Neue Erkenntnisse
Osteuropa
Zeitschrift für Gegenwartsfragen des Ostens
52. Jahrgang, Mai 2002, ISSN 0030-6428
{S. 631}Themen der Zeitgeschichte
Fritjof Meyer
Die Zahl der Opfer von Auschwitz
Neue Erkenntnisse
durch neue Archivfunde
Vier
Millionen Opfer im nationalsozialistischen Arbeits- und Vernichtungslager
Auschwitz-Birkenau zählte 1945 die sowjetische Untersuchungskommission, ein
Produkt der Kriegspropaganda. Lagerkommandant Höß nannte unter Druck drei
Millionen und widerrief. Wie viele Menschen wirklich diesem singulären
Massenmord zum Opfer fielen, ließ sich bislang nur schätzen. Der erste
Holocaust-Historiker Gerald Reitlinger vermutete eine Million, der letzte
Forschungsstand bezifferte mehrere Hunderttausend weniger. Zwei neue Belege zur
Kapazität der Krematorien bestätigen jetzt die vorhandenen Unterlagen über
Einlieferungen ins Lager. Damit rückt die Dimension des Zivilisationsbruchs
endlich in den Bereich des Vorstellbaren und wird so erst zum überzeugenden
Menetekel für die Nachgeborenen.
Ein
Schlüsseldokument, das Auskunft gibt über die Kapazität der Krematorien von
Auschwitz-Birkenau, ist jetzt aufgefunden worden. Zu deren Nutzungsdauer ist
zugleich eine Aussage des Lagerkommandanten Höß ans Licht gekommen. In
Verbindung mit den vorhandenen, aber weithin unbeachtet gebliebenen Unterlagen
über die in dieses Lager Eingelieferten läßt sich nun genauer errechnen,
wieviel Menschen in Auschwitz ermordet wurden. Um es vorweg zu nehmen: Eine
halbe Million fiel dem Genozid zum Opfer.
Zu danken ist
dieser Durchbruch Robert-Jan van Pelt, Professor für Architektur an der
Universität von Waterloo in Kanada. Er ist hervorgetreten durch sein gemeinsam
mit Debórah Dwork verfaßtes, herausragendes Buch „Auschwitz -- Von 1270 bis
heute".[1] Im Londoner Prozeß David Irvings gegen
Deborah Lipstadt, die ihn als Auschwitz-Leugner eingestuft hatte, trat van Pelt
als Gutachter für die Beklagte auf. Über die Vorbereitung seiner Expertise --
mit Auszügen aus dem Gutachten -- und die Verhandlung hat van Pelt soeben ein
sehr wichtiges Buch herausgebracht.[2] Irving verlor{S. 632}den Prozeß, und zwar
verdient, da der als erfolgreicher Rechercheur ausgewiesene Autor Irving, der
sich zunehmend den wirren Ansichten seiner NS-Gesprächspartner angeschlossen
hat, auch vor Gericht auf dem unsinnigen Standpunkt beharrte, es habe in
Auschwitz-Birkenau keine Gaskammern zur Menschentötung gegeben. Die von ihm
vorgetragenen Argumente für die Untauglichkeit der Leichenkeller 1 der
Krematorien I und II konnten nicht überzeugen. Richter
Charles Gray befand, „no objective, fair-minded historian would have serious
cause to doubt that they were operated on a substantial scale to kill hundreds
of thousands of Jews".
Das war generell
ein gerechtes Urteil. Hier kann nicht vertieft werden, daß die vorhandenen
Belege, nämlich Dokumente über eine Nachrüstung der ursprünglich dafür nicht
errichteten Bauten (zum Beispiel mit Einwurfschächten und Gasprüfgeräten) zum
„Vergasungskeller" sowie die einschlägigen Zeugenaussagen eher auf
Versuche im März/April 1943 deuten, die Leichenkeller nach Fertigstellung der
Krematorien im Frühsommer 1943 für den Massenmord einzusetzen.
Das mißlang
offenbar, weil die Ventilation kontraproduktiv war[3] und die erwarteten Massen an Opfern in den
folgenden elf Monaten nicht eintrafen.[4] Der tatsächlich begangene Genozid fand
wahrscheinlich überwiegend in den beiden umgebauten Bauernhäusern außerhalb des
Lagers statt; von dem ersten, dem „Weißen Haus" oder „Bunker I",
wurden erst jüngst die Fundamente entdeckt.[5]
In die zwei Räume
dieser Gaskammer mit einer Fläche von zusammen 90 Quadratmetern ließen sich über
400 Menschen treiben, was vom Frühjahr 1942 an ein Jahr lang täglich geschah,
zumeist abends.[6] Das „Rote Haus" oder „Bunker
II", 105 Quadratmeter groß für maximal über 500 Opfer[7] war wahrscheinlich vom Dezember 1942 bis
zur Einstellung der Gasmorde am 2. November 1944 in Betrieb. Der Schutz-{S.
633}haftlagerführer SS-Sturmbannführer Hans Aumeier hat am 29.10.1945
ausgesagt.[8] Im November 1942 wurden 50-80 Gefangene in
der Leichenkammer des Krematoriums im Stammlager streng geheim mit Gas getötet.
Am nächsten Tag eröffnete Höß unter äußerster Geheimhaltung ihm, dem
Lager-Gestapo-Chef Grabner, dem Lagerführer Hößler, dem Arbeitseinsatzführer
Schwan und dem Lagerarzt, er habe über das RSHA einen Befehl Himmlers
empfangen, alle schwachen, kranken oder arbeitsunfähigen jüdischen Gefangenen
„zu vergasen", um einer weiteren Ausbreitung der Epidemien vorzubeugen.
Höß habe berichtet, daß er in der vorigen Nacht die ersten Vernichtungen
vollzogen und sich dabei herausgestellt habe, daß die improvisierte Gaskammer
überhaupt nicht den Notwendigkeiten entspreche. Deshalb seien bei der
Errichtung der neuen Krematorien in Birkenau Gaskammern als ständiges Zubehör
zu bauen. Das Ganze sei eine Geheime Reichssache, Indiskretionen oder sorgloses
Geschwätz würden mit dem Tode bestraft, was die Anwesenden wie auch weiter
hinzugezogene Mittäter schriftlich bestätigen mußten.
