber und Äthiopier sind Semiten) ist schwer zu glauben. 1933 schrieb Sonderegger‑Reinhard nach Hitlers Machtantritt über die 'Judenfrage': «Selbst die brutale deutsche Boykottbewegung gegen die deutsche Judenschaft verhinderte nicht, dass sich das aus der Krise entstandene Übelwollen gutschweizerischer Volkskreise gegen die Juden festigte.»

 

Aus seinem "Spanischen Sommer" hier die ersten Seiten und die beiden Absätze "Die amerikanische Finanzierung Hitlers" und "Das Warburg­-Geheimnis".

 

 

                                                         Severin Reinhard

 

                          SPANISCHER SOMMER

 

                                                  Die abendländische Wandlung

                                                    zwischen Osten und Westen

 

 


                         INHALT

 

                                                        Seite

Einleitung: Europäische Reise

Dom im Nebel . . . . . . . . 9

Furcht auf Reisen . . . . . . . 10

Ueber den Kirchtürmen Europas . . . .13

Hinter den Pyrenäen . . . . . . .17

 

1. Kapitel: Spanien im Weltgeschehen

 

Spanische Gegenwart . . . . . . .                         23

Isolierte Erneuerung . . . . . . .                           30

Die Lehre des Bürgerkrieges                             34

Praktikum der Leninschule . . . . . 38

Progressive Auswirkung . . . . . .42

Willielm Tell und Den Quijote . . . . 51

Leviathan ante portas . . . . . .57

Völkerrecht und Weltherrschaft . . . . 64

Politik und Wandlung . . . . . . 70

 

2. Kapitel: Politik und Spekulation in weltgeschichtlichen Tatsachen

 

Seltsame Wechselwirkung . . . . . 77

Politische Lügen als Spaltpilze . . . . 82

Wallstreetbörse und Russenpolitik . . . 86

Tolstoj und die permanente Revolution . . 90

Weltankläger Torquemada . . . . . 93

Wischinsky's Inquisition . . . . . . 95

 

3. Kapitel: Geld und Geschichte

 

Das Bankhaus Kuhn Loeb & Cie .. . . . 105

Getrennte Geschäfte und geeinte Partner .       111

Rotschild und Warburg                     120

Jakob H. Schiff 's «großer Coup» . . .            128


Die Anweisung auf das Kriegsgeschäft           136

Leon Trotzki und die Geldgeber des Bolsche­wismus . . . . . . . . . .     138

Der besondere Preis . . . . . . . 146

 

4. Kapitel: Gottesreich des Goldes

 

Bankiers, Puritaner und Propheten . . . 151

Das religiöse Motiv des Bankhauses . . . 155

Macht und Zweck des Gottesreiches . . . 161

Auf der Spur des Zionismus . . . . . 166

Antisemitismus als Rezept . . . . . 170

Die amerikanische Finanzierung Hitlers . . 174

Das Warburg‑Geheimnis . . . . . . 183

 

5. Kapitel: Die kommunistische Kehrseite des Kapitalismus

 

Paul M. Warburg's Griff nach der Währung .   197

Die Finanzierung der Zersetzung . . . .              202

                                 

"Operation Mauseloch" und das Gesetz Moses     207

Die talmudische Kippe zum Nihilismus            216

 

6. Kapitel: Wertung und Ausblick

 

Die große Inversion . . . . . . . 225

Der Weg der abendländischen Wandlung . . 232

Dualismus und Einheit des Geistes . . . 238

Gott ohne Geist? . . . . . . . . 243

Schuldfrage und Sühne . . . . . . 248

Auf dem Wege zur Synthese . . . . . 257

 

7. Kapitel: Der spanische Sommer

 

Kreutzer‑Sonate . . . . . . . . 269

Sommerlicher Ausklang . . . . . . 275

 

Dokumentar‑ und Quellennachweis, Anmerkungen . . . 289


 

......In einer Zeit, wo Völker ihr Vaterland aufgeben, wo ihre heißbesungenen Begriffe zuammenfallen, erlebt die Welt ein eigenartiges Schauspiel der Staatsgründung. Eine einfache Frage muß die Antwort erzwingen. Wer den Antisemitismus finanziert, fördert den Zionismus! Wer also den größten Antisemiten des Jahrhunderts finanziert hat, Adolf Hitler, der hat zweifelsohne auch dem Zionismus größten Auftrieb verliehen.

 

Die amerikanische Finanzierung Hitlers

 

Es hieße, den diplomatischen Fähigkeiten hervorragender Zionisten wenig zuzutrauen, wenn man ihnen die Ueberwindung. des Abel­willens der Juden gegen die Besiedlung der palästinensischen. Wüste nicht zumuten würde. Wenn es sich zuerst darum gehandelt hat, die Juden selber für Palästina zu interessieren, so mußte ein kräftiger Antisemitismus unter den Völkern entschieden zugkräftig für den Zionismus sein. Die Anwendung des antisemitischen Rezeptes war aber auch wirksam, um die andern Völker für die Idee zu gewinnen. Die Regierungen aller Länder bemühen sich, ihren Völkern das beunruhigende Laster des Judenhasses auf diese oder jene Weise abzugewöhnen. Statt die natürlichen Ursachen der Judenhetze abzuklären und zu beheben, versuchen die vereinigten Mächte der öffentlichen Meinung das Recht auf Stimmungen abzusprechen, die sich periodisch gegen das Judentum richten. Vielerorts ist man dazu übergegangen, Antisemitismus als strafrechtlich erfaßbares Delikt zu bezeichnen. Damit ist eine Folgeerscheinung willkürlich in Ursache verwandelt und diese, als Erreger, den Medikamenten gleichgesetzt, die nur auf ärztliches Rezept hin den Patienten verabreicht werden dür­fen. Um festzustellen, wer das gefährliche Mittel an die

Patienten, in diesem Falle die Völker der Erde, verab­reichen darf, muß erforscht werden, wer dem Antisemi­tismus Vorschub leistet. Das kann am allerbesten und deutlichsten am Beispiel Hitlers gezeigt werden, dem zwei­fellos nicht abzusprechen ist, daß er am meisten und gründlichsten Antisemitismus erzeugt und verbreitet hat. Es ist dabei in Betracht zu ziehen, daß Adolf Hitler kei­neswegs dilettantisch vorgegangen ist, indem er einfach eine judenfeindliche Stimmung im deutschen Volke er­zeugt hat. Er hatte auch keineswegs die gewöhnliche Politik der Verlegenheit angewandt, die den Juden als Sündenbock für wirtschaftlichen Mißerfolg dem Volkszorn preisgibt. Bekanntlich hat Hitler nach seinem Machtantritt das wirtschaftliche und finanzielle Schicksal Deutschlands in die eigene Hand genommen und gewissermaßen in Idealkonkurrenz zu Franklin D. Roosevelt verschiedene Probleme der Wirtschaft angepackt, wie beispielsweise die Arbeitslosigkeit. Den Juden aber hatte er den Krieg erklärt. Er hatte dies nicht über Nacht getan und hatte sie nicht plötzlich überfallen, sondern er bekannte sich in seinem Buche "Mein Kampf" als unversöhnlicher Gegner des Judentums Es blieb den Juden in Deutschland an­heimgestellt, seine Androhungen ernst zu nehmen oder sie zu mißachten, aber ein Zweifel darüber ist er weder den Juden selber noch irgend jemandem schuldig ge­blieben, daß er bei Antritt der Macht den Krieg gegen das Judenvolk mit aller Schärfe führen werde. Demnach ist Adolf Hitler als Judenfeind zu betrachten, der sich wie kein anderer Staatsmann in der Geschichte offen gegen die Juden wandte. Es ist keinem intelligenten Menschen zuzutrauen, zu glauben, daß Mächte, welche am Zustandekommen der Machtergreifung Hitlers beteiligt waren, diese Gesinnung Hitlers verkannt haben und von seiner antisemitischen Einstellung nichts wußten. Im Gegenteil mußte sich jedermann, der Hitler im großen finanziell unterstützte, darüber klar sein, daß damit auch der antisemitische Krieg unterstützt würde. Der hitler­sche Antisemitismus hatte aber nicht nur in Deutschland seine Wirkung, sondern ganz Europa wurde von den Folgen der judenfeindlichen Handlungen Hitlers erfaßt und was in Deutschland an antisemitischem Samen gesät war, ging auch bald in der ganzen Welt als zionistisches Erwecken tausendfältig auf.

