Mord an Hitler
Hitlers Ende in der Darstellung Martin Bormanns
«Ja, mein Lieber, das ist noch
heiß hergegangen im Bunker, als Sie weg waren. Alles spielte verrückt, und ich
hatte alle Mühe, den Stall zusammenzuhalten. Zu allem Überdruß hatte ich noch
den gesamten täglichen Dienstbetrieb am Halse; Sie wissen ja selbst, in welcher
Verfassung unser lieber Adolf damals war ...
Ich hatte ja bereits alle
Vorbereitungen getroffen, daß wir uns in Sicherheit bringen konnten ‑ das
haben Sie ja selbst miterlebt ‑, aber die Russen hatten den Sack schneller
zugemacht, als ich annahm. Jetzt mußte ich neue Wege finden, um aus dem
verdammten Bunker rauszukommen.
Wie oft habe ich Krebs in
diesen Tagen zu Chuikov gejagt; dauernd kam er ohne Ergebnisse zurück. Zudem
lagen wir unter dauerndem Beschuß. Es war zum Wahnsinnigwerden! ‑ Ursprünglich
wollten wir uns in der Nacht vom 29. zum 29. April bereits absetzen. Es scheiterte
aber daran, daß ich mit Chuikov keine Einigung erzielen konnte. Ohne genaue Anweisungen
von Moskau wollte er nicht handeln - und die trafen ewig nicht ein ...
Eva machte uns auch dauernd
Schwierigkeiten. Sie wollte in ihrem Exil unbedingt mit Hitler verheiratet
sein. Er übrigens auch. Ich nehme eher an, sie glaubte, wir wollten uns ohne
sie auf die Socken machen. In aller Eile habe ich dann noch die Ziviltrauung
auf die Beine gestellt.
Zu alledem noch die anderen
Probleme. Die riesige Goebbels‑Familie, Greim, der Versager mit seiner
Luftwaffe, von Wenk gar nicht zu reden. Ich war mir nicht klar, wie ich das
alles unter einen Hut bringen sollte.
Am 30. April überschlagen sich
die Ereignisse förmlich. Wir waren nur noch im kleinsten Kreise beisammen.
Alles überflüssige Personal war in den Nebenbunkern unter Axmanns Führung zusammengezogen,
um einen Ablenkungs-Ausbruch zu versuchen. Die entstehende Verwirrung wollten
wir ausnützen. Axmann wußte, genau wie Sie, wo er uns wiederfinden konnte. Alle
übrigen hatten von mir Sonderanweisungen für den Fall, daß sie dem Gegner
lebend in die Hände fallen. ‑ Krebs war zu erneuten Unterhandlungen in
Chuikovs Gefechtsstand.
Goebbels befand sich bei
seiner Familie. Der Führer hatte sich in seine Räume zurückgezogen. Ich saß mit
Burgdorf, Greim, der Reitsch, Fegelein und Schedle im Speiseraum. Unsere Nerven
waren zum Zerreißen gespannt. ‑ Ein erneuter Ausbruchsversuch war bis ins
Kleinste vorbereitet. Ich wollte nur noch die letzten Verhandlungen von Krebs
abwarten.
Krebs kam erst sehr spät
zurück und teilte uns Chuikovs Forderungen mit. Die Russen wollten Hitler und
Goebbels lebend in die Hände bekommen. Nach Ablauf von fünf Stunden wurde uns
eine zehnminütige Feuereinstellung zum Zwecke der Übergabe zugesagt.
Ich war in eine verdammte Situation
geraten. Was sollte ich denn tun? Hitler und Goebbels konnte ich den Russen
beim besten Willen nicht lebend in die Hände spielen. Durchbringen konnte ich sie
auch nicht, die Bunkerausgänge lagen bereits restlos unter Feindeinsicht ...
Anderseits mußte aber eine
Entscheidung getroffen werden. Ich selbst hatte auch keine Absicht, bei
Nichteinhaltung der Bedingungen in Chuikovs Hände zu fallen, da waren mir bei
aller Freundschaft zu viele Unsicherheitsfaktoren drin. - Greim zitterte am
ganzen Körper und verlor die Nerven; Krebs bestand auf Übergabe. Ich selbst war
mir nicht schlüssig, was zu unternehmen war ...
Fegelein
nahm uns die Entscheidung von selbst ab. Er erhob sich wortlos und öffnete
seine Pistolentasche. Wir waren uns alle klar darüber, was diese Bewegung
bedeutete ... Krebs versuchte, Fegelein in den Weg zu treten - doch gemeinsam
mit Schedle drückte ich Krebs auf seinen Platz zurück. Es gab keine andere
Lösung, als den Dingen jetzt ihren Lauf zu lassen ...
Später hörten wir eine Reihe
von Schüssen. Zunächst saßen wir noch eine ganze Zeit schweigend beieinander.
Keiner hatte das Bedürfnis, Hitlers Räume zu betreten ...
Nach
Ablauf von ungefähr zehn Minuten erhob ich mich als erster. Krebs und Burgdorf
folgten mir sofort.
Im Vorraum lag der Wolfshund
Harras; im Nebenraum fanden wir den Führer in verzerrter Lage über einem Sessel
hängend, Rücken zur Tür; Eva Braun lag auf dem Teppich...
Der
Führer wies drei Einschußstellen im Rücken auf, die stark bluteten. Bei Eva stellten
wir einen glatten Brustschuß fest. Während Krebs zurückblieb, verließ ich mit
Burgdorf die Räume und ging zum Speisedurchgang zurück. Dort berichtete ich den
Anwesenden, was sich zugetragen hatte ... Später bin ich nie mehr in Hitlers
Räume zurückgegangen; ich konnte den Anblick nicht ertragen...
Ein erneuter Schußwechsel ereignete
sich kurze Zeit danach im kleinen Konferenzraum. Wenig später kam Krebs zurück ...
Er war nicht wiederzuerkennen, er raste und hielt die Pistole in der Hand.
Er
stand vor uns und sagte: Auch Goebbels hat er umgelegt, Burgdorf und Schedle
entwaffneten Krebs sofort. Wir hielten ihn nicht mehr für zurechnungsfähig.
Goebbels selbst habe ich nicht
mehr tot gesehen. Schedle hat sich darum gekümmert. Später sagte er mir, daß
er Goebbels im Ausgang zur Neuen Reichskanzlei gefunden habe. Genickschuß...
Im Konferenzraum
lag Fegelein ‑ Krebs hatte ihn in seiner Raserei bereits erschossen ... Sie
können sich vorstellen, wie bedient ich war; ich konnte einfach keine Leichen
mehr sehen. Mir war alles so widerlich!
Als
die russische Feuereinstellung kam, brachen wir durch. Wir trennten uns in zwei
Gruppen: Reitsch und Greim in der einen, Burgdorf, Schedle und ich in der anderen
... Krebs verblieb im Bunker; Burgdorf haben wir unterwegs nicht mehr gesehen.
Ich habe auch keine Ahnung, wo er geblieben sein kann ... Als wir an die
Maschinen kamen, setzte die Reitsch bereits vom Boden ab.
Es war
keine Minute mehr zu verlieren.»
Quelle: Martin Bormann (?)