Von der Kapazität
her konnten allein im „Roten Haus" oder „Bunker II" binnen zwei
Jahren 350 000 Menschen ermordet werden. Irving freilich -- und dementsprechend
van Pelt -- setzten sich nur mit den Krematoriumskellern [Krema I und II]
auseinander, obwohl gerade mit deren Inbetriebnahme die Mordrate in Auschwitz
dramatisch sank, für die Dauer eines Jahres, und zwar aufgrund eines
Himmler-Befehls, der die vorgebliche Euthanasie-Aktion „14 f 13" und damit
auch die Gasmorde in den Vernichtungslagern an der deutsch-sowjetischen
Demarkationslinie von 1939, Belzec, Sobibór, Treblinka, einstellte.[9]
Beim Termin in
London am 25. Januar 2000 begrüßte der Kläger den
Sachverständigen mit einem Kompliment zu seinem Buch über die Geschichte von
Auschwitz: „It is one of the few books that I have read from cover to cover and
it was a book that I found very difficult to put down." Dann verbissen sich die
beiden in die Frage, ob die im Zuge der Umrüstung des Leichenkellers
nachträglich in dessen Decke geschlagenen Öffnungen zum Einwurf von Zyklon-B
heute noch sichtbar seien oder nicht (sie sind es, was van Pelt noch nicht
wußte).
Der zweite
entscheidende Streitpunkt war die Frage, ob es sich bei einem Schlüsseldokument
um eine Fälschung handele: dem Schreiben des Auschwitzer SS-Bauleiters Bischoff
vom 28. Juni 1943 an das Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt (WVHA) in Berlin,
in dem er die Fertigstellung aller vier Krematorien in Birkenau meldete, der{S.
634}beiden großen I und II mit je 15 Muffeln (Brennkammern für eine Leiche) wie
auch der beiden kleineren, nur oberirdischen III und IV in Birkenau mit je 8
Muffeln.[10] In diesem Brief konstatiert Bischoff
eilfertig eine durch die Praxis noch gar nicht belegbare Verbrennungsleistung
der Krematorien I und II von jeweils 1440 Personen und der III und IV von je
768 Körpern bei 24stündiger Arbeitszeit, insgesamt täglich (einschließlich des
alten Krematoriums im Stammlager Auschwitz, das aber seinen Betrieb schon
eingestellt hatte) 4 756 Leichen. Mit seinen Argumenten vermochte Irving
keinesfalls die in diesem Fall durchaus zulässigen Zweifel an der Echtheit des
Dokuments zu belegen; van Pelts Widerspruch war gravierender, obwohl auch nicht
unbedingt überzeugend: Der französische Sachkenner Jean-Claude Pressac hatte
das Schreiben schon sieben Jahre zuvor „eine interne Propagandalüge" der
SS genannt.[11]
In seinem
Prozeßbericht hat van Pelt jetzt zwei Informationen von nichts weniger als
sensationellem Charakter beigebracht: In Verbindung mit bereits vorliegendem,
aber kaum beachtetem Material gestatten diese beiden Quellen recht genau die
Gesamtzahl der Opfer von Auschwitz zu berechnen. Van Pelt hat diese Belege in
seinem 570-Seiten-Werk beinahe versteckt und kaum interpretiert, auch nicht in
den Prozeß eingebracht. Sie laufen seiner Expertise zuwider, ohne Irving etwa
zu bestätigen. Van Pelt zitiert zunächst ein in der Literatur meines Wissens
bisher nicht nachgewiesenes Dokument, welches das Bischoff-Schreiben vom 28.
Juni 1943 in Frage stellt, indem es Bischoffs Zahlen halbiert.[12]
Demnach wurde im
Archiv der Krematoriumsfirma Topf & Söhne (jetzt: Erfurter Malzerei und
Speicherbau), Ordner 241, ein Brief des zum Bau in Auschwitz eingesetzten
Oberingenieurs Kurt Prüfer aufgefunden, der mit dem 8. September 1942 datiert
ist, also neun Wochen nach Bischoffs Schreiben und nach Fertigstellung der Krematorien,
mithin aufgrund der ersten Betriebsergebnisse. Laut Prüfer verbrannte jedes der
beiden Krematorien I und II täglich 800, jedes der beiden kleineren III und IV
400 Körper, insgesamt 2400.
Die
Verbrennungszeit betrug anderthalb Stunden[13] in einer Muffel, die für die würdige
Einäscherung einer Leiche zwecks Gewinnung ausschließlich ihrer Asche
konzipiert war. Bei einem hypothetischen 24-Stunden-Betrieb hätten sich 16 je
Muffel verbrennen lassen, in den 15 Muffeln eines großen Krematoriums demnach
240. Wenn Prüfer 800 angab, ging er wohl davon aus, daß sich eine Muffel unter
den KZ-Bedingungen mit mindestens zwei Leichen gleichzeitig beschicken ließ,
und er hatte die Kapazität von mindestens 720 bzw. 384 Körpern noch nach oben
abgerundet. Tatsächlich wurden bis zu drei der zumeist extrem ausgezehrten
Opfer, gegebenenfalls mit einer technologisch möglichen Verzögerung von jeweils
30 Mi-{S. 635}nuten, in einer Muffel untergebracht.[14] Somit ließen sich in I und II binnen 24
Stunden jeweils 720 Leichen einäschern, zusammen 1440, und in III/IV je 384
(Prüfer 400), zusammen 768. Exakt diese Zahlen waren in dem Schreiben des
SS-Bauleiters Bischoff in seinem Schreiben vom 28. Juni 1943 für jeweils ein
Krematorium angegeben und damit insgesamt verdoppelt. Nach Prüfers Bericht aber
ließen sich in allen vier Krematorien insgesamt täglich 2400 Körper einäschern,
nach vorstehender Rechnung 2208.