 

Es war durchaus nicht das erste Mal in der Geschichte der Völker, daß Menschen um ihrer Gesinnung oder Herkunft willen verfolgt und in die Emigration getrieben wurden. Aus dieser Tatsache hat sich aber auch manche Erschließung neuer Erde und neuer Möglichkeiten ergeben. Gerade das Beispiel der Puritaner zeigt, wie politische Ursachen oftmals kolonisatorische Wirkungen nach sich ziehen. Auch die Hugenotten haben aus der Not ihrer Emigration eine Tugend gemacht und viele der europäischen Wandlungen haben die Besiedlung des amerikanischen Kontinentes nach sich gezogen. An praktischen Vorschlägen, die von Hitler vertriebenen Juden kolonisatorisch zu erfassen und ihre Enttäuschung über eine Zivilisation in neue sinnvolle Lebensgestaltung umzuleiten, hat es nicht gefehlt. Es zeigt sich aber, daß der Zionismus aus diesen Verfolgungen der Juden allein Ernte hielt und zwar nicht nur inbezug auf die Verwirklichung des Judenstaates in Palästina, sondern auch als geistiger Auftrieb, dem eine Art jüdische Renaissance auf dem Fuße folgte.

 

Es wäre schlecht gedacht, einer Persönlichkeit vom Stande und der Bildung des deutschen Bank‑ und Industrieführers Max M. Warburg zuzutrauen, er würde die wahre Einstellung Hitlers verkannt haben und sich haben verleiten lassen, in Deutschland zu verbleiben, bis schließlich eine letzte Welle, kurz vor Ausbruch des unvermeidlichen Weltkrieges, auch das Haus Warburg & Cie. in Hamburg hinwegspühlte. Vielmehr ist anzunehmen, daß der bedeutende Mann das Unvermeidliche soweit an sich hatte herankommen lassen, bis er im Juli 1938 die Zeit gekommen sah, das sinkende Schiff Deutschland zu verlassen. Es ist nicht zu übersehen, daß Max M. Warburg nicht nur der Bruder des großen Paul M. Warburg im Bankhaus Kuhn Loeb & Cie. war, der als einziger unter den amerikanischen Finanz‑ und Wirtschaftsführern den "schwarzen Freitag" voraussagen konnte, sondern imstande war, seinen in Deutschland verbliebenen Bruder vor kommenden Dingen zu warnen. Aber Max M. Warburg war ja auch der Bruder von Felix M. Warburg dem Vorsitzenden des Administrative Committee der Jewish Agency, der als einer der führenden Zionisten zu gelten hat und im Aufbau Palästinas eine eigenartige, maßgebliche Stellung inne hatte. Seine Gattin war Vorsitzende der zionistischen Frauenorganisationen und in Dr. Judah L. Magnes, dem Kanzler der hebräischen Universität in Jerusalem, besaß der unerschöpfliche Finanzmann einen Mitarbeiter, der als die geistige Kapazität des Judentums eine besonders wichtige Rolle im Zionismus spielt.

 

Wenn von einem einzigartigen Geschäft die Rede ist, welches zwischen 1929 und 1933 entscheidend dazu beigetragen hat, Adolf Hitler "auf legalem Wege" zum Machthaber in Deutschland zu machen, so handelt es sich um eine Parallele zu den finanziellen Unternehmungen, mit denen der Gründerpräsident des Bankhauses Kuhn Loeb & Cie., Jakob H. Schiff, schon einmal den Verlauf der geschichtlichen Ereignisse beeinflußt hat. Trotz der sehr imposanten Höhe der dabei aufgewendeten Summen, handelte es sich aber stets um spekulative Einsätze, denen die Bedeutung des Züngleins an der Waage zufiel. Was weit mehr als das eingesetzte Geld zum Gelingen beitrug, war die kühne Konzeption und die einzigartige Strategie, welche bei diesen Eroberungen, wie von einem Generalstab, angewendet wurde. Nur ein Kopf, der gewohnt war, in Jahrhunderten zu denken und Begriffe ebenso wie Machtmittel zur Seite zu haben, war imstande, solche Einsätze zu rechtfertigen. Rechtfertigen vor wem? Nun, zunächst vor den Teilhabern des Bankhauses Kuhn Loeb & Cie.

 

Die Rolle eines Mitgliedes der Familie Warburg, bei der Finanzierung Hitlers in den entscheidenden Phasen seines Aufstieges zur Macht, erträgt eine Reihe von Deutungen, von mythologischen Zusammenhängen bis zu primitiven Wirklichkeiten. Aber die Mystifikation, welche das Warburggeheimnis umgibt, ist unschwer in klare Tatsachen aufzulösen. Zunächst ist allerdings eine Publikation maßgebend, welche im Jahre 1933 bei dem bekannten Verlage Holkema und Warendorf in Amsterdam erschienen ist und den Titel trägt: "Die Geldquellen des Nationalsozialismus". Es ist ein Bericht über drei Verhandlungen mit Hitler. Als Autor ist Sidney Warburg genannt und der holländische Text ist von ­einem Schriftsteller namens J. G. Schoup aus einer Sammlung von Originalaufzeichnungen, tagebuchartigen Hinweisen und Berichten verfaßt worden. Soweit dabei handgreifliche Verschreibungen und Mängel am Manuskript haften geblieben sind, handelt es sich, wie bei den Fehlern an orientalischen Teppichen, weit mehr um Beweise der Echtheit des Dokumentes, als um das Gegenteil. Das Buch hatte aber kaum das Licht des Tages erblickt, als es auch schon aus dem Handel zurückgezogen wurde. Nur wenige Exemplare scheinen den Weg in die Freiheit gefunden zu haben, und was von einem jüdischen Rechtsanwalt in Amsterdam, im offensichtlichen Auftrag der Warburg‑Familie nicht zurückgeholt werden konnte, wurde von Geheimpolizisten der Hitlerbewegung in Holland erjagt. Nachdem Hitler zum Haupt des benachbarten Deutschland geworden war, wäre es dem kleinen Staate Holland zweifellos auch nicht wohlbekommen, wenn diese Dokumentationen, die ein finanzielles Geheimnis des Führers beleuchteten, ausgekommen wären. Dazu existierte in Holland bereits eine nationalsozialistische Bewegung unter der Führung Musserts, die sich alle Mühe gab, auch die Gerüchte um dieses Buch, die überall herumschwirrten, zum Verstummen zu bringen. Die bloße Kenntnis einer bevorstehenden Publikation über Enthüllungen eines Mitgliedes der Familie Warburg hatte in Europäischen Bankkreisen erhebliches Aufsehen erregt und das Interesse daran wollte nicht abflauen, bis endlich eine Broschüre erschien, die einen ähnlichen Titel trug, vom Kassier der Mussertbewegung in Holland verfaßt war und allgemeine Behauptungen über die finanzielle Sauberkeit und Unabhängigkeit der Hitlerbewegung enthielt. Die Empfänger, welche anderes erwartet hatten, gaben ihrer Enttäuschung Ausdruck und es prägte sich das Wort "Mystifikation", welches zum schützenden Nebel um das verschwundene Buch eines Warburg wurde. Auffallenderweise verzog sich auch der in Amsterdam wohnende Anwalt, welcher das Verschwinden des Buches geleitet hatte, nach den Vereinigten Staaten, wo er als Mitbewohner im Hause gesichtet wurde, das auch von Max M. Warburg nach seiner Flucht aus Deutschland bewohnt worden ist.

 

So gründlich die belastende Dokumentation über den finanziellen Grund von Hitlers Erfolg beseitigt worden war, so fielen doch dem österreichischen Gesandten von Alexis in den Haag die zwei Exemplare in die Hände, welche offenbar in die Stöße von Büchern geraten waren, die eine Bibliothek zu empfangen pflegt, um sie sukzessive zu katalogisieren. So kam das geheimnisvolle Buch in zwei Exemplaren nach Wien, wo es vom Bundeskanzler und einigen Vertrauten der Regierung gelesen wurde. Die Herausgabe dieser Wahrheiten schien den Oesterreichern aber nicht mehr ratsam, nachdem sie durch den Mord an Bundeskanzler Dollfuß und die Umtriebe der national sozialistischen Zentrale an der Teinfaltstraße eingeschüchtert und von drohenden Maßnahmen des Reiches bedroht waren. Dazu schien es der Regierung nicht geraten, unter den Augen des deutschen Gesandten von Papen die Weltöffentlichkeit auf diese Zusammenhänge hinzuweisen. Die zuständigen Stellen sandten daher einen Vertrauensmann in die benachbarte Schweiz, wo soeben die Enthüllungen von Dr. Otto Straßer über die Vorgänge in Deutschland in einem Buche "Die deutsche Bartholomäusnacht" erschienen waren. Ehe noch der deutsche Griff nach Oesterreich vollzogen war, wurde das eine der beiden Exemplare dem Verleger Straßers ausgehändigt, der in der Folge eine kleine Publikation unter dem Titel "Finanzielle Weltgeschichte" (Resoverlag 1936) herausgab, deren Wirkung in der Flut von politischen und andern Enthüllungen unterging.

