Augstein würde sich im Grabe umdrehen

Von wegen ”kritische Geister” und ”Würdenträger der Wahrheit” / Ein Aufsatz über den Zustand der Mainstream-Medien



Saarbrücken. (SE) Daß die Medien seit Menschengedenken mit der Obrigkeit verbandelt waren, ist weitläufig bekannt. Daß sie es immer noch sind entgegen aller Selbstdarstellungen und Klimmzüge war noch nie in solcher Brutalität erkennbar wie in den letzten 20 bis 25 Jahren. Sichtbar wird dies beispielsweise in der BILD-Zeitung. Denn nicht für ”das Volk” sondern für Kai Diekmann und seine Verbal-Kanoniere arbeitet inzwischen die Mehrheit der Politiker, und die anderen krümmen sich im Sinne einer verlogenen Demoskopie und bezahlten ”unabhängigen” PR-Meute. Nein, die ”freie Presse” hat keine Aufgabe mehr, allenfalls eine Funktion. Und die ist längst auf dem Tiefpunkt angelangt. Es wird für jedermann augenfällig manipuliert, schöngeschrieben, weggelassen, zerstört oder in die Irre geführt. Intellekt dient oft genug nur als willkommene Fähigkeit, Unwahrheiten glaubhaft zu servieren. Der journalistische Ehrenkodex ist soviel wert wie der deutsche Presserat - nichts. Denn würde er seine Sache auch nur halbwegs gut machen, gäbe es ihn nicht mehr.

Medien, Politik und die werbewillige Wirtschaft schlafen in einem Bett. Den meisten Journalisten der Mainstream-Medien muß man zugute halten, daß sie auch nach 20 und mehr Berufsjahren noch immer nicht begriffen haben, wie der Hase wirklich läuft, denn üblicher- und bequemerweise endet die Einsichtsmöglichkeit in die Zusammenhänge bei der Chefredaktion, die im wesentlichen eine Aufgabe hat: die meist lupenreinen wirtschaftlichen Interessen der Verlagsführung in philosophische Phantasien vom demokratischen Wächteramt der Presse/Medien zu kleiden. Und die Redaktion spielt mit, denn sie hat gar keine andere Wahl - außer Berufswechsel oder Arbeitslosigkeit. - Der nachfolgende Beitrag von Erich Altenburger aus dem österreichischen Langenegg über den Zustand der Medien und insbesondere über den des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL umreißt in der gebührenden Deutlichkeit die Problematik:

Es ist schon ein Skandal. Als reiferer Mensch hat man vieles gesehen und sieht auch manches, was einem nicht gefällt. Jedoch hat man auch gelernt, Geduld zu haben mit vielleicht ”vorübergehenden Fehlentwicklungen”, die sich dann gelegentlich wieder von selbst bereinigen. Aber irgendwann reißt jeder Geduldsfaden. Speziell der Spiegel ist für mich ein echter Stein des Anstoßes, allerdings ist er nur ein Vertreter dieser verbreiteten Spezies von Print- und Onlinemedien.

Schon seit Zeiten Rudolf Augsteins lese ich den Spiegel. Aus purer Begeisterung für kritische Berichterstattung habe ich ihn allen Kollegen und Mitarbeitern immer empfohlen. Obwohl man als bekennender Spiegel-Leser einstmals die Stigmata eines linksintellektuellen Querkopfes aufgebrannt bekam, hat es mich doch nie daran gehindert, ihn auch demonstrativ bei allen Tagungen auf den Tisch zu legen. Ich verdanke Augstein und seinen einst redlich rebellischen Journalisten einen wirklich guten Teil meines Erwachsenwerdens, insbesondere den, nicht alles zu glauben, was in systemkonformen Medien (die gab`s immer schon) zu lesen war. Stets nach dem Motto: Erst mal seh`n, was der Spiegel schreibt!

Zugegeben, es gab nie Zeiten, in denen man alles sagen durfte. Dafür gab es zu allen Zeiten auch legitime Gründe. Aber gerade am Beispiel des Spiegels schmerzt der Verlust des bissigen Untertons, der kritischen Analyse und der mutigen Aufklärung in den Bereichen, die eben grade noch gesagt werden dürfen, nun doch sehr.

Spiegel-Online sollte nun wohl die weitere Verbreitung über ein neues Medium sein - das Internet. Doch speziell Spiegel-Online ist leider zu einem profillosen Mainstream-Medium geraten, welches nur noch geschmeidige, gefärbte und lackierte Wohlgefälligkeitstexte - politisch gewollte Unterschichteninfos - verbreitet. Selbst sein Konkurrent ”Focus”, den ich stets als Bilderbuch für Erwachsene bezeichnet habe, versucht zumindest gelegentlich, so etwas wie Courage durchscheinen zu lassen, und sei es nur durch minimale Zensur in seinen Foren. Doch selbst Letzteres ist von Spiegel-Online schon zuviel verlangt, denn die dulden nachweisbar in ihren Foren ja nur konforme Beiträge. Ja, sogar bereits erschienene Beiträge auf deren Seiten werden urplötzlich umgeschrieben und ”versehentlich” kritische Untertöne entfernt. Doch eines gilt immer und somit auch für den Spiegel: Man profiliert sich nicht, indem man glatt wird!