Die Krematorien
waren freilich nicht permanent in Betrieb, sondern fielen häufig aus. Das am
15. März 1943 in Gang gesetzte Krematorium I war nach neun Tagen schon
beschädigt. die Reparatur stand erst am 18. Juli „vor der Vollendung".[15] Am 3. April 1944 wurde die Reparatur von
20 Ofentüren der beiden großen Krematorien bestellt und erst am 17. Oktober
erledigt.[16] Der Schornstein des seit 22. März
funktionierenden Krematoriums III zeigte bereits am 3. April Risse und war
schon Mitte Mai unbrauchbar.[17] Lagerkommandant Rudolf Höß berichtete
nach dem Krieg: „III fiel nach kurzer Zeit gänzlich aus und wurde später
überhaupt nicht mehr benutzt. IV [am 4. April 1943 in Betrieb genommen, FM.]
mußte wiederholt stillgelegt werden, da nach kurzer Verbrennungsdauer von vier
bis sechs Wochen die Öfen oder der Schornstein ausgebrannt waren"; daraus
ergibt sich für I eine Betriebszeit von 509 Tagen, 462 Tage für II, nur 50 Tage
für III und 309 Tage für IV,[18] mithin 971 Tage in 15 Muffeln und 359
Tage in 8 Muffeln.[19]
Eine zweite
überraschende Information liefert van Pelt nun mit der Veröffentlichung einer
Aussage von Höß im Kreuzverhör vor dem Krakauer Gericht 1947: „Nach acht oder
zehn Stunden Betrieb waren die Krematorien für eine weitere Benutzung un-{S.
636}brauchbar. Es war unmöglich, sie fortlaufend in Betrieb zu halten."[20] Mit dem Mittelwert dieser Angabe, d.h.
neun Stunden täglicher Betriebszeit, ergeben sich je Muffel bei drei Körpern
täglich 18 Verbrennungen, in I/II mithin je 270, zusammen 540; in III/IV je
144, zusammen 288, je Tag demnach insgesamt 828.
Die Schlußfolgerung
ist einfach: An den 971 Betriebstagen ließen sich hiernach in I/II insgesamt
262 170 Körper verbrennen, in III/IV an 359 Tagen 51 696, zusammen 313 866
Tote, die in den Krematorien von Birkenau verbrannt worden sind. Das sind noch
nicht alle der in Auschwitz ums Leben Gekommenen. Laut Höß wurden 107 000
Leichen aus den Massengräbern bis Ende November 1942 auf Scheiterhaufen
verbrannt.[21] Pressac bestreitet diese Zahl, er zählt
50 000.[22]
Da bislang
ungeklärt, nicht einmal als Problem erkannt ist, wo die Opfer des besonders
exzessiven Gasmords im Winter 1942/43 bis zur Inbetriebnahme der Krematorien
verblieben sind, kann mit Fug angenommen werden, auch 57 000 der 100 000
vom Dezember 1942 bis März 1943 in Auschwitz angekommenen Opfer ohne
Registrierung seien unter freiem Himmel verbrannt worden und Höß habe sie in
seine Angabe einbezogen.
Ohne die (auf
Scheiterhaufen verbrannten) Opfer der Ungarn-Aktion, aber zuzüglich der
schätzungsweise 12 000 im alten Krematorium des Stammlagers Eingeäscherten[23] wären damit insgesamt rund 433 000
Leichen in Auschwitz verbrannt worden. Diese Zahl korrespondiert fast genau mit
der Summe, die sich aus den Einlieferungen ins Lager Auschwitz-Birkenau
abzüglich der Überstellungen in andere Lager ergibt -- eine gravierende
Bestätigung.
Laut Kalendarium
von Danuta Czech[24] wurden -- ohne die von ihr nicht
bezifferten Transporte aus Ungarn[25] -- 735 000 Menschen an den Tatort
verbracht. 15 000 waren{S. 637}sowjetische Kriegsgefangene[256], von den verbleibenden 720 000 wurden
laut Czech 346 000 registriert, also ins Lager aufgenommen, und 374 000 nicht
registriert. Czech schloß auf den Tod dieser Nichtregistrierten in der
Gaskammer, wofür allerdings keine dokumentarischen Belege vorliegen;[27] es lebten auch Häftlinge ohne
Registriernummer im Lager.[28] Da die Gesamtzahl der Registrierten 405
000[29] betrug, müssen von den 374 000, die
zunächst ohne Registriernummer eingeliefert wurden, 59 000 nachträglich
registriert worden sein, so daß 315 000 ohne Registriernummer verblieben. Von
den 720 000 wurden 225 000 in andere Lager überstellt[30] -- bei Czech ist nur ein Zehntel davon
notiert. 58 000 wurden bei Auflösung des Lagers evakuiert und 8 500
zurückgelassen,[31] so daß 428 500 verbleiben, eine
Zahl, die zuzüglich der Kriegsgefangenen mit den aus der zum Teil geschätzten
Krematoriumskapazität errechneten 433 000 Toten übereinstimmt: Sie wurden
ermordet.[32]{S. 638}
Unterstellt, alle
315 000 Nichtregistrierten seien als „Unproduktive" im Gas getötet worden
(wobei die Zahl der auf andere Weise Gestorbenen gegen die im Lager zum Gastod
selektierten Registrierten aufgerechnet werden soll), erweist sich, daß hierfür
die beiden zu Gaskammern umfunktionierten Bauernhäuser ausreichten. Erst für
die Transporte aus Ungarn im Frühsommer 1944 mußten andere Mordeinrichtungen
hinzugezogen werden, etwa das stillgelegte Krematorium III oder die Gaswagen,
die bereits auf sowjetischem Gebiet von den Einsatzgruppen und im
wartheländischen Tötungszentrum Chelmno durch Gauleiter Greiser mit Himmlers,
sicher auch Hitlers Genehmigung eingesetzt worden waren.[33]
Das Schicksal der