 

Eine erste Abklärung über den wahren Verfasser des geheimnisvollen Buches ergab sich aus einer zufälligen Unterhaltung, die der Verfasser mit dem gerade zum Minister ernannten schweizerischen Geschäftsträger in Prag, Dr. Bruggmann, im Kreise seiner Familie hatte. Nach Erwähnung des Namens und der Umstände bestätigte die Gattin des hohen Gastgebers, daß es sich um niemand anders handeln könne, als einen Gespielen aus Ihrer Jugendzeit, der auch ihr Schulkollege war und sie gab eine Reihe von Feststellungen an, welche nicht nur auf die Angaben des Buches paßten, sondern die Persönlichkeit des Verfassers deutlich machten. Sidney ist ein naheliegendes Synonym für James, weil beide Namen im familiären Umgang mit "Shimmy" bezeichnet werden und nach sorgsamen Prüfungen sowohl der im Buche erwähnten Umstände als auch der übrigen Charakterisierungen und Tatsachen konnte hinter dem Verfasser niemand anders zu suchen sein, als James P. Warburg, der im Jahre 1896 geborene, einzige Sohn des früheren Staatssekretärs Paul M. Warburg, des Teilhabers von Kuhn Loeb & Cie. Das ungewollte Zeugnis der hohen Dame erhielt sein Relief durch den Umstand, daß es sich bei ihr um die Schwester des früheren Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten, Henry A. Wallace, handelt, die als Gattin des schweizerischen Gesandten, Minister Bruggmann, alsbald in Washington ihren neuen Wirkungskreis antreten konnte.

 

Eine Folge von weitern Zeugnissen, Indizien und schlüssigen Beweisen verdichtete die Vermutung über die Persönlichkeit des Autors zur einfachen, leicht beweisbaren Tatsache. Ganz abgesehen davon erleichterten die schriftstellerischen Leistungen, welche James P. Warburg in den nachfolgenden Jahren zutage brachte, erheblich die Klärung der Zusammenhänge. In seinen Büchern "The Money Muddle" und "It's up to us", welche beide im Jahre 1934 in New York erschienen sind, enthüllt sich die geistige Beschaffenheit eines Mannes, der sowohl als Mitglied der Hochfinanz, als auch durch sein ganz besonderes Wissen und seine Theorien und Lehren zu einzigartiger Bedeutung emporgewachsen ist. Zwischen den Zeilen fast eher als in immerhin deutlichen Anmerkungen, aus Lücken ebensowohl wie aus enthüllenden Hinweisen ergibt sich die unwiderlegbare Bestätigung seiner geheimen Mission, die er bei Hitler zur Ausführung gebracht hat. Dazu ist seine freundschaftliche Beziehung zu Präsident Roosevelt, der ihm ganz besondere psychologische Kenntnisse der beiden Diktatoren in Europa, Hitler und Mussolini verdanken konnte, und seine Vertrautheit mit der weltpolitischen Umspannung der Welt durch die Diplomatie des Weißen Hauses ein solider Grund für die übrigen Beweise seiner Intervention im Schicksal Europas.

 

Die gewaltigen Geldmittel, welche Hitler durch Warburg in den entscheidenden Phasen seines Aufstieges vermittelt worden sind, haben ihre Wirkung getan. Der deutsche Riese Goliath ist, wie einst der zaristische Koloß, gefällt. Die Zerrüttung des europäischen Kontinentes, der Zerfall seiner Zivilisation und die endgültige Vernichtung seiner Vorherrschaft hat zwar den Boden für die Errichtung des amerikanischen Imperiums freigegeben. Im Wesentlichen aber ist aus diesem vernichteten Europa der unwiderlegbare Beweis für die Notwendigkeit des Gottesreiches der Juden in Palästina und auf Erden aufgestiegen und hat alle Juden in allen Ländern in einer Art und Weise geeinigt, wie das die Führer des Zionismus kaum zu hoffen wagten, als sie Theodor Herzl's Idee zur Aufgabe übernahmen. Aber auch alle Völker, die teils in ihre Ghettos zurückgeworfen und der Bestrafung ausgeliefert sind, haben diese Notwendigkeit begriffen. Dazu ist im weitesten Sinne die Erfüllung der biblischen Prophetie in die Wege geleitet worden und die Menschheit steht im Begriffe, erfassen und begreifen zu lernen, daß eine talmudische Rechnung darüber geführt worden ist, was dem Volk Israel auf seinem Wege zum Gottesreiche Gutes und Böses angetan worden ist.

 

Die gigantische Finanzierung Hitlers war somit eine Finanzierung des Antisemitismus. Aus den Katastrophen hat sich das zionistische Ziel als Licht in der Dunkelheit des ewigen Wanderers Ahasverus erhoben. Der Friedhof der Nationen, das Schlachtfeld der Zivilisation und die Ghettos der niedergeworfenen Völker reihen sich an den Pfad, auf welchem der Zug der Hebräer seinem Ziele zustrebt. Was an Irrtümern der Menschheit an Bruchstellen der Entwicklung und an Sünden der Geschichte seine Fälligkeit erleben mußte, das hat sich als Steinbett des einzigartigen Weges erwiesen, durch welchen ein Volk seine Neugeburt erleben will. Ein Reich, dessen Vernunft die Anschauungen der Völker beleben, dessen Macht sie beherrschen und dessen weise Führung sie lenken und zum Ziele führen soll, wird. das Gottesreich auf Erden sein, das mit Kanaan übereinstimmt.

 

                                                Das Warburg‑Geheimnis

 

Der Ablauf geschichtlicher Ereignisse erfährt in der Geschichtsschreibung zuweilen erst nach Jahrhunderten die Würdigung, welche den Wirklichkeiten zukommt, die sich hinter den Vorkommnissen versteckt gehalten haben. Erst im Bilde der Epochen, welche das Werden der Menschheit bestimmen, entblößen sich Triebkräfte, deren Wesen unbekannt geblieben ist. Was als Durchbruch festgestellt werden muß, entpuppt sich oft als Folge eines biologischen Vollzuges und was an elementaren Kräften in explosiven Wirkungen zutage getreten ist, kann später oft als Erfüllung neuer, geistiger Erkenntnis verständlich gemacht werden.

 

Das Warburggeheimnis ist eine erregende Tatsache, welche nicht nur die Geschichtsschreibung in neue, bisher noch kaum betretene Gefilde lenkt, auf denen es Tatsachen, Ursachen und Wirkungen zu ordnen gibt, sondern das Geheimnis deutet, das in dieser Darstellung deutlich gemacht wird. Ein neues Kapitel der Weltgeschichte wird sozusagen auf der Schwelle seines Vollzuges erschlossen

 

Warburg hat seine Niederschriften, die Tagebuchnotizen, Kabeltexte, Protokolle und eigenen Vermerkungen in einem Augenblicke preisgegeben, als ihn seine eigene Rolle, die ihm zugewiesen war, übermannte. Was die Stärke seines Herzens war, ist ihm zweifellos als Schwäche ausgelegt worden und bedingte seine unentwegte Bemühung, sich in der Folge zu rechtfertigen und als Nachfolger seines Vaters nicht nur dem ­engen Kreise des Bankhauses anzugehören, wo er als Erbe seinen Platz fand, sondern auch den Rang im "Uebergeschehen" zu erwerben, an dem teilzunehmen und mitzuwirken er berufen war. Er hatte im Freundeskreise aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht, als er in England die frischen Eindrücke wiedergab, die er auf seinem letzten Besuche in Berlin aufgenommen hatte. Für einen kurzen Augenblick glaubte er es mit seinem Gewissen nicht vereinen zu können, sein Wissen um die Hintergründe des Geschehens für sich zu behalten. Er wollte sich opfern, um der Menschheit zu dienen. Damit enthüllte er eine messianische Leidenschaft, wie sie in seinem engeren Umkreis durchaus naheliegend und verständlich sein muß, denn alles, was den jungen Mann umgab, war ein unentwegtes Sichbewegen im Kreis der prophetischen Dinge. Als Sohn eines Berufenen und Sproß eines Geschlechtes, das Höchstes und Letztes vertritt, brauchte er keineswegs zu lernen, was seine Aufgabe sein sollte, sondern es kam nur darauf an, in sie hineinzuwachsen. Die Preisgabe eines Geheimnisses, unter dem Druck des Gewissens, war ihm, trotz der unermeßlichen Gefährdung, nicht schwer anzurechnen. Es ist anzunehmen, daß es ihm gelungen ist, die Scharte auszuwetzen und er dürfte als Teilhaber des geheimnisvollen Bankhauses weit mehr als nur die Rolle eines Weltbankiers und superklugen Schriftstellers innehaben.