Wo sind sie hin, die Zeiten eines Rudolf Augstein, der mit seinem Magazin Spiegel stets herausragte aus der sonstigen Riege der willfährigen Medienlakaien und der sich als Aufklärer verstand über die Machenschaften der Mächtigen? Natürlich hat es ihm immer wieder jede Menge Ärger eingebracht, aber auch hohes Ansehen und Respekt. Dieser Mann hatte Rückgrat, und er zeigte es. Seine Unnachgiebigkeit und Unbestechlichkeit waren der Grundstein seines Erfolges. Wo ist sein geistiges Erbe? Es ist verschwunden wie jede Erbmasse, die unter einer dummen und gierigen Erbengemeinschaft zerhackt und verteilt wird. Sein Magazin existiert zwar noch dem Namen nach, aber es steht geistig unter ”Fremdverwaltung”, uninspiriert und nur kritisch gegenüber den politisch aktuell gewünschten Feindbildern.

Augstein würde sich im Grabe umdrehen, wenn er sehen könnte wie aus seinem Magazin und dessen Online-Variante ein hirnamputiertes Medium geworden ist, maßgeschneidert auf die - übrigens stetig abnehmenden - Mitglieder einer als allgegenwärtig und ewig andauernd vermuteten Spaßgesellschaft.

Das rote Cover spiegelte den Zorn und die Aggression Augsteins wieder. Heute gibt es für diese Farbe keine Erklärung mehr, und es wäre zu weit hergeholt, zu vermuten, dass es dem Umschlag selbst aufgrund des Inhalts die Schamesröte aufs Papier triebe.

Gerade die allgemeinen Mainstream-Medien sollten mit der Altersstruktur in Deutschland vertraut sein. Für welche Leserschichten glauben deren - von raffgierigen Anteilseignern bestellte - Marketingjüngelchen diese Machwerke zu stricken? Halten diese Leute alle über Fünfzigjährigen für eine Altersbrot mümmelnde, senile und verarmte Störung ihrer kindischen Konsumentenphantasien? Einige von uns haben mehr gelernt, gesehen und erfahren als eine komplette Runde an Redakteuren dieser Sorte.

Allen Mainstream-Redakteuren der schleimenden Zunft sei gesagt: Wie bodenlos arrogant, unendlich selbstgefällig, grenzenlos oberflächlich, kurzsichtig, charakterlos und dumm muss man sein, um diesen offenkundigen Mist an verfälschter Berichterstattung dem Leser als ”Journalismus” aufzutischen. Es schlägt dem Faß die Krone ins Gesicht, dass ihr euch dabei noch aufplustert als kritische Geister und Würdenträger der Wahrheit. Waren frühere Werbeagenturen als dreiste Berufslügner verschrieen, so habt ihr sie darin himmelhoch übertroffen! Gegenüber euren ”Exemplaren” ist ein Aldi-Prospekt im Briefkasten ein regelrechtes Wahrheitsmanifest.

Verblendet wie sie sind, merken sie nicht einmal, dass ihnen schon lange kein ernsthafter Zeitgenosse mehr etwas glaubt. Die einzigen die ihnen noch was glauben, sind die unbelehrbaren Anzeigenkunden die deren ”Medienprofilen” auf den Leim gehen. Aber auch das wird immer weniger. Abgesehen von den Kunden, die mit den medialen Anteilseignern golfen gehen. Wem wollen diese Anzeigenkunden was verkaufen? Doch wohl denen, die noch Geld haben und es ausgeben wollen, und die wiederum können gar nicht so doof sein wie diese Redakteure glauben, sonst hätten sie schon längst keines mehr.

Wer sitzt denn in Deutschland auf dem meisten Geld? Das sind überwiegend die Alten (ein Blick in die Vermögensstatistiken belegt dies). Doch wer mit Erfolg in die vollen Geldtöpfe der Alten greifen will, der sollte sie überzeugen und nicht für blöd verkaufen wollen. Für diese Gilde der Wirbellosen gilt im erweiterten Sinn der Satz von Lee Iacocca (Jahrgang 1924, amerikanischer Topmanager): ”Der Mensch, der gar nichts liest, ist besser informiert als derjenige, der nur Zeitung liest.”

Wie war doch gleich die Finanzierung beim Printmedium? Aus den Anzeigeneinkünften finanziert sich der Druck, alle Unternehmenskosten und der Gewinn. Der Verkaufspreis deckt nur den Transport zum ”Point of sale” - also Zeitungsstand -, die Provision des Zeitungsverkäufers und die Entsorgung nicht verkaufter Exemplare (Remittenden) = Altpapier. Eigentlich kauft der Leser einen zusammengewürfelten Werbeprospekt als Gemeinschaftswerk unterschiedlicher Anbieter, wobei die Redaktion die ”Koordination” übernimmt und die dann noch verbleibenden weißen Flächen mit Banalem, Sinnlosem oder Unwahren füllt. Sagt der Vertrieb diesen Leuten eigentlich nicht, wieviel von ihrem anzeigenüberfrachteten Printmüll sie zunehmend ungekauft von den Zeitungsständen wieder abholen müssen? Warum krepiert denn eine nach der anderen von diesen journalistischen ”Dreckschleudern”? Nun, vielleicht auch deshalb, weil der Inhalt dieser Postillen weder irgendeinen Kaufpreis oder gar die Mühe des nach Hause tragens rechtfertigt. Nein? Weshalb dann? Ach ja, wegen dem Internet, ich vergaß dieses verbrauchte Argument. Die Bäume werden sich freuen, muss man doch bei diesem Medium kein Altpapier zurücknehmen.

Ich bin heilfroh über die Existenz des Saar-Echo. Wie wohltuend ist diese Form von Journalismus wieder, dass ich das noch erleben darf! Aber im Ernst: es vergeht, seit ich das Saar-Echo entdeckt habe, kein Tag, an dem ich nicht reinklicke und mich jeden Tag aufs Neue freue über den Mut, die präzise Recherche und den erkennbar mit Begeisterung und Wonne betriebenen Journalismus. Ich hoffe von Herzen, Sie werden so weitermachen. . .

 

Quelle: www.saar-echo.de