aus Ungarn Deportierten 1944 bedarf einer eigenen Untersuchung. Wenn wir uns
allein auf die Angaben von Danuta Czech stützen, gelangten von Mitte Mai bis
Anfang Juli 60 Züge nach Birkenau.[34] Jeder Transport umfaßte 3 000
Personen, so daß danach 180 000 eingetroffen wären, von denen laut Czech 29 210
eine Registriernummner erhielten. 110 000 wurden in andere Lager überstellt,[35] nach Czech wurden wahrscheinlich 40 564
Menschen allein im Monat Oktober 1944 im Gas getötet.[36]{S. 639}
Diese Überlegungen
führen hier zu dem Ergebnis, daß in Auschwitz eine halbe Million Menschen
ermordet wurden, davon etwa 356 000 im Gas.[37]
Die Diskussion um
die Zahlen der Opfer von Auschwitz hat in den vergangenen Jahren weite Kreise
gezogen und bislang zu keinem Resultat geführt. So erklärte der
Forschungskurator des APMO, Wáclaw Dlugoborski, im September 1998 in der Frankfurter
Allgemeinen Zeitung zu der Opferzahl:
Kurz
nach Kriegsende wurde sie von einer sowjetischen Untersuchungskommission ohne
weitere Nachforschungen auf vier Millionen festgelegt. Obwohl von Anfang an
Zweifel an der Richtigkeit der Schätzung bestanden, wurde sie zum Dogma. Bis
1989 galt in Osteuropa ein Verbot, die Zahl von vier Millionen Getöteten
anzuzweifeln; in der Gedenkstätte von Auschwitz drohte man Angestellten, die an
der Richtigkeit der Schätzung zweifelten, mit Disziplinarverfahren.[38]
In Nürnberg hatte
der sowjetische Ankläger Smirnov am 19. Februar 1946 die Vier-Millionen-Zahl
vorgetragen.[39] Kurz darauf, am 11. März 1946, wurde der
1924 vom Staatsgerichtshof wegen Mordes vorbestrafte Höß verhaftet. Er folgte
danach dem Vorhalt, für rund zwei Millionen Tote verantwortlich zu sein.[40] Nach drei Tagen Schlafentzug,[41] gefoltert, nach jeder Antwort verprügelt,
nackt und zwangsweise alkoholisiert,[42] war die erste Vernehmung „unter
schlagenden Beweisen" zustande gekommen. so berichtete auch Höß selbst:
„Was in dem Protokoll drin steht, weiß ich nicht, obwohl ich es unterschrieben
habe. Doch Alkohol und Peitsche waren auch für mich zuviel."[43] Er zeichnete um 2.30 Uhr nachts mit
angestrengter Unterschrift diese Sätze:
{S.
640}
In
Auschwitz selbst sind meiner Schätzung nach cca [sic] 3 000 000 Menschen ums
Leben gekommen. Schätzungsweise nehme ich an das [sic] davon 2500 000 vergast
worden sind.[44]
Wenn die Ergebnisse
dieser Studie zutreffen, hätte seine Auskunft wahrheitsgerecht lauten müssen:
In Auschwitz sind weit über 300 000 Menschen vergast worden und insgesamt 500
000 ums Leben gekommen. Mit zwei zusätzlichen Nullen und einer 2 näherte sich
seine umgekehrte Aussage im Protokoll den sowjetischen Zahlen.
Im Verhör am 1./2.
April 1946 nannte Höß zunächst 1,1 Millionen Getötete, dann wieder 2,5
Millionen.[45] Von der Auslieferung nach Polen und
Hinrichtung bedroht,[46] blieb Höß vor dem Nürnberger
Militärtribunal dabei: drei Millionen Opfer, davon 2,5 Millionen „Vergaste und
Verbrannte",[47] korrigierte das aber gegenüber dem
amerikanischen Gefängnis-Psychologen[48] und hernach in seiner Krakauer
Niederschrift („Hätte die Staatsanwaltschaft nicht eingegriffen, so hätte man
mich fertig gemacht"[49]) als „viel zu hoch" auf 1, 13
Millionen „zur Vernichtung" Eingelieferte zuzüglich „der kleineren
Aktionen",[50] damit näher dem Resultat dieser Studie
von fast 900 000, doch noch immer im Detail -- exakt seinem ersten Protokoll
entsprechend --weit überhöht. Für Frankreich nannte er etwa 110 000 Opfer --
insgesamt wurden 75 721 eingeliefert. Aus den Niederlanden kamen laut Höß 95
000, es waren aber 60 026,[51] für die Slowakei zählte er etwa 90 000,
obwohl lediglich 26 661 slowakische Juden nach Auschwitz verbracht worden
waren,[52] für Griechenland 65 000 bei 53 789
tatsächlich Deportierten.[53] Für Belgien nennt Höß 20 000,[54] angeblich 400 000 aus Ungarn, 250 000 aus
Polen (300 000 laut Piper[55]) und 100 000 aus Deutschland -- ohne das
von Höß oder seinem polnischen Vernehmer Jan Sehn Polen zugeschlagene
Oberschlesien, aber mit Theresienstadt (zusammen 69 000 laut Piper).
Die
Unzuverlässigkeit Hößscher Millionenzahlen ist so gravierend, daß Martin
Broszat sie bei Herausgabe der Höß-Papiere an anderer Stelle einfach
fortgelassen hat.[56] Die fehlenden Passagen lauten: „Als
nächstes Land war Rumänien vorgesehen. Von da erwartete Eichmann nach Angabe
seines Beauftragten in Bukarest ca. 4 Millionen Juden [. . .]."[57] Mehr als eine Null zuviel: Nur 342 000
Juden lebten 1940 in Rumänien laut „Enzyklopädie des Holocaust"[58] und Protokoll der Wannseekonferenz vom
20. Januar 1942. Höß weiter: „Gleichzeitig oder zwischenzeitlich sollte
Bulgarien mit schätzungsweise 2 1/2 Millionen Juden folgen." Diese Zahl
ist um das 50fache{S. 641}überhöht: Es gab nur 63 403 Juden in Bulgarien 1943,[59] gemäß Wannseeprotokoll waren es 48 000.