 

Der amerikanische Journalist H. R. Knickerbocker beschreibt in seinem berühmten Buche "Deutschland So oder So?" (hitlerisch oder kommunistisch?) die Lage auf dem europäischen Kontinent im Jahre 1932 und kam zu folgenden Schlußfolgerungen:

 

"Die amerikanischen Investitionen auf dem europäischen Kontinent sind in einem Schlachtfeld angelegt.

 

Das deutsche Volk hat als Ganzes den Versailler Vertrag abgelehnt und verworfen. Frankreich sieht in ihm seine einzige Lebensgarantie. Deutschland kann keine Reparationen zahlen. In einer gesunderen Wirtschaft könnte es zahlen, aber es wird es nicht tun, denn in Zukunft wird Deutschland keinen Teil des Versailler Vertrages erfüllen. Seine Privatschulden kann und wird Deutschland zahlen, vorausgesetzt, daß die Franzosen nicht mit Gewalt gegen das Reich vorgehen. Deutschland ist entschlossen aufzurüsten, wenn Frankreich nicht abrüstet."

 

Das ist die Quintessenz der sorgfältigen Untersuchungen, mit denen der amerikanische Schriftsteller seinen hohen Rang als analytischer Betrachter unter Beweis stellte. Seine Feststellungen bilden den tatsächlichen Ausgangspunkt für die Wahrheiten, welche Warburg in seinem Geheimbuch darlegte. Gleichzeitig operierte Morgan über die Bank für internationalen Zahlungsausgleich in Basel. Dieser lag die Verwaltung amerikanischer Forderungen in Deutschland ob, welche in den verschiedenen Anleihen in Erscheinung traten (Dawes‑Young u. a. Anleihen). Aufgabe dieser Bank sollte sein, diese Wertpapiere vor dem vorbestimmten Kurszusammenbruch ins breite Publikum abzustoßen, was ja auch durch das Mittel einer gewaltigen Propaganda gelang. Damit diese Manipulationen durchgeführt werden konnten, war es notwendig, die deutsche Währung aufrecht zu erhalten, wenigstens so lange, bis das Geschäft gemacht war. Der sicherste Mann für die Ueberwachung dieses Geschäftes war Dr. Schacht. Es ist aber notwendig, diesen Wahrheiten vorerst noch eine Tatsache voranzustellen, die sich auf den Prozeß von Nürnberg, im Jahre 1946, bezieht, wo die Männer um Hitler als Kriegsverbrecher verurteilt und hernach gerichtet worden sind. Zur Charakterisierung der Prozeßführung ‑ einem neuesten Bericht der "Neuen Zürcher Zeitung" über spätere Vorfälle vor dem Gerichtshof entnommen ‑ sei der Fall des Verteidigers, Dr. Seidel genannt, der in seinem Plädoyer wiederholt auf den Vertrag von Versailles Bezug nahm, obwohl solche Hinweise "als für den Prozeß unerheblich" bereits mehrmals abgelehnt worden waren. Beim ersten Vortrag des Plädoyers machte Richter Lawrence auf diesen Entscheid aufmerksam. Als Dr. Seidel trotzdem aus dem Vertrag zitierte, wurde er angewiesen, seinen Vortrag abzubrechen und sein korrigiertes Manuskript dem Gericht vorzulegen. Auch das korrigierte Manuskript enthielt zahlreiche Zitate aus dem Vertrag von Versailles. Darauf nahm das Gericht selbst die entsprechenden Streichungen vor und Seidel beschränkte sich nunmehr auf die Verlesung des Restes seines Manuskriptes.

 

Warum durfte in Nürnberg ‑ und auch später nicht ‑ nie vom Versailler Vertrag die Rede sein?

 

Es war im Juli 1929 als unter den Bankiers von Wallstreet eine beklemmende Stimmung Einzug zu halten begann. Zwar lief die Spekulation in Amerika noch auf Hochtouren und nur Paul M. Warburg erhob warnend seine Stimme, als müsse dieser besinnungslose Tanz um das goldene Kalb ein drastisches Ende nehmen. Unter der Führung des Leiters der Guaranty Trust Company, Mr. Carter, fanden sich die Direktoren der fünf Federal Reservebanken zu einer Besprechung ein, bei welcher auch Rockefeller Junior und Mc. Glean als Vertreter der Oelinteressen teilnahmen. Selbst den Magnaten der Hochfinanz erschien die Lage bedrohlich, als sich ergab, daß über 5 Milliarden Dollars von 8 1/2 Milliarden, die in Mitteleuropa investiert waren, eingefroren waren und weder Zinsen noch Abzahlungen eintrugen. Es handelte sich nicht nur um Schuldenpapiere, welche als Siegespreis deutsche Verschuldungen darstellten, sondern man hatte diesem Volke auch Darlehen und Anleihen gewährt, weil man sich von seiner Tüchtigkeit, seinem Arbeitswillen und Fleiß pünktliche Zinsleistungen versprach. Zusehends nahm aber die deutsche Zahlungsfähigkeit ab und die Untersuchungen ergaben, daß die Befriedigung aller Forderungen durch die deutsche Wirtschaft nicht mehr erfüllt werden konnte. Die Ursache dieses Zustandes entdeckte man bei den Franzosen. Sie hatten es verstanden, ihre Ansprüche, die ihnen durch den Vertrag von Versailles zugestanden worden waren, zu privilegieren. Nachdem sie die Sachleistungen der Deutschen abgelehnt hatten, zogen sie ihren Anteil an Reparationen in Gold ab, das den Deutschen für den Exportüberschuß bezahlt werden mußte. Sie stärkten die Geldpolitik der Banque de France in einem Maße, daß sie ihren gefährdeten Franken wieder sanieren und sogar eine aggressive Währungspolitik führen konnten. Die Amerikaner und Engländer gingen mit ihren Ansprüchen auf Reparationen leer aus und so oft davon die Rede war, erhob sich ein wütendes Zeitungsgeschrei gegen die Geschäftemacher, welche nur Dollar, nicht Blut, wie die Franzosen, geopfert hatten. Zu diesen nüchternen Feststellungen gesellte sich die Tatsache, daß Deutschland seit dem Abkommen von Rapallo, welches von Walther Rathenau durchgesetzt worden war, starke politische und wirtschaftliche Neigungen zu Rußland entwickelte. Russisches Benzin begann den deutschen Markt durch die "Derulop" zu erobern und zwischenstaatliche Beziehungen brachen sich Bahn, die den Angelsachsen zunehmend Sorgen bereiteten.

 

Die Finanzleute waren sich darüber einig, daß eine Aenderung der Lage auf politischem Boden herbeigeführt werden müsse, nachdem sich die wirtschaftliche und finanzielle Möglichkeit dafür nicht mehr ergab. Es erhob sich die Notwendigkeit, in Deutschland einen Mann zu finden, der imstande war, der revolutionären Entwicklung des Bolschewismus zuvorzukommen und eine nationale Politik zu betreiben, welche auf Frankreich beängstigend wirken sollte. Unter dem Druck einer neuen Bedrohung würden die Franzosen sich an die früheren Alliierten wenden, und diese würden Frankreich die Bedingungen für ihre weitere Hilfeleistung zunächst diktieren. Nur eine solche Entwicklung der Dinge konnte dazu führen, das Reparationenproblem neu zu regeln und Frankreichs Vormachtstellung auf dem Kontinent und in der Währungspolitik zu brechen.