Gerald Reitlinger
schätzte schon 1953 die Zahl der Menschenopfer in Auschwitz auf insgesamt eine
Million, davon bis zu 750 000 im Gas Ermordete, von denen 550000 -- 600 000
gleich bei Ankunft umgebracht worden seien.[60] Laut Piper starben im Lager 1 110 000
Menschen, davon 202 000 Registrierte und 880 000 Nichtregistrierte, unter ihnen
95 000 registrierte und 865 000 nichtregistrierte Juden.[61] Allerdings ist Pipers Zahl der aus Polen
Eingelieferten mit 300 000 wahrscheinlich weit überhöht. Auch die Zahl der
Überlebenden aus Ungarn bleibt bei ihm unklar.
Den letzten
Forschungsstand nennt 1994 Pressac mit 631 000 bis 711 000 Toten insgesamt,
davon 470 000 bis 550 000 nichtregistrierte, im Gas ermordete Juden.[62] Davon entfernt sich nicht allzuweit das
Resultat dieser Studie mit mutmaßlich 510 000 Toten, davon wahrscheinlich 356
000 im Gas Ermordeten.[63] Dieses Ergebnis relativiert nicht die
Barbarei, sondern verifiziert sie -- eine erhärtete Warnung vor neuem
Zivilisationsbruch.
Anmerkungen
Fritjof Meyer (1932), Dipl. DHP,
Dipl.-Politologe, Dipl.-Kameralist, Leitender Redakteur. Der Spiegel, Hamburg
Robert-Jan
van Pelt/Debórah Dwork: Auschwitz - Von 1270 bis heute. Zürich 1998. |
|
Robert Jan van Pelt: The Case for Auschwitz -
Evidence from the Irving Trial. Bloomington/Indianapolis 2002. |
|
Die
Entlüftungsöffnungen lagen in Bodenhöhe, während das Zyklon-Gas nach oben
steigt. wo sich die Belüftungsschächte befanden; Jean-Claude Pressac in:
Beate Klarsfeld Foundation (Hrsg.): Auschwitz -- Technique and operation of
the gas chambers. New York 1989. S.288f. |
|
Eingelieferte
ohne Registrierung im Juni 1943: 5901 Nichtregistrierte; Juli -- 440; August
--37627; September -- 7269; Oktober -- 6968; November -- 8411; Dezember --
2885; Januar 1944 -- 4216; Februar -- 5227; März -- 2551; April -- 5330;
insgesamt 80924 in 334 Tagen, d.h. im Durchschnitt 242 Personen pro Tag;
Danuta Czech: Kalendarium der Ereignisse im Konzentrationslager
Auschwitz-Birkenau 1939 --1945. Reinbek 1989, S. 510ff. |
|
Corriere
della Sera, 20.11.2001. -- Le Monde, 20.11.2001. -- dpa. 19.11.2001;
NS-Apologeten ("Revisionisten") bezweifeln, daß es dieses Gebäude
überhaupt gegeben habe: Jürgen Graf: Auschwitz. Würenlos 1994, S. 236. |
|
Franciszek
Piper in: Waclaw Dlugoborski/Franciszek Piper (Hrsg.): Auschwitz 1940-1945.
Oswiecim 1999, Bd. III, S. 159ff. -- Van Pelt, The Case (Fn. 2], S. 383,
schätzt Raum für lediglich 250 Personen. Nach Danuta Czech (Fn. 4] wurden
eingeliefert im Mai 1942: 6700 Nichtregistrierte; Juni -- 4567; Juli -- 2652;
August -- 30 840; September - 17 911; Oktober --14 706; November - 20 687;
insgesamt 98 083 Personen, im Durchschnitt 458 Personen je Tag. In diesem
Zeitraum war nur Bunker I mit einem Fassungsvermögen von über 400 Personen in
Betrieb. |
|
Der
Zeuge Dragon nannte Raum für 2500, vgl. van Pelt, The Case (Fn. 2], S.187,
van Pelz selbst, ebd. S. 383, nur für 320 Personen. Beide Gebäude fanden
Erwähnung im Bauantrag der Lagerleitung an das WVHA in Berlin; US Holocaust
Memorial Museum New York (USHMM), RG 11.001 M.03 Reel 42, 502-1-238-10:
"Ausbau eines vorhandenen Hauses für Sondermaßnahmen (Zeichnung nicht
vorhanden)". Kosten: je 14242, -- Reichsmark. |
|
CIA
Special Collections, Reference Coll., Box 3: Bericht von BB-175 über Aumeiers
Vernehmung im Gefängnis Akershus, Norwegen, vom 29.10.1945. |
|
Schreiben
des WVHA vom 27.4.1943 an die Kommandanten der Konzentrationslager,
Internationaler Militärgerichtshof (IMT): Der Prozeß gegen die
Hauptkriegsverbrecher, Nürnberg 1947, Bd. XXIX, S.173f.: "Der
Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei hat auf Vorlage entschieden,
daß in Zukunft nur noch geisteskranke Häftlinge durch die hierfür bestimmten
Ärztekommissionen für die Aktion 14 f 13 ausgemustert werden dürfen. Alle
übrigen arbeitsunfähigen Häftlinge (Tuberkulosekranke, bettlägerige Krüppel
usw.) sind grundsätzlich von dieser Aktion auszunehmen. Bettlägerige
Häftlinge sollen zu einer entsprechenden Arbeit, die sie auch im Bett
verrichten können, herangezogen werden. Der Befehl des Reichsführers-SS ist
in Zukunft genauestens zu beachten. Die Anforderungen von Kraftstoff
(vermutlich für die Gasmotoren, F.M.) für diesen Zweck entfallen daher."
Nach Danuta Czech [Fn. 4] wurden eingeliefert im Dezember 1942 - 14405
Nichtregistrierte; Januar 1943 -- 43472; Februar -- 17703; März -- 24159; April
-- 20444; Mai -- 12454; zusammen 132 637, im Durchschnitt waren das 729
Personen je Tag. In diesem Zeitraum waren beide Bunker mit einem
Fassungsvermögen von zusammen über 900 Personen in Betrieb. Ab Juni 1943 bis
April 1944 nur noch durchschnittlich 242 Personen je Tag, siehe Fn. 4. |
|
USHMM
(Fn. 7], RG 11.001M.03-41. |
|
Jean-Claude
Pressac: Die Krematorien von Auschwitz. München
1994, S. 103. |
|
Van Pelt, The Case [Fn. 2], S.350. |
|
Auschwitz-Flüchtling
Alfred Wetzler in WRB-Report v. 25.11.1944, Franklin Delano Roosevelt Library
New York, S. 12, Eine Fassung ist abgedruckt in: Sandor Szenes/Frank Baron:
Von Ungarn nach Auschwitz. Münster 1994, S. 126. -- Tauber in: Pressac,
Technique [Fn. 3], S.483. -- Vgl. die Aussagen der Ingenieure Prüfer,
Schultze und Sander von der Fa. Topf und Söhne am 5. und 7.3.1946 vor
Hauptmann Schatunovski und Major Morudshenko von der Smersch-Abteilung der 8.
Armee auf die Frage nach der stündlichen Kapazität (Zentralarchiv KGB der
UdSSR, Akte 17/9, 19). |
|
Van Pelt, The Case [Fn. 2], S. 345; Aussage
Henryk Tauber in Pressac, Technique [Fn. 3], S.489. |
|
Archiv
des Staatsmuseums Auschwitz (APMO) BW 30/7/34 S.54, BW 30/34 S.1. |
|
APMODpr.-Hd/lla,
S.96. |
|
APMO
BW 30/34 S.41f. |
|
Martin
Broszat (Hrsg.): Kommandant in Auschwitz. München 1978, S. 165. -- Vgl. Pery
Broad in: KL Auschwitz in den Augen der SS. Katowice 1981, S. 152. |
|
Carlo
Mattogno/Franco Deana: Die Krematoriumsöfen von Auschwitz, in dem ansonsten
unzumutbaren Pamphlet von Ernst Gauss (Hrsg.): Grundlagen zur Zeitgeschichte.
Tübingen 1994, S. 310. - Da die Geschichtsforschung aus einsehbaren, aber
unzulässigen Gründen das Thema Auschwitz als Forschungsobjekt nicht
akzeptiert hat, drängte sich die Propaganda auf das unbestellte Feld; jene
sowjetischer Observanz beherrscht noch immer weithin die Öffentliche Meinung,
zum Beispiel mit der Totenzahl von vier Millionen, dem Mord an über 400 000
aus Ungarn Deportierten oder auch dem massenhaften Gasmord in den
Krematoriumskellern, Von der andern Seite haben "Revisionisten"
sehr emsig Details gesammelt, wobei ihnen die in dieser Studie vorgetragenen
Gesichtspunkte aber entgangen sind. Ihre Fundsachen vermochten den
respektablen Geschichtsphilosophen Ernst Nolte und auch David Irving zu
verwirren, wurden sonst aber von Historikern als Denkanstoß, gar
Herausforderung ignoriert. Dabei hat der Jurist Ernst Stäglich ("Der
Auschwitz-Mythos"). ein wohl kaum verhüllter Antisemit, immerhin als
erster berechtigte Zweifel an manchen Passagen der in der Haft verfaßten
Niederschriften von Höß geweckt. Nicht nur die Geschichte, sondern auch ihre
Wahrheitsfindung muß sich gelegentlich unwürdiger Werkzeuge bedienen. Sehr
spät sind zwei gründliche, noch immer nicht ganz befriedigende
Auseinandersetzungen mit den "Revisionisten" erschienen: John C.
Zimmerman: Holocaust Denial. Lanham 2000, und Richard J. Evans: Der
Geschichtsfälscher. Frankfurt a.M. 2001. |
|
Van Pelt, The Case [Fn. 2], S.262, nach:
APMO, Höß-Prozess, Bd. 26b, S.168: "After eight to ten hours of
operation the crematoria were unfit for further use. lt was impossible to
operate them continously." |
|
Broszat,
Kommandant [Fn. 17], S. 161. |
|
Pressac,
Krematorien [Fn. 11], S. 73. |
|
Ebd.,
S. 195. |
|
Vgl.
Fn. 4; mit dem Vorbehalt zutreffender Addition durch den Autor und der
Annahme, es handele sich bei Czech vornehmlich um Annäherungswerte, welche
jedenfalls die Dimensionen des Völkermords erkennen lassen. Insbesondere
Czechs Schätzungen der nicht bezifferten Transporte aus Polen könnten nach
Pressac (Krematorien [Fn. 11], S. 197) reduziert werden auf jeweils 1000 bzw.
1500 Personen, was eine Gesamtdifferenz von 33 000 ausmacht. Höß hatte sogar
behauptet, die (von Czech besonders hoch veranschlagten) Transporte aus
Ostoberschlesien seien "nie stärker als 1000 Menschen" gewesen
(Broszat, Kommandant [Fn. 17], S. 160). Dafür gibt es einen Beleg: Ani
6.12.1942 traf in Auschwitz ein Transport aus dem Ghetto in Mlawa ein, der
laut Czech (Kalendarium [Fn. 4], S. 352) etwa 2500 Personen umfaßte, von
denen 406 als Häftlinge in das Lager eingewiesen und die übrigen "etwa
2094 Menschen" in den Gaskammern getötet worden seien. Für die
Gesamtstärke des Transports nennt Czech keine Quelle. Von einem Teilnehmer existiert
jedoch ein auf dem Lagergelände vergrabener, nach der Befreiung aufgefundener
Bericht. in dem die Transportstärke mit 975 Personen angegeben wird. von
denen 450 Ihr arbeitsfähig erklärt worden seien (Inmitten des grauenvollen
Verbrechens. Oswiecim 1996, S. 123). Unter dem 11.4.1944 notiert Czech
(Kalendarium [Fn. 4], S.754) 2500 Juden aus Griechenland, und 1500 werden
genannt in: Staatliches Museum Oswiecim (Hrsg.): Deportation und Vernichtung
der griechischen Juden im KL Auschwitz, in: Hefte von Auschwitz. Oswiecim,
1l/1970, S. 24; wahrscheinlich waren es 4700; Hagen Fleischer: Griechenland,
in: Wolfgang Benz (Hrsg.): Dimension des Völkermords. München 1991, S. 264.