 

Der Mann, den die Bankiers nach Deutschland schickten, um die Frage einer deutschen Revolution zu prüfen, fand sich in der Person des jungen Warburg, der klug, gebildet und wohlbehütet war und die deutsche Sprache beherrschte, weil er im Bankhaus seines Onkels in Hamburg mehrere Jahre gearbeitet hatte. Mit allerhöchsten Empfehlungen ausgestattet, reiste Warburg nach Deutschland. Er traf sich bald darauf mit Hitler in München, der nur allzuwillig in die dargebotene Hand des reichen Amerikaners einschlug und sich von ihm aus den Geldsorgen befreien ließ, die ihn und seine nationalsozialistische Bewegung ständig bedrängten. Amerika? Gewiß, Deutschland vergißt nicht, daß die Amerikaner die ersten waren, die Deutschland wieder auf die Beine halfen. (Was mochte Hitler davon wissen, daß es die Warburg auf der alliierten Seite waren, welche den Warburg auf der deutschen Seite die Schiffe des norddeutschen Lloyds wiedergaben!) Die Schulden an Amerika werden strikte bezahlt werden, wenn ich zur Macht komme, sagte Hitler und Warburg nahm das befriedigt zur Kenntnis. Frankreich? Lesen Sie mein Buch "Mein Kampf" und Sie werden sich überzeugen, daß Frankreich unser Feind ist, den Deutschland niederringen muß um zu bestehen. Bolschewismus? Wer in aller Welt ist entschlossener als ich, gegen die Russen aufzutreten? Es dauerte nicht lange, bis Warburg auf seinen Kabelbericht die Ermächtigung bekam, Hitler zunächst 15 Millionen Dollar, also 60 Millionen Mark auszuhändigen. Die Transaktion vollzog sich in Amsterdam, wo Mendelssohn & Cie einen Teil der Summe, die Bankvereinigung in Rotterdam einen anderen Teil des Geldes und Rom den Rest an Hitlers Vertrauensleute ausbezahlte.

 

Im Jahre 1931 hatte sich die Lage für die amerikanische Hochfinanz noch keineswegs gelockert. Wohl hatte Hitler bedeutenden Zuwachs bekommen, sein Ansehen stieg und er hatte eine Armee organisiert, die auch den letzten Einsatz wagen konnte. Er bat um neue Zuwendungen und als Warburg seinen Auftraggebern das Gesuch unterbreitete, fanden diese eine neue Reise notwendig. Warburg traf Hitler in teilweise neuen, imposanteren Umständen in Berlin, wo ihm auch neue Männer der Partei vorgestellt wurden. Unterdessen spielte sich in Amerika ein neuer Akt der Tragödie ab, welche diesem Vorspiel unweigerlich folgen mußte. Präsident Hoover war der Klage der Bankiers müde geworden. Er sah das Volk in Arbeitslosenheere zerfallen und glaubte, daß die Prosperity round the corner, gerade um die Ecke, wiederzufinden sei. Kaum hatte er seinen Wunsch und Willen bekundet, das Hindernis der wirtschaftlichen Entwicklung, nämlich das Reparationenproblem, anzupacken, erschien bei ihm der französische Ministerpräsident Laval mit seiner Tochter und ließ in New York zwei Direktoren der Banque de France, die imstande waren, seinen politischen Forderungen Nachdruck zu verschaffen. Hoover verpflichtete sich, das Reparationenproblem niemals wieder aufzugreifen, ohne vorher die Zustimmung Frankreichs einzuholen, worauf die Banque de France sich entschließen konnte, ein Guthaben in Gold von über 800 Millionen Dollar stehen zu lassen. Der Abruf hätte dem Dollar das gleiche Schicksal bereitet, das in jenen Tagen dem englischen Pfund auferlegt worden war, denn es mußte sich die Bank von England zum ersten Male seit ihrem Bestehen entschließen, vom Goldstandard abzugehen.

 

Warburgs Nachrichten waren ermunternd und Hitler bekam noch einmal die saftige Zulage von 10 Millionen Dollars, welche die geheimen Zuwendungen aus dem Rheinisch­westfälischen Syndikat ergänzten. Die Rhenania in Düsseldorf vermittelte ihm dazu auch die Beiträge des holländischen Oelmagnaten Deterding, der es den Russen übel genommen hatte, daß sie ihm die Oelquellen von Baku vorenthielten und zudem noch Dumping‑Konkurrenz gegen ihn betrieben. Bei seinem Onkel und anderen Freunden ließ sich Warburg über die antisemitischen Tendenzen Hitlers beruhigen, obwohl es sich mit seinem Stolz und der Empfindlichkeit, die ihn auszeichnete, schwer vertrug, einem Manne Geld zu geben, der seine Rasse als minderwertig bezeichnete und sie ausrotten wollte.

 

Die Wallstreet war durch die Uebereinkunft Hoovers mit Laval aufs äußerste erbittert und verweigerte in der Folge ihre Wahlbeiträge, welche die Wiederwahl dieses Präsidenten sichern sollten. In diese Lücke trat ein Demokrat, Franklin D. Roosevelt, der sich der Unterstützung mächtiger Spekulantenggruppen erfreuen konnte und vor allem die Unterstützung der Radikalisten und Zionisten besaß. Unter den ersten Vertretern der Hochfinanz, die sich an seine Seite stellten, war auch der Sohn des Staatssekretärs in der demokratischen Regierung Wilsons, der junge Warburg, der sich als besonderer Kenner der Währungsprobleme aufspielte und stets zwischen den Theorien von Keyne, Fisher und andern Größen einen praktisch gangbaren Ausweg zu finden wußte. Der Börsenkrach in Wallstreet hatte die Dinge durcheinandergeworfen und Europa war von einer Kette gewaltiger Zusammenbrüche, dem Nordwollekrach, dem Krach der österreichischen Nationalbank und andern Konkursen großen Stils erschüttert worden. Immer mehr zog die Figur Hitlers die Aufmerksamkeit der Finanziers auf sich, welche von einem bolschewistischen Umsturz zunächst nichts, von einer nationalsozialistischen Entwicklung aber alles, und nicht zuletzt gewaltige Rüstungsgeschäfte, zu erwarten hatten.

 

Das dritte Zusammentreffen Warburgs mit Hitler vollzog sich unter Begleitumständen, die der Feder eines Shakespeare würdig wären. In der dem Reichstagsbrand folgenden Nacht begegneten sich die Exponenten zweier Welten, um feilschend und streitend den Betrag festzusetzen, der die letzte Stufe der Machtergreifung überwinden sollte. Zwar hatte Hitler bereits das Amt, das er gesucht hatte, aber es fehlte ihm das Geld, um die Wahlen zu gewinnen. Bitterlich beklagte er sich über Hugenberg, der ihm die Mittel vorenthielt, mit denen er auch ihn überspielt haben würde. Er verwies auf die vollen Gewerkschaftskassen, welche den Sozialdemokraten die Mittel für die Wahlen zur Verfügung stellten. Die Kommunisten waren von Rußland her finanziert und nur er stand vor hoffnungslos leeren Kassen, die sein Verderben zu werden drohten. Joseph Goebbels beschrieb die Lage in seinem Buche "Vom Kaiserhof zur Reichskanzlei". Tiefe Niedergeschlagenheit hatte sich der Führerschaft bemächtigt, aus welcher Gregor Straßer als aussichtsreichster Retter in der Not unter dramatischen Umständen ausgeschieden war. Von Selbstmord ist die Rede; düstere Andeutungen, wie die Aussichtslosigkeit eines Staatsstreiches, beschatten die tagebuchartigen Aufzeichnungen. Da, plötzlich ein Lichtstrahl ! "Ein großer Betrag ist uns zugesichert worden." Man wird den Kampf aufnehmen, man wird in die Wahlen steigen und man wird siegen. Der Sieg ist unser.

 

Es ist weder bei Goebbels, noch in irgendwelchen Veröffentlichungen der Nationalsozialisten davon die Rede, daß im Morgengrauen dieses Befreiungstages ein amerikanischer Jude die Tiraden seines Gesprächspartners unterbrach und diesem unter der Türe nocheinmal die Verpflichtung in Erinnerung rief, welche mit der Ueberweisung der letzten Summe von sieben Millionen Dollars verbunden war, nämlich der Angriff gegen Frankreich.

 

Es braucht nicht erklärt zu werden, wie Hitler diesen Preis, den er für seine Finanzierung zahlen mußte, eingelöst hat.

 

Warburg ließ diesmal das Geld an die Rhenania nach Düsseldorf kommen, wo es an Dr. Goebbels ausbezahlt wurde. Ein Teil allerdings wurde wiederum durch die Banca d'Italia in Rom überwiesen und Warburg befand sich in Gesellschaft Görings im Hause von Italo Balbo als der einzige Zivilist unter den glanzvollen Uniformen der Vertreter einer neuen Welt. Er fuhr nach England, wo er vom neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten, Franklin D. Roosevelt zum Finanzberater der amerikanischen Delegation an der internationalen Wirtschafts‑ und Währungskonferenz abgeordnet war.