Andererseits meldet Czech (Kalendarium [Fn. 4], S. 496) für den 16.5.1943
rund 4500 aus Griechenland Eingelieferte, während es nach Fleischer (S. 269)
1800 waren; ferner spricht Czech für den 16.8.1944 von "ungefähr
2500" von der Insel Rhodos, bei Fleischer (S. 215) sind es 1820 Opfer. |
|
Zur
Zeit der Ankunft von ihr nicht bezifferter Transporte aus Ungarn wurden laut
Czech, Kalendarium [Fn. 4] noch eingeliefert im Mai 1944 -- 4707
Nichtregistrierte; Juni -- 3543; Juli -- 5488; August -- 15691; September --
9346; Oktober -- 19781; insgesamt 58556, im Durchschnitt 318 Personen je Tag.
Am 2.11.1944 wurden die Gasmorde eingestellt. |
|
Franciszek
Piper: Die Zahl der Opfer von Auschwitz. Oswiecim 1993, S. 200. |
|
Zu
der regelmäßigen Anmerkung bei Czech: "Die übrigen gingen in die
Gaskammer", äußerte sich der Direktor des Museums Auschwitz, Mag. Jerzy
Wroblewski, am 17.11.1999 in einem Brief an den Autor: Diese Formulierung
Czechs "betrifft diejenigen, die nicht registriert wurden. Es ist jedoch
keine Lager-Dokumentation übriggeblieben, die die Opfer, die direkt nach der
Selektion zur Vernichtung geschickt wurden, betrifft." |
|
Hermann
Langbein: Menschen in Auschwitz, München 1995, S. 86. Am 18. April 1943
berichtete ein polnischer Kurier, er habe einige Wochen bis Ende September
1942 in Auschwitz gelebt, wo sich nichtregistrierte und 95000 registrierte
Gefangene befunden hätten; Richard Breitman: Staatsgeheimnisse. München 1999,
S.160. - Am 5. August 1942 wurden die 17000 weiblichen Häftlinge, die bis
dahin im Stammlager untergebracht waren, in das neue Frauenlager in Birkenau
überstellt, darunter 4300 aus Frankreich, 2100 aus den Niederlanden und 640
aus Belgien; Irena Strzelecka/Piotr Setkiewicz Bau, Ausbau und Entwicklung
des KL Auschwitz, in: Waclaw Dlugoborski/Franciczek Piper: Auschwitz
1940-1945. Oswiecim 1999, Bd. 1, S. 92. Aus Frankreich waren laut Kalendarium
seit dem 24.6.1942 bis zum 5.8. 1942 insgesamt 4558 Frauen nach Auschwitz
verbracht worden, von ihnen wurden (am 23., 29.7. und 5.8.1942) laut Czech
mindestens 656 "in den Gaskammern getötet", was bedeuten würde, daß
sich im Lager höchstens 3904 noch hätten befinden können. Da sich dort aber
4300 aufhielten, waren mindestens 396 von den vermeintlich Ermordeten noch im
Stammlager am Leben. Ähnliches gilt für die Transporte aus Belgien und den
Niederlanden. |
|
Langbein,
Menschen [Fn. 28], S.82. -- Czech, Kalendarium [Fn. 4], S. 16, beziffert 404
222, Nbg.Dok. NOKW - 2824, Piper, Die Zahl [Fn. 26], S. 102, nennt 400 207. |
|
Stanislawa Iwacko: APMO. Bestand Ausarbeitungen,
Bd. 100. -- L Krysta, ebd.: 182000. -- Yisrael Gutman/Michael Berenbaum:
Anatomy of the Auschwitz Death Camp. Bloomington/Indianapolis
1994, S.76, Anm. 75. |
|
Andrzej
Strzelecki: Endphase des KL Auschwitz. Oswiecim 1995, S.242, 246. |
|
Von
ihnen waren laut Pressac, Krematorien [Fn. 11], S. 195, 202, der für 1944 auf
Schätzung angewiesen ist, nur 126 000 Registrierte, laut Mattogno/Deana, Die
Krematoriumsöfen [Fn. 18], S. 307, aber 160 000-170 000, nach Piper, Die Zahl
[Fn. 26], S. 164, 202 000 und laut Langbein, Menschen [Fn. 28], S. 82, 261
000 (übrigens fast genau die Zahl der in den Krematorien I und II
Verbrannten). Pressacs Zahl würde annähernd zutreffen, wenn alle Überstellten
und Evakuierten registriert waren. Dann sind, wofür vieles spricht, sämtliche
315000 Nichtregistrierten getötet worden - bei Ankunft, im Lager, im Gas oder
durch Hunger, Krankheit, Folter. Mattognos Zahl könnte nur annähernd stimmen,
wenn es sich bei den Überstellten lediglich um Registrierte handelte, was
bedeutete, daß -- entsprechend der Zahl der Evakuierten und Zurückgelassenen
-- 66500 der Nichtregistrierten überlebt hätten. Pipers Zahl würde
ausdrücken, daß ein Teil der Nichtregistrierten in andere Lager verbracht
wurde. Nach Langbeins Zahl wären lediglich 144 000 Registrierte überstellt
bzw. evakuiert worden, während 137500 Nichtregistrierte deren Schicksal
teilten und nur 177500 ums Leben kamen (ohne die Opfer aus Ungarn). |
|
Filip Friedman: To jest Oswiecim! Warschau 1945, S. 70. --
Ders.: Tadeusz Holuj: Oswiecim, mit einem Vorwort von Dr. Waclaw Barcikowski.
Warschau 1945, S. 81. -- F. Friedman: This was
Oswiecim, London 1946, S. 47f., 2. Aufl., S. 54: Für kleinere Gruppen sei ein
Gaswagen verwendet worden, und zwar in einer Sandgrube durch ein
Sonderkommando Ruryck (Fassung 1946: Ryryck) mit einem zuvor in Rußland
benutzten Saurer-Lkw, Kennzeichen Pol 71-462, 4 m lang, 2, 5 m breit,
Chauffeur: Oberwachtmeister Arndt. Friedman stützte sich auf den Bericht
einer Widerstandsgruppe in Auschwitz, die am 21.9.1943 nach Krakau meldete, daß
"ein Gasauto, Marke Saur, mit einem Motorpflug stationiert wurde, um auf
Befehl des Polizeistandgerichtes Exekutionen mit Motorabgasen
durchzuführen". Der Auschwitz-Häftling Mordechai Zirulnizki berichtete,
1944 seien die Erschießungen an der "Schwarzen Wand", also im
Stammlager, ersetzt worden durch die "Duschegubka"
(Seelenverkäufer), wie die Russen die Gaswagen nannten; Wassili
Grossmann/Ilja Ehrenburg/Arno Lustiger: Das Schwarzbuch, Der Genozid an den
sowjetischen Juden. Reinbek 1995, S. 935. |
|
Pressac,
Menschen [Fn. 11], S. 198f., S. 201, liest bei Czech nur 53 ungarische
Transporte vom 2. Mai bis 11. Juli 1944 = 160 000 Menschen und schließt recht
willkürlich auf insgesamt 240 000 Ankömmlinge. Nach einer zweifelhaften
Unterlage 141 Züge in: Christian Gerlach/Götz Aly: Das letzte Kapitel.
München 2002, S.275, 286. |
|
Gerlach/Aly,
Das letzte Kapitel [Fn. 34], S. 296, mit der ersten gründlichen Darstellung
des Arbeitseinsatzes, ebd., S. 379ff. -- Strzelecki, Endphase [Fn. 31], S.
352, Anm.**, zählt bis zu 100 000. Die Differenz zu den -- wohl übertriebenen
-- Meldungen der ungarischen Polizei (Nbg. Dok. NG-5615), die hier nicht
näher behandelt werden kann, läßt sich vielleicht mit dem vorzeitigen Abbruch
der Aktion, mit Flucht und Deportationen in andere deutsche Lager erklären. |
|
Oberst
Claus Graf Schenk von Stauffenberg berichtete seinem Vetter Heinrich Graf
York von Wartenburg von einem Befehl des RSHA-Chefs Ernst Kaltenbrunner, der
1944 "für 40 000 oder 42 000 ungarische Juden , Sonderbehandlung, in
Auschwitz anordne" (Eberhard Zeller. Geist der Freiheit. München 1963,
S. 506, Anm. 9). Dies war für Stauffenberg ein Grund, die Vorbereitungen für
das Attentat auf Hitler zu beschleunigen. |
|
Die
sowjetische Untersuchungskommission behauptete 1945 4 Mill. Opfer; IMT Bd. VII, S. 647, Bd. XXXIX, S. 261. Die Zahl beruhte auf Schätzung der Gaskammer-Kapazität
und geht zurück auf eine Erklärung der Häftlingsärzte Jakov Gordon aus Vilna,
Steinberg aus Paris und Epstein aus Prag am Befreiungstag, dem 27. Januar
1945, gegenüber zwei Sowjetoffizieren und einem Sergeanten: "In der Zeit
des Bestehens des Lagers wurden 4, 5 bis 5 Millionen Menschen ausgerottet";
Zentralarchiv des Verteidigungsministeriums (ZAMO, Moskau), Bestand 417, 60,
Armee, Inventurliste 2675, Aktenstück 340, nach: Lev Besymenski: Was das
Sowjetvolk vom Holocaust wußte, in: Leonid Luks (Hrsg.): Der Spätstalinismus
und die ‚jüdische Frage". Köln/Weimar/Berlin 1998, S. 82. |
|
FAZ,
14.9.1998. |
|
IMT,
Bd. XIX, S. 261. |
|
"He admitted without a trace of
remorse", so sein erster Vernehmer Bernard Clarke, Sergeant der 92.
Field Security Section der britischen Gegenspionage, in: Rupert Butler:
Legions of Death. London 1983, S. 238, dort im Anschluß an den vermeintlichen
sowjetischen Befund, in Auschwitz seien mindestens 2 Millionen Juden und
ebenso viele Nichtjuden ermordet worden; ebd. S.
234. |
|
Van Pelt, The Case [Fn. 2], S. 276; Butler:
"Clarke thrust his service stick under the man's eyelids." |
|
Clarke, nach Butler, Legions of Death [Fn.
40], S. 236f.: "We had rammed a torch in his mouth"; "the
blows and screams were endless". Butler, S. 236f.: "Clarke's hand
crashed into the face of his prisoner." |
|
Broszat,
Kommandant [Fn. 17], S. 149. |
|
Nbg.Dok NO-1210. |
|
Zimmerman,
Holocaust Denial [Fn. 5], S. 337, Fn. 49. |
|
Wie schon seine Ehefrau, Butler [Fn. 40], S.
236: "If you don't tell us we'll turn you over to the Russians and
they'll put you before a firing squad. Your son will go to Siberia." |
|
IMT Bd.XI, S. 458. |
|
Gustave
M. Gilbert: Nürnberger Tagebuch. Frankfurt a.M. 1962, S. 450. |
|
Broszat,
Kommandant [Fn. 17], S. 151. |
|
Ebd.,
S. 167. |
|
Eberhard
Jäckel/Peter Longerich/Julius H. Schoeps: Enzyklopädie des Holocaust.
München, 1995, Bd. II, S. 1008. |
|
Piper,
Die Zahl [Fn. 26], S. 196. |
|
Fleischer,
Griechenland [Fn. 24], S. 269. |
|
Piper,
Die Zahl [Fn. 26], S. 199:25000. |
|
Ebd.
|
|
Broszat,
Kommandant [Fn. 6], S. 172, Pn. 1. |
|
KL
Auschwitz in den Augen der SS [Fn. 18], S. 132. |
|
Jäckel/Longerich/Schoeps,
Enzyklopädie [Fn. 51], Bd. 111, S. 1254. |
|
Ebd..
Bd. 1, S. 262. |
|
Gerald
Reitlinger: Die Endlösung. Berlin 1956'S. 125, 522f. |
|
Piper,
Die Zahl [Fn. 26], S. 202. |
|
Pressac,
Krematorien [Fn. 11], S. 202. |
|
Nach
Langbeins Zahlen gem. Fn. 32, zuzüglich der Opfer aus Ungarn: 218 000. |