 

Als der schweizerische Verleger und Publizist mit seiner geheimnisvollen Wahrheit und dem Wissen, das nirgends willkommen war, den bekannten Leiter der amerikanischen Liga für Menschenrechte, Roger N. Baldwin, in New York aufsuchte, nahm dieser lächelnd das Telephon und verband sich mit Warburg, der seiner radikalen Bewegung offenbar ebenso nahestand, wie er ihm selber befreundet war. "Hallo, Shimmy", rief er in den Draht, als sich der Angerufene am andern Ende hörbar gemacht hatte, "ich habe diesen Schweizer neben mir, der sich um die Geschichte des Buches bekümmert. . .." Aber er hatte kaum den Satz beendet, als ihm ein wütender Ruf das Wort verschlug: "Zum Teufel mit diesem Schweizer ich will nichts mit ihm zu tun haben!" Die Verlegenheit überwindend, welche das Dabeisein des Betroffenen erzeugen mußte, fügte er seinen späteren Erklärungen lächelnd die Frage hinzu. "Warum kümmern Sie sich denn um derlei Sachen, ist es denn verwunderlich und haben nicht alle Diktatoren Geld von uns erhalten, Lenin ebenso wie Hitler?"

 

Gewiß! Die Diktatoren haben alle Geld von Wallstreet erhalten. Warum auch nicht! Das Thema ist von Fjedor Dostojewsky abgewickelt worden und es begann damit, daß ein Student namens Raskolnikow eine Alte erschlug und mit Ihr die Tochter Lisaweta, um zu Geld zu kommen. Eine Laus erdrücken, um ein Napoleon zu werden. Wie sollten die Diktatoren der Welt, große und kleine, nicht auch zu Geld kommen, mit dem Schicksal gemacht wird. Schuld und Sühne heißt das Problem und die Geschichte ist es selbst, die Gericht darüber hält.

 

Dem Vorwort des Uebersetzers der Warburgdokumente seien einige der einführenden Sätze entnommen.

 

"Sidney Warburg hat wenig gesagt, solange die andern Gäste noch anwesend waren. Jetzt, als er mit mir allein war, begann er über den Sinclair‑Skandal zu sprechen."

 

 ‑ "Es gibt Augenblicke, da möchte ich aus einer Welt der Intrigen, Börsenmanöver, Ränke und Schwindeleien davonlaufen. Mit meinem Vater spreche ich dann und wann über diese Dinge, auch mit andern Bankiers und Maklern. Und weißt Du, was ich nie begreifen kann? Wie es möglich ist, daß die Menschen, die von Charakter gut und ehrlich sind ‑ wofür ich zahllose Beweise habe - sich für Schwindeleien hergeben und bei Betrügereien mitmachen, von denen sie doch wissen können, daß Tausende davon betroffen werden. Die Machenschaften im Sinclair‑Trust haben Wallstreet Millionen Dollars eingebracht, aber Tausende von Sparern ruiniert. Man bekommt nie Antwort, wenn man nach den Gründen der unehrlichen und sittlich nicht zu verteidigenden Handlungen der führenden Köpfe der finanziellen Kreise fragt. Es kann doch nicht sein, daß sie, die in ihrem privaten Leben anständig und gut sind, ihren eigenen Charakter ablegen, sobald sie die finanzielle Welt betreten und für Geld, und seien es auch manchmal Millionen Dollars, alle Begriffe von Ehrlichkeit und Moral beiseitezuschieben."

 

An das Ende seines Berichtes, der das verschollene Buch von 99 Seiten füllt, setzt der Autor die vielsagenden Worte:

 

Arme Welt, arme Menschheit!

 

 

 

 

 

Springers Nazionismus

 

Kapitel 10: "DR. WILHELM ABEGG"

 

Dr. Wilhelm Abegg wurde 1876 als Sohn eines Richters, späteren Bankdirektors, geboren. Deutsch-­Schweizer Doppelbürger, in Deutschland aufgewachsen. Im Ersten Weltkriege Berliner Polizeipräsident, von 1926‑1932 Staatssekretär im Preussischen Innenministerium (Schlange‑Schöningen: "der tapfere und zielklare Staatssekretär"), in dieser Eigenschaft mit den Ermittlungen über Hitlers Finanzierungen beauftragt. Die Ermittlungsergebnisse gingen schliesslich an General von Schleicher während dessen kurzer Kanzlerschaft vor der längeren des Hitler. Auch dieser vielwissende General wurde anlässlich einer Hausdurchsuchung am 30.6.34 beim sogenannten Röhmputsch erschossen, die Unterlagen verschwanden dabei. Abegg kehrte im März 1933 Deutschland rechtzeitig den Rücken und liess sich in Zürich nieder, nachdem er zuvor einen Grossteil des Hitler belastenden Materials dorthin geschafft hatte.

 

 

DAS ABEGG‑ARCHIV

 

Wesentliche Teile der zuvor geretteten Unterlagen wurden im Mai 1933, nachdem Göring und der bald darauf zum ersten Gestapo‑Chef ernannte Rudolf Diels dreizehn preussische Polizei‑Offiziere des Abegg als Geiseln genommen hatten, nach Verhandlungen zwischen Berlin und Zürich vernichtet. Wieder aufgebaut wurde das heute über sieben Plätze verteilte Archiv von Abegg und den Züricher Dres. Alhard Gelpke und Walter Nelz, die durch lange Jahre Leben und Freiheit aufs Spiel setzten, und unter Mithilfe der seinerzeit ermittelnden Polizei‑Offiziere, soweit sie später hatten entkommen können. Sie alle, wie auch der mitarbeitende frühere preussische Ministerpräsident Braun waren von der Echtheit des Schoupschen Warburg‑Berichtes überzeugt.

 

Zu einer nennenswerten Zusammenarbeit zwischen Allan Dulles, dem Leiter der US‑Spionage in Europa und dem Widerständler Dr. Abegg scheint es nie gekommen zu sein. Die Verflechtungen Warburg - von Schröder ‑ Dulles waren dem Dr. Abegg zu gut bekannt. Abegg und Dulles überwarfen sich 1944 endgültig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abeggs Akten über die Fremdfinanzierung Hitlers waren an Dr. A. Gelpke, Rechtsanwalt und Archivar in Zürich, gelangt. Hier die Geschichte ihrer Vernichtung in Auszügen aus dem Abegg-Archiv:

 

22. Mai 1933                                                 Diktat von Dr. Abegg zur Archivierung in Steno

 

Soeben erhielt ich einen Fernanruf von Dr. Diels, der im Sommer 1932 meine Vorbereitungen für den zweiten Hochverratsprozess gegen Hitler an Papen verraten hatte. Göring habe alle jene Polizeioffiziere, die sich mit diesen Vorbereitungen befasst haben, verhaften lassen. Überdies habe er Befehl erteilt, Dr. Bell zu verhaften, der ebenfalls von der Auslandsfinanzierung Hitlers Kenntnis habe. Er werde jedoch alle diese Verhaftungen aufheben, wenn wir alle bezüglichen Fotokopien in Gegenwart einer Amtsperson vernichten und ein amtliches Vernichtungsprotokoll vorlegen.

 

Es bleibt uns nichts anderes übrig als dies zu tun. Ich möchte jedoch, dass wenigstens in Stenoform das Allerwichtigste bis nach meinem Tode archiviert wird. Es geht aus dem Protokoll hervor:

 

1.       1.       dass Hitler drei der Parteikontolle nicht unterstehende Geheimfonds besass mit Alleinverfügungsrecht,

2.       2.       dass Hitler aus diesen Geheimfonds in den Jahren 1930 - Ende Januar 1933 ca. 150 Millionen ausbezahlt hat, zum Teil für Propaganda, zum Teil für die SA und SS, und im Umfang von ca. 50 Millionen für Korruption,

3.       3.       dass die Mittel dieser drei Geheimfonds zum grösseren Teil aus dem Ausland stammten (die Namen der Geldgeber gingen zwar nicht aus den Akten hervor, wohl aber war erkennbar, dass es sich ursprünglich um Devisen handelte. Da Devisen in den Jahren 1930/32 in Deutschland sehr rar waren, ist es so gut wie unmöglich, dass diese Devisen von deutscher Seite stammen konnten.),

4.       4.       dass die NSDAP 1929 - 1932 aus normalen Beiträgen nur folgende Einnahmen hatte:

Jahr                      Mitgliederzahl NSDAP                                                 Beiträge in Mark

      Ende 1929                      176.426                                                                ca 17 Millionen

      Ende 1930                      389.000                                                                ca 25 Millionen

      Ende 1931                      806.294                                                                ca 35 Millionen

      Ende 1932                   1.250.625                                                                ca 45 Millionen

 

Ende 1932 betrug der Bestand der Hitlerpolizei 400.000 Mann, und zwar 300.000 Mann SA und 100.000 SS. Der Aufwand für die SA betrug 1932 ca 160 Millionen jährlich, der Aufwand für die SS ist unbekannt.

 

Für richtiges Protokoll:

A. Gelpke

 

 

 

 

                     Archiv-Notiz

 

                            über

 

die 2. Besprechung mit Dr. W. Abegg

 

                       22. Mai 1933

 

Gelpke: Gestern Abend kurz nach 8 Uhr erhielt ich einen Anruf aus Berlin. Ich verstand nicht alles, aber ich konnte doch erkennen, dass 3 Ihrer Polizeioffiziere, die mit den Recherchen nach Hitlers Finanzquellen beauftragt waren, verhaftet wurden und dass sie erschossen werden, wenn ich nicht sofort alle jene Akten aushändige, welche sich auf diese Recherchen beziehen. Ich bat um nähere Angaben bezüglich dieser Akten und erhielt zur Antwort, dass man einer deutschen Amtsstelle von ungenannter Seite ein Aktendossier aus dem Büro Abegg zugestellt habe. Ein genaues Aktenverzeichnis sei vorhanden, aber der Inhalt des Dossiers sei mir zugestellt worden. Es handle sich um amtliche deutsche Akten und ich hätte kein Recht darauf. Aus dem Verzeichnis ergebe sich, dass ich in den letzten Monaten folgende Polizeiakten erhalten habe:

 

         ca. 50 photographierte Dokumente

         Prozessakten für inoffizielle Gerichte

         Gerichts- Gutachten im Umfang von mindestens 300 Seiten

         Protokollhefte mit mindestens 800 Seiten

         Gutachten über Handschriften bekannter Persönlichkeiten

 

Ich erhielt eine kurze Bedenkzeit, man werde mich am 23. Mai abends 8 Uhr erneut anrufen.

 

Dr. Abegg: Nun ist das eingetroffen, was ich befürchtet habe. Da es sich um frühere Untergebene handelt, werde ich selbst anrufen und abklären, was sich machen lässt. Vor allem werde ich geltend machen, dass ich davon ausgegangen sei, dass mein Rücktritt nur vorübergehend sei und ich die Akten an Sie zustellen liess, weil ich in der Schweiz keine andere Adresse gekannt hätte. Es handle sich um keine abgeschlossene Untersuchung und sie betreffe nicht Hitler selbst. Machen Sie für alle Fälle sofort stenographische Auszüge (keine Photokopien) und stellen Sie alle gewünschten Akten zur Vernichtung bereit.

 

Unterschrift (Gelpke)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                Archiv-Notiz

 

                     über

 

meine 3. Besprechung mit Dr. W. Abegg

 

             vom 23. Mai 1933

 

Dr. Abegg: Ich habe inzwischen die Frage der Aktenherausgabe reiflich überlegt und mit Berlin telefoniert. Ich erfuhr, dass meine Leute solange gefoltert werden bis sie den Inhalt der nach Zürich gesandten Akten wiedergegeben haben. Ich nehme aber an, dass meine Leute so unklare Angaben machen, dass die Göring-Polizei oder Dr. Diel, der wahrscheinlich damit zu tun hat, kein klares Bild gewinnt. Ich habe mich daher zu einem Kompromiss entschlossen, nämlich zur amtlichen Vernichtung aller von Berlin geforderten Akten, natürlich nur gegen die Zusicherung der Freilassung meiner ehemaligen Leute.

Zu Recht wollte Berlin darauf nicht eingehen, und verlangte Herausgabe der Akten in Berlin selbst. Ich entgegnete, dass niemand bereit sei die Akten zu übergeben, denn niemand wollte es riskieren ebenfalls verhaftet zu werden. Auch die postalische Zustellung sei zu riskant. Schliesslich einigten wir uns dahin, dass die geforderten Akten in Gegenwart von 2 Schweizer Polizisten und einer schweiz. Amtlichen Urkundsperson ohne Photokopien zu machen verbrannt werden und das Vernichtungsprotokoll am 2.5.1933 nach Berlin gesandt werde.

Ich glaube, dass dies der einzige richtige Weg ist. Wir können die Akten ohnedies nicht mehr verwerten, nachdem Hitler durch das Ermächtigungsgesetz vom 23.3.1933 zum Diktator ernannt worden ist. Hitler kann jetzt nicht mehr auf legalem Weg gestürzt werden. Ein Prozess gegen ihn ist unmöglich.

Wenn Sie heute abend gefragt werden, ob auch Sie ehrenwörtlich erklären können, dass Sie keine Photokopien haben bzw. machen, so können Sie diese Erklärung abgeben.

 

Unterschrift (Gelpke)

 

 

 

 

Erhalten ist der Briefentwurf für Dr. Abegg vom 25. Mai 1933, der die Aktenvernichtung vom 24. Mai 1933 in der Färberei Terlinden/Küsnacht in Gegenwart einer Amtsperson und zweier Zeugen (die Amtsperson war Notar Fischer, Zürich, Talstr., einer der Zeugen war Dr. Brandlin, führendes Mitglied der schweizerischen NSDAP-Parallelorganisation) nach Berlin meldete (Von der Wiedergabe wird hier abgesehen).

 

 

 

 

Mehrere der 13 preussischen Polizei-Offiziere, die für ein zweites Hochverratsverfahren gegen Hitler ermittelt hatten (das erste hatte 1924 mit der Festungshaft in Landsberg geendet), kamen später frei, nachdem drei von ihnen am 30.6.1934 in der 'Nacht der langen Messer' umgebracht worden waren. Einer von den Überlebenden/Freigelassenen, dessen Name nicht bekannt gegeben wird, hat am 16.3.1940 dem Rechtsanwalt und Revisor Dr. Gelpke in Zürich das folgende über den berühmt gewordenen Möbelwagen zu Protokoll gegeben:

 

Die Recherchen nach den ausländischen Finanzquellen Hitlers waren dadurch erschwert, dass Hitler sein Finanzarchiv in einem Möbelwagen untergebracht hatte, der zwischen Preussen und Bayern ständig unterwegs war. Dadurch war es ihm gelungen, die rechtzeitige polizeiliche Beschlagnahme zu verhindern. Sie gelang erst Ende 1932 und die Sichtung des Materials war erschwert, weil wir die neuen Chefs nicht einweihen durften.

Wir hatten die Existenz dieses Finanzmöbelwagens erst nach dem Staatsstreich vom 20.7.32 festgestellt und nun war es für die praktische Auswertung des Materials zu spät. Immerhin sickerte durch, dass Hitler in den Jahren 29 bis 33 aus Kreisen der int. Ölfinanz über 100 Millionen RM erhalten hatte.

 

Unterschrift (Gelpke)

 

Erhalten blieb auch eine Niederschrift vom 15.6.33 über ein gespräch zwischen Dr. Abegg und dem politischen Schriftsteller Emil Ludwig, in dem es auszugsweise heißt (Erklärung Dr. Abegg):

 

"Wir haben mit Zustimmung von Ministerpräsident Braun jene Teile des pr. Polizeiarchivs in die Schweiz geschaftt, die sich auf die sog. Dolchstosslegende, sowie auf Hitlers ausl. Finanzquellen, und auf Hindenburgs Präsidentschaft beziehen. Wir wollten das Material und die Beweise für einen 2. Hochverratsprozess gegen Hitler in der Schweiz sicherstellen."

 

 

 

 

 

Der ehemalige preußische Ministerpräsident Dr. Otto Braun (SPD), der seit 1933 in Ascona im Exil lebte, hatte das von ihm verfaßte Manuskript (MS) "Von Weimar zu Hitler" unter anderem Dr. Wilhelm Abegg zur Lektüre und Überprüfung überlassen. Im März 1938 kam es darüber zu einem Gespräch zwischen Braun und Abegg, in dem Letzterer unter anderem bemerkte:

 

"...ich habe Ihr MS dreimal geprüft u. bin zur Erkenntnis gekommen, dass wir ca. 20 Seiten weglassen müssen, weil sie für uns alle zu gefährlich sind. H's Geheimpolizei hat auch Agenten in der Schweiz. Wenn Sie etwas Näheres über den 20.7.32 schreiben, so besteht für mich als Polizeifachmann kein Zweifel, dass die deutschen Agenten i. d. Schweiz versuchen, einige von uns, vor allem auch Sie, zu entführen oder zu erschiessen. Wer immer Kenntnis hatte von Hr's Auslandfinanzen, kam ins KZ oder wurde erschossen. Sie wissen doch, dass 13 unserer Polizeioffiziere sofort nach Hr's Machtantritt ins KZ kamen u. alle unsere Versuche, sie zu befreien, bisher erfolglos waren. Trotzdem führen wir unsere Befreiungsversuche weiter. Es ist in letzter Linie eine Finanzfrage, ob wir sie herausbekommen. Für jede Befreiung werden 20.000 gefordert. Von den 13 Polizeioffizieren sind am 30.6.34 drei erschossen worden. Wir müssen alles unternehmen, um die verbleibenden zehn zu retten. Seit 1933 sammeln wir Geld, aber da wir geheim sammeln müssen, haben wir bis heute nur etwas über 100.000 Franken zusammengebracht. ..."

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der frühere preussische Ministerpräsident Braun hat sich 1949 an die Ermittlungen über Hitlers Auslandsfinanzierung erinnert. Auch nach Brauns Ansicht waren die Dollar-Millionen entscheidend für die schliessliche Machtübernahme durch Hitler (Hr):

 

Wie die pr Polizeiakten feststellten, gingen aus Beiträgen des Inlandes 1929 ca 17 Mill. U. 1930 ca 25 Mill. Ein. Die Ausgaben betrugen aber 1929 u. 1930 allein für Hr's Privatpolizei v. 400.000 Mann über 200 Mill. Pro Jahr. Die Differenz kam heimlich aus dem Ausland. Aus verschiedenen Ländern ...

13 pr PO hatten sich 1929 bis Ende Jan. 1933 mit Recherchen nach Hr's Finanzquellen befasst. Einer davon stellte überdies fest, dass die ausländischen Gelder nicht in die Parteikasse flossen, sondern in 3 Geheimfonds, über die nur Hr allein verfügen konnte.

Nun werden Sie fragen, wer hat Hr bestochen und an wen gab Hr die Bestechungen weiter? (Das sind Tabus, die nach dem Wunsch verschiedener Informanten nicht veröffentlicht werden sollten.) ...

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Seinen früheren Untergebenen Dr. Diels hat Abegg nach Hitlers Machtantritt bis zum Ende seines Lebens nur als Verräter bezeichnet. Auf die Frage eines Züricher Verlegers, ob es denn stimme, daß er 1932 zusammen mit dem bayerischen Innenminister Stützel den Hitlerkreis verhaften wollte, antwortete Dr. Abegg:

 

"Das stimmt. Man könnte diese Darstellung noch ergänzen. Wir waren ja nicht die einzigen, welche Hitler 1932 verhaften wollten. Es gab noch viele andere aktive Hitlergegner, insbesondere unter den preuss. Polizeioffizieren. Aber auch Reichsminister Schlange-Schöningen und die Generäle Hammerstein, Schleicher und Bredow wollten Hitler noch vor Ende Januar 1933 verhaften. Alle diese Pläne scheiterten daran, dass Hitlers Privatpolizei stärker war. Reichswehr und offizielle Polizei verfügten zusammen nur über 200.000 Mann, Hitler aber über 400.000. Auch Hitlers Privatpolizei war bewaffnet, natürlich nur mit Pistolen und Gewehren. Und diese leichte Bewaffnung hat er in der Schweiz gekauft, bei der Waffenfabrik Solothurn. Und Schweizer haben diese Waffen bezahlt, um den Kommunismus zu bekämpfen."

 

 

 

 

Springers Nazionismus

 

Kapitel 11: "RUDOLF DIELS"

 

Der 1901 Geborene war unter Abegg Leiter des politischen Dezernats, wurde nach seinem Verrat vom neuen preussischen Ministerpräsidenten Hermann Göring zum ersten Gestapo‑Chef gemacht. Diels war stolz darauf, dass er beim Gespräche mit Göring die Hände in den Hosentaschen hielt. Das war erlaubt ‑ für Busenfreunde. Später verwandelte sich "Opportunist Diels, adrett und umgänglich" (Sefton Delmer) zurück in einen Demokraten, in Nürnberg trat er auf ‑ als Zeuge der Anklage. 1957 löste sich bei der Jagd aus seiner Flinte ein Schuss, der ihn tödlich traf. Zeugen gab es nicht.

 

Aus seinem «Lucifer ante Portas ‑ Zwischen Severing und Heydrich», Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart, 1950, Seiten 103/104 (mit 'er' ist, wie sich das aus dem Zusammenhang ergibt, Göring gemeint):

 

Schon wenige Wochen, nachdem er mir eine Stelle in seinem persönlichen Umkreis eingeräumt hatte, legte er mir ein umfangreiches Aktenstück den Innenministeriums vor mit der hintergründigen Frage: "Was sagen Sie dazu?"

In der weit sichtbaren Rundschrift der ministeriellen Kanzleien stand auf der Akte geschrieben "Hitlermeineid".

"Wenn der Inhalt dieser Akte bekannt wird, werden Sie auf offener Straße erschlagen werden."

Er schlug sie auf und deutete mit dem Finger Seite für Seite immer wieder auf meinen Namen, der als Sachbearbeiter auf den Schriftstücken aus der Zeit Severings zusammen mit denen der Ministerialräte Schönner und Janich und Oberregierungsrat Kempner, der zwölf Jahre später als amerikanischer Hauptankläger beim Internationalen Gericht in Nürnberg bekannt geworden ist, verzeichnet war. Das Aktenstück sollte seinerzeit unter Minister Severing den Nachweis fahren, daß der sogenannte Legalitätseid, den Hitler im Hochverratsprozeß gegen die Offiziere Scheeringer, Ludin und Wendt im Jahre 1931 vor dem Reichsgericht in Leipzig geschworen hatte, ein Meineid gewesen sei. Es ent­hielt eine Sammlug von Aufzeichnungen, aus der die um­stürzlerischen Absichten Hitlers und die finanziellen Unterstützungen, die ihm das Ausland gewährte, nachgewiesen werden konnten. Es hätte die Möglichkeit geboten, nicht nur die Ausweisung den Ausländers Hitler zu betreiben, sondern ihn auch zu einer längeren Freiheitsbeschränkung zu ver­urteilen.

 

Ich war mir im klaren, daß die Erörterung dieser hochgefährlichen Dinge, die mir Göring schwarz auf weiß vorhielt, das Frohlocken Dalueges, der mit seinen Kreaturen die Durchschnüffelung der alten Akten der politischen Gruppe betrieb, ausgelöst hatte. Wenn Göring mich schonte, so bedeutete das auch, daß meine anderen Mitarbeiter, besonders Janich und Kempner, unbelästigt bleiben würden.

 

Ich antwortete Göring:

 

"Ich habe Ihnen, als Sie sich entschlossen, mich auf meinem Posten zu belassen, nicht verschwiegen, daß Ich gegen das Herankommen der Nationalsozialisten gearbeitet habe."

 

Göring: "Diese Akte sollte Ihnen eine Warnung zur allergrößten Vorsicht sein."

 

Er verschloß sie selbst schweigend in seinem Tresor. Daluege, Nebe, und wie sie alle hießen, warteten vergeblich auf die große Szene, und später hörte ich aus Heydrichs Munde, daß auch er von der Existenz des todeswürdigen "Vorganges" wußte. Doch Daluege kannte Göring nicht. Für diesen konnte solches Material nicht mein Dienstverhältnis erschüttern. Es war gerade das, was Göring brauchte, um Verläßlichkeit zu erzwingen.

 

Ich habe dann öfter die Geste beobachtet, mit der Göring Schriftstücke beiseite legte, die ihm ängstlichere Gemüter verpflichteten. Da war das Bündel Liebesbriefe, die der Vorkämpfer arischen Rassenstolzes, Alfred Rosenberg, an seine rothaarige, schöne jüdische Freundin Lisette Kohlrausch geschrieben hatte. Auf die flehentlichen Bitten Rosenbergs ließ er die verhaftete Dame frei, nachdem er sich an deren Geständnissen über den Liebeseifer des lichten Enthüllers der jüdisch‑etruskischen Sexualgreuel geweidet hatte......

 

 

 

Der Angeklagte

 

hat das Wort: